Neuerwerbung des Diptychons „nemen / justis“ (2015) der Malerin Pia Fries

Mehrere Werkgruppen von Pia Fries (*1955 Beromünster) waren 2017/2018 Teil der Ausstellung „Hendrick Goltzius und Pia Fries: Proteus und Polymorphia“ im Museum Kurhaus Kleve, wo sie den Kupferstichen des manieristischen Meisters Hendrick Goltzius (1558-1617) gegenübergestellt waren. Mit der Unterstützung der Kunststiftung NRW, der Irene Zintzen Stiftung, der Volksbank Kleverland eG und den Stadtwerken Kleve GmbH. ist es dem Freundeskreis Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. gelungen, das Diptychon „nemen / justis“ (2015, Ölfarbe auf Siebdruck auf Holz, jeweils 200 x 140 cm) aus dieser Ausstellung für die Sammlung des Museum Kurhaus Kleve zu erwerben.

Das Diptychon von Pia Fries widmet sich der berühmten Kupferstichfolge der „Vier Himmelsstürmer“ von Hendrick Goltzius. Die Künstlerin integriert in ihre Gemälde Goltzius’ Druckgraphiken mithilfe einer druckgraphischen Technik, indem sie die Kupferstiche per Siebdruck auf ihre Maloberfläche aufträgt. Beide Künstler thematisieren das Fallen. Goltzius schuf definierte Männerkörper, kraftvoll und ansehnlich, mit ausgearbeiteten Muskelpaketen, die um ihre eigene Achse wirbelnd vom Himmel hinabstürzten. Pia Fries potenziert das Thema des Fallens durch malerische Mittel, durch Mittel der Aussparung und Beschränkung. Sie vermeidet für gewöhnlich eine vollständige Übertragung seiner Motive mithilfe des Siebdrucks und konzentriert sich vielmehr auf partielle, vielsagende Bereiche – gestreckte Leiber, gespreizte Beine, wehende Haare – und kreiert an ihm orientierte, jedoch völlig neue Kompositionen. Pia Fries interpretiert und verstärkt Goltzius’ künstlerischen Impuls, Körper in einem Sog wirbelnder Abwärtsbewegung zu zeigen, durch reine Malerei. Sie vollzieht eine Auflösung der bei Goltzius noch vorhandenen Form, in der sich dick aufgetragene Farbschlieren in- und übereinanderschlingt und zu ineinander verkeilten Wulsten und Strudeln verwebt. Sie lässt winzige Ausschnitte von Goltzius’ Fallenden aufblitzen, um sie schließlich in einem Wirbel aus Farben in eine imaginäre Tiefe zu reißen. Überaus nuanciert setzt Pia Fries Leerflächen, um den Blick des Betrachters schließlich auf die mit Farbschichten verflochtenen Körper zu lenken.

Es handelt sich um die ersten Werke von Pia Fries in der Sammlung des Museum Kurhaus Kleve.

[Valentina Vlašić]

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Ein verborgener Schatz aus dem Depot: die Karte der „Fossa Eugeniana“ (1627) von Michael Floris van Langeren

Die „Fossa Eugeniana“ sollte zu einem für die Region historisch außerordentlich relevanten Zeitpunkt entstehen: Philipp II. (1527-1598), der die Herrschaft über die siebzehn Provinzen der Niederlande von Karl V. (1500-1558) erhalten hatte, konnte die Macht seines Vaters nicht fortführen. U.a. durch die Einführung fester Abgaben, die beginnende Reformation und den Bilderstreit kam es zum Ausbruch des „Achtzigjährigen Krieges“ der Niederländer gegen die Spanier. Die nördlichen Niederlande, die zur Republik der Sieben Vereinigten Provinzen wurden, trennten sich vom spanisch besetzten Südteil.

