Nachruf auf Bibliothekar Klaus Nöller (1957–2024)
Am 20. März 2024 verstarb völlig überraschend Klaus Nöller (1957–2024), der seit 1997 Bibliothekar am Museum Kurhaus Kleve gewesen ist und Wertvolles – wie kein Zweiter – für die Sammlung des städtischen Klever Museums geleistet hat. Durch diesen Nachruf soll seinen großartigen Leistungen im Bereich der Sammlung sowie seinem liebenswürdig-eigenwilligem Charakter gedacht werden.
Klaus Nöller studierte Ingenieurswesen in Köln, konnte einen Beruf wegen einer frühen schweren Erkrankung jedoch nie ausüben. Als ihn der Gründungsdirektor des Museum Kurhaus Kleve, Guido de Werd, bei der Ausübung einer für sein Können nicht angemessenen Maßnahme des Arbeitsamts im Rathaus der Stadt Kleve kennenlernte, erkannte er seiner wachen Verstand, seinen Humor und seine Fähigkeiten. Glücklicher Weise war es ihm möglich, ihn in das städtische Museum zu holen. Dort wurde Klaus Nöller eingangs noch durch die Stadt Kleve beschäftigt, danach – da Guido de Werd seine Leistungen für die Sammlung honorierte – wurde seine Anstellung jahrzehntelang durch den Freundeskreis Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. fortgeführt.
Im neu gegründeten Klever Museum übernahm Klaus Nöller die Stelle des Bibliothekars, in der neu von Walter Nikkels gestalteten Bibliothek im zweiten und dritten Obergeschoss des Gebäudeteils Badhotel. Hier entwickelte und realisierte er zusammen mit Guido de Werd und vor allem Roland Mönig (von 1997 bis 2014 u.a. stellvertretender Museumsdirektor und Kustos der Sammlung) eine bis heute gültige Inventarverwaltung, die u.a. alphabetisch sortierte Künstler*innen-Namen und vielschichtige Themengebiete enthält (z.B. nach Gattungen wie Gemälde, Photographie oder Kunstgewerbe sortiert; oder nach Zeitalter wie Mittelalter, Barock oder Bauhaus; topographisch gegliedert und vieles mehr).
Hier erfasste Klaus Nöller in den Jahren seiner Tätigkeit 45.000 Bücher – mehr Datensätze, als jede/r andere Mitarbeiter*in bislang inventarisiert hat.
Dabei hat Klaus Nöller u.a. präzise Buchtitel, Künstler*innen- und Autor*innen-Namen, Erscheinungsort und -jahr sowie Verlag erfasst. Ohne diese essentielle Tätigkeit wären die Wissenschaftler*innen des Museum Kurhaus Kleve nicht in der Lage, ihrer Arbeit fachkundig nachzugehen, zu recherchieren und kunsthistorische Forschung zu betreiben.
Um welche Bücher handelte es sich dabei? Klaus Nöller inventarisierte sämtliche Katalogneuerscheinungen beider Klever Museen – des Museum Kurhaus Kleve als auch des B.C. Koekkoek-Hauses, die er u.a. auch immer direkt bei der Deutschen Nationalbibliothek meldete und auch unaufgefordert dorthin versandte. Er führte die ISBN und die Nummern der Schriftenreihe Museum Kurhaus Kleve und half dem Freundeskreis auch beim Versand der Museumskataloge, die von Privatleuten bestellt wurden und per Post verschickt werden mussten. Er erfasste auch alle Kataloge dem Klever Museum verbundener Künstler*innen und weiterer Personen, von denen jede Woche unzählige Exemplare im Museum eintreffen.
Klaus Nöller kümmerte sich auch jahrzehntelang um den professionellen sogenannten „Schriftentausch“, bei dem er sich um den kostenlosen Tausch von Fachpublikationen zwischen Museen, Bibliotheken und Lehr- und Forschungsinstituten handelt, wofür i.d.R. ein großer Aufwand an Kommunikation und Schriftverkehr notwendig ist.
Klaus Nöller erfasste auch komplette Bibliotheken, die dem Museum und seinem Freundeskreis aus Nachlässen und Vermächtnissen zugedacht wurden. Dazu gehörten u.a. die bedeutende Sammlung an alten Büchern von 1500 bis 1900 von Robert Angerhausen, aber auch die Bibliothek von Ewald, Hanna und Sonja Mataré, die Bibliothek von Alex Vömel, die Bibliothek von Bernd Füchte, die Bibliothek von Gerard Lemmens und nicht zuletzt die Bibliothek von Rose und Gustav Wörner, für die Klaus Nöller 2018 in einer konzentrierten Aktion mit weiteren Museumsmitarbeiter*innen und Ehrenamtlichen des Freundeskreises die komplette Bibliothek des Museum Kurhaus Kleve umräumen musste (damals ca. 15 Tonnen an Büchern).
