Exquisiter Neuzugang für die Mittelalter-Sammlung: Heilige Anna von Henrik Douverman (entstanden in Kalkar zwischen 1518–1522)

Dank einer überwältigenden 100–Prozent–Finanzierung (!!!) der Ernst von Siemens Kunststiftung darf sich das Museum Kurhaus Kleve über einen erlesenen Neuzugang für seine Sammlung spätmittelalterlicher niederrheinischer Skulptur freuen: den einer weiblichen Heiligen von Henrik Douverman.

Bei der ca. 42 cm großen Eichenholzskulptur in hervorragendem Zustand handelt es sich vermutlich um eine Heilige Anna aus dem Kontext einer Heiligen Sippe, weniger wahrscheinlich um eine der drei Marien (neben Maria Muttergottes, Maria Cleophas oder Maria Salome) aus demselben ikonographischen Zusammenhang. Dargestellt ist eine sitzende Figur, die ein geöffnetes Buch auf ihrem Schoß hält. Ihre Beinhaltung, die Geste ihrer rechten Hand und ihre Körperdynamik weisen sie als ursprünglich linken Teil eines größeren Ensembles aus. Sie trägt ein Kleid mit üppigem Faltenwurf, ein Kopftuch und ein Brusttuch, die sie deutlich als verheiratete Frau kennzeichnen (und eine Zuschreibung als Maria bei der Verkündigung oder Maria Magdalena ausschließen).

Die Skulptur, die sich acht Generationen lang im Eigentum einer niederländischen Familie befand und deren Provenienz somit von jedem Zweifel erhaben ist, war im Œuvre Douvermans bislang völlig unbekannt. Sie tauchte erst 2025 im Kunsthandel auf, wo sie vom Fachmann für niederrheinische spätgotische Skulptur, Guido de Werd, sofort zweifelsfrei identifiziert wurde – der anschließend auch die Vermittlung an das Museum Kurhaus Kleve vornahm. Seine Zuschreibung untermauern zahlreiche Details, die sich bei weiteren Skulpturen des Bildhauers finden. Darunter besonders hervorzuheben sind u.a. das längliche Gesicht mit dem besonnen dreinschauenden Augenpaar und den spitzen Lippen, das direkt unter den Brüsten geschnürte Gürteltuch mit der nach oben drapierten Schlaufe, die langen Finger mit präzise ausgearbeiteten Nägeln, die Douverman-typische Bearbeitung der Gewandborten usw. Diese und weitere Details weisen die Arbeit als Frühwerk von Douverman aus, von dem sich in der Gegenwart nur wenige, dafür herausragende Beispiele erhalten haben.

Henrik Douverman kann fast als Rockstar der niederrheinischen Bildschnitzer der Spätgotik bezeichnet werden, der derart herausragende und unverwechselbare Stücke geschaffen hat, die ihn heute als bedeutendsten Bildhauer dieser Epoche am Niederrhein auszeichnen. Er war ein Bildhauer der schönen Frauenfiguren, deren Darstellung vor allem modischer Accessoires und üppiger Lockenpracht als legendär gilt (wie z.B. bei der Jungfräulichen Maria in St. Urban, Birgden). Seine Männerfiguren zeichnet eine eigentümliche stilistische Typenbildung aus (wie beispielsweise seine Skulpturen des Melchior oder Balthasar bei den Heiligen Drei Königen im Museum Kurhaus Kleve). Als Douvermans absolutes Hauptwerk gilt der eindrucksvolle monumentale Sieben-Schmerzen-Altar in St. Nicolai in Kalkar, der zu seinem Frühwerk zu zählen ist und in dessen Schaffensphase die hier vorgestellte Heilige Anna zu datieren ist. Doch auch seine auffallend theatralisch miteinander agierenden Heiligen Drei Könige (um 1535, Museum Kurhaus Kleve) oder seine opulente Thronende Muttergottes (um 1540, Musée de Cluny, Paris) weisen ihn als delikaten Meister exaltierter Bildhauerei erster Güte aus.

Henrik Douverman war ein Zeitgenosse Tilman Riemenschneiders und vom Rang her dem fränkischen Bildhauer ebenbürtig. Über Douverman sind nur wenige biographische Fakten erhalten geblieben. Er wurde wohl um 1480 in Dinslaken geboren und vor 1506 vom Klever Bildhauer Dries Holthuys (um 1500 tätig) ausgebildet. Sein Mitschüler war Henrik van Holt (ca. 1480/90–1545/46), dessen Schüler wiederum Arnt van Tricht (um 1535–1570 tätig) war. Da Douverman in Kleve ein „leichtfertiges Künstlerleben“ unterstellt wurde (wie es alte Quellen spekulierten), übersiedelte er um 1515 nach Kalkar, wo er seit 1517 als Bürger nachweisbar ist und um 1543/1544 starb. Damit bleibt er nicht nur der Region und ihrer Geschichte, sondern auch dem Sammlungsauftrag des städtischen Klever Museums unwiederbringlich verbunden. Daher befinden sich von allen hier genannten Bildhauern imposante und zum Teil ikonische Werke in der Sammlung des Museum Kurhaus Kleve. Die Neuerwerbung der weiblichen Heiligen fügt sich optimal ein und bringt u.a. durch das zeitlos schöne Motiv der Lesenden sogar ein zeitgemäßes Sujet zum Thema „Empowerment der Frau“ ein.

Weitere Werke Henrik Douvermans befinden sich u.a. im Rijksmuseum Amsterdam, im Museum Catharijneconvent in Utrecht, im Musée de Cluny Paris, im Museum Kolumba in Köln und in den Staatlichen Museen in Berlin. Das Auftauchen der hier beschriebenen Skulptur und die Vollerwerbung durch die Ernst von Siemens Kunststiftung für die Sammlung des Freundeskreises Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. im Museum Kurhaus Kleve können durchaus als kleine Sensation angesehen werden – da Skulpturen dieser Epoche i.d.R. nicht mehr auf dem freien Markt erhältlich sind. In den letzten fünfzig Jahren wurden lediglich drei Skulpturen von Douverman zum Kauf angeboten: die oben bereits erwähnten Heiligen Drei Könige, die 2016–2018 für die Sammlung des Museum Kurhaus Kleve gesichert werden konnten, die hier beschriebene weibliche Heilige sowie eine Heilige Ursula, die 1975 durch das Rijksmuseum Amsterdam erworben werden konnte – aus der Sammlung des Sohnes von Sir Arthur Conan Doyle stammend, dem Autor der berühmten Sherlock Holmes-Romane.

Nicht nur der oben beschriebene kunsthistorische Kontext, sondern auch der zuletzt genannte populärkulturelle bilden eine willkommene und erfreuliche Bereicherung für die Klever Sammlung, die sich damit auf einem Level mit den oben genannten Museen bewegen darf.

[verfasst und online gestellt durch Valentina Vlašić]

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Klever Matarés gehen für erste Lovis Corinth-Ausstellung seit 30 Jahren nach Berlin

Mataré on tour: Zwei Werke von Ewald Mataré (1887–1965) aus der Klever Sammlung gehen 2026–2027 für die erste Ausstellung seit 30 Jahren über seinen Lehrer, Lovis Corinth (1858–1925), in die deutsche Hauptstadt. Dort werden sie von 9. Oktober 2026 bis 25. Januar 2027 in der groß angelegten Schau „Lovis Corinth. Dann kam Berlin!“ in der Berlinischen Galerie zu sehen sein.

Die Berlinische Galerie besitzt einen qualitätvollen Bestand an Gemälden von Lovis Corinth (1858–1925). Bereits zu Lebzeiten zählte der virtuose Maler zu den bekanntesten und einflußreichsten Persönlichkeiten der Berliner Moderne. In Tapiau in Ostpreußen geboren und aufgewachsen, zog Corinth im Jahr 1900 von München, wo seine Karriere begann, in die Reichshauptstadt. Die Kunstszene Berlins war zu diesem Zeitpunkt bereits deutlich progressiver und lebendiger als die der bayrischen Residenzstadt. „Angefangen hat es erst in Berlin“, soll Corinth seine beispiellose Erfolgsgeschichte an der Spree kommentiert haben. Über ein Vierteljahrhundert beeinflußte der Maler, dessen vielseitiges Werk schon zu Lebzeiten zwischen Impressionismus und Expressionismus verortet wurde, die Kunstszene der Stadt. In Berlin steigerte er seine Produktivität rasant und verkaufte mit den Jahren gut. Rund 1.000 Gemälde und zahlreiche Arbeiten auf Papier umfasst sein Œuvre. 

Dank der Unterstützung seines Freundes Walter Leistikow, der zu den wichtig­sten Akteuren der Berliner Moderne gehörte, lebte sich Corinth rasch in der Stadt ein. Schon bald verfügte er über ein Netzwerk an Persönlichkeiten der Kulturszene, deren herausragender Porträtist er wurde. Als Mitglied der wichtigsten Künstler*innen-Vereinigungen profilierte sich Corinth neben Max Liebermann und Leistikow insbesondere in der Berliner Seeession und prägte zunehmend das Kunstgeschehen der Stadt. 

Unmittelbar nach seiner Ankunft an der Spree gründete Corinth eine Malschule und lehrte auch an anderen Orten der Stadt. Diese Lehrtätigkeit sicherte ihm ein erstes Einkommen. Private Malschulen boten in diesen Jahren vor allem auch Frauen die Möglichkeit einer künstlerischen Ausbildung. Erst ab 1919 öffnete sich die Berliner Hochschule für Kunststudentinnen, was Corinth entschieden befür­wortete. Unter seinen ersten Schüler*innen waren Charlotte Berend, seine spätere Ehefrau, Minna Tube, die erste Ehefrau von Max Beckmann, Ewald Mataré oder August Macke. 

Corinth soll sich bereits in Königsberg, spätestens aber in München für das Theater begeistert haben und eifriger Premierengänger gewesen sein. In Berlin fand er Zugang zu Theaterkreisen. Er porträtierte Autoren wie Gerhart Hauptmann und stellte Schauspieler*innen in ihren Rollen dar. In seinen Selbstbildnissen – als Bacchus oder Ritter – experimentierte Corinth ebenfalls mit Kostümierungen und Rollen, um sich über Aspekte der eigenen Persönlichkeit klarer zu werden. Das spontane, theaterhaft-burleske Element seiner eigenwilligen Historienmalerei erkannte man früh als typisch für ihn.

