Spätmittelalterliche Skulpturen vom Niederrhein in der Sammlung des Museum Kurhaus Kleve

Das Museum Kurhaus Kleve verfügt über eine bedeutende Sammlung niederrheinischer Skulptur des 15. und 16. Jahrhunderts. Im Kontext eines wirtschaftlichen Aufschwungs des Herzogtums Kleve-Jülich-Berg vollzog sich eine einzigartige Entwicklung der Architektur, Malerei und besonders der Skulptur. Von 1450 bis 1550 entstanden Werke von außerordentlicher Qualität in den Bildhauerwerkstätten in Kleve und Kalkar.

Zu den bekanntesten Künstlern, die auch in der Sammlung des Museum Kurhaus Kleve prominent vertreten sind, zählen Meister Arnt von Kalkar und Zwolle, Dries Holthuys, Henrik Douverman und Arnt van Tricht.

Meister Arnt von Kalkar und Zwolle leitete ein Atelier, das ein Gebiet von Zwolle bis an die Maas belieferte. Der stark linear geprägte Stil seiner Werke entfaltete sich unter dem Einfluss der Brabanter Malerei und Skulptur, vor allem des in Brüssel arbeitenden Malers Rogier van der Weyden. Der Klever Bildhauer Dries Holthuys war vermutlich sein Schüler und setzte Arnts Stil fort. Henrik Douverman wiederum schuf Figuren wie die „Heiligen Drei Könige“, die mit ihrer weltlichen Pracht, den „Herbst des Mittelalters“ (J. Huizinga) verdeutlichten.

Nicht zuletzt stehen zwei Handtuchhalter von Arnt van Tricht für die Frührenaissance: wobei besonders die Darstellung eines Liebespaares mit einer Kalkarer Bürgerin und einem Narren wegen seiner körperlich-sinnlichen und geistreichen Darstellung ein Highlight der Sammlung darstellt.

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Ausleihe von fünf Graphiken und Photographien nach Kalkar

Das Museum Kurhaus Kleve unterstützt hiesige Institutionen und Vereine vor Ort stets gerne mit Leihgaben aus seiner Sammlung. Für den Herbst/Winter 2023/2024 leiht es fünf Kupferstiche und Photographien aus seinem reichen graphischen Fundus, um die Ausstellung „Niedermörmter | Kirchdorf am Rhein | Geschichte und Geschichten von Menschen, Land und Wasser“ im Städtischen Museum Kalkar zu unterstützen, die von 19. November 2023 bis 4. Februar 2024 zu sehen sein wird.

Der Verein der Freunde Kalkars, der seit 1994 das Ausstellungsprogramm des Städtischen Museum Kalkars erarbeitet und umsetzt, hat 2017 in unregelmäßigen Abständen begonnen, Ausstellungen über die einzelnen Stadtteile Kalkars zu erarbeiten und durchzuführen. Er versucht anhand von spannenden Originalen den Menschen ihre Heimat von einer z.T. unbekannten Seite zu zeigen.

Die hier vorliegende Ausstellung ist die vierte in dieser Reihe. Reeserschanz gehört heute zu Kalkar-Niedermörmter, (das NSG Reeserschanz, direkt neben der Siedlung, gehört zu Wesel) war in früherer Zeit ein Teil der Festung Rees.

Mit diesen Stadtteilausstellungen möchte der Verein der Freunde Kalkars e.V. neue Besucher*innen-Gruppen in das Städtische Museum Kalkar bringen. Angesprochen sind alle, aber vor allem auch Menschen, die noch nie im Städtischen Museum waren und nun sehen wollen, was es über Ihre Heimat zu erzählen gibt. Diese sollen positiv überrascht werden über den Reichtum und die Fülle ihrer Heimat und Region. 

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Eindrucksvolle Schenkung an Kunstwerken von Hanns Lamers und seiner Familie

Im September 2023 erhielt das Museum Kurhaus Kleve aus Privatbesitz eine eindrucksvolle Schenkung von 60 Kunstwerken und Archivalien von und aus dem Umkreis von Hanns Lamers (1897–1966). Darunter befinden sich Aquarelle, Ölbilder, Hinterglasgemälde, Holzschnitte, Zeichnungen, Skizzen und Dokumente von Hanns Lamers persönlich, aber auch u.a. von dessen Onkel mütterlicherseits, Rupert Vordermayer (1843–1884). In der Schenkung befinden sich auch Kunstwerke und Archivalien seines Vaters Heinrich Lamers (1864–1933), seiner Cousine Waltraud Anna Lamers (1908–1992) und seines Bruders Heinz Lamers jun. (1896–1939). Ebenfalls vertreten sind Kunstwerke von Emil Orlik (1870–1932) und Gerhard Marcks (1889–1981). 

Hanns Lamers ist nicht nur als Bewohner des sogenannten „Belvedere“, des Atelierturms von Barend Cornelis Koekkoek, auf immer mit Kleve verbunden. Er beeinflusste auch den jungen Joseph Beuys, dessen väterlicher Freund und künstlerischer Ratgeber er zeitlebens gewesen ist. Hanns Lamers lebte und arbeitete in Kleve und pflegte von hier aus ein Netzwerk in halb Europa. Bei seinem Freund und Künstlerkollegen, dem Photographen Willy Maywald (1907–1986), in Paris hielt er sich jedes Jahr wiederkehrend mehrere Monate auf, wo er Ausstellungen und Galerien besuchte, deren Einfluss er nach Kleve mitbrachte. Aus Frankreich, z.B. St. Tropez, Cannes oder der Cote d’Azur, brachte er Einflüsse für seine Arbeit mit.

In der Sammlung des Museum Kurhaus Kleve befinden sich bereits unzählige Arbeiten von Hanns Lamers und seines familiären Umfelds, nicht nur aus dem persönlichen Besitz von Ilse Lamers (1902–1988), der Ehefrau von Hanns Lamers, die 1987 dutzende Werke dem Klever Museum übergeben hat, und auch aus anderem alten städtischen Besitz. Die hier beschriebene Schenkung bildet eine wunderbare Ergänzung der bereits vorhandenen Sammlung und ergänzt diese um kostbare Arbeiten aus mehreren Jahrzehnten. 

Besonders hervorzuheben ist ein frühes Aquarell aus seiner Studienzeit in Paris, als Lamers Reisen nach Nordafrika, Frankreich, Italien und Korsika unternahm. Dabei besuchte er auch die Künstlerstadt Positano südlich von Neapel, die insofern bemerkenswert ist, als er die eigentümliche Künstlerstadt naturalistisch, aber auch mit impressionistischen und surrealistischen Tendenzen darstellt. Kurz bevor Lamers 1935 da war, besuchte ein anderer für das Klever Museum wichtiger Künstler das berühmte Künstlerdorf: 1926 war Ewald Mataré da und malte ebenfalls mehrere Ansichten des bekannten Küstenorts. Die beiden Blickwinkel der Künstler anhand ihrer Werke in Relation zueinander setzen zu können, macht besondere Freude beim Betrachten und Interpretieren der Arbeiten. 

Einen eindrucksvollen Schritt in Richtung Abstraktion beschreitet eine Pfingstszene mit einer Ansicht der zwölf Apostel, die Flammen in Form von Kerzen auf ihren Häuptern aufweisen und in der zentralen Mitte vom Heiligen Geist in der Form einer Taube bekrönt werden. Die Figuren wirken wie Säulen und weisen blau gefärbte, nahezu geisterhafte Gesichter auf. 

Gesellschaftlich bedeutend ist eine Anzahl von 17 „Jahresschnitten“ von Hanns Lamers, von denen auch schon mehrere in der Sammlung zu finden sind. Hanns Lamers besaß die schöne Angewohnheit, jedes Jahr wiederkehrend zum Jahresende sogenannte „Jahresschnitte“ an Freunde, Sammler*innen und weitere Personen zu versenden, die religiöse Motive gepaart mit Kommentaren zur jeweiligen Zeit und Gesellschaft sowie mahnende Botschaften und Denkanregungen abgaben. Hanns Lamers nahm als Soldat am Ersten und Zweiten Weltkrieg teil, wodurch er mit seinen „Jahresschnitten“ seine Hauptbotschaft des Friedens und der gewaltfreien Zukunft an einen Kreis von Abnehmer*innen verteilen konnte. Immer wieder thematisiert er z.B. Krieg und Raketen, die als Symbol für die Entscheidung verstanden werden können, für die die gesamte Menschheit verantwortlich ist: Werden wir den technologischen Entwicklungsprozess für das Gemeinwohl oder für die Produktion von Kriegswaffen nutzen? Werden unsere Raketen Kriegswaffen sein oder Fahrzeuge, die die Raumfahrt ermöglichen?

Hanns Lamers ist nicht der erste in der Familie, der religiöse Motive verwendet. Sein Vater Heinrich Lamers war Kirchenmaler, und seine Mutter Johanna Lamers-Vordermayer (1870–1945) brachte die Kunst des Krippenbaus nach Kleve. Hanns Lamers’ Onkel Gerhard Lamers (1871–1964) war ebenfalls Kirchenmaler (manchmal mit Hilfe von Waltraud Lamers), und auch sein Onkel Rupert Vordermayer verwendete häufig religiöse Motive, von denen sich einige in dieser hier beschriebenen Schenkung befinden. Unter anderem sind Engel bei verschiedenen Tätigkeiten zu sehen (z.B. beim Musizieren, Trinken). Werke von Rupert Vordermayer waren bislang noch nicht in der Klever Sammlung vertreten. Rupert Vordermayer war Maler und studierte an der Kunstakademie München unter Professor Sándor (Alexander) von Wagner (1870–1919). Von ihm befinden sich auch gemalte Porträts und Skizzen in der Sammlung, die einen Einblick in seinen künstlerischen Schaffensprozess geben. In der Schenkung befinden sich mehrere Graphiken von Heinz Lamers jun., die veranschaulichen, wie versiert der Künstler in einer präzisen Strichführung war. 

Diese Schenkung bildet insgesamt eine treffliche Erweiterung des derzeitigen Bestandes an Kunstwerken dieser Familie, da sie den Künstler*innen, die bereits in der Sammlung vertreten waren, mehr Kontext verleiht, diese aber auch durch Werke eines familiären Kontextes erweitert, die bisher nicht Teil der Sammlung waren. Zwei Werke von Waltraud Anna Lamers, die einen großen Teil ihres Lebens in Nidau in der Schweiz verbracht hat (und auch am Ende ihres Lebens 1992 dort lebte), stellen ein solches Beispiel dar. 

Das Museum Kurhaus Kleve ist froh und dankbar, diese reiche Sammlung an Kunstwerken dieser für Kleve bedeutenden Künstlerfamilie als Schenkung für seinen Bestand von Klever Künstler*innen erhalten zu haben.

 

→Dieser Text zur Schenkung wurde verfasst von Jessica „Violet“ Roberts im Zuge ihres wissenschaftlichen Praktikums im Museum Kurhaus Kleve im Dezember 2023, die den Bestand als Teil ihres Praktikums von Oktober bis Dezember 2023 vollständig inventarisiert und online verfügbar gemacht hat. Weitere Informationen über die Arbeit von Jessica „Violet“ Roberts sind ->hier abrufbar. 

→Unter diesem Text sind die Höhepunkte der Schenkung als „verknüpfte Objekte“ angegeben. Unter folgendem Link ->hier lassen sich alle Werke der Schenkung online auf der Sammlungswebsite des Museum Kurhaus Kleve begutachten. 

