Objekt des Monats Januar 2022: Elfteiliges Teegeschirr der berühmten Keramikerin Eva Stricker-Zeisel im Dekor „Mattgrün“ aus dem Jahr 1930

Eva Stricker-Zeisel (1906–2011) entstammt einer gut bürgerlichen Budapester Familie mit jüdischen Wurzeln. In ihrer Heimatstadt erhielt sie eine Ausbildung zur Töpferin und arbeitete in verschiedenen Manufakturen. 1928 ging sie zur „Hansa Keramik“ nach Hamburg, kurze Zeit später zur Schramberger Majolikafabrik, bis sie zuletzt zum Carstens-Konzern wechselte. Für Hirschau arbeitete sie (meist von Berlin aus) im Jahr 1931. Anfang 1932 ging sie, wie viele linke Intellektuelle, in die Sowjetunion, wo sie für die beiden größten Porzellan- / Keramikfabriken des Landes, einmal bei Lomonosov (St. Petersburg) und bei Dulevo (Moskau), arbeitete, jedoch im stalinistischen Regime für eineinhalb Jahre in Haft kam. Schließlich emigrierte sie über Österreich in die USA, wo es ihr schnell gelang, Fuß zu fassen und zu einer „Star-Entwerferin“ für Glas, Keramik, Porzellan und andere Materialien zu werden. Vor und nach ihrem Tod erhielt sie zahlreiche Ausstellungen. Nahezu jedes bedeutende Kunstmuseum in den USA besitzt eine Sammlung mit ihren Entwürfen.

In der Sammlung des Museum Kurhaus Kleve sind Objekte aus ihrer Schramberger und Hirschauer Zeit zu sehen. Allein für Schramberg stellte sie ca. 200 Formen her. Für Schramberg kennzeichnend sind die streng geometrischen Formen wie (Halb-) Kugel und Zylinder. In den USA wollte sie von ihren frühen Entwürfen nichts mehr wissen, distanzierte sich sogar von ihnen und bezeichnete sie als „mit Zirkel und Lineal konstruiert“, als seelenlosen Bauhausstil, bei dem sie, so Stricker-Zeisel, blind Gropius oder Moholy-Nagy gefolgt sei. Ihr spätes Werk zeigt eine deutliche Abkehr und ist von der Dominanz organischer Formen und Linien bestimmt.

In der Klever Museumssammlung sind wunderbare Beispiele ihres Œuvres zu sehen: Tee-, Kaffee-, Likör- und Speiseservices, Vasen und Teile aller Art. Der Freundeskreis Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. besitzt ca. 700 Teile ihrer Werke.

Das hier beschriebene „Objekt des Monats“, ein Teegeschirr, stammt aus dem Frühjahr 1930 und ist beispielhaft für die damalige Schaffenszeit der Künstlerin. Eva Stricker-Zeisel war immer mehr an den Formen als an den Dekoren interessiert. Hier haben die drei Teile des Teekerns – Kanne, Zuckerdose und Milchgießer – konkave Längsseiten und die Form entstammt einem auf der Seite liegenden Zylinderabschnitt. Die Deckel von Kanne und Zuckerdose haben jeweils ausgesparte Griffstege, so dass die Umrisslinien von einem Deckelknauf nicht gestört werden. Diese Kannenform (Formnummer 3301) war im Vertrieb und Verkauf viel weniger erfolgreich als die am weitesten verbreitete Kanne von ihr (Formnummer 3211). Sie entspricht aber mit ihrer unauffälligen grünen Mattglasur exakt den Vorstellungen der Bauhauskeramiker*innen, die generell eine zurückhaltende Glasur bevorzugten. Bei diesen Objekten kommt Stricker-Zeisel den Entwürfen von Marianne Brandt sehr nahe bzw. führt diese konsequent zu Ende. Das komplette Service wirkt in sich stimmig.

Die Zeit schien aber noch nicht reif zu sein für diese reduzierte Gestaltung. Der Verkauf verlief offensichtlich so schleppend, dass die Objekte nur einmal in den für Deutschland bestimmten Katalogen auftauchen. Die wenigen erhaltenen Exemplare stammen immer aus beiden Hauptexportländern für die modernisierte Schramberger Keramik, aus den Niederlanden und den USA. Die einzelnen Teile des Service sind unter den Inventarnummern 2019-VII-245 A-F einsehbar.

Zum Vergleich kann man sich die erfolgreiche Schramberger Teekanne aus dem Jahr 1929 von ihr in verschiedenen Dekoren in der Sammlung aufrufen, indem die Formnummer 3211 in die Suchmaske eingegeben wird.