Als Philipp II. einsah, dass die rebellierenden Provinzen nicht zum Gehorsam gezwungen werden konnten, trennte er die Niederlande von der spanischen Krone, die er schließlich als Brautgeschenk an seine Tochter Isabella Clara Eugenia (1566-1633, die Namensgeberin der „Fossa Eugeniana“) übergab. Sie heiratete 1598 Erzherzog Albert von Österreich, der sich um einen Waffenstillstand bemühte, der schließlich von 1609 bis 1621 währte und zu einer kurzen Blüte führte. Als Albert 1621 starb und ihre Ehe kinderlos geblieben war, fielen die Niederlande wieder an Spanien und den jungen, kriegsorientierten König Philipp IV. (1605-1665) zurück. Er setzte Isabella als Statthalterin der spanischen Krone in den Niederlanden ein. Isabella wusste, dass die niederländische Republik militärisch nicht zu besiegen war, wodurch sie die Haupteinnahmequelle des Nordens, den Außenhandel, zu unterbinden versuchte. Sie plante einen Wirtschaftsboykott, indem sie u.a. unter Mithilfe des Oberbefehlshabers der spanischen Truppen in den Niederlanden, Ambrosio Spinola (1569-1630), den Bau eines mächtigen schiffbaren Rhein-Maas-Schelde-Kanals beauftragte, der den bisherigen niederländischen Rheinhandel abschneiden und durch spanisch besetztes Gebiet umleiten sollte.

Nach längeren Verhandlungen sollte die endgültige Trasse zwischen den befestigten Städten Rheinberg und Venlo als Kanalendpunkten führen. Geldknappheit, Winter- und Kälteeinbrüche sowie feindliche Überfälle der nördlichen Generalstaaten, die die geplante Maßnahme der Spanier ausspioniert hatten, verzögerten bzw. verhinderten die Arbeiten. Als Frederik Hendrik von Oranien, Oberbefehlshaber der niederländischen Truppen, 1632 bei seinem berühmten Maasfeldzug u.a. Städte wie Roermond, Straelen, Venlo und Maastricht eroberte, schien der Bauabschluss bereits stark gefährdet. Als schließlich nach dreiwöchiger Belagerung 1633 Rheinberg ebenfalls eingenommen wurde, war das Kanalprojekt schließlich gescheitert. Beim Friedensvertrag von Münster 1648 sicherten sich die Niederlande schriftlich ab, dass das Erdbauunternehmen nie mehr wieder ohne Einverständnis beider Regierungen in Angriff genommen werden durfte. Rund 150 Jahre später begeisterte sich sogar Napoleon kurze Zeit für das Vorhaben, das er jedoch ebenfalls

Nach längeren Verhandlungen sollte die endgültige Trasse zwischen den befestigten Städten Rheinberg und Venlo als Kanalendpunkten führen. Geldknappheit, Winter- und Kälteeinbrüche sowie feindliche Überfälle der nördlichen Generalstaaten, die die geplante Maßnahme der Spanier ausspioniert hatten, verzögerten bzw. verhinderten die Arbeiten. Als Frederik Hendrik von Oranien, Oberbefehlshaber der niederländischen Truppen, 1632 bei seinem berühmten Maasfeldzug u.a. Städte wie Roermond, Straelen, Venlo und Maastricht eroberte, schien der Bauabschluss bereits stark gefährdet. Als schließlich nach dreiwöchiger Belagerung 1633 Rheinberg ebenfalls eingenommen wurde, war das Kanalprojekt schließlich gescheitert. Beim Friedensvertrag von Münster 1648 sicherten sich die Niederlande schriftlich ab, dass das Erdbauunternehmen nie mehr wieder ohne Einverständnis beider Regierungen in Angriff genommen werden durfte. Rund 150 Jahre später begeisterte sich sogar Napoleon kurze Zeit für das Vorhaben, das er jedoch ebenfalls angesichts horrender Baukosten unverwirklicht lassen musste. Heute sind, soweit noch erkenntlich, rund 50km der „Fossa Eugeniana“ erhalten.

Der einzigartige Beleg dieser kühnen Utopie, der Kupferstich von van Langeren mit dem kompletten Verlauf von Rheinberg bis Venlo, befindet sich, aus dem Besitz des Rheinberger Notars Robert Angerhausen kommend, in der Sammlung des Museum Kurhaus Kleve.