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Das Lieblingskunstwerk der ukrainischen Jung-Künstlerin Anastasiia Chaban

Im September 2023 initiierte der Freundeskreis Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. die Aktion „Mein Lieblingsbild“, der zum 1. Europäischen Tag der Museumsfreunde startete (weitere Infos ->hier). Bislang beteiligt haben sich zahlreiche Mitglieder und Ehrenamtliche des Vereins, die interessante Texte und ungeahnte Schilderungen wiedergegeben haben. Aus dem Museum Kurhaus Kleve wurde die aus der Ukraine stammende Schülerin und angehende Künstlerin Anastasiia Chaban gebeten, ihr Lieblingskunstwerk zu beschreiben. Die junge, 19-jährige Frau traf eine ungewöhnliche Auswahl, die sie wie wie folgt begründete:

Mein Lieblingskunstwerk im Museum Kurhaus Kleve

Geschrieben von Anastasiia Chaban im September 2023, im Zuge ihres wissenschaftlichen Praktikums im Museum Kurhaus Kleve

Tacita Dean, „Darmstädter Werkblock“, 2008
8 Farb-Gravüren auf Somerset 300gr, je 495 x 655 mm
Museum Kurhaus Kleve – Dauerleihgabe des Freundeskreises Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V., erworben mit Unterstützung der Kunststiftung NRW
Inv. Nr. 2009-VI-II a-h

  • Über die Künstlerin

Die vielseitige Tacita Dean (geboren 1965 in England) macht Filme, Photos, Collagen und Zeichnungen. Ihre Arbeit finde ich absolut einzigartig, da sie mit ihren Kunstwerken Zeit und Geschichte beobachtet. Zufälligkeit ist ihr Werkzeug. Ihre Arbeit ist durchdrungen von Fragen zum Kulturverlust. Sie beschäftigt sich z.B. mit dem Wechsel von der analogen Photographie und dem analogen Film zur Digitalität. 

Tacita Dean studierte an der Falmouth Universität und erhielt 1992 einen Master-Abschluss an der Slade School of Fine Arts. Zu ihren bekanntesten Werken zählen u.a. die Filme „Disappearance at Sea“ (1996) und „Green Ray“ (2001). 

Sie lebt und arbeitet in Berlin, Deutschland. Ihre Werke befinden sich in den Sammlungen des Museum of Modern Art in New York, der Tate Gallery in London, des Reina Sofia National Museum in Madrid und des Hirshhorn Museum and Sculpture Garden in Washington, D.C.

  • Über das Kunstwerk

Wenn an mich die Aufgabe gestellt wird, das Kunstwerk zu nennen, das mir im Museum Kurhaus Kleve am besten gefällt, möchte ich nach einiger Bedenkzeit und einem Rundgang durch das Museum Kurhaus Kleve nennen: Tacita Dean, „Darmstädter Werkblock“. Warum spricht mich dieses 8-teilige Kunstwerk mit seiner spröden Oberfläche an?
 
Dafür gibt es viele Gründe. Einerseits sprechen mich seine ästhetischen Komponenten an, aber auch seine Farbkombination. Ich finde, diese Photographien hauchen einer Idee Leben ein. Sie machen mich aber gleichzeitig auch ein wenig traurig, wenn ich sie betrachte. Denn als ich mich über die Entstehungsgeschichte dieser Arbeit informierte, wurde mir klar, warum. Denn das Kunstwerk ist eine Reminiszenz an einen anderen Künstler, es steht in direktem Zusammenhang mit der Kreativität von Joseph Beuys. Daher möchte ich meine Ausführungen mit einem kurzen Bericht über ihn fortsetzen: 

Joseph Beuys wurde 1921 laut Wikipedia in Krefeld geboren, aber meine Ansprechperson im Museum Kurhaus Kleve, Valentina Vlašić, berichtete mir, dass er selbst sagte, dass er in Kleve geboren wurde. Von 1927 bis 1940 ging er in Kleve zur Grundschule und später zum Staatlichen Gymnasium. 1941 absolvierte er (als er in exakt meinem Alter war – auch ich bin gerade 19 Jahre alt) eine Ausbildung zum Funker, nachdem er sich freiwillig zur Deutschen Luftwaffe gemeldet hatte. 1945 geriet er in britische Gefangenschaft, aus der er freigelassen wurde und wonach er nach Kleve zurückkehrte. Diese Kriegsereignisse wirkten sich sicherlich stark auf seinen Geisteszustand aus, er kriegte Depressionen und es ging ihm öfters nicht gut. Er suchte seine Rettung in der Kunst. In Kleve suchte er die Nähe zu dem älteren Künstler Hanns Lamers, später studierte er in Düsseldorf Malerei und Bildhauerei an der Kunstakademie, wo er später von 1961 bis 1972 sogar eine Professur innehatte. 1959 heiratete er Eva Wurmbach, mit der er zwei Kinder bekam. Es gibt über Beuys so viel zu sagen, was ich heute noch nicht verstehe (z.B. seine Performances bei Alfred Schmela 1961 oder in New York, „I like America and America likes me“), aber das spielt für dieses Kunstwerk für den Moment vielleicht keine Rolle. 

Ich möchte vielmehr seine Arbeit im Hessischen Landesmuseum Darmstadt erwähnen, in der sich der größte authentische Komplex seiner Werke befindet, die er dort selbst zwischen den Jahren 1949 bis 1972 installiert hat. Joseph Beuys schuf ca. 290 Kunstwerke, die dort in sieben Räumen gezeigt werden. Dabei schuf er Kunst aus allem, was ihn umgab, und platzierte sie dort, wo sie theoretisch überhaupt nicht sein sollte. Dieser riesige Komplex gibt Auskunft über alles, was Joseph Beuys ausmachte: sein Denken, seine Biographie, die von ihm verwendeten Materialien und mehr. 

Tacita Dean zeigt durch ihre Arbeit „Darmstädter Werkblock“ ihren großen Respekt vor Beuys‘ Arbeit. Sie selbst sagt: „Alle Dinge, von denen ich angezogen bin, befinden sich in einem Stadion des Verschwindens“. Das trifft außerordentlich für diese Arbeit zu. In den Nullerjahren beschloss das Hessische Landesmuseum in Darmstatt, Restaurierungsarbeiten in den Räumen von Beuys vorzunehmen, wodurch viele Kleinigkeiten, die Beuys womöglich absichtlich hinterlassen hatte und die so von ihm angedacht waren, verschwunden sind. Tacita Dean photographierte Details seiner Großinstallation, um dadurch präzise in Erinnerung zu behalten, wie die Situation VOR dem Restaurierungseingriff war. Der Wert ihrer Photos besteht darin, dass sie die Authentizität von Joseph Beuys’ Kunst bewahren. Sie hat damit für uns die Zeit angehalten. Mit ihrer Arbeit teilt sie ihren persönlichen Blick auf diese Arbeit mit uns allen und zeigt, was die Aufrichtigkeit der Kunst ist und wie sie sich manifestieren kann. 

Was mich an ihrer Arbeit berührt, ist ihr Wunsch nach Aufrichtigkeit und Authentizität.

Weitere Informationen über Anastasiia Chaban sind ->hier nachzulesen. 

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Imposante Schenkung des Klever Malers Josef van Brackel für die Sammlung des Museum Kurhaus Kleve

In die Sammlung des Museum Kurhaus Kleve gelangte im Sommer 2023 als Schenkung aus Privatbesitz ein imposantes Gemälde des Klever Malers Josef van Brackel (1874–1959). 

Über den Künstler

Josef van Brackel gehörte einer Riege von bedeutenden Klever Künstler*innen an, die im 20. Jahrhundert in der Stadt lebten und wirkten. Sein Name ist in einem Atemzug mit z.B. Walther und Elna Brüx, mit Hanns Lamers, Achilles Moortgat, Bernd Schulte, Josef Mooren und mehr zu nennen. 

Van Brackel ist auf ganz besondere Weise mit Kleve verbunden. Er wurde am 7. Juni 1874 in Kleve geboren, wo er auch aufwuchs. Bis 1890 studierte er in der Werkstatt des Kirchenkünstlers Kevelar Friedrich Stummel (1850–1919). Von 1890 bis 1897 absolvierte er eine Studienreise nach Italien, wo er beispielsweise als Hospitant an der Kunstakademie Florenz tätig war. In Venedig ließ er sich durch die eindrucksvollen Mosaikarbeiten in der Kuppel von San Marco, die zwischen 829/32 un 1071 erstellt wurden, zu eigenen Studien inspirieren. Nach 1897 bis 1912 lebte und arbeitete van Brackel in Düsseldorf, Köln, München und Berlin. 

Josef van Brackel lebte von 1912 bis 1943 in Kassel. Er studierte an der Kunstakademie in Kassel, wo er auch ein Atelier besaß. Einer seiner Lehrer war der Professor und Kunstschriftsteller Hermann Knackfuß (1848–1915), der ihm zu einem prominenten ersten Auftrag verhalf: zur Ausführung eines figurenreichen Deckengemäldes im Rathaus zu Kassel nach Entwürfen von Prof. Knackfuß. Das Deckengemälde ist heute bedauerlicherweise nicht mehr erhalten, denn das Rathaus wurde 1943 im Zweiten Weltkrieg zerstört.

Seine Studienzeit in Kassel erweiterte van Brackel immer wieder durch Studienreisen nach Holland, Belgien, Italien und Österreich. Er nahm an Ausstellungen der Kunstakademie Kassel in Berlin teil, in München, in Düsseldorf und in weiteren Städten. 1943 verlor er sein Atelier in der Akademie in Kassel, als die Stadt während des Zweiten Weltkriegs ausgebombt wurde.

Josef van Brackel flüchtete danach zurück in seine Geburtsstadt Kleve, wo ihn dasselbe Schicksal einholte: 1944/1945 wurde auch Kleve ausgebombt, wodurch er seine Wohn- und Arbeitsstätte verlor. Nach dem Krieg befand er sich 1946 in Lendringsen (Sauerland), er kehrt aber 1947 zurück nach Kleve, wo er 1959 im Alter von 85 Jahren starb. Die letze Zeit seines Lebens verbrachte er im Herz-Jesu-Kloster in Kleve, wo er am 15. November 1959 starb. 

Die blaue Kammer

Sein bis heute berühmtestes Gemälde ist „Die blaue Kammer“ (1910), das sich in der Kreisverwaltung Kleve befindet. Es ist insofern erstaunlich, weil es auf einem monumentalen Format ältere Frauen zentral präsentiert – zu einer Zeit, als ältere Frauen schlichtweg uninteressant waren und nicht als abbildungswürdig galten.

Van Brackel setzt sie zentral in Szene, sie sitzen rund um den Betrachter auf Stühlen und sind in sich versunken. Zu sehen sind fünf betende ältere Frauen, die meditativ in sich gekehrt sind. Die Ausführung ist historistisch-figürlich, aber trotzdem zukunftsgewandt. Die Farben sind stark und ansprechend, die Malweise pastos und deckend.

„Van Brackel ist ein echter Lyriker, dessen Bilder jene heimliche Schwermut haben, die aus sich selbst zu klingen scheint“, schreibt ein Kritiker nach einer Ausstellung in Mannheim.

Zu Beginn seiner ersten Schaffensperiode malte der Künstler in einem traditionellen Stil, erst später entwickelte er in seinen Gemälden impressionistische Tendenzen.