Weniger bekannt ist, dass Corinth ab 1903 für den Berliner Theatermann Max Reinhardt Kostüme und Bühnenbilder entwarf. Mit Corinth begann Reinhardts erfolgreiche Zusammenarbeit mit Berliner Künstlern. Wie bedeutend Corinth für Reinhardts neues bildmächtiges, experi­mentierfreudiges Regietheater über die Jahre war, wird aus dem Kondolenz­schreiben deutlich, das dieser 1925 an Charlotte Berend-Corinth richtete: „Zu dem erschütternden Verlust erlaubt sich das Deutsche Theater Max Reinhardts, dessen erste Erfolge mit dem großen Namen Corinth verknüpft bleiben, Ihnen sein tiefstes Mitgefühl auszusprechen.“ 

Mit den Jahren genoss Corinth große Popularität in Berlin. An rund 80 wichtigen Ausstellungen nahm er teil, darunter zahlreiche monographische Präsentationen, unter anderem in der Seeession, den führenden Galerien der Stadt und nicht zuletzt in der Nationalgalerie. 

Von dieser wurde Corinth als einziger Künstler zwei Mal kurz hintereinander mit großen Einzelausstellungen geehrt: 1923 im Kronprinzenpalais, der sogenannten Galerie der Lebenden, und 1926, ein Jahr nach seinem Tod, im Berliner Stammhaus mit einer feierlich eröffneten Retrospektive. Rund 500 Werke waren zu sehen. Der Direktor der Nationalgalerie Ludwig Justi bezeichnete die Gedächtnisausstellung im Sinne des Zeitgeists der 1920er und 1930er Jahre ideologisch-nationalistisch gefärbt als „gesamtdeutsche Angelegenheit“. Die Schau war so erfolgreich, dass sie mehrfach verlängert werden musste.

Auch die Berliner Seeession und die Akademie der Künste veranstalteten nach seinem Tod Ausstellungen für den Künstler. Noch im Februar 1933 widmete Justi bei der Neuordnung des Kronprinzenpalais im Erdgeschoss Corinth zusammen mit Max Slevogt einen Raum. Mit dieser Auswahl bekräftigte Justi die Bedeutung Corinths für die Moderne im Sinne einer nationalen deutschen Kunstgeschichte. Eine solche Bewertung gestand Justi im Erdgeschoss mit einem eigenen Raum sonst nur den von ihm so bezeichneten „zwei großen germanische Meistern“ Vincent van Gogh und Edvard Munch zu. 

Die Berlinische Galerie realisiert im Herbst 2026 eine große Schau: „Lovis Corinth. Dann kam Berlin!“ (Arbeitstitel). Sie stellt Corinths Entwicklung in Berlin im Kontext seiner Zeit vor. Bis heute steht seine Position für einen spontanen, expressiven Malakt, der für die Entwicklung der Malerei, denkt man die Jungen Wilden, Georg Baselitz oder Lucien Freud, äußerst folgenreich war. Corinths Karriere wird in der Ausstellung kontrastiert durch Werke seiner Schüler*innen. Wer bei Corinth studierte, wie der Unterricht aussah, wie dieser bei seinen Schüler*innen ankam und allgemeiner, welche Möglichkeiten explizit Frauen in Berlin zu Anfang des 20. Jahrhunderts offenstanden, um als Künstlerin Karriere zu machen, wird erstmals genauer erforscht und eingebunden. Corinths Nähe zum Theater, seine Beziehungen und sein Einfluss auf die Kunstszene der Stadt sowie die Rolle, die das private Lebensumfeld in Berlin für seine Kunst spielte, bilden weitere Schwerpunkte der Ausstellung. 

Corinths Bedeutung für die Berliner Moderne ist kaum zu überschätzen. Zuletzt war das Werk des Künstlers in der Stadt in größerem Umfang vor dreißig Jahren zu sehen: 1996 in der Berliner Nationalgalerie in einer Kooperation mit dem Haus der Kunst, München, The Saint Louis Art Museum, und der Tate Gallery, London. Die Berlinische Galerie erforscht mit ihrer Lovis Corinth-Ausstellung als Landes­museum für Moderne Kunst die eigene Sammlung und knüpft an eine Reihe monographischer Ausstellungen zur Berliner Moderne an. Diese stellt prägende Persönlichkeiten im Kontext ihrer Zeit vor und bewertet sie neu, darunter 2023 Edvard Munch, 2021 Ferdinand Hodler, 2019 Lotte Laserstein, 2017 Jeanne Mammen und 2015 Max Beckmann. 

→Warum gehen die beiden Matarés aus Kleve nach Berlin? Ewald Mataré gehört zu den bekanntesten Schüler*innen Corinths. Der Zeitpunkt von Matarés Studium bei Corinth kann bisher nicht eindeutig bestimmt werden, die Angaben schwanken zwischen 1912 und 1914. Da sich in den Œuvres von Corinths Schüler*innen zumeist nur sehr wenige frühe Arbeiten erhalten haben, sind die beiden Klever Arbeiten von Ewald Mataré aus der Sammlung des Museum Kurhaus Kleve von ganz besonderer Bedeutung für die Ausstellung. Sein in dieser Zeit entstandenes Aktgemälde und die Studienzeichnung präsentieren einen für das Berliner Publikum bislang unbekannten „Mataré vor Mataré“. Die beiden Arbeiten belegen, dass Mataré eine gründliche Ausbildung im Bezug auf die anatomische Wiedergabe des menschlichen Körpers erfahren hatte. Auf diese legte Corinth in seiner Lehre größten Wert

Weitere Fakten zur Ausstellung:

  • Rund 90 Werke (Gemälde und Graphik) von Lovis Corinth und Zeitgenoss*innen werden zu sehen sein. Neben Werken von Corinth und Künstler*innen der Berliner Moderne aus der Sammlung der Berlinischen Galerie werden zahlreiche Leihgaben aus öffentlichen und privaten Sammlungen zu sehen sein. 
  • Die Ausstellung begleitet ein umfassender Katalog in deutscher und englischer Sprache, der den Stand der Forschung zum Thema repräsentiert. 
  • Ein kostenfreies, digitales Vermittlungsformat macht die Schau multimedial im virtuellen Raum erlebbar und erschließt die Ausstellungsinhalte interaktiv. Das Angebot soll webbasiert über diverse Endgeräte (z.B. Smartphones, Tablets, Laptops) abrufbar sein und über die Laufzeit der Ausstellung hinaus zur Verfügung stehen. 

Good to know:

  • Weitere Informationen über die Berlinische Galerie und die Ausstellung sind ->hier abrufbar. 
  • Informationen über Ewald Mataré und seine 25 prägenden Jahre in Berlin finden sich in ->dieser Publikation.

[verfasst von Stefanie Heckmann, leicht angepasst und online gestellt von Valentina Vlašić]

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Annegret Gossens, die Frau hinter der Linse: ein halbes Jahrhundert für Kunst und Kleve

Ihre Photographien kennen alle, sie selbst steht jedoch stets im Hintergrund: Annegret Gossens, die 2026 sage und schreibe 50 Jahre lang für die Klever Kultur tätig ist. In dieser Zeit hat sie ein umfangreicheres photographisches Œuvre geschaffen als alle ihre männlichen Vorgänger in Kleve (u.a. Ewald Steiger, Willy Maywald oder Fritz Getlinger). Anlässlich des runden Jubiläums im Jahr 2026 ist es höchste Zeit, die bislang weitgehend unbekannte, aber bedeutendste Klever Photo-Chronistin umfänglich vorzustellen und zu würdigen.

Annegret Gossens ist eine alteingesessene Kleverin. 1953 geboren, zählte die Photographie von klein auf zu ihren großen Leidenschaften. Mit zarten 17 Jahren fing sie eine Lehre bei Photo Erkens in Kleve an. Mit 21 Jahren übersiedelte sie nach Köln, wo sie in Ehrenfeld drei Jahre lang Industriemaschinen photographierte. 1976 war sie zurück in Kleve und fing – im Alter von 23 Jahren – als Photographin bei der Stadt Kleve an. Der ehemalige Stadtarchivar und erste Museumsleiter in Kleve, Dr. Friedrich Gorissen, benötigte für das Stadtarchiv fähiges Personal, um alte Stiche und Pläne abzulichten. Annegret Gossens wurde damals im Zuge einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme angestellt, zwei Mal verlängert und schließlich beim dritten Mal übernommen. Sie wurde von Guido de Werd abgeworben – den Gorissen wenige Jahre zuvor, 1972, im Alter von 23 Jahren als wissenschaftlichen Mitarbeiter nach Kleve geholt hatte und der 1976 von der Stadt Kleve zum Museumsleiter ernannt wurde. Annegret Gossens’ neuer Einsatzort wurde somit das Städtische Museum Haus Koekkoek.

Alle Mitarbeiter*innen des Städtischen Museums waren von Anfang an Allrounder, allen voran Annegret Gossens, die diese Funktion mit Verve und Herzblut erfüllte. Sie war nicht nur für den Bereich der Photographie zuständig, sondern – wenn kostbare Neuerwerbungen anstanden und noch nicht ausreichend durchfinanziert waren – sie war sich nicht zu schade Spenden auf der Straße mit der Büchse zu sammeln. Sie erledigte auch Kunsttransporte für das Museum, mitunter sogar mit ihrem kleinen Citroën 2CV (salopp „Ente“, in den eigentlich nichts reinpasste) … Flexibilität, Spontaneität, Ideenreichtum und ungebrochener Humor zeichneten sie damals aus und gehören auch heute noch fraglos zu ihren vordergründigen Charaktereigenschaften.

