Ankauf einer 8-teiligen Werkgruppe der deutsch-amerikanischen Photographin Evelyn Hofer (1922–2009)

Mithilfe der Unterstützung des Ministeriums für Kultur und Wissenschaften des Landes Nordrhein-Westfalen konnten das Museum Kurhaus Kleve und sein Freundeskreis Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. Ende 2020 eine achtteilige Werkgruppe der deutsch-amerikanischen Photographin Evelyn Hofer (1922–2009) erwerben, deren Arbeiten zuvor, vom 24. Februar bis 23. Juni 2019, in einer umfassenden Werkschau im Museum Kurhaus Kleve zu sehen waren.

Evelyn Hofer zählt zu den wichtigsten weiblichen Positionen der jüngeren Photographie-Geschichte und besticht bis heute durch Intensität und Klarheit der Formauffassung. Über einen Zeitraum von nahezu 50 Jahren hat diese „berühmteste unbekannte Photographin Amerikas“ (New York Times) im Sinne von visuell-soziologischen Recherchen ihr jeweiliges Gegenüber porträtiert. Das gilt für die Stadtansichten von New York, Washington oder Dublin ebenso wie für eine Vielzahl einfühlsamer Künstlerporträts und farblich subtiler Interieurs bis hin zu den singulären Stillleben ihres Spätwerks. Nicht das Zufällige und Schnappschussartige war für Evelyn Hofer interessant, sondern die Essenz der Dinge und Personen. 

Die acht späten Stillleben von Evelyn Hofer, die für die Sammlung des Museum Kurhaus Kleve erworben werden konnten, sind im Sinne eines Vermächtnisses ihres lebenslangen Strebens nach formaler Präzision und kompositorischer Klarheit anzusehen. Bezugnehmend auf die spanische Stilllebenmalerei des 17. Jahrhunderts und gleichzeitig in souveräner Kenntnis der medialen Möglichkeiten gegen Ende des 20. Jahrhunderts gelingt ihr in dieser einzigartigen Serie ein Heraustreten aus dem Fluss der Zeit jenseits irdischer Vergänglichkeit.

Die farbintensiven Stillleben gehören zur jüngsten Serie Evelyn Hofers, die Mitte der 1990er Jahre in ihrem New Yorker Studio entstanden sind. Auf den ersten Blick wirken sie wie alte Gemälde aus dem 17. Jahrhundert. In wunderbarer Plastizität und Realitätsnähe erscheinen die Gegenstände, Pflanzen und Früchte in satten Farben und beeindruckender Detailtreue vor einem samtig dunklen Hinter­grund. Die Kompositionen sind kunstvoll ausgeleuchtet, die Textur der Objekte hat die gleiche taktile Qualität wie die Ölfarben der Alten Meister, obgleich es sich hier um rein photographische Bilder handelt. Neben der von Evelyn Hofer aufgewendeten Zeit und Geduld ist diese Wirkung auch auf die Verwendung einer photographischen Linse aus der Zeit um 1900 sowie die Dye Transfer Technik zurückzuführen. 

Das Dye Transfer-Edeldruckverfahren ist eine Technik zur Herstellung von Farbbildern vom Diapositiv- oder Farbnegativfilm. Es werden schwarzweiße Farbauszugsnegative unter Ver­wendung von Farbfiltern in Rot, Grün und Blau hergestellt. Davon produziert man Übertragungs­matrizen in Größe des Farbabzugs, die anschließend in Farbstoff (= dye)-Lösungen (Cyan, Magenta, Yellow) eingefärbt werden. Mithilfe der Matrizen kann man nun die Farben nachein­ander auf ein mit Gelatine beschichtetes Barytpapier paßgenau übertragen. Im Verlauf dieses Prozesses diffundiert die Farbe mit dem Papier. Dye Transfer-Abzüge bestechen durch nuancenreiche Farben, hohe Tiefe, lange Haltbarkeit und körnungslose Bildoberfläche. Der dazu benötigte Pan Matrix Film wurde 1947 von Kodak entwickelt und nur bis 1994 hergestellt. Seither wird mit Restbeständen gearbeitet. 

Das Museum Kurhaus Kleve ist das erste und einzige Museum bundesweit, dass diese Serie vollständig für seine Sammlung erwerben und damit dem Schwerpunkt zeitgenössischer Photographie (u.a. mit Arbeiten von Candida Höfer, Thomas Ruff, Thomas Struth, Andreas Gursky, Wolfgang Tillmans) ein klassisches Segment hinzufügen konnte.