Über die Schenkung an das Museum Kurhaus Kleve: 
   
Beim Gemälde „Verlassene Alte beim Tischgebet“ handelt es sich um eines der großformatigsten im Œuvre von Josef van Brackel. Der Zeitpunkt seiner Entstehung ist nicht bekannt, stilistisch darf jedoch der Zeitraum zwischen 1910 und 1940 dafür herangezogen werden.

Den Titel des Gemäldes gibt der Künstler durch eine deutliche Titulierung auf der Rückseite selbst vor. Und exakt dieses Motiv ist auch dargestellt: eine alte Frau in einem Innenraum, die auf einem Stuhl sitzt, in sich gekehrt ist und zu beten scheint. Die Kleidung der Protagonistin wirkt heimelig und ist typisch für diese Zeit, scheint aber sehr gepflegt zu sein.

Die Szenerie spielt sich in einem Innenraum ab, womöglich in einer Küche, die gefliest ist und auf der Rückseite ein Geschirrregal mit Tellern aufweist. Tageslicht, das von rechts einfällt, erhellt diesen Raum und gibt Betrachter*innen die Möglichkeit, schöne atmosphärische Details zu erkennen, wie die bereits genannten Regale, aber auch ein Weinfass auf der rechten Seite und ein gedeckter Tisch auf der linken. Wahrscheinlich handelt es sich bei dieser Frau um eine Arbeiterin oder um eine Ehefrau und Mutter.

Beim Betrachten des Bildes kann man Ruhe und Frieden erfühlen. Anhand der Körperhaltung kann man davon ausgehen, dass es sich bei der Frau um eine Christin handelt. Sie sitzt mit geschlossen Augen da und betet mit gefalteten Händen.

Es gibt gewisse Analogien zwischen van Brackels berühmtesten Gemälde, „Die blaue Kammer“, und dem vorliegenden Bild „Verlassene Alte beim Tischgebet“. In beiden Bildern sind eine gewisse Spiritualität und Ruhe zu erspüren, die dem Künstler eigen war. Beide Motive gleichen sich. 

 

→ verfasst von Anastasiia Chaban im Zuge ihres wissenschaftlichen Praktikums im Museum Kurhaus Kleve im September 2023, die aus der Ukraine kommt und erst seit einem Jahr Deutsch lernt. Weitere Informationen über die Arbeit von Anastasiia Chaban sind ->hier abrufbar. 

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Schenkung dreier Gemälde von Anton Henning für die Sammlung des Museum Kurhaus Kleve

Im August 2023 erhielt das Museum Kurhaus Kleve aus Verbundenheit eine großzügige Schenkung des Künstlers Anton Henning (geboren 1964 in Berlin): drei Gemälde, die ab sofort die Sammlung der zeitgenössischen Malerei vortrefflich bereichern. 

Anton Henning bearbeitet seit über drei Jahrzehnten den Bildervorrat der europäischen Kunstgeschichte – insbesondere der Klassischen Moderne –  mit malerischen Mitteln der Gegenwart. Er greift dabei Fragestellungen wie etwa die nach der künstlerischen Autonomie oder die nach dem Fortwirken tradierter Sujets (Porträt, Interieur, Akt) auf und verdichtet sie zu hybriden Neuinterpretationen. Dabei fällt auf, dass er die ironische Distanz der Postmoderne ebenso meidet wie den imitierenden Nachvollzug des Adoranten.

Vielmehr ist seine Arbeitsweise geprägt von einem selbstbewusst nonchalanten Umgang mit großen Vorbildern und dem gleichzeitigen Bestreben ihrer Steigerung und malerischen Radikalisierung. Sehr oft verlässt er dabei die Begrenzung des Rahmengevierts und erweitert sein Wirkungsspektrum um skulpturale und gesamträumliche Aspekte, so dass viele Präsentationen Hennings wie synästhetische Environments anmuten.

Diesen Charakter einer reflektierten Salon-Inszenierung verströmten auch die bisherigen Kooperationen zwischen dem Künstler und dem Kurator Harald Kunde, nämlich zum einen im Rahmen der Ausstellung „Adieu Avantgarde. Willkommen zu Haus“ 2003 im Ludwig Forum Aachen und zum anderen innerhalb des Projekts „Basic Research. Notes on the Collection“ 2014 im Museum Kurhaus Kleve.

Die jetzt erfolgte großzügige Schenkung der drei Arbeiten „Portrait No. 533“ (2018), „Portrait No. 574“ (2020) und „Interieur No. 651“ (2023) durch den Künstler an die Sammlung des Museum Kurhaus Kleve versteht sich insofern als äußerst produktive Fortsetzung der gegenseitigen Wertschätzung und bereichert die hiesigen Bestände an Gegenwartskunst um eine signifikante malerische Position.

Wer die beiden Porträts und das Interieur näher betrachtet, wird unschwer die anverwandelte Formensprache etwa von Paul Klee, Pablo Picasso oder Francis Bacon erkennen und zugleich deren Ent-Idolisierung wahrnehmen; es wirkt, als wären die Heroen in ihrer Substanz entkernt und zu Schemen einer etablierten Geschmackserwartung geschrumpft worden. Mit dieser Chuzpe des Nachgeborenen behandelt Henning den enormen Fundus der Bildinnovationen der Moderne immer aufs Neue und führt ihre längst vollzogene Ankunft im designten Alltag des durchkapitalisierten Welt-Westens vor Augen.

Im Unterschied aber beispielsweise zum amerikanischen Maler George Condo (geboren 1957), der seine Vorlagen zu bitterbösen ausweglosen Grotesken steigert, verbleibt bei ihm noch immer so etwas wie eine Restsehnsucht nach dem vollkommenen Bild, dem alle Zurichtungen der Realität und der massenmedialen Überinformiertheit nichts anhaben können. Insofern könnte es sich bei Anton Henning durchaus um einen deutschen Spätest-Romantiker handeln, der im Bewusstsein grassierender Katastrophen noch immer am Gegenentwurf einer zeitgemäßen Schönheit arbeitet.

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Bedeutende Schenkung einer mittelalterlichen Heiligenskulptur des Meister Arnt von Kalkar und Zwolle für die Klever Sammlung

Der Freundeskreis Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. kann sich direkt zu Beginn des neuen Jahres 2023 überaus glücklich schätzen, eine bedeutende Schenkung einer imposanten Heiligenskulptur des Meister Arnt von Kalkar und Zwolle für die mittelalterliche Sammlung des Museum Kurhaus Kleve zu erhalten. Die Schenkung stammt vom langjährigen Leiter des städtischen Museums und Gründungsdirektor des Museum Kurhaus Kleve, Guido de Werd, der vor einiger Zeit auch schon die mittelalterliche Statue des „Heiligen Laurentius“ für die Klever Sammlung stiftete (->siehe hier). Fand die damalige Schenkung noch aus Freude über die Bemühungen des Museum Kurhaus Kleve über die Erwerbung der „Heiligen Drei Könige“ von Henrik Douverman statt (->siehe hier), so vollzog de Werd diese Schenkung aus Anlass des 25-jährigen Jubiläums des Museum Kurhaus Kleve im Jahr 2022. 

In der Sammlung des Museum Kurhaus Kleve befinden sich nur wenige Skulpturen von Meister Arnt von Kalkar und Zwolle. Die bislang einzige weibliche Heilige (eine „Heilige Luzia“) konnte erst vor kurzem erworben werden (->siehe hier). Die hier vorliegende Heiligenskulptur stellt die zweite Frauendarstellung aus der Hand dieses Meisters in der Klever Sammlung dar. Dargestellt ist eine stehende Heiligenfigur, bei der es sich vermutlich um eine „Heilige Katharina“ handelt. Sie weist Beschädigungen am unteren Rand oberhalb der Plinthe auf, wo sich in früheren Zeiten vermutlich das für Katharina obligatorische Attribut des Köpfchens des bösen Kaisers Maxentius befand.

Trotz dieser Beschädigung und einer fehlenden rechten sowie einer beschädigten linken Hand handelt es sich bei der Skulptur um ein höchst sensibles Werk von großer Eleganz, die aus der späten Phase des Künstlers stammt. Sie steht im leichten Kontrapost mit vorgestelltem rechten Bein, dessen Knie sich unter einem Gewand mit einem üppigen Faltenwurf abzeichnet. Ihr Oberkörper weist besonders feine Formen und Züge auf: kleine feste Brüste erheben sich unter einem hoch geschlossenen Kleid, das von einem Band oder Gürtel um den Hals und die Hüfte gehalten wird. Ein lose aufgelegter Mantel bedeckt beide Schultern und fällt am Rücken bis unter die Knie herab. Ein für Meister Arnt typisches Haarband bekrönt das Haupt der Schönen, unter dem die für Arnt typische Lockenpracht auf die Schultern und den Oberkörper herabfallen. Das Gesicht weist eine beseelte Entrücktheit auf, die den Skulpturen des Kalkarer Meisters eigen sind.

Meister Arnt, der 1484 von Kalkar nach Zwolle umgesiedelt ist, hat eine große Werkstatt geleitet, in dem Skulpturen nach seinen Modellen auch von Schülern ausgeführt wurden. Die Bildwerke aus seiner Werkstatt befinden sich in den Kirchen an Rhein und Maas, an beiden Seiten der heutigen deutsch-niederländischen Grenze.

Werke von Meister Arnt sind auf dem freien Markt nicht mehr zu erwerben, weshalb die Schenkung der „Weiblichen Heiligen“ für das Klever Museum einen großen Glücksfall darstellt. Meister Arnt ist eng mit der Geschichte des Niederrheins verbunden, er ist der Entwerfer des berühmten Kalkarer Hochaltares, den er bei seinem unerwarteten Tod Weihnachten 1492 unvollendet zurückgelassen hat, sowie der Schöpfer des Georgsaltares in Kalkar, und des Dreikönigsreliefs im Museum Schnütgen, dessen Ergänzung dort den Anlass für eine hochbedeutende monographische Ausstellung 2020 bildete (->siehe hier). Die Werke des mit einem Notnamen benannten mittelalterlichen Meisters Arnt von Kalkar und Zwolle feierten dort eine fulminante Neuentdeckung und -bewertung, als unter Federführung von Guido de Werd, der als bester Mittelalter-Experte für den Niederrhein gilt, die erste Einzelausstellung des Künstlers im Museum Schnütgen in Köln stattfand, zu der er – über 500 Jahre nach dem Ableben des Künstlers – das Meisterstück vollbrachte, ein Werkverzeichnis seiner Skulpturen herauszugeben. Dort ist die hier vorliegende Figur unter der Nummer 128 gelistet. 

De Werds Recherchen ferner zu verdanken ist, dass die Provenienz der Skulptur bestens bekannt ist. So ist beispielsweise überliefert, dass sie sich im 19. Jahrhundert in der englischen Sammlung von Edward White Benson (1829–1896) befand, der der Erzbischof von Canterbury war. Als sie über das Auktionshaus Christie’s verkauft wurde, befand sie sich im 20. Jahrhundert schließlich in der Sammlung des bekannten Amsterdamer Kunsthändlers J.C. Leeman. In die Klever Sammlung kam sie dann über das Auktionshaus Lempertz in Köln, wo sie von einem niederländischen Privatsammler verkauft wurde und der fachkundige Stifter sie schließlich entdeckte und für das Klever Museum sicherte. 

Bei der „Weiblichen Heiligen“ handelt es sich um einen wahrlich sensationellen Zuwachs für die Klever Mittelaltersammlung, die vom Museumsteam umgehend in die ständige Präsentation im Katharina-von-Kleve-Saal eingebunden wird. 

