in der Manier von (nach): Johannes Rottenhammer der Ältere (1564–1625)
Maler*in (zugeschrieben): Antwerpener Schule, 17. Jahrhundert
Beschreibender Titel: Jüngstes Gericht
Datierung: 1601 - 1700 (Herstellung)
Museum: Museum Kurhaus Kleve
Typ: Kunstwerk
Inventar Nr.: Alte Inv. Nr. 398, Hauptverz. Nr. 823
Hier dargestellt ist das Jüngste Gericht und die Auferstehung der Toten, die sogleich in zwei Gruppen aufgeteilt werden: Links begleitet ein Engel die Seligen zum Himmel, rechts jagt ein Teufel die Sünder in die brennende Hölle. Engel mit Posaunen und an der Oberseite des Gemäldes mit den Arma Christi umschließen die Wolkendecke, auf der Christus thront, links und rechts begleitet durch Maria und Johannes den Täufer. Unter den Heerscharen sind von links nach rechts erkennbar: die Apostel, Jonas auf einem Wal, König David mit der Harfe, Maria Magdalena mit der Salbbüchse, Paulus sowie Moses mit den Gesetzestafeln.
Das vorliegende Gemälde stammt aus einem der im 17. Jahrhundert in Antwerpen befindlichen, sehr produktiven Ateliers für Gemälde mit religiösen Motiven, die meist auf Kupfer gemalt wurden. Die Produktion dieser Devotionalien dauerte bis spät in das 18. Jahrhundert an, der Akzent lag überwiegend auf kleinformatigen, meist die Kreuzigung darstellenden Gemälden.
Vermutlich handelt es sich hier um eine Kopie nach dem „Jüngsten Gericht“ von Johannes Rottenhammer d.Ä., das sich in den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen befindet (dort Inv. Nr. 45).
Es ertönen die Posaunen des Jüngsten Gerichtes. Die Auferstehung der Toten hat begonnen. Fern in der Landschaft erkennt man gerade noch den Erzengel Michael, der die Auferstehenden in Erlöste und Verdammte trennt. Auf der rechten Seite hat sich das Tor zur feurigen Hölle geöffnet. Teufel strömen hervor, um die Sünder zu packen. Vor dem Flammenschwert eines Engels stürzen zahlreiche Verdammte in die Hölle hinab. Links empfängt ein Engel die Erlösten, die auf dieser Seite in den Himmel aufsteigen. Auf Wolkenbänken sitzen dort die Propheten, Apostel und Heiligen: Jonas mit dem Walfisch, David mit der Harfe, Andreas mit dem Kreuz, Maria Magdalena mit dem Salbgefäß, Katharina mit dem Rad. In einer Gloriole erscheint Christus mit Maria und Johannes dem Täufer (Deesis). Der Kreis der Engelschöre wird oben von Engeln mit den Leidenswerkzeugen abgeschlossen.
Die Alte Pinakothek in München bewahrt die 1598 datierte Version der Komposition von Rottenhammers Hand auf (Öl auf Kupfer, 68 x 46 cm, Signatur: „Gio. Rottenhammer 1598 Venetia“, Inv. 45; Ausstellungskatalog „Hans Rottenhammer. Begehrt – vergessen – neu entdeckt“, bearbeitet von Heiner Borggrefe u.a., Ausstellungskatalog „Weserrenaissance“, Museum Schloß Brake Lemgo und Nationalgalerie Prag, München 2008, Kat. 26, S. 119-121). Die Signatur vermerkt, dass das Bild in Venedig entstand, wo sich der aus München stammende Maler niedergelassen hatte, bevor er 1606 nach Augsburg übersiedelte. Eine Werkstattreplik Rottenhammers befindet sich im Hessischen Landesmuseum in Darmstadt (Öl auf Kupfer, 67,5 x 46,5 cm, Inv.-Nr. GK 1139; Provenienz: Köln, Lempertz, 17.-19. Mai 1962, Lot 195; Heidrun Ludwig: Malerei von ca. 1550 bis 1750 im Hessischen Landesmuseum Darmstadt, Bd. 2, Regensburg 2022, S. 572-576). Die Versionen in München und Darmstadt weisen eine beinahe vollständige Übereinstimmung auf. Nur in geringen Kleinigkeiten und in der Verwendung weniger leuchtkräftiger Pigmente unterscheidet sich das Darmstädter Bild.
