
Inventor*in (nach): Hendrick Goltzius (1558–1617)
Kupferstecher*in (Vermutet): Robert de Baudous (1574/1575–1659)
Historischer Titel: Teiresias schlägt sich paarende Schlangen mit seinem Stock (Buch III., Blatt 8), aus: „Die Metamorphosen des Ovid“
Datierung: um 1590 - 1615 (Herstellung)
Museum: Museum Kurhaus Kleve
Typ: Kunstwerk
Inventar Nr.: SAK 3560 (48)
Warum besaß „Teiresias“ derartige Lebenserfahrung? Er hatte die Lust beider Geschlechter kennengelernt. In nur acht Versen in den „Metamorphosen“ geht Ovid auf den Geschlechterwechsel von Teiresias ein: Vor Jahren war er im Wald zwei Schlangen begegnet, die sich gerade paarten. Er verletzte das Weibchen mit seinem Stock – und verwandelte sich daraufhin plötzlich in eine Frau. Sieben Jahre lang verbrachte er in Frauengestalt, in der er zu leben und lieben gelernt hatte. Im achten Jahr begegnete er den Schlangen erneut, schlug mit seinem Stock die männliche Schlange, wonach er sofort wieder seine ursprüngliche männliche Gestalt annahm. (In einigen Überlieferungen tötet er die jeweilige Schlange und trifft dann ein neues, adäquates Schlangenpaar.) Der Kupferstich veranschaulicht die Zeitenfolge auf interessante Weise: Im Vordergrund schlägt Teiresias in Männergestalt auf die weibliche Schlange ein. Im Hintergrund spielt sich die Szenerie acht Jahre später ab. Teiresias erscheint als Frau und hebt den Stock, um auf das sich am Boden paarende Paar einzuschlagen.
Die insgesamt zweiundfünfzig Kupferstiche aus der Werkstatt des Hendrick Goltzius gehören zu der umfassendsten Stichfolge, die der Haarlemer jemals konzipiert hat. Es ist ein Projekt, das er über mehrere Jahrzehnte hinweg betrieben hat. Die Motivik zeigt die mythologisch basierte Lebens-, Liebes- und Leidenswelt der Götter und Menschen zur Zeit der römischen Antike, die von dem bedeutenden römischen Dichter Ovid (Publius Ovidius Naso; 43. v. Chr.–17 n. Chr.) in seinem berühmten Hauptwerk und opulenten Sagenzyklus „Die Metamorphosen“ ab ca. 1 n. Chr. bis etwa 8 n. Chr. verfasst wurden. Der volle Umfang der „Metamorphosen“ umfasst fünfzehn Bücher mit insgesamt 250 Sagen und 12.000 Hexametern, je Buch etwa 700 bis 900 in Hexametern verfassten Versen. Die zu Kleinepen zusammengefassten Dichtungen sind chronologisch und in Zyklen geordnet. In ihrem vollen Umfang reichen sie von der Schöpfung des Universums, über die Sintflut, Göttersagen und Heldenepen bis hin zur Geschichte Trojas, Roms und Cäsars Leben und Tod. Ovid thematisiert die Beziehungen zwischen Göttern und Menschen, göttliches Begehren zumeist sterblichen Frauen gegenüber, menschlichen Gehorsam oder Ungehorsam und die Folgen in der Form von Belohnung und Bestrafung, die meist in der Form von Verwandlungen („Metamorphosen“) von statten gehen. Ursprünglich hatte Goltzius beabsichtigt, sämtliche Illustrationen – jeweils zwanzig Blätter pro Buch, 300 in total – anzufertigen, konnte sich dem Projekt allerdings nach seiner Italienreise nicht mehr in diesem Umfang widmen. Deshalb überließ er die Übersetzung der Stiche seiner Werkstatt. Für die Bücher I und II kommen dafür Jacob Matham, Jan Saenredam, Jan Muller, Jacques de Gheyn II und Pieter de Jode in Frage. Buch III umgesetzt haben vermutlich Robert de Baudous, Jan Saenredam und Nicolaes Clock.
- Kat. d. Ausst. „Hendrick Goltzius & Pia Fries: Proteus & Polymorphia“, Bestandskatalog der Kupferstiche von Hendrick Goltzius im Museum Kurhaus Kleve, bearb. v. Valentina Vlašić, hrsg. v. Freundeskreis Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. aus Anlass der gleichnamigen Ausstellung im Museum Kurhaus Kleve (8. Oktober 2017 – 11. Februar 2018), Kleve 2017, S. 208, 213, Abb. S. 210f, Nr. 39.III.H
- Hendrick Goltzius und Pia Fries: Proteus und Polymorphia, Museum Kurhaus Kleve – Ewald Mataré-Sammlung, Kleve, 01.10.2017 - 28.01.2018
Blattmaß 176 x 253 mm
Blattmaß 188 x 267 mm (aufgeklebt auf einem Blatt)
Beschriftung: Hic duo serpentum … et imago virilis (bez. u. dem Bild im Rand mit zwei Distichen nebeneinander)
Signatur: G. Rijckius (bez. neben den Verszeilen)
Nummerierung: 8 (bez. u.l. von der Mitte)