[verfasst und online gestellt von Valentina Vlašić]

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Schenkung von Originalaquarellen von Paul Theissen für die Sammlung des Freundeskreises im Museum

Im Juni 2023 gelangten neun Originalaquarelle von Paul Theissen (1915–1994) in die Sammlung des Freundeskreises Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. Sie wurden aus Düsseldorfer Privatbesitz für das Museum Kurhaus Kleve geschenkt. Für Kleve von Bedeutung sind die Aquarelle durch die ausschließlich klevischen und niederrheinischen Motive, die Gebäude und Landschaften vor Ort zeigen. 

Paul Theissen wurde in Essen geboren, gilt jedoch heute als wichtiger Klever Künstler des 20. Jahrhunderts. Sein erster Zeichenlehrer Bruno Schilbach übte großen Einfluss auf ihn aus. Von 1934 bis 1936 studierte Theissen bei Josef Urbach an der Folkwangschule Essen, wo er als Graphiker ausgebildet wurde. An der Folkwangschule traf er auch den französischen Künstler Honoré Daumier, ein seiner eigenen Aussage zufolge Schlüsselereignis für ihn, da ihn die Begegnung zur Graphik und Illustration führte, die er ein Leben lang verfolgte. 

Paul Theissen diente als Soldat im Zweiten Weltkrieg und kam im Zuge dessen 1942 nach Kleve, wo er schließlich sesshaft wurde und bis an sein Lebensende lebte und wirkte. Schnell kam er in der lokalen Kunstszene an und trat dem Niederrheinischen Künstlerbund bei, wo er seine Werke ausstellte und Kontakte zu anderen Künstlern wie z.B. Jupp Brüx, Achilles Moortgat und Josef Mooren knüpfte. Seit 1951 entwarf Paul Theissen die Illustrationen für den Kalender für das Klever Land, eine Tätigkeit, die er mehrere Jahrzehnte lang ausübte. Er unterrichtete u.a. auch an der Klever Volkshochschule. Seine Werke wurden zeitlebens u.a. im Städtischen Museum Haus Koekkoek in Kleve (Einzelausstellung 1990) – aber auch in Goch, Duisburg oder in München ausgestellt. Zum 100. Geburtstag widmete ihm das Museum B.C. Koekkoek-Haus posthum 2015 eine große Retrospektive.

Paul Theissen blieb seiner künstlerischen Haltung lebenslang treu. Er zeichnete und malte die klevische und niederrheinische Landschaft und widmete sich damit dem Leben, dem Alltag und der Denkweise der einfachen Bewohner*innen. Eine hohe Lesbarkeit seiner Bilder war ihm ein zentrales Anliegen. Das vorliegende Konvolut aus originalen Aquarellen, das Motive in Kleve und der Umgebung zeigt, offenbart Theissen als versierten Zeichner mit schneller Hand. Die Aquarelle weisen eine bislang für den Künstler ungeahnte Lebendigkeit und Qualität auf. 

Die neuen Arbeiten knüpfen nahtlos an bereits vorhandene Kunstwerke des Künstlers in der Sammlung an. Lediglich ein Motiv hebt sich von den Szenen in und um Kleve ab: eine Darstellung aus Hiddensee, die jedoch eine andere Relevanz für das Klever Museum besitzt und schlüssig an einen anderen Schwerpunkt der Sammlung anknüpft: an Ewald Mataré, der auf Hiddensee gearbeitet hat und dort ikonische Werke schuf, die sich heute ebenfalls in der Ewald Mataré-Sammlung im Museum Kurhaus Kleve befinden.
 

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Erwerbung von zwei Graphiken von Pia Fries für die Sammlung des Museum Kurhaus Kleve

Sie waren in der Ausstellung „Zwischen Gestern und Morgen. Klasse Pia Fries“ (30. Oktober 2022 bis 19. März 2023) im Museum Kurhaus Kleve als Werke der Professorin zu sehen: die beiden Arbeiten aus der Serie „disloziert“, die nun durch den Freundeskreis Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. aus den Erlösen der Verkäufe aus der Ausstellung für die Sammlung des Museum Kurhaus Kleve erworben werden konnten.

Pia Fries besitzt schon seit Jahren eine Leidenschaft für die Arbeiten des Altmeisters Hendrick Goltzius (1558–1617), dessen Werke sie zum Vorbild nimmt, adaptiert und für eine heutige Lesart kulminiert. In beiden Werken wird der sich ausruhende Herkules mit verschiedenen Mitteln in Bewegung gesetzt. Teile des Kupferstichs werden vergrößert, fragmentiert, gedreht und neu angeordnet, so dass der antike Held buchstäblich aus dem Gleichgewicht kommt. 

Wie im Titel angedeutet, wird Herkules „disloziert“, was so viel wie „verschoben“ oder „außerhalb des eigentlichen Standortes“ bedeutet. Die gegenständliche Darstellung des Herkules durchläuft dabei eine Transformation durch verschiedene Medien. Die antike Skulptur wird zur Radierung und diese zum Siebdruck. 

Im Bildfeld wird die zentrale Perspektive teilweise aufgehoben, so dass die Darstellung zur Mehransichtigkeit mutiert. Verschiedene Aspekte der antiken Statue versammeln sich simultan auf einem Blatt. 

In der Arbeit „disloziert b“ verdichtet sich die Komposition durch das Übereinanderlegen von gedruckten und gemalten Elementen. Die Farbe ist teilweise gestisch, teilweise flächig aufgetragen und die stark vergrößerten Linien des Siebdruckes wirken an mancher Stelle fast schon abstrakt, trotz des gegenständlichen Motivs. 

Das Werk „disloziert f“ ist in seiner Farbigkeit zurückhaltender und in seiner Komposition ausgeglichener als die Arbeit „disloziert b“. Im Hintergrund verarbeitet die Künstlerin Elemente eines weiteren Kupferstichs, diesmal von Stefano della Bella, der eine waldige Landschaft erahnen lässt. Wieder kombiniert Pia Fries Gedrucktes mit Gemaltem und auch hier lässt sie ein spannendes Nebeneinander von Abstraktem und Gegenständlichem entstehen.

Detail am Rande: Die Vorlage, die Pia Fries für ihre Graphik nutzte, stammte aus der Sammlung des Museum Kurhaus Kleve, in der sich der historische Kupferstich „Herkules Farnese“ von Hendrick Goltzius ebenfalls befindet. Pia Fries digitalisierte ihn, um ihn in ihre Serie einarbeiten zu können. 

Das Museum Kurhaus Kleve freut sich sehr, nun zwei weitere Arbeiten der Künstlerin zu besitzen, die mit dem Museum Kurhaus Kleve verbunden ist wie kein Künstler und keine Künstlerin vor ihr. Bereits 1997 stellte sie im Museum Kurhaus Kleve aus. 2017 kehrte sie für eine große Doppelausstellung zurück, die sie erstmals überhaupt mit dem Altmeister zusammen zeigte, „Hendrick Goltzius und Pia Fries: Proteus und Polymorphia“. 2022 war sie in der großen Jubiläumsausstellung „Schatzhaus und Labor. 25 Jahre Museum Kurhaus Kleve“ zu sehen, 2022/2023 stellte sie die Werke ihrer Studierenden der Akademie der Bildenden Künste in München im Klever Museum aus.

Der Freundeskreis konnte bereits 2018 zwei kapitale Arbeiten von Pia Fries für die Sammlung des Museum Kurhaus Kleve erwerben: das Diptychon „nemen/justis“, das seitdem zu den Höhepunkten der zeitgenössischen Malerei in der Klever Sammlung gehört. Es ist nur folgerichtig, dass nun zwei weitere, diesmal graphische Arbeiten angekauft werden konnten, die die Arbeit dieser wichtigen europäischen Malerin der Gegenwart in der Klever Sammlung weiter fundamentiert. 

[verfasst von Valentina Vlašić, Kuratorin im Museum Kurhaus Kleve]

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Ankauf eines Gemäldes von Arno Synaeve aus der Ausstellung der „Klasse Pia Fries“

Die Ausstellung „Zwischen Gestern und Morgen. Klasse Pia Fries“, die vom 30. Oktober 2022 bis 19. März 2023 im Museum Kurhaus Kleve zu sehen war, stellte die erste Kooperation mit der Akademie der Bildenden Künste in München dar. Dabei befassten sich siebzehn angehende Künstler*innen, die Studierende von Prof. Pia Fries in München sind, im Vorfeld ca. ein Jahr lang mit der Sammlung des Museum Kurhaus Kleve, mit dem historischen Gebäude des Museums sowie mit Kleve im allgemeinen. Sie schufen im Anschluss Werke, die unmittelbar mit Kleve und dem Museum zu tun hatten, und anschließend in der Ausstellung in einem sinnvollen Kontext präsentiert werden konnten.

Die Ausstellung, die über Verkäufe von Editionen der Professorin und ihrer Studierenden finanziert wurde, aber auch durch eine Förderung des Freundeskreises Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. sowie der Volksbank Kleverland eG, sorgte für Furore und Aufmerksamkeit. Es fand ein breites Vermittlungsprogramm aus Gesprächen (u.a. mit der Akademie-Präsidentin Prof. Karen Pontoppidan), Filmpräsentationen und Rundgängen statt. 

Es freut das Museum Kurhaus Kleve nun sehr, dass im Nachhall der Ausstellung sein Freundeskreis aus Restmitteln des Projekts eine Arbeit der Studierenden für die Sammlung des Museum Kurhaus Kleve ankaufen konnte: das Gemälde „Die Zurückgezogenheit des Blickes II (Den Rhijn bij Bonn)“ des belgischen Künstlers Arno Synaeve (2022), das sich wie kein zweites mit der Sammlung des Museums identifiziert.

Im Zuge der oben beschriebenen Auseinandersetzung mit Kleve schuf Arno Synaeve 2022 eine Serie an Gemälden mit den Titeln „Die Zurückgezogenheit des Blickes“, bei der er eine architektonische Besonderheit zweier Ausstellungssäle des Museum Kurhaus Kleve thematisierte. Zu beiden Seiten der Repräsentationsetage der historischen Kursäle öffnen sich jeweils drei große Fenstertüren zu zwei schmalen Kabinetten. Der Blick durch diese Fenstertüren zeigt keinen Außenraum, sondern weist auf eine Wand. Als das ehemalige Kurhaus noch ein singulärer Baukörper war, führten sie ursprünglich jeweils auf zwei Balkone, die allerdings, als der Rest des heutigen Gebäudes hinzugebaut wurde, durch zwei Kabinette ersetzt wurden. In der ersten Gebäudephase gaben die Fenstertüren den Blick frei in die umgebende Landschaft. 

Diese Beobachtung nimmt Arno Synaeve zum Ausgangspunkt, um in seiner Serie „Die Zurückgezogenheit des Blickes“ über mögliche Ausblicke nachzudenken. Eine Welt der Möglichkeiten eröffnet sich für ihn in der Frage: Was befindet sich hinter dieser Wand beziehungsweise  was gibt es hinter dieser Wand zu entdecken? Er spielt das Thema zunächst in Skizzen und Zeichnungen durch und macht dabei verschiedene kunsthistorische Bezüge auf. Diese Beschäftigung mit kunsthistorischen Referenzen ist selbstverständlicher Teil seiner künstlerischen Praxis und so fand er in der Klever Sammlung Werke, die ihn zu verschiedenen Entwürfen inspirieren. Einige der Bildideen setzte er letztendlich in Malereien um. 

