Restaurierung von 33 Gipsentwürfen von Ewald Mataré (1887–1965)
Von 2023 bis 2025 fand ein groß angelegtes Restaurierprojekt von 33 Gipsentwürfen von Ewald Mataré (1887–1965) statt, das zu hundert Prozent durch die Kulturstiftung der Länder finanziert und somit möglich gemacht wurde. Das im Museum Kurhaus Kleve – Ewald Mataré-Sammlung durch Valentina Vlašić initiierte und organisierte Projekt wurde von Restauratorin Miriam Hennessy Romen-Naegel aus Emmerich am Rhein fachkundig und fristgerecht realisiert und umgesetzt.
Hintergrundinformationen zum Restaurierungsprojekt
Alle zu restaurierenden Objekte stammen aus dem Atelierhaus des Künstlers Ewald Mataré (1887–1965) an der Dückersstraße 10 in Meerbusch-Büderich, wo sie zeitlebens von Sonja Mataré, der Tochter des Künstlers, verwahrt wurden. Als diese am 7. Oktober 2020 im Alter von 93 Jahren verstarb, machte sie ihren langjährigen Weggefährten – den Gründungsdirektor des Museum Kurhaus Kleve, Guido de Werd, der den ersten Teil der „Ewald Mataré-Sammlung“ bereits 1988 nach Kleve holte – zu ihrem Alleinerben. Dieser machte der Stadt Kleve 2021/2022 eine fulminante Schenkung, indem er dieser nicht nur ca. 900 Werke von Ewald Mataré übergab, sondern u.a. auch Archivalia und Originalutensilien des Ateliers (siehe dazu auch ->hier). Darunter befanden sich auch ca. 150 Gipsobjekte von Ewald Mataré, von denen 33 stark restaurierungsbedürftig waren.
Sonja Mataré gewährte zeitlebens keinen Zugang zu diesem Konvolut. Die Lagerung im Atelierhaus fand unter konservatorisch nicht empfehlenswerten Bedingungen statt. Eine gründliche Aufarbeitung des Bestands und Restaurierung der beschädigten Objekte war somit erst nach ihrem Tod 2020 möglich. Die Finanzierung erfolgte durch die Kulturstiftung der Länder, die die wichtige Maßnahme durch ihre maßgebliche Unterstützung überhaupt möglich machte.
Zum Künstler und seinem Materialgedanken
Ewald Mataré gehört zu den bedeutendsten Künstler*innen der Klassischen Moderne in Deutschland, dessen Werk in einem Atemzug mit dem von u.a. Kollwitz, Barlach, Freundlich, Belling, Marcks, Sintenis genannt wird.
In seiner Kunst spielte Materialität eine wichtige Rolle. Er hat Skulpturen vor allem in Holz, Bronze, Stein und Gips gemacht. Jeder Werkstoff verfügte bei Mataré über einen eigenen Charakter und eignete sich für bestimmte Skulpturen. Das Material verhilft zum vollständigen „Be-greifen“ einer Skulptur, so Matarés Ansicht. Der Sehsinn allein war nicht ausreichend, die Skulptur sollte auch ertastet werden, erfahrbar sein.
Jede künstlerische Idee realisierte Ewald Mataré zuerst in Holz, und bei diesem präferierte er kostbare Materialien, z.B. Tropenhölzer. Durch den Guss mehrerer Stückzahlen in Bronze und den Verkauf bestritt er seinen Lebensunterhalt und den seiner Familie.
Um vom Holz zur Bronze zu gelangen, fertigte er Entwürfe in Gips und Ton sowie Gussmodelle. Da Holz und Gips seinem Verständnis nach oft unerwünschte Bearbeitungsspuren aufwiesen (fragile Teile wie Hörner und Beine brachen ihm oft ab, die er wieder leimen musste), besaßen die Werke in diesen Materialien für ihn einen minderen Stellenwert. Sein bevorzugtes Material war Bronze.
