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Bildhauer*in (Ausführung): Ewald Mataré (1887–1965)

Künstlertitel: Mutter und Kind

Datierung: 1930/31, 1964 (Herstellung)

Museum: Museum Kurhaus Kleve

Typ: Kunstwerk

Gattung: Plastik / Skulptur

Inventar Nr.: 2021-12-03 (019)

Werkverzeichnis Nr. (neu): WV P 76a

Werkverzeichnis Nr. (alt): WV P 69a

Tagebucheintrag

Raseborg, Finnland, 25.07.1931:
„[…] weil ich wohl bis zuletzt mit größeren Aufgaben in Berlin beschäftigt war. […] Und zwischen alledem machte ich eine Skizze für eine große Figur in Holz, die ich noch bis zur Hälfte in groß aus einem Stamm herausgearbeitet habe, und sie im Winter hoffentlich zu vollenden. Das Schwergewicht meiner Tätigkeit im vergangenen Winter legte ich auf diese Arbeit und sie soll gut werden, vereinige ich doch in ihr eine ganze Menge holztechnischer und kompositioneller Erfahrung, aber es ist eine Hundearbeit, wenngleich die gröbste Arbeit des Heraushauens hinter mir liegt. Einstweilen fühle ich, dass ich sie noch in der Hand habe. Ich bin mit allen Gefühlen dabei, doch ist diese Pause gut, um manches reifen zu lassen. Im Grunde genommen bin ich ein fauler Mensch, und arbeite nur, um etwas los zu werden. Ursprünglich war diese Figur für den Architekten Mendelsohn entworfen, und zwar für eine bestimmte Stelle des gleichen Zimmers, in dem mein Relief angebracht ist. Ihre Größe wurde auch dadurch bestimmt, denn sie sollte von der Erde genau bis zur Decke reichen, 2,70 m. Ich bilde mir etwas darauf ein, die Komposition so angelegt zu haben, dass ich das Herz des Stammes fast herausschlagen kann, um den fast immer im Inneren des Holzes sitzenden schlechten Stellen zu begegnen, und so auch das allzu schlimme Reißen zu vermeiden. Und da ich die Breite und Tiefe der ganzen Figur nach der Ausdehnung der vorhandenen Stämme einrichten musste, wollte ich jedes Aneinanderleimen vermeiden, wollte ich vor allem eine möglichst rechts und links gleiche Zeichnung der Maserung erzielen, was mir bei einer so symmetrisch angelegten Figur nötig erschien. Mendelsohn, dem die Figur sehr gefiel, konnte leider aus Geldnöten sich zu einer Anzahlung, die ich verlangte, nicht entschließen, und ich bin froh, ungebunden und ohne Hast daran, wann, und solange ich will, zu arbeiten. Ich habe zu dieser Figur mir das große Staatsatelier Richard-Wagner-Str. 9 mieten müssen. Da steht sie nun halb fertig und soll im Oktober weiter gearbeitet werden. Da aber in Aussicht steht, im Oktober in einer Terrakottafabrik einige meiner Plastiken übertragen zu müssen, so kann sich der Arbeitsbeginn an der Figur hinausschieben. Und das ist gut und schlecht zugleich. […]“

Ende August 1931:
„[…] Doch auch dort (in Berlin) harrt meiner eine Aufgabe, auf die ich mich sehr freue; das ist die große Figur. Wenn auch mit den Jahren, in denen man arbeitet, immer mehr die Erkenntnis reift, wie ungeheuer schwer auch nur der einfachste Formausdruck ist, so soll man daneben doch immer bedenken, dass ohne das herrliche Selbstvertrauen auf Wagemut überhaupt nichts entstehen würde. Wenn man nur, wie der Reiter auf dem Bodensee, über alles hinweg kommt! Ich fühle ja, welche Unsumme von Problemen gerade nun an der großen Figur langsam auftauchen, eigentlich weniger Probleme, als der Gedanke, ich hätte sie folgerichtiger aufbauen können, und doch glaube ich, es noch in der Hand zu haben, und etwas Gutes zuwege zu bringen. Aber ich fühle die Schwere der Aufgabe. – Eben – ohne Selbstvertrauen würde man gar nicht daran gehen können. […]“

Burg Herstelle an der Weser, 21.10.1931:
„[…] In Berlin steht meine große Figur in Holz, und ich hätte wohl Lust, daran fleißig zu sein, jedoch warte ich einen evtl. Auftrag von Villeroy & Boch ab, ehe ich dies nicht hinter mir habe, werde ich nicht daran gehen. Jetzt, wo ich in Berlin war, habe ich sie nicht einmal aus ihrer Lederdecke, in die ich sie einpackte, genommen, um mir den Eindruck nicht zu verwässern.“