In „Die Zurückgezogenheit des Blickes II (Den Rhijn bij Bonn)“ greift Synaeve einen Kupferstich aus der Sammlung Robert Angerhausen aus dem Museum Kurhaus Kleve aus dem 18. Jahrhundert auf, der eine Sicht auf den Rhein und die umgebende Landschaft zeigt. Durch die malerische Übersetzung des Kupferstichs nutzt Arno Synaeve den historischen Blick auf das Siebengebirge zur Auseinandersetzung zwischen Graphik und Malerei.

[verfasst von Valentina Vlašić, Kuratorin im Museum Kurhaus Kleve]

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Vergessene Künstlerin: Zwei kapitale Werke von Irmgart Wessel-Zumloh aus der Klever Sammlung werden im Museum Schloss Cappenberg gezeigt

Die abstrakte Malerin Irmgart Wessel-Zumloh (1907–1980) gehört zu einer Riege von Künstlerinnen, die im 20. Jahrhundert ein furioses malerisches Œuvre geschaffen haben, aber bereits zu Lebzeiten übergangen wurden und heute weitgehend vergessen sind. Es gehört zu einem (durchaus willkommenen) aktuellen Trend, dass heutzutage viele Museen versuchen, dieses massive Unrecht wiedergutzumachen und deshalb vorwiegend Ausstellungen über diese Künstlerinnen ausrichten. So auch das Museum Schloß Cappenberg, das eine Einzelausstellung über Irmgart Wessel-Zumloh organisiert und bei seinen Recherchen auf zwei kapitale Werke der Malerin in der Sammlung des Museum Kurhaus Kleve gestoßen ist. 

Und in der Tat befinden sich zwei überaus eindrucksvolle Gemälde im Eigentum des Klever Museums, die leider ebenfalls Jahrzehnte lang nicht zu sehen waren: „Traum“ von 1974 wurde vom Städtischen Museum, das damals noch im Haus Koekkoek angesiedelt war, 1978 in der Jahresausstellung des Niederrheinischen Künstlerbundes in Kleve erworben. Zuletzt war es im Haus Koekkoek ausgestellt. Seitdem sich das Städtische Museum im Gebäude des Museum Kurhaus Kleve befindet, war es nicht mehr ausgestellt.

Das weitaus monumentalere Werk bildet jedoch „Triptychon Gelb“ von 1962, eine vier Meter lange dreiteilige Arbeit in Öl auf Leinwand, die vom Klever Museum 1976 angekauft wurde – und zwar dezidiert zur Aufhängung im alten Rathaus der Stadt Kleve, wo es Jahrzehnte lang vor dem Ratssaal zu sehen war. Als das alte Klever Rathaus abgerissen und das neue erbaut und 2017 eingeweiht wurde, wurde die Arbeit abgenommen und in das Depot des Museum Kurhaus Kleve zurückgeführt.

Das Museum Kurhaus Kleve unterstützt die Leihanfrage der Kolleg*innen im Museum Schloß Cappenberg nur zu gerne und gibt beide Werke als Leihgaben für die dortige Einzelausstellung, die von 22. Oktober 2023 bis 7. April 2024 zu sehen sein wird. Das Museum Kurhaus Kleve freut sich dadurch zur „Wiederentdeckung“ dieser wichtigen deutschen Künstlerin des 20. Jahrhunderts beitragen zu können.

Die in Lennestadt beim Kreis Unna geborene und in Iserlohn verstorbene Irmgart Wessel-Zumloh war eine der führenden deutschen Künstlerinnen der Nachkriegszeit. Durch die Fusion von abstrakten und organischen Elementen entwickelte sie in ihren Malereien eine markante künstlerische Sprache zwischen gegenstandsloser informeller Kunst und rigoros figurativen Motiven.

Ihre Werke waren in den 1950er, 1960er und 1970er Jahren u.a. im Stedelijk Museum, Amsterdam, zu sehen, im Osthaus Museum, Hagen, im Museum Ostwall, Dortmund, oder im Von der Heydt-Museum, Wuppertal. 1946 gehörte Irmgart Wessel-Zumloh zu einer der Mitbegründerinnen des Westdeutschen Künstlerbundes. 1952 erhielt sie den Karl-Ernst-Osthaus-Preis der Stadt Hagen. John Anthony Thwaites, einer der maßgeblichen Kunstkritiker der 1950er und 1960er Jahre, beschrieb sie damals als eine der führenden deutschen Künstlerinnen der Zeit.

Weitere ausführliche Informationen zu Irmgart Wessel-Zumloh finden sich ->hier. Die Website von Museum Schloß Cappenberg ist ->hier zu finden.

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Ein Höhepunkt der Klever Sammlung geht nach Hamburg: die Ikone „Umgeschlagenes Blatt“ (1965) von Gerhard Richter

Das Museum Kurhaus Kleve leiht eines der Meisterwerke der Sammlung seines Freundeskreises – Gerhard Richters „Umgeschlagenes Blatt“ (1965) – für die Ausstellung „Vija Celmins | Gerhard Richter. Double Vision“ in die Hamburger Kunsthalle, das dort zu sehen sein wird von 12. Mai – 27. August 2023.

Vija Celmins (*1938 Riga) und Gerhard Richter (*1932 Dresden) zählen zu den international renommiertesten Künstler*innen ihrer Generation. Eine große Doppelschau in der Hamburger Kunsthalle bringt die beiden erstmalig zusammen und macht überraschende Verbindungen sichtbar. Neben der thematischen Nähe, der künstlerischen Arbeit mit photographischen Vorlagen und der besonderen Bedeutung der Farbe Grau ist es die Frage nach den elementaren Bedingungen des Darstellens, die Celmins und Richter beschäftigt. Was ist Realität, was ist Repräsentation? Und wie kann die Wahrnehmung, das Sehen selbst, sichtbar gemacht werden?

Seit über sechs Jahrzehnten bringen die in New York lebende Künstlerin Vija Celmins und der in Köln lebende Gerhard Richter mit großer Meisterschaft und Intensität ein beeindruckendes künstlerisches Œuvre hervor, ohne sich je einer Künstlergruppe oder Stilrichtung angeschlossen zu haben. Es ist wohl diese Eigenständigkeit, die dazu führte, dass sowohl Celmins als auch Richter bislang fast ausschließlich in monographischen Ausstellungen präsentiert wurden.

Mit der Ausstellung „Vija Celmins | Gerhard Richter. Double Vision“ bietet die Hamburger Kunsthalle erstmals eine neue, erweiterte Lesart an und setzt auf einen spannungsreichen, transatlantischen Dialog, der verblüffende Parallelen und Gemeinsamkeiten in dem Werk beider Künstler*innen erkennbar werden lässt. Es ist die erste Begegnung und die erste gemeinsame Ausstellung der beiden, in ihrem Heimatland jeweils hoch geschätzten Künstler*innen.

Vija Celmins‘ beeindruckende Gemälde und Zeichnungen sind in Europa selten zu sehen und so möchte die Hamburger Kunsthalle auch dazu beitragen, ihrem Werk zu einer größeren Sichtbarkeit und Aufmerksamkeit zu verhelfen. Mit einer starken, weiblichen Position als Dialogpartnerin öffnet sich die Möglichkeit, das oft als singulär vorgestellte Werk Gerhard Richters mit einem frischen Blick neu zu befragen und zu entdecken.

Die Ausstellung umfasst ca. 70 Gemälde, Zeichnungen, Druckgraphiken und Objekte und findet im zweiten Obergeschoss der Galerie der Gegenwart statt. Die Dramaturgie der Doppelschau führt von einer frühen künstlerischen Beschäftigung mit Alltagsgegenständen über die Auseinandersetzung mit Krieg und Migration (in den so genannten „disaster“-Arbeiten) hin zu kunstphilosophisch-reflektierenden Werken („in response to Duchamp“). Zu entdecken sind die faszinierend realitätsnahen Seestücke und die Erforschung der Farbe Grau im Werk beider Künstler*innen, sowie eine große Bandbreite an Spiegelungen und Doppelungen, welche Fragen rund um die Wirklichkeit des Bildes aufgreifen.

Weitere Informationen zur Ausstellung sind ->hier abrufbar. 

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Schöne kleine Schenkung „Souvenir de Cleve“ für die Kunstgewerbesammlung: Böhmisches Trinkglas (um 1900) mit Motiv des Amphitheaters

Das schöne kleine Trinkglas „Souvenir de Cleve“ mit einer geschliffenen Ansicht des Amphitheaters wurde dem Museum Kurhaus Kleve im April 2023 durch Anneliese Vater aus Baesweiler geschenkt, aus deren langjährigen Familienbesitz es stammt. Es wurde 1934 von der Schwester der Mutter von Anneliese Vater, Frau Helene Dorothea Schatborn (geborene Langerfeld), direkt vor Ort in Kleve erworben, als diese mit ihrem Ehemann Willem Schatborn auf Durchreise in Kleve war und vor Ort in den Klever Gärten Halt machte. Die dem Objektphoto beigefügten Originalphotos zeugen von dem Besuch der beiden in den Klever Gartenanlagen. 

Das schöne kleine Trinkglas ergänzt die bereits in der Sammlung vorhandene Auswahl an „Souvenir de Cleve“-Objekten vortrefflich und wird bei der nächsten entsprechenden Präsentation aufgenommen werden.

Der Kurort „Bad Cleve“ war unter gut betuchten Langzeitgästen ein wohlbekannter Begriff, der sich vornehmlich aus den Bemühungen zweier idealistischer Männer heraus entwickelt hatte: von Dr. Johann Heinrich Schütte Ende des 18. Jahrhunderts, der mineralhaltiges Wasser am Springenberg entdeckt und dieses für einen ersten Kurbetrieb verwertet hatte, und rund fünfzig Jahre später von Dr. Wilhelm Arntz. 

Arntz errichtete Mitte des 19. Jahrhunderts unter dem Wohlwollen des Königs Friedrich Wilhelm IV. das sogenannte „Friedrich-Wilhelm-Bad“ und – fünfundzwanzig Jahre später – das sogenannte „Badhotel“ mit den Wandelhallen – die drei Gebäudeteile also, aus denen heute das Museum Kurhaus Kleve besteht. 

Kurz vor der Jahrhundertwende um 1900 prosperierte „Bad Cleve“ nochmals ordentlich, das pro Jahr von bis zu 15.000 Tagesausflügler*innen – vornehmlich aus den Niederlanden – frequentiert wurde und somit einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor für die Stadt darstellte, bis ihm der Ausbruch des Ersten Weltkriegs ein endgültiges Ende setzte. 

Bis dahin florierte „Bad Cleve“, wodurch sich auch „Souvenir de Cleve“-Artikel mit Kleve-Motiven entwickelten. Seit der Bieder­meierzeit liebten Bad Cleve-Reisende böhmische Gläser mit Ansichten des be­suchten Kurortes, die sie als Mitbringsel und Andenken für die Vitrine zu Hause erwarben. 

Die Produkte und Gläser, die zuweilen eine einfarbige Lasur erhiel­ten, wurden von den Produzent*innen bereits fertig eingekauft und anschließend mit Gra­vuren, kopiert nach zeitgenössischen Stahlstichen oder Lithographien (in Kleve z.B. nach Ansichten von Joseph Constantin Wilhelm Jellé), versehen. 

In Größe und Gestalt variierten die Gläser, es gab eine breite Produktpalette. Dekor und Ausführung ver­raten jedoch, daß es sich schon um reihenweise vor­gefertigte Stücke handelte. In deutschen Bade­städten wurden die böhmischen Gläser meist in Souvenir-Boutiquen verkauft. 

