Bildhauer*in (Ausführung): Rheinisch, um 1200
Bildhauer*in (ehem. zugeschrieben): Laacher Samsonmeister
Beschreibender Titel: Sogenannter „Eumenius Rhetor“, eine ehemalige Portalskulptur der Klever Schwanenburg
Datierung: um 1200 (Herstellung)
Museum: Museum Kurhaus Kleve
Typ: Kunstwerk
Gattung: Plastik / Skulptur
Inventar Nr.: 1960-01-01
Die Skulptur war ursprünglich neben dem vierbogigen Portal der Schwanenburg in Kleve eingemauert, das die ganze nördliche Schmalwand des um 1175 erbauten Palas ausmachte. 1771 wurde der baufällig gewordene Saal von der brandenburgischen Regierung niedergerissen. Auf Ersuchen des Gemeinderates wurde das Relief mit dem sogenannten ,,Eumenius“ ins Rathaus gebracht. 1777 gelangte das Relief in die von dem Landbaudirektor Lehmann entworfene und von dem Kammerpräsidenten von Buggenhagen eingerichtete Antiquitätensammlung im sogenannten Marmorsaal der Schwanenburg. Nach dem Einsturz dieses Saales infolge der Verwahrlosung während der Franzosenzeit und der Überführung der neuen Klever Antiquitätensammlung nach Bonn und Münster im Jahr 1820 wurde das Relief in der Apsis der Kapelle des Klosters Sion aufgestellt, das nach der Säkularisation in der Franzosenzeit als Aula des Klever Gymnasiums verwendet wurde. Als 1902 das Gymnasium in den Neubau an der Ringstraße umzog, gelangte der Eumenius aufs Neue in das Rathaus, und zwar in die 1866 eingerichtete Antiquitätensammlung. 1906 zog diese Sammlung in ein Patrizierhaus an der Linde, in dem ein neues Heimatmuseum eingerichtet wurde; hier war zuvor die Landwirtschaftsschule untergebracht. 1925 wurde das Relief anlässlich der Eröffnung des in der Schwanenburg wieder errichteten Heimatmuseums gelegentlich der Jahrtausend- und Befreiungsfeier der Rheinlande am Aufgang des Spiegelturms eingemauert, wo es bis zur Mitte der 1930er Jahre geblieben ist. Nachdem das Relief die Bombardierung des Museums 1944 ziemlich unbeschädigt überstanden hatte, wurde es beim Abbruch der Ruinen 1946 ernstlich beschädigt.
Die heute überaus beschädigte Figur ist in einen profilierten Rahmen gefasst, der ursprünglich an der Oberseite von einem Dreifachbogen geschlossen war. Gegen den flachen Hintergrund steht die Figur eines Mannes, die in schreitender Bewegung nach links gewendet ist, auf der aus drei Gliedern bestehenden, profilierten Konsole.
Der Mann ist in ein langes Gewand gehüllt, das mit einem Riemen umgürtet ist, dessen Ende vor dem Körper herunterhängt. Der Bildhauer hat die Ausarbeitung der Gewandfalten auf den Körperbau abgestimmt; die Plastizität von Rumpf, Armen und Beinen kommt darin stark zum Ausdruck. Der stehende Mann hält in der linken Hand einen fast verschwundenen Gegenstand, möglicherweise ein Wappen, wahrscheinlicher jedoch einen Stab oder Stock. In der erhobenen rechten Hand hielt er ursprünglich einen schalenförmigen Gegenstand.
Sowohl das Portal wie das Standbild sind schon seit dem 16. Jahrhundert Gegenstand wissenschaftlicher Forschung. Humanisten des 16. Jahrhunderts sahen in dem Abgebildeten den römischen Redner Eumenius, der um 300 in Autun lebte. Einer falschen Lesart zufolge schloss man, dass Eumenius in Kleve eine Schule errichtet hat. 1589 wurde am Mitteltor der Stadt ein gemaltes Porträt des sogenannten Eumenius angebracht, das wiederholt wiederhergestellt wurde. Außerhalb von Kleve selbst schenkte man der Interpretation des Steins als Eumenius wenig Glauben; aus diesem Grund blieb er beim Wegtransport römischer Gegenstände in Kleve zurück. Im 19. Jahrhundert dachte man an eine Darstellung des Bonifatius oder Nikolaus. Verbeek wies 1938 auf ein Tympanon im Museum Curtius zu Lüttich hin, das in einem halbrunden Feld drei Medaillons mit links und rechts zur Mitte hin knieenden Personen und eine in der Mitte thronende Person sehen lässt. Aus den Inschriften geht klar hervor, dass es sich hier um eine Abbildung des „Mysticum Apollinis“ handelt, die darauf hinweist, dass „Ehre durch den süßen Lohn der stetigen Arbeit gewonnen wird, nicht durch die doppelte Bitternis der Unrast oder Zerstreuung“. Der Umstand, dass die beiden äußeren Figuren Schalen anbieten, ließ Verbeek an das Klever Relief denken. Wegen des Fehlens der anderen großen, heute verlorenen figurativen Unterteile des Klever Porträts, kann auf diese Parallele nur ganz allgemein hingewiesen werden. Auch die Gürtelbögen mit zahlreichen kleinen Figuren, die jetzt über verschiedene Portale der Schwanenburg verstreut sind, geben wenig zuverlässige Anhaltspunkte, da neben verschiedenen Figuren, die auf Monatsbilder hinweisen, sich auch Fabeltiere zwischen dem Blattwerk befinden und die Interpretation undeutlich machen.
Aus stilistischen Gründen wurde das Relief von Bader dem Schöpfer des Reliefs in den Gürtelbögen zugeschrieben, die über mehrere kleine Portale im Innenhof der Schwanenburg verstreut sind. Er glaubt, das Werk gehöre zu demselben Atelier, in dem auch der „Laacher Samson“ angefertigt wurde, und das um 1200 die Mehrzahl der rheinischen spätromanischen Plastik ausgeführt hat. Man darf es als einen ersten Übergang zur frühgotischen Phase der Plastik betrachten, dass sich der Oberkörper fast ganz vom Stein löst.
- Bestandskatalog „Städtisches Museum Haus Koekkoek Kleve – Katalog Gemälde, Zeichnungen, Skulpturen und Kunstgewerbe“, bearb. v. Guido de Werd, hrsg. v. Städtischen Museum Haus Koekkoek Kleve mit Unterstützung des Landschaftsverbands Rheinland, Kleve 1974, S. 13f., Abb. Abb. 1, Nr. 1
- Cahiers de civilisation médiévale X-XII siecle, Rennes 2011, S. 56, Abb. S. 57, Nr. 4