Berlin, 20.12.1931:
„Vor einer Woche bin ich von Herstelle nach hier zurückgekommen um an meiner großen Figur in Holz zu arbeiten. Hanna soll einstweilen mit Sonja dort im Hotel bleiben, bis ich mich entscheide, ob ich hier allein die Figur in aller Ruhe zu Ende bringe, oder sie irgendwohin mit auf’s Land nehme, wohin dann Hanna und Sonja nachkämen. Nun ist im Augenblick diese Frage nicht zu klären, man untersagt mir in dem Atelier Richard-Wagner-Str. zu arbeiten, da man mir nur erlaubt hätte, die Arbeit dort unterzustellen, aber nicht zu arbeiten (Welch lächerliche Formulierung, da ich mich verpflichtete, jeden Tag bei anderer Verwendung, den Raum zu verlassen). Es ist recht sehr gegen mein Gefühl, wo ich in klarer Stimmung an dieser Arbeit schwitzen könnte, nun untätig sein zu müssen. […]“

Hiddensee, 27. 05.1932:
„[…] Der Winter brachte mir endlich die Möglichkeit, meine große Holzfigur soweit fertig zu bringen, nach beendeter Arbeit muss ich mir ständig ein gleiches wiederholen, doch in diesem Fall besonders, dass man wohl nichts hässlicheres und lebenszerstörendes erlebt, wie die Erkenntnis der eigenen Schwäche, dass man empfindet, man besitzt keine Kraft mehr, obgleich der Geist genau weiß, was noch wesentliches zu machen sei. Dazu fehlt mir in diesem Falle vor allem ein Vorbild für den Kopf, den ich so gerne ganz angelehnt an irgendeinen weiblichen Kopf gemacht hätte, der mich sinnlich erregte, aber ich fand niemand zu der Zeit, doch hoffe ich, hier noch auf ein erneutes Anpacken, falls sich doch noch etwas finden sollte. Gelernt habe ich vor allem folgendes, man kann die Skizze nicht vollendet genug machen. Ich hätte mir viel Mühe ersparen können, hätte weit intensiver geendet, wenn das der Fall gewesen wäre. Jetzt war ich wie eine Pferdesorte, die sich allzu leicht in Schweiß läuft und darum am Ziel, oder besser vor dem Ziel seine Kraft verliert. … Mir fehlt das ruhige Handwerkliche, und so erschöpfte ich mich und laufe mich tot, ehe ich am Ziel bin, anstelle einer Wesensform macht man Wirkung. Es ist wunderbar, wie ich nun erst Gelegenheit habe, diese Arbeit aus einer gewissen Distanz richtig, d. h. objektiver zu beurteilen und wie mir ihre Schwächen immer klarer werden, vor allem hat sie zu wenig Volumen, diese dünne verästelte Form ist zwar beabsichtigt, aber ich sehe jetzt ihre Schwäche. Da ist vor allem der Hals der Frau, - für den Kopf des Kindes brauche ich natürlich eine gewisse Folie als Hintergrund, aber vor dem Hals der Frau ist er mir zu dick. […]“

Büderich, 27.11.1932:
„[…] erscheint mir eine große Holzfigur vom vergangenen Jahr immer unmöglicher, immer weniger elementar gefasst. Mit irgendwelchen Änderungen, die mir manchmal vorschwebten, ist’s nicht mehr getan, die Grundkonzeption stimmt eben nicht. […]“

Büderich, 29.12.1946:
„[…] Im Atelier habe ich die große Figur „Mutter und Kind“, die ich vor 15 Jahren für das Haus Mendelsohn in Berlin machte, und die er nicht mehr abnehmen konnte, weil er nach England abdampfte, wieder vorgenommen, in der Meinung, ich könnte doch manches wesentlich verbessern. Ich bin mir darüber klar, dass ich die darin enthaltenen Grundübel nicht ändern kann, aber in all den Jahren immer im Begriff sie zu zerstören, will ich noch einen Versuch machen, daran zu retten, was zu retten ist! […]“

Büderich, Juli 1948:
„[…] Inzwischen habe ich die große Figur „Mutter und Kind“, die ich seinerzeit für Mendelsohn machte, wieder in Angriff genommen, ich sehe so viele Fehler daran, die ich noch beseitigen kann, dass ich mich diesem Drängen nicht entziehen kann, wie weit ich mit dem Ganzen komme, weiß ich nicht. Hier stehe ich nun an einer Stelle, die das Handeln verlangt, unbeschadet, was hernach kommt, und ich sage mir immer, wenn sie nur auf dem Wege bleibt, der damals angeschlagen wurde als ich sie begann, soll mir alles andere recht sein! […]“