Eine der beiden Versionen befand sich 1628 in Antwerpen in der berühmten Sammlung des Cornelis van der Geest. Guillaum van Haecht integrierte es in sein auf dieses Jahr datiertes Galerieinterieur mit dem Besuch der Erzherzöge Albrecht und Isabella (Rubenshuis, Antwerpen). Van Haecht stellt Rottenhammers Gemälde prominent in den rechten Vordergrund des Bildes, das auch zahlreiche Porträts der künstlerischen Prominent der Scheldestadt enthält. Die Bekanntheit der Komposition Rottenhammers in Antwerpen wird bereits durch frühere Bilder von Jan Brueghel d.Ä. angezeigt. Brueghel war zu dieser Zeit in Antwerpen tätig. Zuvor hatte er in den 1590er Jahren während seines Italienaufenthalts mit Hans Rottenhammer zusammengearbeitet. Jan Brueghel adaptiert die Figuren von Rottenhammers Komposition in einer breitformatigen Miniaturfassung des „Jüngsten Gerichtes“, von der drei Ausführungen aus den Jahren 1601, 1602 und 1607 bekannt sind (Thomas Fusenig: „Rottenhammers Einfluss auf die Malerei“, in: Ausstellungskatalog Lemgo/Prag 2008-2009, S. 79-85, Abb. 131, mit weiterer Literatur).
Das Musée Atger in Montpellier bewahrt eine sorgfältige Zeichnungskopie von Rottenhammers Komposition auf, die aber nicht von Rottenhammer selbst stammt und kleinere Details auslässt (z.B. einige Köpfe von Figuren im Vordergrund). Daher kann die Zeichnung nicht als Vorlage für das hier aufgerufene Gemälde gedient haben (Abb. AK Lemgo/Prag 2008-2009, Abb. 171). Das vorliegende Gemälde kopiert die Komposition offenbar nach einem der Gemälde in München oder Darmstadt. Eine weitere Kopie nach Rottenhammers „Jüngsten Gericht“, die sich 2018 im Kunsthandel in Madrid befand (Öl auf Kupfer, 68 x 49 cm), zeigt aufgehellte Farben und eine weit geringere Detailtreue. Sie dürfte im zweiten Drittel des 17. Jahrhunderts entstanden sein.
Vor kurzem wurde eine ebenfalls qualitätvolle Kopie der Rottenhammer-Komposition in der Sammlung Sternberg in Častolovice (Öl auf Kupfer, 68 x 47 cm) mit dem Hinweis auf Hendrick van Balen publiziert (Eliška Zlatohlávková: „Alcune osservazione sul recente rinvenimento di un quadro reappresentante il Giudizio universale alla maniera di Hans Rottenhammer“, in: Intrecci d’arte, Bd. 10, 2021, S. 87-98).
Die Ausführung des vorliegenden „Jüngsten Gerichts“ erfolgte, der Malweise nach zu urteilen, wohl als direkte Kopie nach einer der beiden eigenhändigen Versionen Rottenhammers in der Antwerpener Werkstatt des Hendrick van Balen d.Ä. (1575–1632), der zahlreiche, meist nur namentlich bekannte Mitarbeiter beschäftigte und der als wichtigster Rottenhammer-Rezipient in den Niederlanden gelten kann. Das Bild wird bald nach der Ankunft des Bildes in Antwerpen entstanden sein, wo Rottenhammers „Jüngstes Gericht“ in der Sammlung von Cornelis van der Geest offenbar besondere Aufmerksamkeit auf sich zog.
Textbeitrag von Dr. Thomas Fusenig für das Auktionshaus Lempertz in Köln (https://www.lempertz.com/de/kataloge/lot/1197-1/2018-antwerpener-meister-nach-hans-rottenhammer-1564-1625.html)
- Bestandskatalog „Städtisches Museum Haus Koekkoek Kleve – Katalog Gemälde, Zeichnungen, Skulpturen und Kunstgewerbe“, bearb. v. Guido de Werd, hrsg. v. Städtischen Museum Haus Koekkoek Kleve mit Unterstützung des Landschaftsverbands Rheinland, Kleve 1974, S. 34f., Nr. 43
- Original & Kontext. Die Sammlung analog + digital, Museum Kurhaus Kleve – Ewald Mataré-Sammlung, Kleve, 30.10.2021 - 27.02.2022