[Harald Kunde]

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Wissenschaftliche Forschungsvolontärin des Landes Nordrhein-Westfalen 2020-2022 für die Sammlung: Julia Moebus-Puck

Das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen lotete 2019 das Programm „Forschungsvolontariat Kunstmuseen NRW“ aus, mit dem es die kunsthistorische Arbeit an Museen in NRW gezielt mit den Kernaufgaben von Sammeln und Forschen unterstützen möchte. Mit dem Programm sollen die Aufarbeitung von Ausstellungs- und Sammlungsgeschichten unterstützt und eine junge Generation von Nachwuchswissenschaftler*innen in die Museen eingebunden werden.

Das Museum Kurhaus Kleve bewarb sich an der Ausschreibung mit dem umfangreichen Archiv zur künstlerischen Arbeit des Land Art-Künstlers Richard Long, das es im April 2019 geerbt hat und das im Zuge des Volontariats aufgearbeitet und durch eine Ausstellung, eine Publikation und die neue Sammlungswebsite zugänglich gemacht werden soll. Die Ausschreibung gelang auf Anhieb, wodurch eine neue Personalstelle für zwei Jahre geschaffen werden konnte, die zu 90 Prozent vom Land und zu 10 Prozent von der Stadt Kleve finanziert wird.

Das Archiv umfasst die Jahre 1970 bis 2018 und wurde von dem niederländischen Richard Long-Spezialisten Gerard Vermeulen (1946–2019) in intensiver Zusammenarbeit mit dem Künstler aufgebaut. Durch seine persönliche Freundschaft zu Richard Long und durch seine Leidenschaft für dessen künstlerisches Werk, das er über zweieinhalb Jahrzehnte persönlich begleitet hat, gelang es Vermeulen ein einzigartiges Archiv über das Œuvre von Richard Long aufzubauen.

Richard Long (*1945 in Bristol/England) gehört heute zu einem der wichtigsten internationalen Künstler von Weltrang, der zahlreiche internationale Auszeichnungen erhalten hat, unter denen der „Turner Preis“ 1989 und der „Praemium Imperiale“ 2009 herausragen. Richard Long ist in besonderer Art und Weise mit NRW verbunden. Seine erste Galerieausstellung hatte er 1968 mit dreiundzwanzig Jahren in Düsseldorf, in der damals gerade eröffneten und heute legendären Galerie von Konrad Fischer (1939–1996), wo er „Sculpture for Konrad Fischer“ aus tausenden aneinander gereihten Weidenstöckchen schuf, eine ikonische Arbeit, die sich heute als Teil der „Sammlung Dorothee und Konrad Fischer“ im Besitz der Kunstsammlung NRW, Düsseldorf befindet. Wenig später hatte Richard Long im Museum Haus Lange in Krefeld seine erste museale Einzelausstellung, bei der er im Garten durch beständiges Auf- und Ablaufen eine Linie im Rasen schuf, die den Titel „Walking the Line“ erhielt. Dieses „Sich-bewegen“ in Raum und Zeit soll für Jahrzehnte sein künstlerisches Schaffen prägen und ihn zu einem führenden internationalen Künstler machen, dessen Werk weltweit geschätzt, gezeigt und gesammelt wird.

Seit seiner Eröffnung 1997 hat das Museum Kurhaus Kleve eine besondere Beziehung zu dem Künstler entwickelt: 1999/2000 wurde „Being in the Moment – A Portfolio of Four Prints“ im Museum Kurhaus Kleve präsentiert, woraufhin 2001 eine große Einzelausstellung folgte, die das gesamte Erdgeschoss in Anspruch nahm. 2010 war Richard Long wesentlicher Bestandteil der Ausstellung „Von Carl Andre bis Gregor Schneider. Dorothee und Konrad Fischer: Archiv einer Haltung“. Als letzte Präsentation folgte schließlich 2013 eine Ausstellung mit dem Titel „Richard Long – Prints 1970-2013“.

Aufbauend auf dieser intensiven Zusammenarbeit hat Gerard Vermeulen testamentarisch verfügt, dass sein Archiv nach seinem Tod in das Museum Kurhaus Kleve kommt. Es enthält zahlreiche Korrespondenzen mit dem Künstler, Literatur und Dokumente zu seinem Werk und zu all seinen unzähligen Ausstellungen auf der ganzen Welt, Dokumentationen all seiner Wanderungen, die das Wesen seines Werkes auszeichnen uvm. Dies ist umso wichtiger, weil die Arbeiten, die Richard Long oft an entlegensten Stellen geschaffen hat und die er dort den Kräften der Natur ausgesetzt zurückgelassen hat, heute nicht mehr existieren.