Im Bereich der Photographie war Anne Gossens für alle Bereiche zuständig: sowohl für Objekte, Porträts, Installationen als auch Veranstaltungen. Obwohl sowohl Stadtarchiv als auch Museum keine eigene Dunkelkammer besaßen, entwickelte sie alle Aufnahmen in den ersten Jahrzehnten selbst. Dafür wich sie auf das Kreisbildarchiv aus, wo sie jahrelang die dortige Dunkelkammer benutzen durfte, bis ihr schließlich doch noch eine geeignete Räumlichkeit im Haus Koekkoek eingerichtet werden konnte.

Sogar beim Equipment gab es Anlaufschwierigkeiten: Da ihr die Stadt Kleve keine eigene Kamera zur Verfügung stellen konnte, arbeitete sie zunächst mit eigenen Geräten, die entweder Guido de Werd oder sie selbst erworben hatten. Dazu zählte zunächst eine 2-äugige Rolleiflex, später eine Yashika oder eine Nikon. Damit fertigte sie in den Anfangsjahrzehnten vorwiegend Schwarzweißaufnahmen an, erst gegen Ende der 1990er Jahren kamen Farbaufnahmen hinzu. Von allen Aufnahmen fertigte sie bei Bedarf groß- und kleinformatige Abzüge, Negative, Kleinbilddias und Ektachromes, die sie anschließend sogar noch persönlich beschriftete. Erst 2006 vollzog sie den Wechsel von der Analog- zur Digitalphotographie.

Knowhow und Qualitätsstandards, Farben und Ausschnitte spielten in ihrer damaligen Arbeit eine viel größere Rolle als in der heutigen, die naturgemäß von Smartphone-Photographie und KI-generierter Bildbearbeitung geprägt ist. Damals waren Kenntnis, Auge und Erfahrung von größerer Bedeutung als heute. Alle ihre damaligen Aufnahmen fertigte Annegret Gossens ganz selbstverständlich mit Farb- und Graukeil, um sie für den nachträglichen Farbabgleich vorzubereiten. Bei der Produktion hunderter Kataloge war Annegret Gossens die Ansprechperson Nummer 1 für sämtliche Druckabnahmen, die vor Ort in den Druckereien gemacht wurden, manchmal sogar bis tief in die Nacht. Bei der „Haus- und Hofdruckerei des Museums“, B.O.S.S-Druck in Kleve (die ab 2006 in Goch war), war Annegret Gossens ein mit Vornamen angesprochener und stets gern gesehener Gast.

Annegret Gossens photographierte an Kunstwerken alle Jahrhunderte: sowohl mittelalterliche Skulpturen als auch zeitgenössische Kunstwerke, die ab den 1980er Jahren durch den neu gegründeten „Salon der Künstler“ ins Klever Museum kamen. Bei großen Sonderausstellungen nahm sie Installationsaufnahmen im gesamten Museum auf – wie für die große Jan de Beijer-Retrospektive 1980 im Haus Koekkoek oder zuletzt noch 2024 für die Jan Baegert-Schau im Kurhaus. Für Guido de Werds ikonische Publikation über denkmalwürdige Häuser in Kleve, „Das Gesicht einer Stadt“, photographierte Annegret Gossens 1977 halb Kleve. Dafür auch an Privathäusern klingeln und um Einlass bitten zu müssen, damit hatte sie gewohnheitsgemäß keine Probleme. Im Gegenteil, sie liebte den Sozialkontakt und kam mit jeder Kleverin und jedem Klever mühelos ins Gespräch.

Ab den 1980er Jahren photographierte sie im Auftrag von Guido de Werd die Interieurs in den Kirchen in Kleve, später auch in denen von Kranenburg, Goch, Kalkar, Emmerich, Xanten usw. Dafür war sie mitunter tage- und wochenlang in der Region unterwegs, um vor Ort neben Photoapparaten auch Stative, Blitzanlagen, Hintergründe, Leitern und mehr aufzubauen, um die diversen Skulpturen, Altäre, Leuchter und mehr aufwändig ins richtige Licht rücken zu können. Ihre Photographien, die noch heute zeitlose Gültigkeit besitzen, wurden nicht nur vom Klever Museumsleiter de Werd für dessen Publikationen über beispielsweise Meister Arnt, Dries Holthuys oder Henrik Douverman genutzt, sondern auch von sämtlichen nationalen und internationalen Kunsthistoriker*innen und Museen, die Ausstellungen über diese Themen machten oder Werke in Kleve liehen. Zu den letzten Abnehmern der Gossensschen Photos gehörten – um nur wenige, aber herausragende Beispiele zu nennen – u.a. der Louvre in Paris oder das Königliche Palais in Amsterdam. Damit zählt Annegret Gossens bis heute zur erfolgreichsten gänzlich unbekannten Kunstdienstleisterin aus Kleve.

Annegret Gossens war die Anfangsjahre in Vollzeit, nach ihrem Mutterschutz 1978 und 1980 dann halbe Tage für das Museum tätig. Ab 1988 dokumentierte sie regelmäßig den Umbau des Kurhauses, das damals noch Möbellager war, bis hin zum Museum, das schließlich 1997 eröffnete. Beim Umzug packte sie – wie auch alle anderen Mitarbeiter*innen – selbstverständlich persönlich mit an. Dort änderte sich ihr Fokus von der alten Kunst auf vermehrt zeitgenössische Künstler*innen und Ausstellungen – wie z.B. (um nur einige wenige zu nennen) Stephan Balkenhol, Ulrich Erben, Günther Uecker, Mario Merz, Katharina Fritsch, Niele Toroni, Giovanni Anselmo usw. Allesamt Künstler*innen, die heute Weltrang besitzen, „damals“ in Kleve jedoch noch jünger und mitunter erst im beruflichen Aufstieg begriffen waren. Die Klever Museumsphotographin kam mit jedem Künstler und jeder Künstlerin wunderbar zurecht – und fertigte von jeder und jedem heute geradezu ikonisch wirkende Porträts an (wie z.B. ihre Aufnahme des grübelnden Richard Serra am Amphitheater in Kleve, die an Rodins „Denker“ erinnert).

Fast alle Ausstellungen, Künstler*innen, Kunstwerke und Veranstaltungen in der Geschichte des Koekkoek-Hauses und Kurhauses wurden von Annegret Gossens photographiert. Sie lieferte immer Qualität ab, egal, ob sie stundenlang Zeit hatte, eine Objektphotographie eines millionenteuren Kunstwerks zu machen oder unter Zeitdruck Menschen und Leute bei einer Veranstaltung photographisch festhalten musste. Die schiere Anzahl ihrer Aufnahmen geht zahlenmäßig in die hunderttausend, wenn nicht sogar in die Millionen. Sie dokumentierte die komplette Museumsgeschichte von den bescheidenen Anfängen bis in die heutige Gegenwart, wodurch sie das Museum nicht nur als identitätsstiftende Institution in Kleve verankerte, sondern es auch als sogenannten „Dritten Ort“ etablierte, in dem Museumskultur und -geschichte aufeinandertreffen und sich Menschen jedweder Couleur begegneten. Ihre Photos sind immer zielgerichtet auf das Wesentliche konzentriert: auf den Menschen und auf das vom Menschen Geschaffene im Museum. Mit ihren Aufnahmen machte Annegret Gossens das manchmal komplizierte und auf ein elitäres Publikum gerichtete Programm des Museums für jedermann und -frau nahbar und zugänglich. Als die berühmte spanische Künstlerin Christina Iglesias, die 2022 ihre Kunstwerke im Rahmen der Jubiläumsausstellung „Schatzhaus und Labor“ zeigte, Gossens’ Aufnahmen ihres 2001 verstorbenen Ehemanns Juan Muñoz im Klever Museum aus dem Jahr 1997 sah, brach sie vor Freude und Rührung in Tränen aus.

Annegret Gossens photographierte die großen wie kleinen Veranstaltungen. Es gab keinen Mitarbeitergeburtstag oder keinen Abschied, der nicht von ihr mit der Kamera begleitet wurde, egal, ob dabei Museumsdirektor oder Praktikanten im Zentrum standen – Annegret Gossens war da und dokumentierte jedes kleine und große Event, immer dezent aus dem Hintergrund heraus. Selbstverständlich stellte sie allen ihre Aufnahmen anschließend zur Verfügung, meistens versehen mit einem kurzen handschriftlichen Gruß. Sie photographierte die Weihnachtsfeiern im Haus Koekkoek oder die Festakte im Kurhaus – wie beispielsweise die Verleihung des Johann Moritz Kulturpreises der Stadt Kleve an den Freundeskreis Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. 2007 oder an Guido de Werd 2023. 1978 machte Annegret Gossens Photos vom Besuch des Bundeskanzlers Helmut Schmidt mit dem niederländischen Ministerpräsidenten Dries van Agt im Haus Koekkoek, 2013 vom Besuch der Bundeskanzlerin Angela Merkel mit dem niederländischen Regierungschef Mark Rutte im Kurhaus.

Als Dankeschön für ihr Engagement richtete ihr Guido de Werd anlässlich ihres 25-jährigen Dienstjubiläums 2001 eine Studio-Ausstellung im Obergeschoss des Badhotels aus, zeitgleich zur großen Richard Long-Retrospektive in den unteren Stockwerken. 2002 wurde ihre Ausstellung „Lebenswege: Frauen im Handwerk“ in der Regionalstelle „Frau und Beruf“ Kreis Kleve eröffnet. Im Jahr 2000 richtete ihr Bürgermeister Josef Joeken – im Zuge einer Ausstellungsreihe von Klever Künstler*innen, als Bindeglied zwischen Kunst und Bürgernähe – im alten Rathaus der Stadt Kleve die Ausstellung „Kleve und Umgebung 1989–2000“ aus. 1998 und 1999 waren ihre Arbeiten in der Galerie Ursula van Heesch in Kleve zu sehen. 2012 ging Annegret Gossens in Rente und verabschiedete sich aus dem aktiven Dienst der Stadt Kleve, arbeitete danach jedoch fast umgehend auf ehrenamtlicher Ebene weiter. Egal, wer ihre Hilfe benötigt – Museum, Förderverein, Bürgermeister, Stadtmarketing oder Tiergarten – Annegret Gossens ist da und liefert bis zum heutigen Tag Qualitätsarbeit ab.

