Franka Hörnschemeyers „Oszilloskop“: Erwerbung eines skulpturalen Höhepunkts für die Sammlung
Mit ihrer Arbeit „Vermutung 722“ war sie einer der absoluten Höhepunkte der großen Jubiläumsausstellung „Schatzhaus und Labor. 25 Jahre Museum Kurhaus Kleve“, die vom 23. Juli 2022 bis 29. Januar 2023 zu sehen war und für Furore sorgte. Dank der essentiellen Unterstützung des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen, der Förderstiftung Museum Kurhaus Kleve und des Freundeskreises Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. glückte dem Museum Kurhaus Kleve nun im Nachhall die Erwerbung einer eindrucksvollen, raumgreifenden Arbeit von Franka Hörnschemeyer, die einen neuen skulpturalen Höhepunkt für die Sammlung bilden wird.
Die Bildhauerin und Professorin Franka Hörnschemeyer (1958 geboren in Osnabrück, lebt und arbeitet in Berlin) erforscht in ihrer Arbeit die Bedeutung, Funktionsweise und Materialität von Raum. Meist nutzt sie für ihre bildhauerischen Werke industriell gefertigte Baumaterialien. Neben Raumkonstruktionen und Skulpturen entstehen auch Photographien, Videos und Zeichnungen.
Zu ihren wichtigsten Arbeiten in musealen Sammlungen und im öffentlichen Raum zählen u.a. „Discrete Case II.“ (2011) in der Dresdner Skulpturensammlung, „Trichter“ in Dresden (2011), und „BFD – Bündig Fluchtend Dicht“, eine labyrinthische Rauminstallation, die Hörnschemeyer zwischen 1998 und 2001 für einen der Höfe im Paul-Löbe-Haus des Deutschen Bundestages konzipierte. In Nordrhein-Westfalen ist Franka Hörnschemeyer als Künstlerin und durch ihre Professur an der Kunstakademie Düsseldorf seit dem Jahr 2015 in besonderer Weise präsent.
Hörnschemeyers Werk widmet sich der tiefgreifenden Erforschung von Raum, seiner Struktur, Geschichte und Materialität. In ihren Raumkonstruktionen bildet die Bewegung der Betrachtenden ein zentrales Moment, da räumliche Strukturen nur aus unterschiedlichen Perspektiven umfassend wahrzunehmen sind. Jede Erfahrung des Raums ist damit gleichzeitig eng mit der Dimension der Zeit verknüpft.
Der Mensch und sein Körper in Relation zum Raum sind für Franka Hörnschemeyers Ansatz zentral: „Meine Ideen kreisen um die Beziehungen vom Menschen zum Raum und vom Raum zum Menschen. Mich interessiert alles, was ich mit meinen Raumvorstellungen koppeln kann. Deshalb reflektiere ich auch Theorien, die mit soziologischen, historischen und philosophischen Fragestellungen zu tun haben. In meiner Arbeit entwickle ich architektonische Konstruktionen, die ich als Systeme verstehe und in denen sich Gegenwart, Geschichte und Zukunft ineinander verschränken.“
Die neue Arbeit für die Sammlung des MKK, „Oszilloskop“ (2014), konzentriert sich in besonderer Weise auf Fragen nach Raum und Zeit, deren „untrennbare Verwobenheit“ Hörnschemeyers Œuvre in vielen Facetten ins Bild rückt. Es nimmt eine Sonderstellung ein, denn in keinem anderen ihrer Werke findet die Auseinandersetzung der Künstlerin mit dem Begriff der „Grazie“ so deutlichen Ausdruck. Der Aufsatz „Über das Marionettentheater“ von Heinrich von Kleist ist in diesem Zusammenhang ein zentraler Text für das künstlerische Verständnis von Hörnschemeyer.
„Oszilloskop“ bewegt sich aus ihrem Mittelpunkt heraus. Die Bewegungsimpulse, die die Flügel aus Aluminium-Wabenverbundplatten in eine überraschend anmutige Bewegung versetzen, werden – einzigartig innerhalb Hörnschemeyers Werk – von einem Motor gesteuert, den die Künstlerin spezifisch für den jeweiligen Ort programmiert. Raumgreifend sind nicht nur die Flügel der Skulptur, sondern auch die Geräusche, die sie produzieren. Ein unregelmäßiges Klackern begleitet die Bewegungen und wirkt emotional und unmittelbar auf die Betrachtenden ein. Die Skulptur bietet demnach im Rahmen der Museumsarbeit das Potential, als Teil der Sammlung in verschiedenen, immer neuen Raumsituationen seine Wirkung zu entfalten. Die starke Verbindung zwischen Mensch, Skulptur und Raum im weitesten Sinne steht exemplarisch für das künstlerische Werk von Franka Hörnschemeyer.
Bei der Sammlung des Museum Kurhaus Kleve liegt ein besonderer Schwerpunkt auf künstlerischen Positionen, die im Zusammenhang mit der Kunstakademie Düsseldorf stehen, zum Beispiel Künstler*innen, die dort studiert haben, u.a. Thomas Schütte und Michael van Ofen, oder Professor*innen wie Katharina Fritsch. Franka Hörnschemeyer stellt hier eine sinnvolle Ergänzung und Kontinuität dar.
[Verfasst von Prof. Peter Gorschlüter, Direktor des Museum Folkwang, Essen; für die Sammlungswebsite des MKK leicht angepasst durch Valentina Vlašić]
