Klever Matarés gehen für erste Lovis Corinth-Ausstellung seit 30 Jahren nach Berlin
Mataré on tour: Zwei Werke von Ewald Mataré (1887–1965) aus der Klever Sammlung gehen 2026–2027 für die erste Ausstellung seit 30 Jahren über seinen Lehrer, Lovis Corinth (1858–1925), in die deutsche Hauptstadt. Dort werden sie von 9. Oktober 2026 bis 25. Januar 2027 in der groß angelegten Schau „Lovis Corinth. Dann kam Berlin!“ in der Berlinischen Galerie zu sehen sein.
Die Berlinische Galerie besitzt einen qualitätvollen Bestand an Gemälden von Lovis Corinth (1858–1925). Bereits zu Lebzeiten zählte der virtuose Maler zu den bekanntesten und einflußreichsten Persönlichkeiten der Berliner Moderne. In Tapiau in Ostpreußen geboren und aufgewachsen, zog Corinth im Jahr 1900 von München, wo seine Karriere begann, in die Reichshauptstadt. Die Kunstszene Berlins war zu diesem Zeitpunkt bereits deutlich progressiver und lebendiger als die der bayrischen Residenzstadt. „Angefangen hat es erst in Berlin“, soll Corinth seine beispiellose Erfolgsgeschichte an der Spree kommentiert haben. Über ein Vierteljahrhundert beeinflußte der Maler, dessen vielseitiges Werk schon zu Lebzeiten zwischen Impressionismus und Expressionismus verortet wurde, die Kunstszene der Stadt. In Berlin steigerte er seine Produktivität rasant und verkaufte mit den Jahren gut. Rund 1.000 Gemälde und zahlreiche Arbeiten auf Papier umfasst sein Œuvre.
Dank der Unterstützung seines Freundes Walter Leistikow, der zu den wichtigsten Akteuren der Berliner Moderne gehörte, lebte sich Corinth rasch in der Stadt ein. Schon bald verfügte er über ein Netzwerk an Persönlichkeiten der Kulturszene, deren herausragender Porträtist er wurde. Als Mitglied der wichtigsten Künstler*innen-Vereinigungen profilierte sich Corinth neben Max Liebermann und Leistikow insbesondere in der Berliner Seeession und prägte zunehmend das Kunstgeschehen der Stadt.
Unmittelbar nach seiner Ankunft an der Spree gründete Corinth eine Malschule und lehrte auch an anderen Orten der Stadt. Diese Lehrtätigkeit sicherte ihm ein erstes Einkommen. Private Malschulen boten in diesen Jahren vor allem auch Frauen die Möglichkeit einer künstlerischen Ausbildung. Erst ab 1919 öffnete sich die Berliner Hochschule für Kunststudentinnen, was Corinth entschieden befürwortete. Unter seinen ersten Schüler*innen waren Charlotte Berend, seine spätere Ehefrau, Minna Tube, die erste Ehefrau von Max Beckmann, Ewald Mataré oder August Macke.
Corinth soll sich bereits in Königsberg, spätestens aber in München für das Theater begeistert haben und eifriger Premierengänger gewesen sein. In Berlin fand er Zugang zu Theaterkreisen. Er porträtierte Autoren wie Gerhart Hauptmann und stellte Schauspieler*innen in ihren Rollen dar. In seinen Selbstbildnissen – als Bacchus oder Ritter – experimentierte Corinth ebenfalls mit Kostümierungen und Rollen, um sich über Aspekte der eigenen Persönlichkeit klarer zu werden. Das spontane, theaterhaft-burleske Element seiner eigenwilligen Historienmalerei erkannte man früh als typisch für ihn.
Weniger bekannt ist, dass Corinth ab 1903 für den Berliner Theatermann Max Reinhardt Kostüme und Bühnenbilder entwarf. Mit Corinth begann Reinhardts erfolgreiche Zusammenarbeit mit Berliner Künstlern. Wie bedeutend Corinth für Reinhardts neues bildmächtiges, experimentierfreudiges Regietheater über die Jahre war, wird aus dem Kondolenzschreiben deutlich, das dieser 1925 an Charlotte Berend-Corinth richtete: „Zu dem erschütternden Verlust erlaubt sich das Deutsche Theater Max Reinhardts, dessen erste Erfolge mit dem großen Namen Corinth verknüpft bleiben, Ihnen sein tiefstes Mitgefühl auszusprechen.“
Mit den Jahren genoss Corinth große Popularität in Berlin. An rund 80 wichtigen Ausstellungen nahm er teil, darunter zahlreiche monographische Präsentationen, unter anderem in der Seeession, den führenden Galerien der Stadt und nicht zuletzt in der Nationalgalerie.
Von dieser wurde Corinth als einziger Künstler zwei Mal kurz hintereinander mit großen Einzelausstellungen geehrt: 1923 im Kronprinzenpalais, der sogenannten Galerie der Lebenden, und 1926, ein Jahr nach seinem Tod, im Berliner Stammhaus mit einer feierlich eröffneten Retrospektive. Rund 500 Werke waren zu sehen. Der Direktor der Nationalgalerie Ludwig Justi bezeichnete die Gedächtnisausstellung im Sinne des Zeitgeists der 1920er und 1930er Jahre ideologisch-nationalistisch gefärbt als „gesamtdeutsche Angelegenheit“. Die Schau war so erfolgreich, dass sie mehrfach verlängert werden musste.