Ihr analoges und digitales Photoarchiv wurde seit ihrer Verrentung von Kurhaus-Mitarbeiterin Valentina Vlašić neu strukturiert und weitergeführt, trotzdem stand Annegret Gossens jeder und jedem Anfragenden gerne noch persönlich und auskunftsreich zur Verfügung. Als das Museum Kurhaus Kleve 2019 Opfer einer Schadsoftware wurde, die weite Teile des digitalen Bildarchivs unbrauchbar machte, war es Annegret Gossens, die wie selbstverständlich und mit unglaublichem Arbeitseifer fast die komplette Sammlung neu photographierte. Dank ihrer maßgeblichen Unterstützung konnte 2021 ein Meilenstein des Museums online gehen – die Sammlungswebsite, auf der seitdem dank ihrer exzellenten Arbeit rund 10.000 Werke mit exzellenten Abbildungen online veröffentlicht werden konnten – Kunstwerke, auf die seitdem aus der ganzen Welt zugegriffen wird und die überall geteilt werden. Damit ist Annegret Gossens sogar Kleves erfolgreichste unbekannte Kulturbotschafterin schlechthin.

[verfasst und online gestellt von Valentina Vlašić]

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Schenkung einer imposanten Arbeit von Gitta van Heumen-Lucas für die Sammlung des Freundeskreises im MKK

Als Schenkung aus Privatbesitz erhielt der Freundeskreis Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. im September 2025 eine imposante Arbeit der für die Region bedeutenden Künstlerin Gitta van Heumen-Lucas, die die zeitgenössische Sammlung des Museum Kurhaus Kleve ab sofort vortrefflich ergänzt und bereichert.  

Die Arbeit stammt aus dem Frühwerk der 1936 in Krefeld geborenen und seit den 1960er Jahren in Kleve lebenden van Heumen-Lucas, die als eine der bedeutendsten Künstlerinnen der Gegenwart in Kleve gilt. Der Kunstkritiker und Kurator Hans-Peter Riese (*1941) schrieb in der 2013 im Kölner Wienand-Verlag erschienenen Monographie „zeitzonen“ über sie, „dass man es hier mit einer Künstlerin zu tun hat, die in einer großen Autonomie arbeitet und ein Werk erschaffen hat, das in seiner inneren Kohärenz ein außerordentliches Beispiel deutscher Nachkriegskunst darstellt.“ (S. 8) 2016–2017 richtete ihr das Museum Kurhaus Kleve daher die Studio-Ausstellung „ponte/ponton“ aus, in der sie ausgewählte Arbeiten der letzten Jahrzehnte zeigte. Im Zentrum ihrer Arbeit stehen immer Aspekte wie die Beschäftigung und das Experiment mit dem Raum, der Schichtung und der Überlagerung sowie die Polaritäten von Elementen, der Zeit und der Bewegung. 

Bei „Einströmende Augenblicksinformation“ kulminieren diese Handlungsmaximen auf geradezu vorbildliche Weise. Es handelt sich um eine Arbeit, die die Betrachtenden gleichermaßen fasziniert als auch irritiert. Van Heumen-Lucas besitzt seit jeher ein „Misstrauen gegenüber der Leinwand“ (Riese, S. 10), das hier trefflich zum Vorschein kommt. Die Objektarbeit ist dreidimensional und besteht aus mehreren Gattungen und Kontexten. Eine Druckgraphik bildet das Herzstück, die abstrakt-surrealistische Motivwelten mit informeller Ausdrucksweise verbindet. Im Zentrum ist eine Figur mit ausgebreiteten Armen zu erkennen, die eine Mischung aus Leonardo da Vincis „Vitruvianischen Menschen“ und eines der Protagonisten aus Oskar Schlemmers „Triadischem Ballett“ darstellt. Sie ist eingespannt in eine Art Weltkugel, die mit horizontalen, ellyptisch verlaufenden Balken angedeutet ist und durch spiegelverkehrt angebrachte Zeitungsmeldungen inhaltlich angereichert wird. Ein Auge am unteren Ende blickt die Betrachtenden aufmerksam an – und wird von diesen automatisch mit dem Auge der Vorsehung in Zusammenhang gebracht, dem sog. „allsehenden Auge Gottes“. Rechts oben erscheint spiegelverkehrt vermutlich das frühe Porträt des berühmten irischen Schriftstellers Oscar Wilde (1854–1900), der leidenschaftliche Kontakte zum Spiritualismus und Okkultismus pflegte. 

Der aufrecht in der Weltkugel balancierende Mann, der vom Auge Gottes und den fortschrittlichen, aber zeitlebens nie etablierten Ideen Oscar Wildes begleitet wird, bildet somit die Basis für die „einströmenden Augenblicksinformationen“, denen van Heumen-Lucas bei der Konzeption dieser poetischen und sinnästhetischen Arbeit offensichtlich unterworfen war. Diese Botschaft wird unterstützt durch eine gewisse reduzierte Leichtigkeit der Ausführung (alle Elemente erscheinen in Weiß, Hellblau und -Grau) und durch die Präsentation in einem Holzrahmen, der von der Künstlerin absichtlich wie ein sich öffnendes Fenster arrangiert ist. Der Plexiglasrahmen, der fester Bestandteil der Arbeit ist, unterstreicht den Objektcharakter, schützt und konserviert das Objekt aber auch vor dem vermeintlich feindlichen Außenraum. 

Der große niederrheinische Kunstexperte Franz Joseph van der Grinten (1933–2020) schrieb über van Heumen-Lucas’ Arbeiten: „Der Betrachter lässt sich ein in einen Raum, den er nicht betreten kann, den er aber, ist er denn überhaupt empfindlich, geradezu körperhaft fühlt“ („zeitzonen“, S. 17). Eine Aussage, die auf die hier vorliegende Arbeit geradezu vorzüglich zutrifft.

[verfasst und online gestellt von Valentina Vlašić]

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Mittelalterliches Hauptwerk aus Kleve im Aachener Suermondt-Ludwig-Museum zu sehen

Im Herbst und Winter 2025/2026 reist ein Hauptwerk aus der mittelalterlichen Sammlung des Museum Kurhaus Kleve nach Aachen, um von 29. November 2025 bis 16. März 2026 in der von Kurator Michael Rief großartig konzipierten Ausstellung „Praymobil – Mittelalterliche Kunst in Bewegung“ im Suermondt-Ludwig-Museum in Aachen gezeigt zu werden: der „Himmelfahrtschristus“ von Meister Arnt von Kalkar und Zwolle (1476). 

Die Ausstellung ist weltweit die erste Schau, die sich der Wirksamkeit von mittelalterlichen Skulpturen in Gestalt von bewegten und „selbst-agierenden“ Figuren widmet. Als „bewegend, als wenn es lebete“ werden in einer mittelalterlichen Quelle jene Bildwerke bezeichnet, die im kirchlichen Brauchtum, der Liturgie und in der Frömmigkeitspraxis die Illusion vermittelten, sie seien lebendig. Es handelt sich um meist aus Holz, mitunter aber auch aus Ton oder Metallen gefertigte Skulpturen, die im Spätmittelalter und der frühen Neuzeit zur Veranschaulichung und Verlebendigung vornehmlich des Christuslebens und der Passionsgeschichte als Protagonisten geistlicher Spiele zum Einsatz kamen. Sie sollten für das „re-enactment“ jenseits der kirchlichen Zeremonien und während der Liturgiefeier den Eindruck erwecken, als würden sie selbst agieren. 

In der kunsthistorischen Literatur hat sich hierfür seit den späten 1980er Jahren der Begriff des „handelnden Bildwerks“ eingebürgert, der jedoch zu Missverständnissen führen kann, da die Bildwerke ja selbst nicht handeln, sondern bewegt werden. Hierzu zählen nackte und anzukleidende Christkinder sowie Christkindwiegen bzw. -bettchen, die beinahe lebensgroßen, auf fahrbare Gestelle montierten Palmesel mit reitender Christusfigur, die am Palmsonntag in einer großen Prozession durch das Kirchenviertel gezogen wurden; Kruzifixe mit schwenkbaren Armen, mit denen Kreuzabnahme, Beweinung und Grablegung unter Beteiligung von menschlichen Akteuren nachgestellt werden konnten, ferner Grablieger (Leichnam Christi) und Figuren des Himmelfahrtschristus, die am Tag von „Christi Himmelfahrt“ in das „Heiliggeistloch“ im Kirchgewölbe gezogen wurden.

Zu den bewegten Bildwerken gehören auch, wie bislang noch wenig bekannt, Marienfiguren wie die Maria gravida (Maria in der Hoffnung), der man das Christkind aus dem Bauch herausnehmen konnte; Madonnen, denen das Kind abnehmbar aufgesteckt war; Gottesmutterdarstellung­en, die selbst oder deren Christuskinder einen drehbaren Kopf besaßen; Marienfiguren mit fließenden Tränen; Maria als Schmerzensmutter mit dem zur Beweinung oder Grablegung abnehmbaren Leichnam Christi. 

Auch Skulpturen, mit denen mehrere biblische Ereignisse veranschaulicht werden konnten, sind Gegenstand der Ausstellung: Christusbilder, die im Kontext der Passionsgeschichte sowohl in der Ecce homo-Szene, als auch als Schmerzensmann und Grablegungschristus fungieren konnte; sowie Christkinder, die an Marien aufgesteckt wurden und auf Kissen während Prozessionen an Mariä Lichtmess bzw. zur Aufstellung auf dem Altar Verwendung fanden. 

Es ist ein spannender und der Allgemeinheit nicht bekannter Aspekt, dass doch so viele Skulpturen in Liturgie und Frömmigkeitspraxis des Spätmittelalters wirklich gebraucht und bewegt und ihnen somit Lebendigkeit verliehen wurden. In der Regel verbindet man mit Skulpturen dieser Zeit eher statische Objekte. 

Im Gegensatz zu diesen bewegten Bildwerken lassen sich auch selbst-agierende Skulpturen nachweisen. Dies betrifft sowohl den Bereich der Automaten, als auch in der Malerei und Graphik auftretende Bildwerke, die entsprechend verschiedener Legenden selbsttätig handeln. Dies gilt etwa für die HI. Katharina von Siena, die von einem geschnitzten Holzkruzifix Stigmata empfing, die HI. Hedwig, die von einem Kruzifix gesegnet wurde, oder den HI. Bernhard, der aus der Brust einer Madonnenskulptur einen Milchstrahl erhielt. Auch dieser Aspekt der eigenmächtig handelnden Skulpturen wird in der Ausstellung vorgestellt. 