Als 1997 die Museumsdatenbank „Faust“ eingeführt wurde, war es Klaus Nöller, der alle zuvor von Friedrich Gorissen und Guido de Werd handschriftlich verfassten Inventarkarten in das neue digitale System abtippte. Als die Datenbank 2006 von „Faust“ auf „MuseumPlus Classic“ wechselte, war es Klaus Nöller, der sie für die neuen Formularfelder anpasste. Als 2015 die Notwendigkeit der Permanentinventur im Museum Kurhaus Kleve ankam, war es Klaus Nöller, der zusammen mit Valentina Vlašić jedem städtischen Kunstwerk eine Anlagenummer des SAP-Systems hinterlegte. Als Valentina Vlašić 2020-2021 die Sammlungswebsite des Museum Kurhaus Kleve finalisierte, war es Klaus Nöller, der dafür sorgte, dass tausende Datensätze an Literatur fristgerecht unter jedem online abrufbaren Kunstwerk verfügbar waren.
In den 1990er und 2000er Jahren war es Klaus Nöller, der akkurat für jede einzelne Ausstellung Pressemappen zusammenfügte und kopierte, die anschießend problemlos an Fördermittelgeber zum Ausweiß der Tätigkeiten versandt werden konnten. Er führte ein Zeitschrifteninventar und legte jeden Lexikonband (vom Thieme-Becker über SAUR – Lexika aller Zeiten und Völker) geflissentlich an. Bis zum letzten Augenblick realisierte er für jede Ausstellung, zu der ein Katalog erschienen war, den Katalogversand an Leihgeber*innen, Fördermittelgeber*innen und die Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst. Jede ihm zugedachte Arbeit hinter den Kulissen, die meistens kein Dankeschön erhielt oder keine öffentliche Wahrnehmung besaß, realisierte er akkurat und ohne zu murren.
Klaus Nöller war ein Klever Sohn, der entfernte Familie in Emmerich besaß, zu der er jedoch kaum Kontakt hielt. Die Kolleg*innen im Museum Kurhaus Kleve waren wie eine Ersatzfamilie für ihn – und er für sie. Bei jeder Betriebsfeier, egal, ob Weihnachtsfeiern oder Geburtstagsessen, fand er sich in ihrer Mitte ein und war unverzichtbarer Bestandteil und gern gesehener Teilnehmer. Er hörte gerne jedwedem Schwatz aus seinem beruflichen Umfeld zu, verlor jedoch selbst nie ein Wort zu viel über sich selbst – außer, wenn es um seine große Leidenschaft, den Fußball ging. Hier kommentierte er mit großem Witz und Ironie die Siege und Verluste kürzlich stattgefundener Spiele. Er kam nicht zu allen Ausstellungseröffnungen, doch wenn er erschien, war es für die Museumsmitarbeiter*innen – augenzwinkernd – wie ein royaler Adelsschlag für deren monatelange Vorbereitungen.
Obwohl er nicht viel besaß, brachte er an jedem 12. Juni, zu seinem Geburtstag, für die komplette Belegschaft Erdbeerkuchen mit Sahne mit, wozu er seine Kolleg*innen immer pünktlich um 10 Uhr zum gemeinsamen Verzehr zusammentrommelte. Da er kein Auto besaß, erledigte er diesen Einkauf immer zu Fuß, bei jedwedem Wetter und trotz seiner schweren Erkrankung. Unvergessen bleibt sein stets langsamer, geradezu gemütlich erscheinender Gang, wenn man ihn mal auf der Straße sah und/oder traf. Er wirkte immer, als sei er völlig frei und würde ohne Hast über einen Strandboulevard spazieren, und nicht schnellen Schrittes an einer viel befahrenen Straße zur Arbeit marschieren.
Klaus Nöller arbeitete nur zwei Tage die Woche, montags und mittwochs, jeweils von 8.30 Uhr bis 15.00 Uhr. Zeitlebens kam er keine Sekunde zu spät zur Arbeit. Urlaubs-, Krankheits- oder sonstige Abwesenheitszeiten kannte er so gut wie nicht, da das Museum seinen einzigen Sozialkontakt darstellte. Man konnte immer auf ihn zählen und er lehnte nie eine Arbeitsaufforderung ab. Auch wenn die Zeiten fordernd und anspruchsvoll waren (wie z.B. während der Jahre mit dem Corona-Virus), war Klaus Nöller eine Konstante, ein Fels in der Brandung. Obwohl er zeitlebens krank und sozial schwach aufgestellt war, beschwerte er sich nie und verlor nie ein schlechtes Wort über seine Mitmenschen und Kolleg*innen.
Wir werden ihn vermissen, für seine Arbeit und ihn als Menschen, und seiner in Freundschaft gedenken. Die Arbeit, die er für das Museum geleistet hat, ist unanfechtbar und sucht ihresgleichen.
[verfasst von Valentina Vlašić, stellvertretend für die Mitarbeiter*innen des Museum Kurhaus Kleve]