Bildhauer*in (Ausführung): Ewald Mataré (1887–1965)
Künstlertitel: Pietà – Frau mit totem Kind
Datierung: 1922 - 1923 (Herstellung)
Museum: Museum Kurhaus Kleve
Typ: Kunstwerk
Gattung: Plastik / Skulptur
Inventar Nr.: 1988-05-004
Werkverzeichnis Nr. (neu): WV P 26a
Werkverzeichnis Nr. (alt): WV P 21a
Die „Pieta“ (ital. „Mitleid“) zeigt die Darstellung Mariens, die den Leichnam ihres Sohnes, des vom Kreuz abgenommenen Jesus Christus, in den Armen hält. Die wohl berühmteste Darstellung ist die von Michelangelo im Petersdom in Rom. Doch nicht diese, sondern die „Pieta Rondanini“ im Castello Sforzesco in Mailand, die letzte, unvollendet gebliebene Skulptur Michelangelos vor seinem Tod, beschäftigt Mataré während der Arbeit an diesem Thema: „Auch Michelangelo hat eine Arbeit gemacht, die ich über alles schätze, [von dem,] was er jemals gearbeitet hat, es ist sein letztes Werk, eine Frau mit einem toten Mann, der Körper des Mannes ist zusammengesunken und wird unter beiden Armen von der dahinter stehenden Frau gehalten, oh, wie herrlich ist dieses Werk. Es scheint, als ob sein ganzes Leben dagewesen sei, um diese Gruppe zu schaffen!“
Mataré hat sich bereits seit seinen Studienjahren an der Akademie in Berlin intensiv mit christlichen Bildthemen auseinandergesetzt. Unter seinen Lehrern Arthur Kampf und Lovis Corinth erstellt er zahlreiche Ölgemälde mit religiösen Inhalten. Im Medium der Malerei stößt Mataré schnell an seine Grenzen. Neue Ausdrucksmöglichkeiten findet er daraufhin im Holzschnitt, der ihn durch das Medium zur Reduktion der Form zwingt. 1920 entstehen drei Holzschnitte zum Thema „Totenklage“ (WV H 61-63), in denen die Körper in geometrisch vereinfachten Formen ausgeführt und rhythmisch auf der Bildfläche angeordnet sind. Über den Holzschnitt findet Mataré schließlich zur Skulptur. Die Holzfassung, die der „Pieta / Frau mit totem Kind“ aus Bronze zugrunde liegt, entstand 1922/1923. Mataré verkauft sie 1923 an den Kunsthändler Israel Ber Neumann in Berlin, der ihm im gleichen Jahr eine Ausstellung ausrichtet. Das Flachrelief weist eine starke Verwandtschaft zum Holzschnitt auf. Mataré benennt sie „Frau mit totem Kind“, um eine christlich-religiöse Konnotation zu vermeiden.
In den hochrechteckigen Rahmen sind kreuzförmig zwei Figuren eingespannt. Die Füße der aufrecht stehenden Frau ragen weit in die Rahmenunterseite hinein, der Kopf des von der Frau waagerecht gehaltenen Mannes ist eingeklemmt, seine Füße drücken die rechte Rahmenseite nach außen. Der „Sohn“ ist etwas kleiner als die Muttergottes.
Die Mutter-Kind-Komposition wirkt gedrängt und eingekeilt. Während Mataré bei dem Gemälde „Die Frauen und der Tote / Beweinung“ (1919) durch die emotionsgeladenen Gebärden expressiv wirkt, sperrt er bei der „Frau mit totem Kind“ die Expression in eine geometrische Form.
List auf Sylt, 18. Mai 1923:
„[…] Neumann selbst kaufte mir die kleine Reliefschnitzerei ‘Frau mit totem Kind’ ab […]“
Anmerkung der Redaktion:
Mit „Neumann“ ist der berühmte Kunsthändler, Verleger und Vorreiter für die Etablierung der Kunst des 20. Jahrhunderts, Israel Ber Neumann (1887–1961) gemeint. Die Skulptur in Holz wurde 1923 in dessen Graphischem Kabinett in Berlin bei einer Kollektivausstellung gezeigt. Diese Holzfassung war von Israel Ber Neumann selbst erworben worden.
- Werkverzeichnis „Ewald Mataré – Das plastische Werk“, bearb. v. Sabine Maja Schilling, Köln 1987, S. 151, Abb. S. 151, Nr. 21a
- Dr. Christoph Stiegemann: Ewald Mataré - Christliche Themen im Werk des Künstlers, im Auftrag des Erzbistums Paderborn, Paderborn 1995, S. 128, Abb. S. 53, Nr. 8a
- Hanns Theodor Flemming: Ewald Mataré, München: Prestel 1955, Nr. 57
- Christus an Rhein und Ruhr. Zur Wiederentdeckung des Sakralen in der Moderne 1910-1930, Bonn, Verein August Macke Haus 2009: Schriftenreihe Verein August Macke Haus Bonn Nr. 55, S. 125-130
- Kat. d. Ausst. „Ewald Mataré – Plastik. Eine rheinische Privatsammlung“, bearb. v. Valentina Vlašić u. Guido de Werd, hrsg. v. Freundeskreis Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. aus Anlass der gleichnamigen Ausstellung im Museum Kurhaus Kleve (14. März – 20. Juni 2010), Kleve 2010, S. 24, Abb. S. 25, Nr. 3
- Ewald Mataré zum 125. Geburtstag, Aachen: Kunst aus NRW, ehem. Reichsabtei Aachen-Kornelimünster 2012, S. 22, Abb. S. 22
- Museum Henriette Polak, Zutphen - Een keuze uit de collectie, Zutphen 1991, S. 90, Abb. S. 53, Nr. 7
- Christus an Rhein und Ruhr – Zur Wiederentdeckung des Sakralen in der Moderne, 16.07.2011 - 02.10.2011
Pietà, Vesperbild, Marienklage: Maria trauert (allein) um Christus (mit oder ohne Dornenkrone)
die Trauer um den toten Christus
die Trauer der Angehörigen und Freunde um Christus (Christus ist in der Regel ohne Dornenkrone dargestellt)
Madonna: stehende (oder halbfigurige) Maria mit dem Christuskind an der Brust
Mataré, Ewald
Museum Kurhaus Kleve. Ewald-Mataré-Sammlung