Darüber hinaus geht es um das „missbrauchte“ Kunstwerk: Die Ausstellung thematisiert auch die Entlarvung von weinenden, blutenden und sprechenden Bildwerken als Betrug, die aus religiösen, vor allem aber auch aus handfesten Gewinnstreben die Vorstellung von Wundern fingierten. Diese an Reliquienschwindel angelehnten und erstaunlich weit verbreiteten Praktiken hatten einen wesentlichen Anteil an der zum Teil besonders vehementen Ablehnung bewegten Bilder in der Reformation. Dabei kam es auch im Protestantismus zu vereinzelter Um- und Neunutzung bewegter Bilder, was in der Ausstellung gleichfalls nicht verschwiegen werden soll. 

Die Ausstellung widmet sich Beispielen mittelalterlicher Kunst, die im Gegensatz zur kostbaren Schatzkunst von Stiftskirchen und Bischofssitzen vor allem durch breite Bevölkerungsschichten der damaligen Zeit bewundert und verehrt wurden. Der Fokus des Interesses gilt den Schnittstellen zwischen Kunstgeschichte, Frömmigkeitspraxis und volkstümlichem Brauchtum, deren Nachwirkungen nicht nur im Rheinland bis in den heutigen Tag spürbar sind. Aus diesem Grunde thematisiert die Ausstellung abschließend das Fortleben jener in der mittelalterlichen Glaubenspraxis wurzelnden Traditionen während des Barocks und bis in die Gegenwart. Erwähnt werden soll, dass die Figuren einerseits mit Gesang, Sprechsequenzen und Musik für das theatralische und dramatische Spiel unter Volksbeteiligung genutzt wurden, eine sicherlich laute und lebhafte Angelegenheit, aber auch für die kontemplative Versenkung (z.B. der Grablieger im Heiliggrab, Christuskinder) nach dem re-enactment. 

Einen direkten und augenfälligen Bezug zum Ausstellungsthema findet sich in einem in Aachen noch lebendigen Brauch, der das Faszinosum der gegenständlichen Skulpturen­gattung deutlich macht: Während des dreitägigen Roskirmes-Festes „Streuengelche van de Rues“ im Bereich der Roskapelle wurde und wird eine reich gekleidete Skulptur, die sogenannte „Streuengelche-Puppe“ auf Seilen, die hoch zwischen zwei Häusern quer über die Rosstraße gespannt sind, hin- und hergezogen. Durch die Rüttelbewegungen selbst bzw. durch eine Kippvorrichtung vermag die Figur Süßigkeiten („Kamelle“) in die Menge fallen zu lassen. Auch die seit 1521 von der Aachener Bevölkerung für Umzüge eingesetzte überlebensgroße bewegliche Puppe Karls des Großen (seit dem 19. Jahrhundert verschollen) gehört in einen vergleichbaren Kontext. 

Ausgehend von einigen Stücken aus eigenem Bestand und ausgewählten Leihgaben aus europäischen Sammlungen soll die Schau die damalige Mediennutzung, die Verbindung zwischen geistlichem Spiel und Theaterpraxis innerhalb und außerhalb der Liturgie herausarbeiten. Funktionszusammenhänge, die bei der Erforschung von Kunstwerken oftmals ausgeblendet und sogar in der musealen Präsentation getilgt wurden (Räder von Palmeselchristus-Figuren entfernt, Gelenke der beweglichen Gliedmaße überkittet und retuschiert usw.), stehen im Vordergrund. Erst neuerdings werden Fragen nach der Funktion von Objekten in den Blickpunkt gerückt, während jahrzehntelang nur Stilfragen diskutiert wurden. 

Die Ausstellung integriert darüber hinaus bewusst und zielgerichtet zeitgenössische Kunstwerke, die aufgrund ähnlicher Ästhetik, performativer Qualitäten sowie verwandter Themen, die Aktualität der Thematik unterstreichen und die den Objekten zugrundeliegenden allgemeinen menschlichen Bedürfnisse und Interessen in den Vordergrund stellen. Hier denken wir unter anderem an Werke von Berlinde de Bruyckere, lsa Genzken, Hans op de Beek, oder Andre Guerif. Die Integration zeitgenössischer künstlerischer Positionen in die Ausstellung kann wesentlich dazu beitragen, den Besucher*innen inhaltliche und emotionale Zugänge zu der Ausstellungsthematik zu ermöglichen, die bei einer ausschließlich historischen Kontextualisierung nur eingeschränkt wirksam werden. 

Die Ausstellung zeigt ca. 70 bis 80 Objekte aus deutschen und europäischen Museen, kirchlichen und privaten Sammlungen vornehmlich aus einem Zeitraum von etwa 1300 bis 1550. Es handelt sich meist um bis zu lebensgroße Skulpturen aus Holz, um Kleinfiguren auch aus Ton und Silber, sowie Gemälde und Druckgraphiken. Zur Ausstellung erscheint ein Katalog mit ca. 15 Essays und Katalogeinträgen zu allen Exponaten bzw. Objektgruppen, verfasst von internationalen Spezialist*innen. 

Weitere Informationen über die Ausstellung in Aachen sind ->hier abrufbar. 

[verfasst von Michael Rief, online gestellt von Valentina Vlašić]

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Sensationserwerbung für die Klever Sammlung: Mutter und Kind von Karin Kneffel

Von 29. Oktober 2023 bis 18. Februar 2024 war im Museum Kurhaus Kleve eine groß angelegte Einzelausstellung von Karin Kneffel zu sehen, die für Furore sorgte und zu den Höhepunkten des damaligen Kunstjahres gehörte: „Face of a Woman, Head of a Child“. Nun konnte – dank der essentiellen Förderung des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen und einer Unterstützung der Förderstiftung Museum Kurhaus Kleve – eines der schönsten Madonnendiptychen aus der für die Ausstellung namensgebenden Serie für die Sammlung des Freundeskreises angekauft werden. 

Karin Kneffel (*1957) zählt zu den wichtigsten deutschen Malerinnen unserer Zeit, die eine beispiellose Karriere hingelegt hat. Wurde sie in den 1990er Jahren von männlichen Künstlerkollegen noch als Malerin von Obststillleben und Tierporträts diskreditiert, wird sie heute von den wichtigsten Kunstmuseen und -galerien für genau diese, den Zeitgeist treffende Kunstwerke hofiert und zelebriert. In der Klever Schau zu sehen war ein kuratierter Überblick über Kneffels Schaffen der letzten drei Jahrzehnte, bei dem u.a. sowohl Obstbilder, aber auch Feuerbilder, ihre an Gerhard Richter (ihrem ehem. Lehrer) orientierten Gemälde von Kerzen sowie Kirchenbilder und Filmstills zu sehen waren. 

Doch zentraler Dreh- und Angelpunkt der Präsentation war eine völlig neue, der Ausstellung den Namen gebende Werkserie: die Madonnen-Diptychen. Diese Serie entstand während der Isolation der Jahre des Coronavirus und gilt heute als abgeschlossen, da Kneffel ihre Serien stets klein hält und nie ausreizt. Das Besondere an dieser speziellen Werkserie ist, dass sie (bis auf wenige Ausnahmen) erstmals überhaupt das Menschenbild zum Thema hat. Zudem widmet sich Karin Kneffel darin den am meisten gemalten Personen der Kunstgeschichte: der Gottesmutter und dem Jesuskind. 

Karin Kneffel malt die berühmteste Mutterkind-Darstellung aller Zeiten und findet dafür trotzdem eine völlig neue und singuläre Formensprache, die ganz besonders in dem hier vorliegenden Diptychon mit dem Titel „2023/05 (a+b)“ zur Anschauung kommt. In dieser Werkgruppe widmet sich die Künstlerin Madonnenskulpturen des 14. bis 16. Jahrhunderts, deren Vorlagen allesamt farbige Fassungen aufweisen und aus Nord-, Ost- oder Südeuropa stammen.

Die exakte Zuordnung, welche Figur in welchem Kirchenraum steht, besitzt für Kneffel keine Bedeutung. Vielmehr geht es ihr um die Darstellung der Madonnen schlechthin, die durch die Jahrhunderte einem bezeichnenden Wandel unterworfen waren. Die Muttergottes war oft nicht würdig genug, um alleine für sich, ohne Beziehung zum Mann bzw. Sohn, dargestellt zu werden. Meistens wurde sie auf ihre Funktion als Empfängerin männlichen Spermas, Gebärende, Mutter, Ernährerin und Hüterin des Kindes reduziert – sowie als Leidtragende nach dessen Tod. Für die Bildhauer der Romanik war sie sogar nur der „Sessel“ des Sohnes („Sedes sapientiae“), für die Maler der Renaissance u.a. das formschöne Sexobjekt mit entblößter Brust, das überirdische Kind auf irdische Weise säugend.

Kneffel vollzieht in ihrer Werkserie einen beispielhaften Akt, indem sie die Hauptdarsteller voneinander trennt und die Muttergottes isoliert vom Jesusknaben malt. Indem sie sich auf die Gesichter konzentriert, fallen plötzlich sowohl Gemeinsamkeiten als auch erstmals Unterschiede auf. Die sonst meist den Jesuskindern untergeordneten Gottesmütter sind plötzlich interessante Individuen mit eigenem Ausdruck, die bspw. die Präsenz und das Gefühlsleben realer Frauen zwischen Superheldinnentum und Erschöpfung aufweisen. Die Jesuskinder wiederum sind kleine Persönlichkeiten mit eigenen charakterlichen Kennzeichen. Kneffel malt zudem immer altmeisterlich, egal ob z.B. Korkenzieherlocken oder den Porzellanteint der Holzoberflächen, in einer ansprechenden und attraktiven Weise.