[Valentina Vlašić]

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Spektakuläre Erwerbung der spätgotischen Skulpturengruppe „Heilige Drei Könige“ (1530-35) von Henrik Douverman

Nach zwei Jahren intensiver Bemühungen glückte es 2018: Mit der Unterstützung der Kulturstiftung der Länder, der Ernst von Siemens-Kunststiftung, des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen, der Kunststiftung NRW, der Rudolf-August Oetker-Stiftung für Kunst, Kultur, Wissenschaft und Denkmalpflege, der Provinzial Rheinland Versicherung AG, der Irene Zintzen-Stiftung und weiteren heimischen Zuschussgebern ist es dem Freundeskreis Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. gelungen, die bedeutende spätgotische Skulpturengruppe „Heilige Drei Könige“ (um 1530-35) von Henrik Douverman für die Sammlung des Museum Kurhaus Kleve zu erwerben.

Es handelt sich um die spektakuläre Neuerwerbung einer kostbaren Rarität: Die jahrzehntelang unbekannte und erst durch eine Auktion 2005 in London für die Öffentlichkeit neu entdeckte Gruppe der „Heiligen Drei Könige“ gilt durch ihre herausragende künstlerische und handwerkliche Qualität als eines der Hauptwerke des spätgotischen niederrheinischen Bildhauers Henrik Douverman. Technisch virtuos dargestellt sind drei vollplastisch gearbeitete Figuren aus Eichenholz, die jeweils zwischen 81 und 85 Zentimetern hoch sind. Die drei Könige Caspar, Melchior und Balthasar verfügen über reich ausgestattete Gewänder und aufwändige Frisuren. Jeder König besitzt einen durch individuelle Gestik und Physiognomie getragenen expressiven Ausdruck. Der älteste der drei, Melchior, veranschaulicht mit seinem langen Bart, der Halbglatze und dem gealterten Antlitz sowohl das alte Europa als auch das Alter des Menschen. Gemäß der Überlieferung ist er der erste, der sich vor dem Jesuskind niederkniet und ihm sein Geschenk in der Form von Goldmünzen in einem Gefäß darreicht. Der mittlere König Caspar trägt ein modisches Barett, einen zweispitzigen Bart, ein mit Saumbändern geschmücktes, samt fallendes Wams und zeitgenössische Kuhmaulschuhe. Er repräsentiert den Kontinent Asien und das mittlere Alter des Mannes. Der jüngste der drei Könige, der sowohl Afrika als auch die Jugend darstellt, ist Balthasar, der am extravagantesten gekleidet ist. Von den Schultern bis zu den Oberschenkeln trägt er ein geschlitztes und gefüttertes Gewand in der Kleidermode der Renaissance, das durch einen hoch stehenden Kragen abgeschlossen ist und aufwändig gearbeitete Puffärmel besitzt. Durch ihre ausgeprägte Charakterisierung und ihren lebendigen Stil agieren diese besonderen „Heiligen Drei Könige“ wie Schauspieler miteinander, deren Auftritt vom Künstler geradezu theatralisch organisiert ist. Bei aller spätmittelalterlichen Verklärung und Entrückung besitzen sie in ihrem Auftreten etwas Modernes, Zeitloses, gar Epochenübergreifendes – wodurch sie als geradezu spektakuläre Neuerwerbung für das Klever Museum zu werten sind.

Der ab 1508 zunächst in Kleve, ab ca. 1517 bis 1543 in Kalkar tätige Bildschnitzer Henrik Douverman zählt zu den bedeutendsten Meistern der niederrheinischen Skulptur der Spätgotik in Deutschland. Sein „Sieben-Schmerzen-Altar“ in der Kirche St. Nicolai in Kalkar ist ein Höhepunkt europäischer Skulptur des Späten Mittelalters. Die in seiner Predella eingefasste Darstellung der „Wurzel Jesse“ im wild wuchernden Geäst genießt weltweite Bekanntheit. Neben Werken in Kalkar und Xanten gelten die Skulpturen des „Heiligen Christophorus“ im Museum Catharijneconvent, Utrecht, eine „Thronende Muttergottes“ im Musée de Cluny, Paris, eine „Heilige Ursula“ im Rijksmuseum, Amsterdam, und eine „Verkündigungsgruppe“ in Privatbesitz als seine Hauptwerke.

