Maler*in (Ausführung): Ewald Mataré (1887–1965)
Künstlertitel: Mädchen mit überkreuzten Armen
Datierung: 1923 - 1924 (Herstellung)
Museum: Museum Kurhaus Kleve
Typ: Kunstwerk
Gattung: Graphik
Inventar Nr.: 2020-X-V (24)
Werkverzeichnis Nr.: WV A 1923-3
List auf Sylt, 5. August 1924:
„[…] Es gibt nichts Schöneres, als hier in meinem Raum zu sitzen und die Kraft zum Arbeiten zu fühlen. Dann scheint einem jede Zeit der Untätigkeit wie ein Schreckgespenst, und doch tritt auch diese Zeit wieder auf, wo ich ganz und gar nichts um mich her wahrnehme, ich bin dann wie völlig zugeschlossen, und nichts bildet sich um mich her. Zwischendurch habe ich am Meer Aquarelle gemacht und fühle mich darin ein ganzes Stück zu mir selbst gebracht, ich fühle einen ganzen Stoß vorwärts, wenn ich erst einmal die letzten Holzarbeiten hinter mich gebracht habe, wird das Aquarell auch wieder einen breiten Raum bei mir einnehmen, und ich habe das Gefühl, darin etwas Gutes zu schaffen. […]“
List auf Sylt, 5. September 1924:
„Ich habe dauernd draußen Aquarell gearbeitet, mit zunehmendem Interesse, und hoffe, im nächsten Jahr die Sache einmal ganz gründlich zu beackern. Nichts kann man nebenher betreiben, alles erfordert einen ganz. […]“
Positano di Salerno, 28. November 1925:
„Ich glaube nicht, dass ich hier in Positano für meine Arbeit und für das schwankende Gefühl, das mich augenblicklich beherrscht, in einer guten Umgebung bin. Die Malerei, die hier gemacht wird, ist mir zu sensibel, zu wenig kräftig, mir fehlen jetzt Kameraden, die eher rücksichtslos gegen alles vorgehen als zu feinsinnig arbeiten. Wir sollen doch endlich erkennen, wohin das führt, wenn man nicht eine ordentliche Portion Zartheit beiseite schiebt, um dem Ganzen zu dienen. Und die Rauheit des nordischen Klimas ist mir weit zuträglicher, seien wir doch hart gegen alles, was uns an Gefühlsmäßigem anhaftet. Entschiedenheit ist alles. Welche Zeit uns als Anknüpfungspunkt für unsere eigene Tätigkeit vorschwebt, ist doch ganz gleichgültig, erkennen wir nur immer das Kräftige, mit dem jede Zeit sich vom Hergebrachten befreite und zu eigenen Formen fand. Jetzt spricht man hier von Fra Angelico, wie zart und fein er gewesen sei, auch ich stimme darin überein, aber ist heute wirklich der Boden, um das rein Äußere seiner wunderbaren Engel zu empfinden? Ist nicht nur die Überzeugung, mit der er seinen Empfindungen nachging, das Bestimmte, das, was wir von ihm, wie von jedem großen Künstler lernen können und das uns Vorbild sei. Das Zurückgreifen auf seine Empfindungswelt kann uns nur zurückbringen nicht vorwärts, nicht zu uns selbst. Die Zartheit steht hinter der Kraft, und Kraft ist Lebensausdruck. Praktisch und theoretisch versuche ich nun, dem Malerischen wieder näher zukommen, aber ich fühle, wie wenig ich das Material beherrsche, wie alles Handwerkliche mir fehlt; irgendeinen Ton, den ich empfinde, in Aquarell hinzusetzen, gelingt mir einfach nicht, finde ich diesen Anschluss wieder, ist alles gewonnen und hier muss ich ganz von vorne anfangen, was nützt da alle Theorie, wenn ich mich hinsetze und kein Ton gelingt. Sagt man mir, ich soll eine Wand bemalen, einen Schrank, einen Teller, ein Glasfenster machen oder sonst etwas, so kann ich es und gleich fühle ich meine Kräfte erstarken und mein Gefühl wird belebt, soll ich mich aber hinsetzen und ein Bild malen, so kann ich es nicht! Wie kommt das? Ist das ein Mangel an Erleben? Kann ich nicht rein aus Daseinsfreude schaffen, nur als Selbstgespräch zwischen mir und der
Natur? Und doch mache ich dies, wenn ich plastisch arbeite und diesen Zwiespalt kann ich mir nur so erklären, dass mir beim Plastischen das Handwerkliche als ein Gegenstand da ist, Holz oder Stein oder dergleichen, was mir bei der Malerei gänzlich fehlt. […]“
- Ewald Mataré - Aquarelle 1920-1956, hrsg. u. eingeleitet von Anna Klapheck. Mit einem Werkverzeichnis von Ulrike Köcke, München 1983, Nr. 17
- „Ewald Mataré – Werkverzeichnis der Aquarelle und aquarellierten Kunstpostkarten“, neu bearb. v. Valentina Vlašić unter Mithilfe von Sonja Mataré u. Guido de Werd auf Basis des ersten Werkverzeichnisses der Aquarelle von Ulrike Köcke 1983, Kleve 2015, S. 119, Abb. S. 119, Nr. 1923.3