Bildhauer*in (Ausführung): Erwin Heerich (1922–2004)
Künstlertitel: Kubus
Datierung: 1960 - 1965 (Herstellung)
Museum: Museum Kurhaus Kleve
Typ: Kunstwerk
Gattung: Plastik / Skulptur
Inventar Nr.: 1996-XI-XVII
VERSUCHSANORDNUNG IM KARTON: Ein Würfel aus Karton, dessen Wände rechteckige Öffnungen aufweisen – Erwin Heerichs Weg in geometrisch durchlüftete Kargheit lässt sich an dieser Skulptur sehr schön studieren. Den Katzenkopf aus seinen frühen Jahren noch vor Augen, mag man auch jetzt – verblüffend genug ist das Experiment – nach dem Bild der Katze suchen und es mit einigen Schwierigkeiten sogar finden: Schaut man nicht frontal auf eine der Kartonwände, sondern auf eine Kante des Würfels, lassen sich die Öffnungen durchaus als bis ins letzte stilisierte Katzenaugen und die Kante selbst als gleichsam aufs äußerste verdünnter Rest der Nasen und Stirnpartie eines Katzenkopfes sehen. Der Karton intendiert solche Anklänge an die Natur nicht ausdrücklich, Heerich hat das um 1960 entstandene Werk ohne Titel belassen. Trotzdem mag ein solcher Versuch den Weg Heerichs weg von der Naturform hin zur Geometrie verdeutlichen.
So einfach und streng sich die Gestaltung des Kartons gibt, so sehr werden die Möglichkeiten seiner Raumwirkung freigesetzt: Je nach Standort des Betrachters vereinfachen oder verkomplizieren sich die An- und Durchsichten ebenso wie das Gefühl für Abgeschlossenheit, Offenheit und Ebenmaß dieses Körpers. Der Karton ist Versuchsanordnung: Mit sparsam eingesetzten Mitteln werden Raum und Fläche ausdifferenziert, dem wandernden Blick eröffnen sich ebenso Erfahrungen mit flächigen Strukturen (auch eine Öffnung kann als Fläche wahrgenommen werden) wie mit räumlicher Tiefe. Das geometrische Gebilde ist je nach Perspektive eben nicht mehr absehbar, so sehr der Verstand um die Architektur des Ganzen weiß; mal gleiten die Blicke glatt durchs Innere de Würfel, mal verhakeln sie sich an uneinsehbaren Ecken und Kanten – das Innere bleibt plötzlich verdeckt, der Karton wird zur Festung, die sich dem Auge nur Winkel um Winkel und Zug um Zug preisgibt. Das scheinbar eingängige Bauschema explodiert auch dann in Vielfalt, wenn man die dritte Dimension ausblendet und die je nach Betrachtungswinkel sich ergebenden Linien im Raum auf eine Fläche projiziert: Da Gleichmaß der Spiegelbildlichkeit im Raum wird aufgelöst zu einer Fülle von Geraden, die sich kaum noch einem Ordnungsprinzip fügen.
Der Würfel wird so zum Lehrstück für die Fülle eines Körpers und zur Warnung davor, vorschnell an seine Absehbarkeit zu glauben: Geometrie ist nicht Armut im Raum, sondern die kontrolliert entfaltete Chance, seiner Unabsehbarkeit ansichtig zu werden.
- Kat. d. Ausst. „52 Werke aus der Sammlung des 20. Jahrhunderts“, bearb. v. Guido de Werd, Roland Mönig und Ursula Geißelbrecht-Capecki, hrsg. v. Freundeskreis Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. aus Anlass der Eröffnung des Museum Kurhaus Kleve – Ewald Mataré-Sammlung am 18. April 1997, Kleve 1997, Nr. 17
- Kat. d. Ausst. „Anblick / Ausblick. Das Museum Kurhaus Kleve“, hrsg. v. Walter Nikkels u. Guido de Werd im Auftrag des Freundeskreises Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. aus Anlass der Eröffnung des Museum Kurhaus Kleve – Ewald Mataré-Sammlung am 18. April 1997, Kleve 1997, Abb. S. 177
- Auswahl- / Bestandskatalog „Mein Rasierspiegel – Von Holthuys bis Beuys“, hrsg. v. Guido de Werd im Auftrag des Freundeskreises Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. aus Anlass der gleichnamigen Abschiedsausstellung des scheidenden Gründungsdirektors Guido de Werd im Museum Kurhaus Kleve (9. September 2012 – 13. Januar 2013), Kleve 2012, S. 214, Abb. S. 197, Nr. 1.44
- Erwin Heerich: Skulpturen, Zeichnungen, Entwürfe, Modelle, Akademie-Galerie – Die Neue Sammlung, Düsseldorf, 21.09.2007 - 11.11.2007
- Erwin Heerich - Zwischen Objektivierung und Sinnlichkeit, 28.09.2013 - 05.01.2014