Auch die Berliner Seeession und die Akademie der Künste veranstalteten nach seinem Tod Ausstellungen für den Künstler. Noch im Februar 1933 widmete Justi bei der Neuordnung des Kronprinzenpalais im Erdgeschoss Corinth zusammen mit Max Slevogt einen Raum. Mit dieser Auswahl bekräftigte Justi die Bedeutung Corinths für die Moderne im Sinne einer nationalen deutschen Kunstgeschichte. Eine solche Bewertung gestand Justi im Erdgeschoss mit einem eigenen Raum sonst nur den von ihm so bezeichneten „zwei großen germanische Meistern“ Vincent van Gogh und Edvard Munch zu.
Die Berlinische Galerie realisiert im Herbst 2026 eine große Schau: „Lovis Corinth. Dann kam Berlin!“ (Arbeitstitel). Sie stellt Corinths Entwicklung in Berlin im Kontext seiner Zeit vor. Bis heute steht seine Position für einen spontanen, expressiven Malakt, der für die Entwicklung der Malerei, denkt man die Jungen Wilden, Georg Baselitz oder Lucien Freud, äußerst folgenreich war. Corinths Karriere wird in der Ausstellung kontrastiert durch Werke seiner Schüler*innen. Wer bei Corinth studierte, wie der Unterricht aussah, wie dieser bei seinen Schüler*innen ankam und allgemeiner, welche Möglichkeiten explizit Frauen in Berlin zu Anfang des 20. Jahrhunderts offenstanden, um als Künstlerin Karriere zu machen, wird erstmals genauer erforscht und eingebunden. Corinths Nähe zum Theater, seine Beziehungen und sein Einfluss auf die Kunstszene der Stadt sowie die Rolle, die das private Lebensumfeld in Berlin für seine Kunst spielte, bilden weitere Schwerpunkte der Ausstellung.
Corinths Bedeutung für die Berliner Moderne ist kaum zu überschätzen. Zuletzt war das Werk des Künstlers in der Stadt in größerem Umfang vor dreißig Jahren zu sehen: 1996 in der Berliner Nationalgalerie in einer Kooperation mit dem Haus der Kunst, München, The Saint Louis Art Museum, und der Tate Gallery, London. Die Berlinische Galerie erforscht mit ihrer Lovis Corinth-Ausstellung als Landesmuseum für Moderne Kunst die eigene Sammlung und knüpft an eine Reihe monographischer Ausstellungen zur Berliner Moderne an. Diese stellt prägende Persönlichkeiten im Kontext ihrer Zeit vor und bewertet sie neu, darunter 2023 Edvard Munch, 2021 Ferdinand Hodler, 2019 Lotte Laserstein, 2017 Jeanne Mammen und 2015 Max Beckmann.
→Warum gehen die beiden Matarés aus Kleve nach Berlin? Ewald Mataré gehört zu den bekanntesten Schüler*innen Corinths. Der Zeitpunkt von Matarés Studium bei Corinth kann bisher nicht eindeutig bestimmt werden, die Angaben schwanken zwischen 1912 und 1914. Da sich in den Œuvres von Corinths Schüler*innen zumeist nur sehr wenige frühe Arbeiten erhalten haben, sind die beiden Klever Arbeiten von Ewald Mataré aus der Sammlung des Museum Kurhaus Kleve von ganz besonderer Bedeutung für die Ausstellung. Sein in dieser Zeit entstandenes Aktgemälde und die Studienzeichnung präsentieren einen für das Berliner Publikum bislang unbekannten „Mataré vor Mataré“. Die beiden Arbeiten belegen, dass Mataré eine gründliche Ausbildung im Bezug auf die anatomische Wiedergabe des menschlichen Körpers erfahren hatte. Auf diese legte Corinth in seiner Lehre größten Wert.
Weitere Fakten zur Ausstellung:
- Rund 90 Werke (Gemälde und Graphik) von Lovis Corinth und Zeitgenoss*innen werden zu sehen sein. Neben Werken von Corinth und Künstler*innen der Berliner Moderne aus der Sammlung der Berlinischen Galerie werden zahlreiche Leihgaben aus öffentlichen und privaten Sammlungen zu sehen sein.
- Die Ausstellung begleitet ein umfassender Katalog in deutscher und englischer Sprache, der den Stand der Forschung zum Thema repräsentiert.
- Ein kostenfreies, digitales Vermittlungsformat macht die Schau multimedial im virtuellen Raum erlebbar und erschließt die Ausstellungsinhalte interaktiv. Das Angebot soll webbasiert über diverse Endgeräte (z.B. Smartphones, Tablets, Laptops) abrufbar sein und über die Laufzeit der Ausstellung hinaus zur Verfügung stehen.
Good to know:
- Weitere Informationen über die Berlinische Galerie und die Ausstellung sind ->hier abrufbar.
- Informationen über Ewald Mataré und seine 25 prägenden Jahre in Berlin finden sich in ->dieser Publikation.
[verfasst von Stefanie Heckmann, leicht angepasst und online gestellt von Valentina Vlašić]