Das Museum Kurhaus Kleve – Ewald Mataré-Sammlung und sein Förderverein, der Freundeskreis Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V., besitzen eine erlesene Sammlung vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Darin nehmen Madonnendarstellungen einen bedeutenden Platz ein, die dort aus mehreren Jahrhunderten zu finden sind (siehe ->hier). Darin sind nicht nur Madonnen des dem Museum den Namen gebenden Ewald Mataré sowie u.a. dessen Schüler Joseph Beuys zu finden, sondern auch spätgotische Skulpturen vom Niederrhein, unter denen Madonnen der Bildschnitzer Dries Holthuys, Henrik Douverman und Arnt van Tricht sicherlich als besonders wertvoll hervorzuheben sind. Diese Werke mit dem hier beschriebenen Madonnen-Diptychon von Karin Kneffel gemeinsam auszustellen, stellt einen ganz besonderen Reiz und Mehrwert für Besucherinnen und Besucher dar – nicht nur in kunsthistorischer, sondern auch in gesamtgesellschaftlicher Art.

In den Nuller und zehner Jahren des 21. Jahrhunderts ist die Wahrnehmung der Kunstwerke von Karin Kneffel stetig angestiegen. Ihre hyperrealistischen Werke erfreuen sich höchster Popularität. Sie weisen eine hohe Zugänglichkeit auf, die immer mit einer erzählerischen Tiefgründigkeit zu vereinen sind. Die Sammlung des Museum Kurhaus Kleve und seines Freundeskreises ist noch nicht vollständig digitalisiert, bietet jedoch 2025 online bereits rund 10.000 Objekte unter www.sammlung.mkk.art an. Der Prozentsatz weiblicher Positionen darin ist erschreckend, wenn nicht sogar beschämend gering. Nur eine kleine Anzahl von Einzelausstellungen und anschließenden Erwerbungen von Kunstwerken weiblicher Künstler durchbricht dieses fast komplett männlich ausgerichtete Programm. Daher müssen das Klever Museum und sein Förderverein zwingend einen verstärkten Fokus auf die Kunstwerke von Künstlerinnen legen, die jedoch nicht nur nach dem Geschlecht, sondern vor allem durch die sinnfällige Paarung hoher künstlerischer Qualität mit der Anknüpfung an die vorhandene, äußerst delikate Klever Sammlung erworben werden. 

Karin Kneffels hier vorgestelltes Madonnen-Diptychon erfüllt diese Voraussetzungen wie keine andere Arbeit. Es ist in sowohl kunsthistorischer als auch gesamtgesellschaftlicher Weise für ein breites Publikum zugänglich und eröffnet trotz des überbordenden Hyperrealismus einen Spielraum für multiple Denkansätze und Präsentations- wie Vermittlungsmöglichkeiten. Kneffels zeitgenössische Protagonist*innen von Mutter und Kind entspringen zwar dem Spätmittelalter, könnten aber auch mühelos mit z.B. Bruegels „Kinderspielen“ von 1560 (Kunsthistorisches Museum Wien) oder Henri Rousseaus Bildern dicker Kinder um 1900 kombiniert werden. Kneffels Gottesmutter ähnelt z.B. Franz Gertschs „Silvia II.“ in der Sammlung des Museum Kurhaus Kleve, deren verführerische Zeitlosigkeit sie ebenfalls besitzt. Sie könnte sowohl als ikonisches Einzelstück als auch in einer variablen Fülle themenspezifischer Gruppenausstellungen präsentiert werden.

Karin Kneffels Madonnen-Diptychon stellt somit eine großartige Bereicherung der Klever Sammlung dar.

[verfasst und online gestellt von Valentina Vlašić]

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Treffsichere Neuerwerbung des Freundeskreises: Frauen-Power vor 100 Jahren, gepaart mit regionaler Identität & genialer Ergänzung der Sammlung

Ein wunderbarer Coup gelang dem Freundeskreis der Klever Museen mit einer kleinen, aber extrem feinen Neuerwerbung für die photographische Sammlung des Museum Kurhaus Kleve: Er konnte ein Konvolut an 16 Schwarzweißphotographien mit exzellent erhaltenen Vintage Prints der nahezu vergessenen Hamburger Photographin Elsbeth Köster (1894–1974) erwerben. Die Aufnahmen sind nicht nur wegen der geradezu verschwingend geringen Anzahl weiblicher Künstler in der Sammlung des MKK von größter Bedeutung, sondern auch, weil sie einerseits ein Stück lokaler kultureller Identität behandeln und andererseits perfekt an die vorhandene Sammlung anknüpfen. Überhaupt treffen sie den aktuell herrschenden Zeitgeist trefflich: Das Thema des Konvoluts sind die selbstbestimmten Frauen Else C. Kraus (1899–1978) und Alice Schuster (1893–1982), die vor rund 100 Jahren die Villa „Haus Wylerberg“ in Beek zwischen Kleve/Kranenburg und Nijmegen bewohnten.

Elsbeth Köster teilt das Frauenschicksal vieler Künstlerinnen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die in den 1930er Jahren mit Ausstellungen und Publikationen geehrt wurden, heute jedoch weitgehend vergessen sind. Daher ist die Wiederentdeckung ihres Œuvres dringend geboten – vor allem in der Klever Museumssammlung, die trotz fokussierter Neuerwerbungen der letzten Jahre einen weiterhin beschämend geringen Prozentsatz weiblicher Künstler aufweist.

Der künstlerische Nachlass von Elsbeth Köster befindet sich im Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg, wo sich rund 360 Photographien erhalten haben, die Menschen, Tiere, Architektur und Landschaft zeigen. Köster – eine Generation mit beispielsweise Anni Albers – ließ sich zunächst als Handweberin ausbilden, wofür sie 1926 sogar ein Gewerbe anmeldete. Der Kunstgewerbeverein Hamburg veröffentlichte 1927 die Innovationen ihres Kunsthandwerks in der Publikation „Hamburgische Werkkunst der Gegenwart“. 1928 wurde sie als Weberin an der Landeskunstschule Hamburg aufgenommen, in einer Zeit, in der sie vermutlich schon eine erste photographische Ausbildung absolvierte. Von 1929 bis 1930 nahm sie am Vorkurs im Bauhaus Dessau teil und studierte von 1930 bis 1933 an der Landeskunstschule Hamburg in der Fachklasse für Photographie. Um 1960 beendete sie ihre photographische Laufbahn. 

Die Aufnahmen von Elsbeth Köster im MKK sind lebensecht, eigensinnig und feinfühlig, unsentimental und sachlich sowie technisch perfekt und plastisch. Sie knüpfen wunderbar an die vorhandene Sammlung an (siehe ->hier). Die dargestellten Motive geben Auskunft, in welchen illustren Kreisen sich die Photographin zu jener Zeit bewegte. 

In dem 16-teiligen Konvolut befinden sich 7 Porträts von Else C. Kraus (1899–1978). Kraus war eine deutsche Pianistin, die sich für zeitgenössische Klaviermusik einsetzte und dadurch Auftrittsverbot während der NS-Zeit erhielt. Sie war u.a. Dozentin an der Staatlichen Akademie für Kirchen- und Schulmusik in Berlin und setzte sich für die Musik von Arnold Schönberg ein, für den sie zwei Mal eine Gesamteinspielung aufnahm, die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs erschien.

Else C. Kraus war die Lebenspartnerin von Alice Schuster (1893–1982), von der sich 1 Porträt im vorliegenden Konvolut befindet. Schuster war Sängerin und die einzige Tochter von Marie Schuster-Hiby (1867–1949), einer vermögenden Industriellentochter und leidenschaftlichen Kunstsammlerin. Von 1921 bis 1924 ließ sich Marie Schuster-Hiby im niederrheinischen Beek, zwischen Kleve/Kranenburg und Nijmegen gelegen, durch den renommierten Berliner Architekten Otto Bartning (1883–1959) das eindrucksvolle „Haus Wylerberg“ errichten. Diese avantgardistische Villa wies einen 6-eckigen Grundriss – „wie ein Kristall“ – auf und ihr Zentrum bildete ein oktogonaler Konzertsaal, der die Akkustik trefflich spiegelte. Damit wollte Marie den Beruf ihrer Tochter Alice als Sängerin unterstützen.

Otto Bartning war zu jener Zeit DER unangefochtene Architekt der Moderne. Interessanter Weise schuf er nur ein Jahr nach dem Plan für Haus Wylerberg seinen wohl berühmtesten (aber nie realisierten) Entwurf – 1922 den für die expressionistische Sternkirche, mit der er den protestantischen Kirchenbau revolutionierte (weitere Infos ->hier). Auf dem Grundriss eines 7-zackigen Sterns standen Altar und Kanzel in der Mitte, die von allen Seiten zugänglich waren. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass ihm auch Haus Wylerberg als Inspiration dafür diente. 

Marie Schuster-Hiby, ihre Tochter Alice und deren Lebensgefährtin Else, die von allen nur „C-chen“ genannt wurde, führten in Wylerberg ein beeindruckendes Boheme-Leben. Nicht nur Elsbeth Köster besuchte sie dort (und photographierte dabei nicht nur die Bartning-Villa, sondern auch bspw. 1934 die Waalbrug bei Nijmegen), sondern auch Künstler und Musiker wie Christian Rohlfs, Arnold Schönberg, Ewald Mataré und Joseph Beuys. Ewalds Tochter Sonja Mataré (1926–2020) besuchte Haus Wylerberg mehrfach und verbrachte dort während des Zweiten Weltkrieges als Kind eine unbeschwerte Zeit (siehe ->hier). Es ist nicht auszuschließen, dass Ewald Mataré Else C. Kraus und Alice Schuster während eines Aufenthalts in List auf Sylt 1930 kennenlernte und die eigenwillige Pianistin dabei in Aquarell porträtierte (siehe ->hier). 