Büderich, April 1960:
„Seit 6 Monaten […] begann ich plötzlich entschlossen die Mendelsohn’sche Figur wieder vorzunehmen und habe das Zutrauen, wenn auch nicht zu vollenden, so doch ein wesentliches Stück vorwärtszubringen. Ich fühle mich zur Vornahme dieser Arbeit ermutigt, dieweil ich mich mit einer größere Reife der Aufgabe widmen kann, und es ist so, als ob ich nur ein Zuviel an Material fortnehmen (fortzuschlagen) brauchte, um zur Reife zu bringen, was ihr noch fehlt. Auch will ich die Füße nicht mehr auf einen Sockel stellen, sondern frei in den Raum hängen lassen, so dass ich die Figur also aufhängen muss, will man sie richtig überschauen.“

13.06.1960:
„’Mutter und Kind’ geht langsam vorwärts und alles, das ich an Material entferne, trägt dazu bei, meiner Gestaltung näher zu kommen. Wenn am Schluss eine ganz dünne Verästelung übrigbleibt, bei der das Ganze wie ein verästelter Baum mit zwei Früchten, die Köpfe, übrig bleibt, so ist meine Absicht erreicht. Vielleicht schlage ich mit dieser Arbeit etwas zu weit aus, aber ich muss nun konsequent dieses Vorstellungsbild verfolgen, ungeachtet, was daraus wird. […]“

04.09.1961:
„[…] Aber es liegt noch eine andere grobe Arbeit im Atelier, die auch nur, sagen wir, halb fertig ist, soweit man bei solchen Arbeiten überhaupt das Wort „fertig“ gebrauchen kann. Es ist die Arbeit ‚Mutter und Kind‘, 1930 oder‚ 31 begonnen, dann 1932 fertig, aber von seinem Besteller Architekt Mendelsohn nicht abgenommen, dieweil er nach England emigrierte und die dann zu Hause bei mir lag, bis ich sie eines Tages wieder hervorholte und auch mit dem Gefühl, ich kann ja noch viel Gutes daran schaffen, unbefangen begann, aber nach einigen heftigen Monaten wieder aufhörte, durch Aufträge bedingt nun bis jetzt in halbem Zustand daliegt.“

11.03.1962:
„[…] Sehnsucht auch nach meiner großen Figur ‘Mutter und Kind’ taucht auf – eine schwankende Zukunft. […]“

Literatur
  • Werkverzeichnis „Ewald Mataré – Das plastische Werk“, bearb. v. Sabine Maja Schilling, Köln 1987, S. 166-167, Abb. S. 166, Nr. 69a
  • Barbara Volkmann: Mataré und seine Schüler Beuys; Haese; Heerich; Meistermann, Berlin 1979, Nr. 19
  • Kat. d. Ausst. „Ewald Mataré – Das Bild des Menschen“, bearb. v. Roland Mönig, Sabine Maja Schilling u. Nina Schulze, hrsg. v. Freundeskreis Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. aus Anlass der Ausstellungen im Käthe Kollwitz Museum, Köln (14. März – 4. Mai 2003), im Museum Kurhaus Kleve – Ewald Mataré-Sammlung, Kleve (18. Mai – 7. September 2003), im Edwin Scharff Museum am Petrusplatz, Neu-Ulm (20. September – 23. November 2003), im Ernst Barlach Haus, Stiftung Herman F. Reemtsma, Hamburg (Januar – April 2004), im Herforder Kunstverein im Daniel-Pöppelmann-Haus e.V. (18. September – 7. November 2004) und im Museum Moderner Kunst – Stiftung Wörlen, Passau (27. November 2004 – 23. Januar 2005), Kleve 2003, S. 121, Abb. Tafel 13, Nr. 20
  • Auswahl- / Bestandskatalog „Mein Rasierspiegel – Von Holthuys bis Beuys“, hrsg. v. Guido de Werd im Auftrag des Freundeskreises Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. aus Anlass der gleichnamigen Abschiedsausstellung des scheidenden Gründungsdirektors Guido de Werd im Museum Kurhaus Kleve (9. September 2012 – 13. Januar 2013), Kleve 2012, S. 342, Abb. S. 320f, Nr. 3.23
Ausstellungen
  • Ewald Mataré, Sammlungspräsentation, Museum Kurhaus Kleve – Ewald Mataré-Sammlung, Kleve
  • Karin Kneffel. Face of a Woman, Head of a Child, Museum Kurhaus Kleve – Ewald Mataré-Sammlung, Kleve, 29.10.2023 - 18.02.2024
Material/Technik:
Amarantholz
Maße:
Objektmaß 271 x 27,5 x 37 cm
Geographischer Bezug:
Raseborg (Entstehungsort)
Kleve (Standort)
Status:
Ausstellung
Creditline:
Museum Kurhaus Kleve – Ewald Mataré-Sammlung, Schenkung Guido de Werd 2021 aus dem Nachlass Sonja Mataré (1926-2020)
Copyright:
© VG Bild-Kunst, Bonn 2024
Kontakt:
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