Aus heutiger Sicht stellen die Werke in Holz und Gips die größeren Kostbarkeiten dar, die für unsere Sichtweise auf die Werke Ewald Matarés neue Erkenntnisse liefern. Bronzeoberflächen verändern im Vergleich zu Hölzern und Gipsen die Wahrnehmung, sie gaukeln Perfektion vor, wo diese ursprünglich nicht vorhanden war. Da von mehreren Bronzen Matarés heute keine Holzunikate mehr existieren, stellen Gipsentwürfe die ursprünglichste Intention des Künstlers dar. Die Gipsoberflächen geben das für Mataré derart wichtige Wechselspiel von Farbe, Form, Plastizität und Oberfläche völlig anders wider als dies bei vermeintlich „perfekten“ Bronzen der Fall ist. Zudem wirken Skulpturen in Gips – im Gegenteil zu denen in Bronze – fragil und vergänglich.
Materialbesonderheit
Gips (CaS04.2H2O) ist ein schnell abbindendes Material, das chemisch als Calciumsulfat-Dihydrat bezeichnet wird. Beim Erhitzen verliert es Wasser und bildet Kalziumsulfat-Halbhydrat, das der Hauptbestandteil von Gips ist.
Gips ist ein sehr poröses Material und kann daher sehr viel Feuchtigkeit aufnehmen. Da die meisten dieser Gipskonstruktionen eine Eisenarmatur als Unterkonstruktion haben, hat sich an einigen von ihnen aufgrund von Klimaschwankungen bereits Rost gebildet, der sich ausdehnen und den darüber liegenden Gips zerstören kann.
Aus diesem Grund ist es üblich, den Gips mit einer Firnisschicht (Schellack) zu beschichten, um den Gips zu versiegeln und zu schützen.
Schadensbild
Die Problemstellungen an den 33 Gipsfiguren von Ewald Mataré waren wie folgt:
- Die Objekte befanden sich in einem schlechten Zustand.
- Sie waren mit Schmutz und Staub bedeckt.
- Sie wiesen Risse bis zu vollständigen Abbrüchen auf.
- Einzelne Objekte wiesen Metallkonstruktionen im Inneren auf, die verrostet waren und schwere Brüche verursacht haben, die dazu führten, dass sie in einigen Fällen in mehrere Stücke zerbrochen sind.
- Die Oberflächen einiger Objekte wiesen Kratzer und kleine Abplatzungen auf, die als weiße Flecken den Gesamteindruck stören.
- Bei einigen Objekten war der Silikon/Kautschuk noch in den Bruchstellen vorhanden. Diese Bruchstellen waren auf den Herstellungsprozess der Gussform zurückzuführen. Das bei der Herstellung der Formen verwendete Silikon/Kautschuk hat seine Elastizität verloren und zerfiel. Bei manchen Objekten begannen am Silikon/Kautschuk Weichmacher auszutreten.
- Vor jedem Eingriff wurde eine gründliche Untersuchung des Kulturguts durchgeführt und entsprechende Aufzeichnungen erstellt. Dazu gehörte eine Beschreibung der Struktur, der Materialien, des Zustands und ggf. der relevanten Geschichte.
- Die 33 Objekte wurden umfassend dokumentiert, ein Behandlungsplan wurde entwickelt, der Behandlungsplan wurde im Hinblick auf die ethische Konservierungspraxis durchgeführt und schließlich wird die korrekte Lagerung festgelegt.
- Die Behandlung jedes Objekts erfolgte individuell, z.B. auf das Alter des Materials und jeweiligen Schäden bezogen. Einige Objekte wiesen Rost auf, Schimmelbildung, Rissbildung. Jedes Objekt wurde studiert und dokumentiert sowie einer Stichprobe von Tests unterzogen.
- Es wurden Trockenreinigungsverfahren zur Behandlung der Oberflächen vorgenommen sowie organische als auch chemische Restaurierungspläne und die entsprechenden Materialien und Pflege erstellt.
