
Inventor*in (nach): Hendrick Goltzius (1558–1617)
Kupferstecher*in (Ausführung): Unbekannter Stecher
Dichter*in (Mitarbeit): Franco Estius (1544–um 1594)
Historischer Titel: Die Vergewaltigung Europas (Buch II., Blatt 20), aus: „Die Metamorphosen des Ovid“
Alternativer Titel: Europa und der Stier (Buch II., Blatt 20), aus: „Die Metamorphosen des Ovid“
Datierung: 1590 (Herstellung)
Museum: Museum Kurhaus Kleve
Typ: Kunstwerk
Inventar Nr.: SAK 3560 (40)
Und wieder nehmen die „Metamorphosen“ des Ovid in Goltzius’ Illustrationen eine neue Wendung: Auf dem vorliegenden Blatt geht es erneut um Jupiter, der sich abermals frisch verliebt hat. Diesmal ist er in Liebe für die schöne Europa entbrannt, die Tochter des Königs Agenor. Da Jupiters Ehefrau Juno besonders eifersüchtig war, nahm er die Gestalt eines eindrucksvollen Stieres an, um sich mit diesem Äußeren unbefangen Europa nähern zu können. Um nicht aufzufallen, trieb der Jupiter verpflichtete Merkur eigens eine Kuhherde an den Strand, wo sich Europa befand. Diese fasste Vertrauen zu dem mächtigen Stier und kletterte auf seinen Rücken. Daraufhin entführte sie Jupiter, indem er mit ihr auf dem Rücken über das Meer in Richtung Kreta schwamm. Der Kupferstich veranschaulicht trefflich die beschriebene Szenerie. Im Hintergrund klagen Europas Dienerinnen und erscheint das Vieh.
Die insgesamt zweiundfünfzig Kupferstiche aus der Werkstatt des Hendrick Goltzius gehören zu der umfassendsten Stichfolge, die der Haarlemer jemals konzipiert hat. Es ist ein Projekt, das er über mehrere Jahrzehnte hinweg betrieben hat. Die Motivik zeigt die mythologisch basierte Lebens-, Liebes- und Leidenswelt der Götter und Menschen zur Zeit der römischen Antike, die von dem bedeutenden römischen Dichter Ovid (Publius Ovidius Naso; 43. v. Chr.–17 n. Chr.) in seinem berühmten Hauptwerk und opulenten Sagenzyklus „Die Metamorphosen“ ab ca. 1 n. Chr. bis etwa 8 n. Chr. verfasst wurden. Der volle Umfang der „Metamorphosen“ umfasst fünfzehn Bücher mit insgesamt 250 Sagen und 12.000 Hexametern, je Buch etwa 700 bis 900 in Hexametern verfassten Versen. Die zu Kleinepen zusammengefassten Dichtungen sind chronologisch und in Zyklen geordnet. In ihrem vollen Umfang reichen sie von der Schöpfung des Universums, über die Sintflut, Göttersagen und Heldenepen bis hin zur Geschichte Trojas, Roms und Cäsars Leben und Tod. Ovid thematisiert die Beziehungen zwischen Göttern und Menschen, göttliches Begehren zumeist sterblichen Frauen gegenüber, menschlichen Gehorsam oder Ungehorsam und die Folgen in der Form von Belohnung und Bestrafung, die meist in der Form von Verwandlungen („Metamorphosen“) von statten gehen. Ursprünglich hatte Goltzius beabsichtigt, sämtliche Illustrationen – jeweils zwanzig Blätter pro Buch, 300 in total – anzufertigen, konnte sich dem Projekt allerdings nach seiner Italienreise nicht mehr in diesem Umfang widmen. Deshalb überließ er die Übersetzung der Stiche seiner Werkstatt. Für die Bücher I und II kommen dafür Jacob Matham, Jan Saenredam, Jan Muller, Jacques de Gheyn II und Pieter de Jode in Frage. Buch III umgesetzt haben vermutlich Robert de Baudous, Jan Saenredam und Nicolaes Clock.
- Kat. d. Ausst. „Hendrick Goltzius & Pia Fries: Proteus & Polymorphia“, Bestandskatalog der Kupferstiche von Hendrick Goltzius im Museum Kurhaus Kleve, bearb. v. Valentina Vlašić, hrsg. v. Freundeskreis Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. aus Anlass der gleichnamigen Ausstellung im Museum Kurhaus Kleve (8. Oktober 2017 – 11. Februar 2018), Kleve 2017, S. 207, Abb. S. 206, Nr. 39.II.T
- Hendrick Goltzius und Pia Fries: Proteus und Polymorphia, Museum Kurhaus Kleve – Ewald Mataré-Sammlung, Kleve, 01.10.2017 - 28.01.2018
Blattmaß 173 x 252 mm
Blattmaß 191 x 277 mm (aufgeklebt auf einem Blatt)
Beschriftung: Europam asportat freta … Numina glauca maris (bez. u. dem Bild im Rand mit zwei Distichen nebeneinander)
Signatur: FEstius (bez. neben den Verszeilen)