Diese Art von Glasproduktion blühte besonders in der Mitte des 19. Jahrhunderts auf. Böhmische Gläser aus Bad Cleve sind heute eine Seltenheit, denn im Vergleich zu den berühmten Bädern von Karlsbad, Baden-Baden oder Spa blieb Kleve als kleinere Badestadt stets ein „Geheimtipp“.

[verfasst von Valentina Vlašić, Kuratorin im Museum Kurhaus Kleve]

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Ankauf einer bislang unbekannten Kaminuhr (1896–1906) von Carl Sigmund Luber im Auftrag von Johann von Schwarz

Auf die Anregung des Keramik-Sammlers Werner Steinecke erwarb der Freundeskreis Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. im Februar/März 2023 eine bislang unbekannte Kaminuhr von Carl Sigmund Luber für die Firma Johann von Schwarz, die als Zustiftung für die „Sammlung Werner Steinecke“ im Museum Kurhaus Kleve gedacht ist. 

Carl Sigmund Luber kam aus einer Münchner Handwerkerfamilie, die ihn zu einem Steinmetz in die Lehre gab. Nach der Lehre war er einige Jahre im Ausland auf Wanderschaft. Mit seinen Ersparnissen schrieb er sich an der Münchner Kunstgewerbeschule ein, die zu der selben Zeit auch der berühmte Jugendstilkeramiker Hans Christiansen besuchte. Luber bewarb sich anschließend an der Münchner Kunstakademie und wurde dort in die Bildhauerklasse aufgenommen. Diese war im Gegensatz zur Kunstgewerbeschule noch sehr traditionell orientiert. Seine Klasse war die der religiösen Skulpturen. 

Nach seiner Heirat 1895 arbeitete Luber kurz als Zeichenlehrer an der Steinschleiferschule in Idar-Oberstein. Schon 1897 zog er mit seiner Familie nach Nürnberg, wo er zehn Jahre lang die Keramiken in der Fabrik „Norica“ der Familie von Schwarz entwickelte und entwarf. Die Firmeninhaber hatten sich auf dem Weltmarkt umgesehen und den aufkommenden Jugendstil für deutsche Verhältnisse sehr früh adaptiert. Es wurde schon Zinn in Jugendstil-Manier hergestellt. Lubers malerische Arbeiten scheinen von Schwarz überzeugt zu haben. In der Tat kamen die Herstellungstechniken der Norica-Keramiken den malerischen Ambitionen Lubers entgegen. 

Die aus Westeuropa (besonders Belgien) übernommene Technik, die Farbflächen durch Fadeneinlagen zu trennen, verhinderte das unkontrollierte Ineinanderlaufen der Glasuren, wie wir das bei vielen Jugendstilvasen deutscher Manufakturen deutlich erkennen können, was aber durchaus auch als expressives Stilmittel eingesetzt wurde. 

Die extrem farbigen Glasuren entsprachen genau dem neu aufgekommenen Geschmack. Die Keramiken der Firma Johann von Schwarz waren zielgerichtet auf das kunstsinnige und zahlungskräftige Bürgertum zugeschnitten. Sie hatten dort großen Erfolg. Die Ausstattung der Möbel mit Fliesen unterstrich deren Aktualität. Die Produktpalette der von Luber entworfenen Keramik ist breit angelegt, beschränkt sich aber immer aufs Repräsentative und ist nicht für den normalen Geschirr-Gebrauch gedacht. 

Es gibt im Gegensatz zu vielen gleichzeitig mit diesen Mitteln arbeitenden Firmen kein einziges Essgeschirr, keine Kanne oder dergleichen. Gebrauchsgegenstände sind am ehesten noch die Kerzenleuchter oder die Tabletts. Diese waren aber durch die relativ dicke Platte und die Metallmontierung  bereits so schwer, dass sie ihrem eigentlichem Zweck kaum gedient haben können. Sie gehören also durchaus zum Vertikoporzellan von Meißen und Co., das zum Vorzeigen und nicht zum Gebrauch gedacht war. 

Das war offensichtlich auch der innere Widerspruch, an dem Luber und die Firma scheiterten. Die reformerischen Ideen eines Behrens oder Riemerschmidts waren auf Schlichtheit, geometrische Formen und Dekore sowie deren Umsetzbarkeit auch in der Produktion für die breitere Masse ausgerichtet. Gerade im Nürnberger Kunstgewerbemuseum wollte man den alten Anstrich von Nürnberg als Hort des Historismus verändern, weshalb man dort Meisterkurse einrichtete, auch mit dem Ziel, den „schlechten“ Geschmack des Jugendstils zurückzudrängen. Peter Behrens war der tonangebende Leiter dieser Kurse. Und deren Ideen waren am Anfang des 20. Jahrhunderts in Nürnberg wirkmächtiger, so dass die Firma sich von Luber trennte. In anderen Regionen Deutschlands blühte der Jugendstil erst auf (z.B. in Darmstadt). Dies wird der Grund sein, dass die Arbeiten Lubers viel weniger bekannt sind als die der hessischen Jugendstilkünstler.

Luber verbrachte sein weiteres Leben nur noch kurz in Nürnberg, indem er bei der führenden Spielzeugfirma Bing arbeitete. Ab 1908 bis 1933 war er bei der Handwerkskammer in München angestellt und zwar beim Gewerbeförderungsinstitut, das die Aufgabe hatte, Mustersammlungen anzulegen, Meisterkurse zu geben u.v.a.m.

Die vorliegende Uhr von Carl Sigmund Luber ist für die Firma Norica in Nürnberg entworfen und bildet eher eine Ausnahme unter seinen zahlreichen Arbeiten für die bekannte Manufaktur von Johann von Schwarz. Sie ist auch bisher nicht bekannt gewesen und in dem umfangreichen Werkverzeichnis von Wolfgang König und Rudolf Weichselbaum nicht enthalten. Sie wurde wie alle Arbeiten von Luber in den Jahren zwischen 1896 und 1906 hergestellt. Die stilistischen Merkmale deuten eher auf die Zeit nach der Jahrhundertwende hin. Sie ist eine herausragende Ergänzung der in der Sammlung vorhandenen Arbeiten von Luber für Schwarz.

[Werner Steinecke und Valentina Vlašić]

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Ankauf einer seltenen Jugendstil-Kanne von Walter Magnussen als Zustiftung zur Sammlung Werner Steinecke

Auf die Anregung des Keramik-Sammlers Werner Steinecke erwarb der Freundeskreis Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. im Februar/März 2023 als Zustiftung zu seiner „Sammlung Werner Steinecke“ eine seltene Jugendstil-Kanne für die Keramiksammlung im Museum Kurhaus Kleve. Die ungewöhnlich große Kanne wurde in geringer Stückzahl hergestellt und stellt eine Gemeinschaftsarbeit des Keramikers Walter Magnussen und der Töpferei von Jakob Julius Scharvogel in München dar. Es sind nur vier Erzeugnisse aus der gemeinsamen Arbeit von Magnussen und Scharvogel bekannt, die wie diese Kanne beide Künstlerstempel tragen.

Walter Magnussen wurde 1869 in Hamburg geboren und absolvierte eine Ausbildung an der Kunstgewerbeschule in München. Dort lernte er Scharvogel kennen, für den er später viele Keramiken entwarf, vor allem im Zusammenhang mit der Mathildenhöhe in Darmstadt.

Magnussen lernte die Uffrecht Brüder aus Neuhaldensleben kennen und entwarf für diese Firma eine Reihe von Keramiken, die sich vor allem durch die konsequente Anwendung eines geometrischen Jugendstils auszeichnen, die aber z.T. auch pflanzliche Ornamentik aufweisen. Magnussens Arbeiten für Scharvogel und Uffrecht wurden auf der Weltausstellung in St. Louis 1902 gezeigt und ausgezeichnet.

Die Zusammenarbeit mit Jakob Julius Scharvogel begann schon in den 1890er Jahren. Seine Künstlerlaufbahn begann zunächst in der Malerei, während der er aber bereits auch schon töpferte. Wie viele andere Künstler*innen in Europa in dieser Zeit, war Magnussen von der japanischen Keramik begeistert. Er lehnte allerdings die direkte Übernahme und das Kopieren ab und suchte einen Weg, der die in Deutschland verwendeten Materialien als Akzente und Merkmale in den Vordergrund stellte.

Scharvogel war von den frühen Arbeiten Walter Magnussens angetan und bot ihm an, in seiner Werkstatt zu experimentieren und zu entwerfen. Scharvogel war zu dieser Zeit schon längst bekannt, beschäftigte zwei Töpfermeister und mehrere Dekorateure und war auf den Leipziger Messen mit wenigen, aber sehr hochpreisigen Stücken vertreten. Sein finanzieller Hintergrund erlaubte ihm großen Spielraum und er war nicht auf die Einnahmen seiner künstlerischen Tätigkeit angewiesen.

Bei Walter Magnussen sah es anders aus. Als Scharvogel dessen Arbeiten mit auf die Leipziger Messe nahm und neben den sehr hoch angesetzten Verkaufspreisen auch noch eine hohe Provision nahm, beendete Magnussen erbost die Zusammenarbeit mit Scharvogel.

Er erinnerte sich seiner Verbindungen zu den Uffrecht Brüdern und entwickelte für deren väterliche Fabrik in Neuhaldensleben zwei Entwürfe, wobei das bekanntere das Service „Iris“ ist, das in der „Sammlung Werner Steinecke“ vertreten ist wie die Vorratsgefäße der Küchengarnitur. Die Einkäufer der Warenhäuser und Einkaufsgenossenschaften der Haushaltsläden kauften von diesen Geschirren nichts. Doch Uffrecht war davon überzeugt und vermarktete es in den Jahren 1902 bis 1905 sehr erfolgreich.

Jakob Julius Scharvogel stammte aus Mainz aus begütertem Hause und strebte nach einer umfassenden künstlerischen Ausbildung. Ein längerer Aufenthalt in London in den frühen 1880er Jahren nutzte er zu einem intensivem Studium der neuen Entwicklungen im Kunsthandwerk. Er nahm begierig die „kolonialen“ Anregungen des Weltreiches auf. Deutschlandweite Ausstellungen brachten das Scharvogel-Steinzeug auch nach Darmstadt auf die Ausstellung der Darmstädter Künstlerkolonie im Jahr 1901.

Gleichzeitig plante Großherzog Ernst Ludwig, in Darmstadt eine keramische Manufaktur zu errichten. Da Scharvogel durch die Ausstellungen auf der Mathildenhöhe in Darmstadt einige Berühmtheit erlangt hatte, wurde er Leiter der Darmstädter großherzoglichen Keramikmanufaktur. Scharvogel legte im April 1904 ein Konzept vor, das drei Produktionsschwerpunkte vorsah: Gartenschmuck, Bauterrakotta und Innendekorationen. Zwei Jahre später nahm die Manufaktur in Darmstadt den Betrieb auf und baute vor allem den Bereich der Kachel- und Fliesenproduktion aus. Die Jugendstil-Badehäuser in Bad Nauheim legen davon noch heute Kenntnis ab. Scharvogel gehörte 1907 zu den Gründungsmitgliedern des Deutschen Wekbundes. Später ging Scharvogel nach München zurück und arbeitete weiter in seiner eigenen Werkstatt.