Die Skulpturengruppe der „Heiligen Drei Könige“ befindet sich schon seit über einem Jahrzehnt als Dauerleihgabe aus belgischem Privatbesitz im Museum Kurhaus Kleve. Nach dem Tod des Besitzers drohte 2016 der Verkauf der Dreikönigsgruppe auf dem internationalen Markt. Nur durch das Engagement des Klever Museumsvereins, bundesweiter Stiftungen und Unterstützer konnte die Gruppe nach zweijähriger intensiver Arbeit des Museumsteams für Kleve und die Öffentlichkeit gesichert werden. Die Neuerwerbung erweitert die Sammlung des Museum Kurhaus Kleve auf geradezu vorzügliche Weise, in der in den letzten Jahrzehnten ein hervorragender Überblick zur niederrheinischen Skulptur der Spätgotik und Renaissance aufgebaut worden ist.

[Valentina Vlašić]

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Schenkung von Sonja Mataré persönlich: „Kopf“ (1980) von Hede Bühl

Sonja Mataré (1926–2020), die Tochter von Ewald Mataré (1887–1965) und eine der wichtigsten Mäzeninnen des Museum Kurhaus Kleve, übergab dem Freundeskreis Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. eine bedeutende Arbeit der Bildhauerin Hede Bühl. Ihre Schenkung begründete sie in einem Begleitbrief wie folgt: 

„Aus Anlass des siebzigsten Geburtstages von Drs. Guido de Werd, des Gründers und Leiters des Museum Kurhaus Kleve, stifte ich eine Bronzeplastik, ‚Kopf, 1980, der Düsseldorfer Bildhauerin Hede Bühl dem Freundeskreis Museum Kurhaus Kleve, in den Maßen 33 x 17 x 25 cm. Frau Bühl assistierte bei Ewald Mataré 1964 und war Schülerin bei Joseph Beuys.
Meerbusch-Büderich, 6. Dezember 2018, Sonja Mataré“

So lautete es im Begleitbrief von Sonja Mataré, die zu einer der wichtigsten Gönnerinnen des Museum Kurhaus Kleve und des Freundeskreises gehört, zu dieser bedeutenden Schenkung aus ihrer Hand.

Die ausdrucksstarke Bronzearbeit der deutschen Bildhauerin Hede Bühl befand sich viele Jahre an einem prominenten Platz im Atelier ihres Vaters Ewald Mataré in Meerbusch-Büderich. Nun ergab sich aus Anlass des Geburtstages von Drs. Guido de Werd, der über Dekaden hinweg in engem Austausch mit der Stifterin stand, die Gelegenheit für einen symbolischen Dank seiner Arbeit für die Klever Museen und insbesondere für die Ewald Mataré Sammlung.

Bei der Plastik von Hede Bühl mit dem schlichten Titel „Kopf“ handelt es sich um eine figurative Arbeit in einer reduzierten Formensprache, um einen für ihr Schaffen zutiefst aussagekräftigen Bronzekopf in systemisierter, geradezu technoider Ausführung, dem es an menschlicher Individualität fehlt, dessen schlichte reduzierte Oberfläche mit auffallend bandagierten Gliederungen jedoch nahezu an altägyptische Totenzeremonielle denken lässt. Die Skulptur stellt eine treffliche Erweiterung aus weiblicher Sicht der Ewald Mataré-Sammlung und der Werke von Joseph Beuys im Museum Kurhaus Kleve dar.

Die 1944 in Haan geborene und in Düsseldorf lebende Künstlerin Hede Bühl studierte an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf bei Sepp Mages und Joseph Beuys. Von 1962–1963 war sie Meisterschülerin bei Joseph Beuys, doch sieht sie sich selber nicht nur in dessen Tradition. Tatsächlich ist sie von ihrem Einfluss her breiter aufgestellt. Von 1963–1965 arbeitete sie im Atelier von Ewald Mataré. Auch ist ihr Schaffen von den Bildhauerkollegen Wilhelm Lehmbruck, Fritz Wotruba und Marino Marini beeinflusst.

Das Werk von Hede Bühl, das 2019 prominent in einer Ausstellung im Skulpturenpark Waldfrieden in Wuppertal ausgestellt war, wurde u.a. mit dem Käthe-Kollwitz-Preis der Akademie der Künste Berlin, dem Villa-Romana-Preis Florenz oder mit einem Stipendiat der Villa Massimo Rom ausgezeichnet.

[Valentina Vlašić]

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