Plan
Die 33 Objekte waren in einem z.T. stark beschädigten und nicht ausstellbaren Zustand. Sie wurden im Vorfeld vom Schadensgrad in 3 Kategorien eingeteilt:
- Oberflächenreinigung und Befestigung loser Teile.
- Oberflächenreinigung und Rekonstruktion, Behandlung kleinerer Schäden.
- Oberflächenreinigung und Rekonstruktion sowie umfassende Restaurierung größerer Schäden.
Maßnahmen
Bei Kategorie 1:
- eingehende Prüfung der Objekte zur Beurteilung der genauen Behandlung.
- trockene Oberflächenreinigung mit Hepafilter-Staubsauger und Pinsel.
- Entfernung der Fremdpartikel in den Unterschnitten und Vertiefungen.
- Niederlegung kleiner Ausbruchstellen mit Evacon-R.
- Retusche der Fehlstellen mit Gouachefarben.
- leichtes Polieren der Oberfläche.
- photographische und schriftliche Dokumentation.
Bei Kategorie 2:
- eingehende Prüfung der Objekte zur Beurteilung der genauen Behandlung.
- trockene Oberflächenreinigung mit Hepafilter-Staubsauger und Pinsel.
- Entfernung der Fremdpartikel in den Unterschnitten und Vertiefungen.
- Niederlegung kleiner Ausbruchstellen mit Evacon-R.
- Rost: Behandlung mit EDTA-Lösung 3% bei anschließender Nachreinigung mit H2O; Konsolidierung mit Paraloid-B 72%.
- Festigung der Fehlstellen und lockeren Teile.
- Retusche der Fehlstellen mit Gouachefarben.
- leichtes Polieren der Oberfläche.
- photographische und schriftliche Dokumentation.
Bei Kategorie 3:
- eingehende Prüfung der Objekte zur Beurteilung der genauen Behandlung.
- trockene Oberflächenreinigung mit Hepafilter-Staubsauger und Pinsel.
- Entfernung der Fremdpartikel in den Unterschnitten und Vertiefungen.
- Oberflächenreinigung mit einer Natrium-Citrat-Lösung 3%.
- Niederlegung kleiner Ausbruchstellen mit Evacon-R.
- Rost: Behandlung mit EDTA-Lösung 3% mit anschließender Nachreinigung mit H2O, Konsolidierung mit Paraloid-B 72%.
- Festigung der Fehlstellen und lockeren Teile.
- mit Dübeln und Kalkputzkitt gebrochene Teile wieder verbinden.
- Neu-Kittung und Strukturierung der Fehlstellen mit Kreide-Kitt.
- Retusche der Fehlstellen mit Gouachefarben.
- leichtes Polieren der Oberfläche.
- photographische und schriftliche Dokumentation.
Die Eingriffe wurden nach den heutigen Grundsätzen der Konservierung vorgenommen und zielten darauf ab, alle Objekte sowohl zu erhalten als auch sie der visuellen Intention aus der Sicht des Künstlers anzunähern. Die Konservierung war erforderlich, um die jeweiligen Strukturen wiederherzustellen und die Oberflächen vor weiteren Schäden zu schützen.
Ergebnis
Die Einheit der Skulpturen wurde wiederhergestellt, so dass diese künftig wieder ausstellungsfähig sind. Ein Großteil der Arbeiten wurde bereits in der Retrospektive „Ewald Mataré: KOSMOS“ (27.10.2024 – 09.03.2025) im Museum Kurhaus Kleve aufgenommen und somit erstmals überhaupt der Öffentlichkeit präsentiert.
Eine leichte Wachsschicht wurde jeweils angebracht, die die Oberflächen vor weiteren Schäden schützt. Für jedes Objekt wurde ein Restaurierungsbericht erstellt, der nicht nur die vorgenommene Maßnahme dokumentiert, sondern auch als Anhaltspunkt für weitere Nachforschungen dienen kann.
[verfasst von Miriam Hennessy und Valentina Vlašić; online gestellt von Valentina Vlašić]