Für Scharvogel war es vor allem die Formensprache der asiatischen Keramik, die ihn faszinierte, wobei er schon in den Anfängen seiner Töpfertätigkeit deren tradierte Farbgebung ablehnte und durch eigene Glasurexperimente ersetzte. Er arbeitete in seiner Werkstatt im Wesentlichen mit Scharffeuerfarben. Bei Scharffeuerfarben handelt es sich um hitzeresistente Farben zum Bemalen von Keramik, die vor dem Glasurbrand aufgetragen werden. Aus diesem Grund werden sie auch als Unterglasurfarben bezeichnet. Der Name „Scharffeuerfarben“ leitet sich von den hohen Temperaturen ab, bei denen die Farben gebrannt werden. Sie müssen sozusagen “scharfes Feuer” aushalten. Dabei geht es um Brenntemperaturen zwischen 1100 ºC und 1400 ºC. Solch große Hitze überstehen nur ganz wenige Farben. Die meisten Keramikfarben würden ihre Eigenschaften verändern oder gar gänzlich verbrennen, wenn die Keramik solchen Temperaturen ausgesetzt ist.

Unterglasurfarben sind allesamt aus äußerst hitzebeständigen Metalloxiden zusammengesetzt. Allerdings gibt es nur wenige geeignete Metalloxide, was die Farbpalette erheblich eingeschränkt. Bei der in der Sammlung befindlichen Kanne wurde nur Braunsteinoxid eingesetzt, und das ergab diesen satten Braunton, auf dem nur wenig vegetabilen Relief des großen Kruges.

[Werner Steinecke und Valentina Vlašić]

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Neu in der Sammlung aus dem Nachlass Gerard Lemmens: Golgotafelsen mit Totenkopf von Ferdinand Langenberg

Im Februar 2023 erhielt der Freundeskreis Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. für die Sammlung im Museum Kurhaus Kleve aus dem Nachlass von Gerard Lemmens (zu Informationen über die Person siehe hier) eine einzigartige Schenkung, die aus der bekannten Sammlung Ferdinand Langenberg und im Anschluss aus der Sammlung Dr. Adolf Helfer in seinen Besitz gelangt ist.

Wäre der Totenkopf nicht, könnte es sich bei der vorliegenden Skulptur um ein geradezu zeitgenössisches abstraktes Schnitzwerk handeln. Der Totenkopf allerdings, die Form des Gebildes und der leere Schlitz auf der Oberseite ermöglichen jedoch eine konkrete Zuschreibung – die auf einen Golgotafelsen. Die autarke Erhöhung erhält durch die zahlreichen rhythmischen Schnitzungen, die kahlen Felsen veranschaulichen sollen, einen landschaftlichen Aspekt. Zentral dargestellt ist der Totenschädel, der unterschiedlich interpretiert wird – sowohl als Schädel Adams als auch als Schädel der Verurteilten, die an dieser legendären Stelle gestorben sein sollen.  

Der „Golgotafelsen“ oder „Kalvarienberg“ („kalvaria“ ist die lateinische Übersetzung des aramäischen Wortes „Golgota“, die „Schädel“ bedeutet) stellt die Hinrichtungsstätte Jesu Christi dar, die sich außerhalb der Stadtmauern Jerusalems befunden haben soll, so dass Passanten der Hinrichtung beiwohnen konnten. Er wurde im Laufe der Jahrhunderte verändert und im 11. Jahrhundert wieder künstlich errichtet, um Feiern des Kreuzigungsopfers Christi am ursprünglichen Ort zu ermöglichen. Lag der Felsen in der Spätantike noch unter freiem Himmel, wurde er im 11. Jahrhundert in seinen gesamten Ausmaßen in einen Seitenflügel der Grabeskirche integriert. 

Bei der vorliegenden Skulptur fehlt bedauerlicherweise das Kreuz mit dem gekreuzigten Jesu Christi, für das auf der Oberseite der Skulptur ein Schlitz eingelassen ist. Wurde Christus laut Überlieferung zusammen mit den beiden Verbrechern hingerichtet, sind vorliegend keine Hinweise auf weitere Möglichkeiten der Kreuzespräsentation zu finden. Überhaupt fehlen alle anderen, ansonsten oft dargestellten Elemente der Kreuzigung: u.a. gaffende Schaulustige, Soldaten oder die durch den Tod ihres Sohnes zusammenbrechende Maria Muttergottes, die von ihren beiden Schwestern Maria Salome und Maria Kleophas begleitet wird. Das Bildwerk ist ganz auf die zentrale Motivik des gekreuzigten Christus hin ausgerichtet – und erhält durch das Fehlen des besagten Kreuzes eine eigentümliche Präsenz, die ihrem Daseinszweck enthoben zu sein scheint, aber trotzdem nicht einer gewissen Dynamik entbehrt. 

Das Schnitzwerk entspricht dem Stil der spätgotischen Skulpturen um 1500 am Niederrhein, ist jedoch zweifelsfrei um 1900 entstanden – durch den neugotischen Bildhauer Ferdinand Langenberg in Goch, der einer der besten Kenner mittelalterlicher Bildhauerei am Niederrhein war und sich mit seiner Werkstatt u.a. auf die „Verschönerung“, Neuinterpretation oder Restaurierung alter Werke spezialisiert hat. Der Mentalität um 1900 entsprechend, ersetzte er in vielen Kirchen des Niederrheins (z.B. im Xantener Dom) mit seinen Eigenkreationen zahlreiche Originale, mit denen er sich anschließend mitunter sogar bezahlen ließ. Dadurch gelang es Langenberg, eine beeindruckende Schausammlung anzulegen, die zu den bedeutendsten am Niederrhein zählte und die hohe Qualität dieser Epoche gesammelt wiederspiegeln konnte. Zahlreiche Werke seiner Sammlung befinden sich heute im Besitz des Museum Kurhaus Kleve (siehe „Verknüpfte Objekte“), kaum eines aus seiner eigenen Hand – wodurch das vorliegende Werk abermals eine interessante Bedeutung erhält. 

[Valentina Vlašić]

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Sechs neue Dauerleihgaben von Ulrich Erben & Andreas Schmitten für die Klever Sammlung

Ab Februar 2023 erweitern sechs prominente Dauerleihgaben der deutschen Künstler Ulrich Erben (*1940) und Andreas Schmitten (*1980) die Sammlung des Museum Kurhaus Kleve:

  • Andreas Schmitten

Dem Klever Museum seit Jahrzehnten wohl gesonnene Unterstützer*innen aus Meerbusch bei Düsseldorf liehen dem Museum Kurhaus Kleve für dessen Jubiläumsausstellung „Schatzhaus und Labor. 25 Jahre Museum Kurhaus Kleve“ (23.07.2022–29.01.2023) mehrere Werke von Andreas Schmitten, der vor einigen Jahren in einer großen Übersichtsausstellung („Andreas Schmitten“, 13.05.–26.08.2018) gewürdigt worden war. Nach Ablauf der Ausstellung bleiben die Werke – aus Freude über die Präsentation und angereichert um weitere Arbeiten dieses jungen deutschen Bildhauers – als Dauerleihgaben in der Klever Sammlung, wo sie das vorhandene graphische Portfolio seiner Werke trefflich um skulpturale Positionen erweitern. Dabei handelt es sich um außergewöhnliche und frühe Arbeiten des mittlerweile international bekannten Künstlers:

Die poppig bunt anmutende Arbeit „Oststraße“ (2014) zeigt auf einem Podest stehende Figuren und Objekte in einem kindlich-surrealen Umfeld. Sie mutet überraschend fröhlich und persönlich an, wie der familiäre Traum eines Mann-Frau-Idylls. Mit der Arbeit lehnt sich Schmitten an der Gruppe der „Düsseldorfer Modellbauer“ der 1980er Jahre an, der u.a. Thomas Schütte, Ludger Gerdes, Harald Klingelhöller oder Reinhard Mucha angehörten und deren Modelle und Sets Schmitten um surreale und dadaistische Elemente erweiterte. Mit einer Prise Ironie und Humor überträgt Schmitten klassische Formen in eine neuartige, zeitgenössische Bildsprache.

Die beiden Vitrinenobjekte „Falsche Scham VIII.“ (2016) erinnern an die Werke von Duchamp, Man Ray oder Joseph Cornell. Bei ihnen schließt Schmitten aufgerollte, farblich schmeichelnde Stoffbahnen in hochglänzende Schaukästen ein und generiert durch die Aspekte des Einrollens und Verschließens bei Betrachter*innen eine sinnlich-haptische Paradoxie.

Bei „Zwei Throne“ (2014) hebt er das Sitzmobiliar des Menschen auf einen Sockel und standardisiert es durch die Verdoppelung. In seinen Skulpturen zeigt Schmitten sinnlich ansprechende Farben und Formen, perfekt lackierte Oberflächen, kühle Materialien, die ihre Anleihen in profanen Alltagsgegenständen haben, die durch den Künstler jedoch einer umfänglichen inhaltlichen wie handwerklichen Verfremdung unterzogen werden, durch die sie schließlich eine neuartige und attraktive, geradezu sakrale oder sanitäre Anmutung erhalten.

Die Arbeit „Heizung“ (vor 2014) ist aus Karton geschnitten und in eine Form gebracht, deren Name diese allerdings ad absurdum führt. Würde man die Kartonarbeit erhitzen, um eine Heizung zu befeuern, würde sie umgehend in Flammen aufgehen und sich auflösen. 

  • Ulrich Erben

Ergänzend zu den vier Arbeiten von Andreas Schmitten gelangen auch zwei Arbeiten von Ulrich Erben neu in die Sammlung des Museum Kurhaus Kleve – einem international hoch angesehenen Künstler, mit dem das Klever Museum bereits eine lange Ausstellungshistorie teilt. Kaum ein Künstler ist enger mit dem Museum in Kleve verbunden als er. In der Sammlung ist Ulrich Erben mit äußerst prominenten Positionen vertreten [allen voran den beiden Varianten von „Klever Raum“ (1988)]. 

Die beiden neuen Arbeiten „Ohne Titel“ sind sowohl typisch als auch ungewöhnlich für Erben. In seinen Bildern gehen die Farben stets einen Dialog ein, basierend auf dem spezifischen Klang eines Ortes, der sich in der Erinnerung festsetzt und das Einmalige und Spezifische eines Ortes genauso zu verkörpern vermag wie aus der Realität entnommene Architekturformen.

Bei „Ohne Titel“ (1996) wird eine schwarze Innenfläche von einer rotbraunen Randzone gerahmt. Beide Farben begegnen sich in einer geometrischen Form und vibrieren geradezu im Auge des Betrachters.

Bei „Ohne Titel“ (1968) handelt es sich um eine der frühesten Arbeiten des Künstlers in der Klever Sammlung, die ungewöhnlich für ihn anmutet, da ihr ein realistischer Ursprung – die Reminiszenz an van Goghs „Brücke von Langlois“ in Arles, die dieser in mehreren Variationen malte – zugrunde liegt. 

Die sechs neuen Arbeiten bereichern exzellent die vorhandene Sammlung im Museum Kurhaus Kleve um wichtige neue Akzente. In wechselnden Präsentationen werden sie in den folgenden Jahren immer wieder in die Dauerausstellungen integriert werden. 