Das aus Kleve stammende und in Paris lebende Geschwisterpaar Helene (1903–1983) und Willy Maywald (1907–1985), das seinerseits ein breites Netzwerk aus Künstler*innen und Kreativen pflegte, besuchte Marie Schuster-Hiby mehrfach. Der Schöngeist Willy Maywald, der u.a. 1947 Diors „New Look“ in Paris photographierte und dadurch Weltruhm erlangte, schrieb in seiner Autobiographie „Splitter des Spiegels“ über „ihr herrliches Haus“, das „für mich immer eine Insel der Freiheit und Schönheit gewesen“ ist (S. 224f). Als Homosexueller hatte Maywald Deutschland früh verlassen und schrieb über Marie Schuster-Hiby, „die mir vor dem Krieg so viel geholfen hatte“ (S. 224). Bis zur Schließung der niederländischen Grenze 1938 versteckten die Schuster-Kraus-Frauen verbotene „entartete“ Kunst und unterstützten befreundete jüdische Künstler bei der Flucht nach Holland.

Auf 10 Photos aus dem Konvolut sind die beiden geliebten Dackel der zwei Frauen zu sehen, mit denen sie – nicht unähnlich wie etwa Peggy Guggenheim zu ihren Lhasa-Dogs – eine innige Beziehung führten, die auf den Photos von Elsbeth Köster trefflich zum Vorschein kommt. Männer spielten im Haushalt Schuster-Hiby-Kraus zwar eine völlig untergeordnete Rolle, doch trotzdem findet sich auch abschließend 1 Aufnahme zweier boxender, fleischlich kraftvoller Männer in Bademode in dem Konvolut.

Die Zusammenstellung und die Auswahl der Szenerien und Motive zeigt das völlig selbstbestimmte Leben dieser bemerkenswerten Frauen – sowohl der vor der Kamera, als auch dahinter. Eine somit mehr als treffliche Neuerwerbung für die photographische Sammlung des Museum Kurhaus Kleve, die den Zeitgeist trifft wie kaum eine andere. Chapeau und gut gemacht, lieber Freundeskreis-Vorstand! Die Erwerbung wurde übrigens möglich gemacht dank der behutsamen Vermittlung und Unterstützung von sowohl Annegret Stein als auch Guido de Werd. Auch ihnen sei hiermit sehr herzlich gedankt!

→ Alle Neuerwerbungen von Elsbeth Köster sind unten unter „Verknüpfte Objekte“ oder ->hier abrufbar. 

→ Alle Werke in der Sammlung des Museum Kurhaus Kleve, die mit der Villa „Haus Wylerberg“ und ihren Bewohnerinnen zu tun haben, sind ->hier abrufbar. 

→ Weitere Infos über das expressionistische Haus Wylerberg sind in folgender Publikation aus dem Jahr 1988 erhältllich, die über Ihren bevorzugten lokalen Buchhandel oder online ->hier bestellt werden kann.

[verfasst und online gestellt von Valentina Vlašić]

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Kleve leiht Kunstwerk für große Jeff Wall-Retrospektive im italienischen Bologna

Seit der Onlinestellung der Sammlung 2021 häufen sich die internationalen Anfragen, die Interesse an der Klever Sammlung bekunden (zuletzt: Louvre in Paris, Koninklijk Paleis in Amsterdam …). Jetzt wurde das kapitale Werk „River Road“ aus der Sammlung des Freundeskreises der Klever Museen für eine große Retrospektive über den kanadischen Photo-Künstler Jeff Wall (*1946) in der Fondazione MAST in Bologna angefragt. 

Jeff Wall ist ein herausragender Künstler sowohl unserer visuellen Gegenwart als auch Geschichte. In seiner Jugend unterstützte er maßgeblich die triumphale Rückkehr des klassischen Tafelbildes in die zeitgenössische Kunst und prägte zugleich um 1980 die Rückkehr der zeitgenössischen Kunst in das Museum. In Anlehnung an sogenannte Billboards, die das Straßenbild der 1970er und 80er Jahre beeinflussten, hat Jeff Wall mit seinen Leuchtkästen-Arbeiten Ausstellungen seit den 1980er Jahren wesentlich geprägt. Großild und Inszenierung bilden dabei die zentralen Markenzeichen von Jeff Wall, die sich sowohl auf Kunst- und Kulturgeschichte im allgemeinen als auch auf die Gegenwart und den Alltag der Menschen beziehen. 

In einer großen Retrospektive über den Künstler, die vom 12. November 2025 bis ca. Mitte März 2026 in der Fondazione MAST im italienischen Bologna zu sehen sein wird, werden bevorzugt Arbeiten des kanadischen Künstlers zu sehen sein, die mit Arbeit, Beschäftigung und den unterschiedlichsten werktätigen Handlungsabläufen zu tun haben. Die Ausstellung thematisiert die unterschiedlichsten Aspekte des menschlichen Tuns, Handelns, Agierens, des Kreierens und Ausführens – wofür die Klever Arbeit „River Road“ geradezu ideal ist, da sie einen in einer abgewrackt erscheinenden, aber in der klassischen Formenlehre des goldenen Schnitts proportionierten Szenerie gerade abfahrenden Truck zeigt.

Der Kurator der Schau ist der bekannte Ausstellungsmacher Urs Stahel (* 1953), der derzeit Art director im MAST ist und bis 2013 Direktor des Photomuseums Winterthur war, das er mit gegründet hat. Er realisiert die Ausstellung in enger Zusammenarbeit mit dem Künstler. Weitere Informationen über Urs Stahel sind ->hier abrufbar. 

Die Fondazione MAST ist eine noch vergleichsweise junge, vorwiegend auf Photographie und Video konzentrierte Institution, die erst 2013 in Bologna gegründet wurde. „MAST“ bedeutet „MANIFATTURA di ARTI, SPERIMENTAZIONE e TECNOLOGIA“, also in etwa Manufaktur von Kunst, Experiment und Technologie. Sie ist eine international ausgerichtete philanthropische Kulturinstitution, deren Schwerpunkt auf Kunst, Technologie und Innovation liegt.

Weitere Infos über die Fondazione MAST sind ->hier abrufbar. 

[verfasst von Valentina Vlašić]

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Restaurierung von 33 Gipsentwürfen von Ewald Mataré (1887–1965)

Von 2023 bis 2025 fand ein groß angelegtes Restaurierprojekt von 33 Gipsentwürfen von Ewald Mataré (1887–1965) statt, das zu hundert Prozent durch die Kulturstiftung der Länder finanziert und somit möglich gemacht wurde. Das im Museum Kurhaus Kleve – Ewald Mataré-Sammlung durch Valentina Vlašić initiierte und organisierte Projekt wurde von Restauratorin Miriam Hennessy Romen-Naegel aus Emmerich am Rhein fachkundig und fristgerecht realisiert und umgesetzt. 

Hintergrundinformationen zum Restaurierungsprojekt

Alle zu restaurierenden Objekte stammen aus dem Atelierhaus des Künstlers Ewald Mataré (1887–1965) an der Dückersstraße 10 in Meerbusch-Büderich, wo sie zeitlebens von Sonja Mataré, der Tochter des Künstlers, verwahrt wurden. Als diese am 7. Oktober 2020 im Alter von 93 Jahren verstarb, machte sie ihren langjährigen Weggefährten – den Gründungsdirektor des Museum Kurhaus Kleve, Guido de Werd, der den ersten Teil der „Ewald Mataré-Sammlung“ bereits 1988 nach Kleve holte – zu ihrem Alleinerben. Dieser machte der Stadt Kleve 2021/2022 eine fulminante Schenkung, indem er dieser nicht nur ca. 900 Werke von Ewald Mataré übergab, sondern u.a. auch Archivalia und Originalutensilien des Ateliers (siehe dazu auch ->hier). Darunter befanden sich auch ca. 150 Gipsobjekte von Ewald Mataré, von denen 33 stark restaurierungsbedürftig waren.

Sonja Mataré gewährte zeitlebens keinen Zugang zu diesem Konvolut. Die Lagerung im Atelierhaus fand unter konservatorisch nicht empfehlenswerten Bedingungen statt. Eine gründliche Aufarbeitung des Bestands und Restaurierung der beschädigten Objekte war somit erst nach ihrem Tod 2020 möglich. Die Finanzierung erfolgte durch die Kulturstiftung der Länder, die die wichtige Maßnahme durch ihre maßgebliche Unterstützung überhaupt möglich machte.

Zum Künstler und seinem Materialgedanken

Ewald Mataré gehört zu den bedeutendsten Künstler*innen der Klassischen Moderne in Deutschland, dessen Werk in einem Atemzug mit dem von u.a. Kollwitz, Barlach, Freundlich, Belling, Marcks, Sintenis genannt wird.

In seiner Kunst spielte Materialität eine wichtige Rolle. Er hat Skulpturen vor allem in Holz, Bronze, Stein und Gips gemacht. Jeder Werkstoff verfügte bei Mataré über einen eigenen Charakter und eignete sich für bestimmte Skulpturen. Das Material verhilft zum vollständigen „Be-greifen“ einer Skulptur, so Matarés Ansicht. Der Sehsinn allein war nicht ausreichend, die Skulptur sollte auch ertastet werden, erfahrbar sein.

Jede künstlerische Idee realisierte Ewald Mataré zuerst in Holz, und bei diesem präferierte er kostbare Materialien, z.B. Tropenhölzer. Durch den Guss mehrerer Stückzahlen in Bronze und den Verkauf bestritt er seinen Lebensunterhalt und den seiner Familie.

Um vom Holz zur Bronze zu gelangen, fertigte er Entwürfe in Gips und Ton sowie Gussmodelle. Da Holz und Gips seinem Verständnis nach oft unerwünschte Bearbeitungsspuren aufwiesen (fragile Teile wie Hörner und Beine brachen ihm oft ab, die er wieder leimen musste), besaßen die Werke in diesen Materialien für ihn einen minderen Stellenwert. Sein bevorzugtes Material war Bronze.

Aus heutiger Sicht stellen die Werke in Holz und Gips die größeren Kostbarkeiten dar, die für unsere Sichtweise auf die Werke Ewald Matarés neue Erkenntnisse liefern. Bronzeoberflächen verändern im Vergleich zu Hölzern und Gipsen die Wahrnehmung, sie gaukeln Perfektion vor, wo diese ursprünglich nicht vorhanden war. Da von mehreren Bronzen Matarés heute keine Holzunikate mehr existieren, stellen Gipsentwürfe die ursprünglichste Intention des Künstlers dar. Die Gipsoberflächen geben das für Mataré derart wichtige Wechselspiel von Farbe, Form, Plastizität und Oberfläche völlig anders wider als dies bei vermeintlich „perfekten“ Bronzen der Fall ist. Zudem wirken Skulpturen in Gips – im Gegenteil zu denen in Bronze – fragil und vergänglich.