In Julia Moebus-Puck (*1985) hat das Museum eine ideale Kandidatin für diese Arbeit gefunden, die über ihre eigene künstlerische Tätigkeit als Photographin zur Kunstgeschichte gekommen ist. Ihre Masterarbeit hat sie über Hermann Nitsch geschrieben, wofür sie 2017 nach Österreich gezogen ist. Dort kuratierte sie u.a. auch Ausstellungen für ihn und partizipierte als Akteurin an seinen Aktionen. Für ihre Promotion an der Universität Bonn kehrte sie 2019 wieder ins Rheinland zurück. Julia Moebus-Puck ist exzellent vernetzt. Sie arbeitete als Kunstvermittlerin an der Albertina in Wien, am Max-Ernst-Museum in Brühl oder am Arp Museum Rolandseck. Sie kuratierte zahlreiche Ausstellungen, gründete eine Kreativagentur, die eng mit weiteren Galerien zusammenarbeitet, und stellt Interviews mit Künstler*innen, die sie regelmäßig führt, auf ihre Research Plattform „studiosuperpopp“. Sie wird die Arbeit im Museum Kurhaus Kleve in den Jahren 2020-2022 essentiell bereichern.

[Valentina Vlašić]

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Neuer Auswahlkatalog der zeitgenössischen Photographie aus der Sammlung des Museum Kurhaus Kleve in Kooperation mit der Sammlung Viehof

Katalog “Freischwimmer: Fotografie der Sammlung Viehof & des Museum Kurhaus Kleve: 172 Seiten im Format 24 x 17 cm, Softcover mit PVC-Umschlag, ca. 122 Abbildungen in Farbe und in Schwarzweiß, Schriftenreihe Museum Kurhaus Kleve – Ewald Mataré-Sammlung Nr. 80, Erscheinungsjahr 2020, ISBN 978-3-934935-90-7, Deutsch / Englisch, Preis: 19,50 € (17,55 € für Mitglieder des Freundeskreises)

Hrsg. v. Freundeskreis Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. aus Anlass der gleichnamigen Ausstellung im Museum Kurhaus Kleve – Ewald Mataré-Sammlung (02.10.2020 – 21.02.2021).

Der Katalog enthält ein Geleit von Eugen Viehof, ein Vorwort von Harald Kunde, zehn Werkbeschreibungen von Annika Forjahn und Valentina Vlašić sowie ein Interview zwischen Eugen Viehof und Harald Kunde.

In diesem Katalog vereint das Museum Kurhaus Kleve eine breite Auswahl seiner Bestände zeitgenössischer Fotografie erstmals überhaupt mit denen einer anderen angesehenen Kollektion, der Sammlung Viehof aus Mönchengladbach.

Seit 2015 unter diesem Namen firmierend, machte sich die Sammlung Viehof gerade in jüngster Zeit einen Namen, indem sie 2016–2017 mehr als die Hälfte ihrer eindrucksvollen Bestände zeitgenössischer Kunst in den Deichtorhallen Hamburg und 2018 ausgewählte künstlerische Positionen in der Langen Foundation in Neuss präsentierte. Sich bewusst gegen ein eigenes Ausstellungshaus aussprechend, begeht die Sammlung Viehof mit dem Museum Kurhaus Kleve 2020 ihre nunmehr dritte Ausstellungskooperation mit ausgewählten deutschen Museen.

Der Katalog zur Ausstellung Freischwimmer, die nach einem Werk von Wolfgang Tillmans benannt ist, umfasst ca. 130 Werke von rund 30 internationalen Künstler*innen, die sinnreiche Parallelen und kontrastreiche Gegensätze aufweisen. Aus zwei separaten Beständen erwächst ein fein ineinandergreifendes Ausstellungsgeflecht, das Besucher*innen einen eindrucksvollen Einblick in zeitgenössische Fotografie liefert. Werke folgender Künstler*innen sind im Katalog vertreten: Lothar Baumgarten, Laurenz Berges, Tacita Dean, Thomas Demand, Hans-Peter Feldmann, Fischli/Weiss, Ori Gersht, Dan Graham, Andreas Gursky, Matthias Hoch, Evelyn Hofer, Candida Höfer, Axel Hütte, Jochen Lempert, Zoe Leonard, Sharon Lockhart, Josephine Meckseper, Boris Mikhailov, Peter Piller, Tata Ronkholz, Thomas Ruff, Jörg Sasse, Cindy Sherman, Katharina Sieverding, Beat Streuli, Thomas Struth, Wolfgang Tilmans, Jeff Wall, Christopher Wool und David Zink Yi.