[verfasst von Valentina Vlašić, Kuratorin im Museum Kurhaus Kleve]

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Kleves berühmter „Handtuchhalter mit Liebespaar“ geht in den Louvre in Paris

Er ist und bleibt das Lieblingsstück der Klever Sammlung: der „Handtuchhalter mit Liebespaar“ des Bildhauers Arnt van Tricht (um 1535-1540). Kein anderes Objekt wird derart oft angefragt und ausgeliehen wie er. Nun reist Kleves Prunkstück zu einer Ausstellung an exponierter Stelle: dem Louvre in Paris. Dort wird er vom 16. Oktober 2024 bis 3. Februar 2025 in der Ausstellung „Närrische Figuren. Zwischen Mittelalter und Renaissance“ zu sehen sein. 

Die Ausstellung ermöglicht dem Publikum einen neuen, unkonventionellen Blick auf die Kunst des Mittelalters und der Renaissance, indem sie sich auf eine Figur konzentriert, die in unserer Vorstellung zwar bekannt und vertraut ist, aber dennoch von einer stets gleichbleibenden Faszination umgeben ist: dem Narren. 

Für die breite Öffentlichkeit ist die Kunst des Mittelalters im Wesentlichen religiös und der Verherrlichung Gottes und seiner Heiligen gewidmet. Dennoch ist es das Mittelalter, das der subversiven Figur des Verrückten eine Gestalt verliehen hat. Ursprünglich im religiösen Denken verwurzelt, als Verkörperung des Dummkopfs und Gimpels, der Gott ablehnt, blühte der Narr vor allem in der weltlichen Sphäre auf und wurde im späten Mittelalter zu einer wesentlichen Figur des städtischen sozialen Lebens, insbesondere in Bruderschaften und Karnevals, bis er schließlich am Hof als „fou du roi“ verkörpert wurde.

Die zahlreichen Kunstwerke, die von dieser Begeisterung zeugen, von den feinsten Objekten und Gemälden bis hin zu Alltagsgegenständen, zeigen uns, wie sehr die Figur des Narren Teil der visuellen Kultur der damaligen Menschen und insbesondere der Künstler war, bis hin zu dem Höhepunkt, den das 15. Jahrhundert in einer Bewegung der Wiederaneignung und Erneuerung, die das Thema des letzten Teils der Ausstellung sein wird.

In der Ausstellung werden rund 300 verschiedene Exponate – Kunstgegenstände, Gemälde, Skulpturen, Manuskripte usw. – aus den bedeutendsten Sammlungen der Welt zu sehen sein. Sie wird von einem umfangreichen Katalog begleitet werden. Die Ausstellung wird in den vollständig renovierten Ausstellungsräumen der Napoleonhalle zu sehen sein, die sich damit erstmals überhaupt der Öffentlichkeit präsentieren werden.

Der „Handtuchhalter mit Liebespaar“ von Arnt van Tricht (um 1535-1540) – mit der Darstellung eines Narren, der eine verheiratete Frau „unter der Haube“ umgarnt – stellt naturgemäß ein zentrales Exponat dieser Ausstellung dar, der wesentlich zu ihrem Erfolg beitragen wird. Das Museum Kurhaus Kleve gewährt diese Leihgabe zu diesem Zwecke gerne – trägt die Ausstellung zum Ansehen seiner Sammlung und seines mittelalterlichen Prunkstücks wesentlich bei. 

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Wissenschaftliche Forschungsvolontärin des Landes Nordrhein-Westfalen 2023-2024 für die Ewald Mataré-Sammlung: Annemarie Gareis

Nach 2019 lotete das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen 2022 zum zweiten Mal in Folge das Programm „Forschungsvolontariate Kunstmuseen NRW“ aus, mit dem es die kunsthistorische Arbeit an Museen in NRW gezielt mit den Kernaufgaben des Sammelns und Forschens unterstützen möchte. Mit dem Programm werden die Aufarbeitung von Ausstellungs- und Sammlungsgeschichten unterstützt und eine junge Generation von Nachwuchswissenschaftler*innen in die Museen eingebunden.

Nachdem das Museum Kurhaus Kleve bereits beim ersten Durchgang vom Programm profitierte (siehe ->hier), bewarb es sich auch beim zweiten Aufruf erfolgreich, und zwar für die Bearbeitung der durch das Ableben und Vermächtnis von Sonja Mataré 2020 und die Schenkung von Guido de Werd 2021 fundamental erweiterten Ewald Mataré-Sammlung.

Für diesen wichtigen Aufgabenbereich konnte die Kunsthistorikerin, Kulturwissenschaftlerin und -vermittlerin Annemarie Gareis M.A. aus Herford gewonnen werden, die das Team des Museum Kurhaus Kleve für die nächsten zwei Jahre bereichern und unterstützen wird. 

  • Über die neue wissenschaftliche Forschungsvolontärin Annemarie Gareis

Annemarie Gareis wurde 1994 in Herford geboren. Sie studierte Kunstgeschichte, Kulturwissenschaften und Kulturvermittlung an den Universitäten und Hochschulen im deutschen Hildesheim, im italienischen Bologna und in Caldas da Rainha in Portugal. Ihre Bachelorarbeit schrieb sie über die Fluxus-Künstlerin Yoko Ono, ihre Abschlussarbeit über körperliche Transformationsprozesse in der zeitgenössischen Performancekunst. 

2015 absolvierte Annemarie Gareis bereits ein wissenschaftliches Praktikum im Museum Kurhaus Kleve, bei dem sie das Privileg hatte, Sonja Mataré persönlich im Atelierhaus ihres Vaters Ewald Mataré in Meerbusch-Büderich kennenlernen zu dürfen. Sie arbeitete damals maßgeblich im Bereich der Ausstellungsorganisation und Katalogproduktion für „Ewald Mataré: Berliner Jahre“ (29.03.–28.06.2015) mit, wobei sie zzgl. an der Fertigstellung des Werkverzeichnisses der Aquarelle von Ewald Mataré involviert war, das neben dem Katalog ebenfalls zu dieser Ausstellung erschienen war.

Diese positiven Erfahrungen von 2015 bewogen Annemarie Gareis nach dem Abschluss ihres Studiums 2022 dazu, ihr wissenschaftliches Volontariat zum Berufseinstieg abermals in Kleve zu absolvieren. Bei der öffentlichen Stellenausschreibung setzte sie sich gegen alle anderen Mitbewerber*innen durch und erhielt von der Stadt Kleve den Zuschlag für die Stelle.

  • Über Ewald Mataré und seine Sammlung in Kleve

Ewald Mataré (1887–1965) gehört zu den bedeutendsten Künstlerpersönlichkeiten der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Deutschland. Seine Werke befinden sich in zahlreichen Museumssammlungen und an öffentlichen Orten. Mataré war Maler, Graphiker und Bildhauer. Seine Tierdarstellungen, bei denen die Kuh eine zentrale Rolle spielt, zeichnen eine absolute Klarheit in der Form und eine unerschöpfliche Erfindungskraft aus. Sie nehmen in der deutschen Kunst des 20. Jahrhunderts einen singulären Platz ein.

Die Präsentation und wissenschaftliche Aufarbeitung des facettenreichen Werks von Ewald Mataré gehören zu den Grundpfeilern der Arbeit des Museum Kurhaus Kleve, das die Ergänzung „Ewald Mataré-Sammlung“ in seinem Titel trägt. 1988 überließ die Tochter des Künstlers, Sonja Mataré, dem Museum der Stadt Kleve einen substantiellen ersten Teil des sich nach dem Tod Ewald Matarés 1965 in ihrem Besitz befindlichen Œuvres. Diese Werke bildeten den Grundstock für die Sammlung des neuen Museum Kurhaus Kleve, das 1997 eröffnete. Nicht nur Mataré, sondern auch das Werk seiner Schüler, u.a. Joseph Beuys und Erwin Heerich, ist heute in der Sammlung dieses Museums mit bedeutenden Arbeiten vertreten. 

2020 und 2021 wurde die Ewald Mataré-Sammlung im Museum Kurhaus Kleve fundamental erweitert. Die Tochter des Künstlers, Sonja Mataré, starb am 7. Oktober 2020. Testamentarisch verfügte sie als Vermächtnis an den Freundeskreis des Museums eine hochbedeutende Schenkung. Diese besteht u.a. aus 45 Skulpturen und keramischen Arbeiten, 222 Holzschnitten und einem umfassenden und eindrucksvollen Archiv über Ewald Mataré, das u.a. die originale Korrespondenz des Künstlers mit Zeitgenossen, Künstlerkolleg*innen, Sammler*innen, Galerien, Museen usw. enthält – wie auch die handgeschriebenen Tagebücher Matarés aus den Jahren 1915 bis 1965, die nicht nur über seine eigene Person wertvolle Informationen liefern, sondern auch ein wichtiges zeitgeschichtliches Dokument darstellen.

In ihrem Testament hat Sonja Mataré den Gründungsdirektor des Museum Kurhaus Kleve, Guido de Werd, zum Alleinerben für den zweiten, nicht durch das Vermächtnis gebundenen Teil ihrer Hinterlassenschaft bestimmt. Den verbliebenen künstlerischen Nachlass sowie die originale Atelier-Einrichtung schenkte dieser dem Museum Kurhaus Kleve – Ewald Mataré-Sammlung. Die Schenkung umfasst 263 Skulpturen, 63 Druckstöcke, 455 Zeichnungen und Entwürfe, 101 Aquarelle, 3 Gemälde sowie 20 „Kunst am Bau“-Entwürfe in Originalgröße. Darüber hinaus umfasst die Schenkung auch noch 226 Werke anderer Künstler*innen aus dem Besitz von Ewald und Sonja Mataré. 

Das Vermächtnis von Sonja Mataré und die Schenkung von Guido de Werd – bereichert durch zahlreiche Erwerbungen in den vergangenen Jahrzehnten – haben dazu geführt, dass sich das umfassende und eindrucksvolle Œuvre Ewald Matarés nun zu zwei Dritteln in Kleve befindet, was eine opulente Konzentration des Werkes dieses Künstlers in der Klever Sammlung darstellt. 

  • Aufgaben in den nächsten zwei Jahren

2021 und 2022 hat das Museum Kurhaus Kleve eine erste, rudimentäre Erfassung dieses eindrucksvollen Neubestands durchgeführt und die Kunstwerke erfasst, photographiert und gelistet. Damit ist die Arbeit an diesem hoch bedeutenden Konvolut jedoch bei weitem nicht abgeschlossen.

Darüber hinaus muss eine wissenschaftliche Aufarbeitung und Einordnung der Kunstwerke stattfinden wie auch eine Ersterfassung der hochbedeutenden Dokumentation des Künstlers. Ferner müssen erforderliche restauratorische Maßnahmen an mehreren Skulpturen (vorwiegend originalen Gipsen, die nunmehr in nahezu vollständiger Zahl im Museum enthalten sind) sowie an fast allen 20 „Kunst am Bau“-Entwürfen initiiert und begleitet werden.

Die Ergebnisse sollen im Rahmen einer umfassenden Ausstellung Ende 2024 / Anfang 2025 der Öffentlichkeit präsentiert werden, die die Person und das Werk von Ewald Mataré in ein gänzlich neues Licht stellen werden und zu der ein mehrbändiger Bestandskatalog erscheinen soll. 

All diese komplexen Aufgaben der Sammlungserfassung und -pflege, der Ausstellungsplanung und -umsetzung sowie der Katalogproduktion sollen im Rahmen des wissenschaftlichen Forschungsvolontariats Kunstmuseen NRW – Sammlungsforschung durch das wissenschaftliche Team des Museums unter der maßgeblichen Mithilfe von Annemarie Gareis erfolgen. 

[verfasst von Valentina Vlašić, Kuratorin im Museum Kurhaus Kleve]

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