Ihre Werke werden in folgende Kapitel aufgeteilt und entsprechend beschrieben: I. Natur und Stillleben, II. Gesellschaft und Haltung, III. Raum und Konstruktion, IV. Zufall und Absicht, V. Vertraut und Fremd, VI. Natur und Fiktion, VII. Urbanität und Instabilität, VIII. Porträt und Serie, IX. Dinge und Ordnung, X. Illusion und Wirklichkeit.

[Valentina Vlašić]

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Leihgaben für die Ausstellung „Arnt der Bilderschneider – Meister der beseelten Skulpturen“ im Museum Schnütgen, Köln

Die mittelalterlichen Skulpturen des „Himmelfahrtschristus“ sowie der „Heiligen Luzia“ von Meister Arnt von Kalkar und Zwolle waren über den Sommer 2020 in der viel beachteten Ausstellung „Arnt der Bilderschneider – Meister der beseelten Skulpturen“ (25.06. – 20.09.2020) im Museum Schnütgen in Köln zu sehen. Erstmals überhaupt fand eine monographische Ausstellung zum Werk des spätgotischen Holzschnitzers und Begründers einer reichen Bildschnitzerschule am Niederrhein statt, für die rund 60 Objekte aus ganz Europa zusammengetragen werden konnten. Von der Presse hoch gelobt („lange überfälliger großer Auftritt“, Kölner Stadtanzeiger, 25. Juni 2020), wurde für die Ausstellung vom Klever Alt-Direktor Guido de Werd, der sie u.a. zusammen mit dem Direktor des Museum Schnütgen, Moritz Woelk, kuratierte, erstmals überhaupt ein Werkverzeichnis konzipiert. 

Wer war Meister Arnt von Kalkar und Zwolle?
Die erste monographische Ausstellung zu dem Begründer einer reichen Bildschnitzerschule am Niederrhein nahm Besucher*innen mit in die Zeit des ausgehenden Mittelalters. Gezeigt wurden etwa 60 Werke des zwischen circa 1460 und 1491 tätigen Künstlers. Das spätgotische Œuvre Meister Arnts besticht durch außerordentliche Lebendigkeit, Themenreichtum und Erzählfreude.

Anlass der Ausstellung ist eine Neuentdeckung
Anfang 2019 ist es dem Museum Schnütgen gelungen, drei bislang verschollene Fragmente zu erwerben, mit denen ein bereits in der Museumssammlung befindliches Hauptwerk von Meister Arnt, die Altartafel mit der Anbetung der Heiligen Drei Könige, vervollständigt und erstmals in dieser Form gezeigt werden kann. Ein weiteres bedeutendes Werk des Bildschnitzers stammt aus der Kalkarer Nicolaikirche. Der im geöffneten Zustand etwa fünf Meter breite Georgsaltar wurde in dieser Ausstellung zum ersten Mal außerhalb des Kirchenraumes präsentiert. Zusätzliche hochkarätige Leihgaben – um nur einige internationale Leihgeber zu nennen – stammen aus dem Rijksmuseum in Amsterdam, dem Musée de Cluny in Paris und dem Musée Art & Histoire in Brüssel sowie aus zahlreichen Kirchen am Niederrhein.

Niederrhein und Niederlande
Meister Arnt steht für die Verbindung künstlerischer Impulse des Niederrheins mit denen der angrenzenden Niederlande: Von etwa 1460-1484 war er am unteren Niederrhein in Kalkar tätig und von etwa 1484-1491 in Zwolle, der heutigen Hauptstadt der niederländischen Provinz Overijssel. Seine Werkstatt belieferte zahlreiche Orte im Umland des IJsselmeeres und der Region um Kleve.
Zu dem erhaltenen Werk Meister Arnts zählen neben Altarretabeln mit figurenreichen erzählerischen Reliefdarstellungen, Statuen von Heiligen sowie markante Einzelfiguren von Christus, Engeln und der Muttergottes mit Kind. Trotz der Produktivität seiner Werkstatt ist Meister Arnt einer breiteren Öffentlichkeit bis heute weitgehend unbekannt – das Museum Schnütgen führte eigens für diese Ausstellung einen erheblichen Teil seines Œuvres zusammen und bot die Chance einer (Neu-) Entdeckung des „Bilderschneiders“.

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