Materialbesonderheit

Gips (CaS04.2H2O) ist ein schnell abbindendes Material, das chemisch als Calciumsulfat-Dihydrat bezeichnet wird. Beim Erhitzen verliert es Wasser und bildet Kalziumsulfat-Halbhydrat, das der Hauptbestandteil von Gips ist.

Gips ist ein sehr poröses Material und kann daher sehr viel Feuchtigkeit aufnehmen. Da die meisten dieser Gipskonstruktionen eine Eisenarmatur als Unterkonstruktion haben, hat sich an einigen von ihnen aufgrund von Klimaschwankungen bereits Rost gebildet, der sich ausdehnen und den darüber liegenden Gips zerstören kann.

Aus diesem Grund ist es üblich, den Gips mit einer Firnisschicht (Schellack) zu beschichten, um den Gips zu versiegeln und zu schützen.

Schadensbild

Die Problemstellungen an den 33 Gipsfiguren von Ewald Mataré waren wie folgt:

  • Die Objekte befanden sich in einem schlechten Zustand.
  • Sie waren mit Schmutz und Staub bedeckt.
  • Sie wiesen Risse bis zu vollständigen Abbrüchen auf.
  • Einzelne Objekte wiesen Metallkonstruktionen im Inneren auf, die verrostet waren und schwere Brüche verursacht haben, die dazu führten, dass sie in einigen Fällen in mehrere Stücke zerbrochen sind.
  • Die Oberflächen einiger Objekte wiesen Kratzer und kleine Abplatzungen auf, die als weiße Flecken den Gesamteindruck stören.
  • Bei einigen Objekten war der Silikon/Kautschuk noch in den Bruchstellen vorhanden. Diese Bruchstellen waren auf den Herstellungsprozess der Gussform zurückzuführen. Das bei der Herstellung der Formen verwendete Silikon/Kautschuk hat seine Elastizität verloren und zerfiel. Bei manchen Objekten begannen am Silikon/Kautschuk Weichmacher auszutreten.
  • Vor jedem Eingriff wurde eine gründliche Untersuchung des Kulturguts durchgeführt und entsprechende Aufzeichnungen erstellt. Dazu gehörte eine Beschreibung der Struktur, der Materialien, des Zustands und ggf. der relevanten Geschichte.
  • Die 33 Objekte wurden umfassend dokumentiert, ein Behandlungsplan wurde entwickelt, der Behandlungsplan wurde im Hinblick auf die ethische Konservierungspraxis durchgeführt und schließlich wird die korrekte Lagerung festgelegt.
  • Die Behandlung jedes Objekts erfolgte individuell, z.B. auf das Alter des Materials und jeweiligen Schäden bezogen. Einige Objekte wiesen Rost auf, Schimmelbildung, Rissbildung. Jedes Objekt wurde studiert und dokumentiert sowie einer Stichprobe von Tests unterzogen.
  • Es wurden Trockenreinigungsverfahren zur Behandlung der Oberflächen vorgenommen sowie organische als auch chemische Restaurierungspläne und die entsprechenden Materialien und Pflege erstellt.

Plan

Die 33 Objekte waren in einem z.T. stark beschädigten und nicht ausstellbaren Zustand. Sie wurden im Vorfeld vom Schadensgrad in 3 Kategorien eingeteilt:

  • Oberflächenreinigung und Befestigung loser Teile.
  • Oberflächenreinigung und Rekonstruktion, Behandlung kleinerer Schäden.
  • Oberflächenreinigung und Rekonstruktion sowie umfassende Restaurierung größerer Schäden.

Maßnahmen

Bei Kategorie 1:

  • eingehende Prüfung der Objekte zur Beurteilung der genauen Behandlung.
  • trockene Oberflächenreinigung mit Hepafilter-Staubsauger und Pinsel.
  • Entfernung der Fremdpartikel in den Unterschnitten und Vertiefungen.
  • Niederlegung kleiner Ausbruchstellen mit Evacon-R.
  • Retusche der Fehlstellen mit Gouachefarben.
  • leichtes Polieren der Oberfläche.
  • photographische und schriftliche Dokumentation.

Bei Kategorie 2:

  • eingehende Prüfung der Objekte zur Beurteilung der genauen Behandlung.
  • trockene Oberflächenreinigung mit Hepafilter-Staubsauger und Pinsel.
  • Entfernung der Fremdpartikel in den Unterschnitten und Vertiefungen.
  • Niederlegung kleiner Ausbruchstellen mit Evacon-R.
  • Rost: Behandlung mit EDTA-Lösung 3% bei anschließender Nachreinigung mit H2O; Konsolidierung mit Paraloid-B 72%.
  • Festigung der Fehlstellen und lockeren Teile.
  • Retusche der Fehlstellen mit Gouachefarben.
  • leichtes Polieren der Oberfläche.
  • photographische und schriftliche Dokumentation.

Bei Kategorie 3:

  • eingehende Prüfung der Objekte zur Beurteilung der genauen Behandlung.
  • trockene Oberflächenreinigung mit Hepafilter-Staubsauger und Pinsel.
  • Entfernung der Fremdpartikel in den Unterschnitten und Vertiefungen.
  • Oberflächenreinigung mit einer Natrium-Citrat-Lösung 3%.
  • Niederlegung kleiner Ausbruchstellen mit Evacon-R.
  • Rost: Behandlung mit EDTA-Lösung 3% mit anschließender Nachreinigung mit H2O, Konsolidierung mit Paraloid-B 72%.
  • Festigung der Fehlstellen und lockeren Teile.
  • mit Dübeln und Kalkputzkitt gebrochene Teile wieder verbinden.
  • Neu-Kittung und Strukturierung der Fehlstellen mit Kreide-Kitt.
  • Retusche der Fehlstellen mit Gouachefarben.
  • leichtes Polieren der Oberfläche.
  • photographische und schriftliche Dokumentation.

Die Eingriffe wurden nach den heutigen Grundsätzen der Konservierung vorgenommen und zielten darauf ab, alle Objekte sowohl zu erhalten als auch sie der visuellen Intention aus der Sicht des Künstlers anzunähern. Die Konservierung war erforderlich, um die jeweiligen Strukturen wiederherzustellen und die Oberflächen vor weiteren Schäden zu schützen.

Ergebnis

Die Einheit der Skulpturen wurde wiederhergestellt, so dass diese künftig wieder ausstellungsfähig sind. Ein Großteil der Arbeiten wurde bereits in der Retrospektive „Ewald Mataré: KOSMOS“ (27.10.2024 – 09.03.2025) im Museum Kurhaus Kleve aufgenommen und somit erstmals überhaupt der Öffentlichkeit präsentiert.

Eine leichte Wachsschicht wurde jeweils angebracht, die die Oberflächen vor weiteren Schäden schützt. Für jedes Objekt wurde ein Restaurierungsbericht erstellt, der nicht nur die vorgenommene Maßnahme dokumentiert, sondern auch als Anhaltspunkt für weitere Nachforschungen dienen kann.

[verfasst von Miriam Hennessy und Valentina Vlašić; online gestellt von Valentina Vlašić]

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Cloots und Beuys aus Kleve gehen zu Abramović nach Moyland

Das Museum Kurhaus Kleve und sein Freundeskreis nehmen Teil an der großen Sonderausstellung „Marina Abramović und MAI im Dialog mit Joseph Beuys“ (13.07.–26.10.2025) im Museum Schloss Moyland in Bedburg-Hau, indem sie einen Kupferstich mit dem Porträt von Jean-Baptiste „Anacharsis“ Cloots und eine Photographie von Gerd Ludwig leihen, die Joseph Beuys zeigt, der auf dem Rücksitz seines Bentleys sitzt und just vom Wohnort des „Anacharsis“ Cloots – dem Schloss Gnadenthal in Kleve – wegfährt und dabei dem Photographen die Biographie von Cloots zeigt, auf deren Titelseite er „Josephanacharsisclootsbeuys“ vermerkt hat. 

Im Jahr 2005 präsentierte Marina Abramović 7 Easy Pieces im New Yorker Guggenheim Museum. Für ihre sieben je 7-stündigen Reinszenierungen der Performances verschiedener Künstler*innen holte sie jeweils die Genehmigung des/der Künstler*in oder des Nachlasses ein und bezahlte für die Nutzung der Idee im Rahmen ihrer Re-Performance.

Eine der ikonischen Aktionen, die sie erneut aufführte, war „Wie man dem toten Hasen die Bilder erklärt“ von Joseph Beuys. Beuys hatte die Aktion 1965 konzipiert und in der Düsseldorfer Galerie Schmela ausgeführt. Die Dokumentation von Abramović’s Re-Performance sowie Beuys‘ ursprünglicher Inszenierung bilden den Ausgangspunkt für weitere künstlerische Forschung im Joseph Beuys Archiv und im Sammlungsbestand des Museums Schloss Moyland mit dem Marina Abramović Institute (MAI).

Weitere Informationen über die Ausstellung sind ->hier abrufbar. 

[online gestellt von Valentina Vlašić]

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Kleves Andy Warhol im österreichischen Lienz zu sehen

Die 2-teilige Arbeit „Details of Renaissance Paintings (Leonardo da Vinci, The Annunciation, 1472)“ von Andy Warhol, die sich seit 2020 als Dauerleihgabe der NRW.BANK. im Museum Kurhaus Kleve befindet, ist von 28. Mai bis Mitte Oktober 2025 in der Ausstellung „blicke nach innen. Nicäa“ auf Schloss Bruck im österreichischen Lienz zu sehen. 

Schloss Bruck ist die ehemalige Residenz der Grafen von Görtz. Das Konzil von Nicäa, das Kaiser Konstantin für das Jahr 325 einberufen hat, fasste im Credo die christlichen Grundaussagen zusammen. Ein späteres Konzil von Nicäa kennzeichnete die Rolle des sakralen Bildes und seine Bildfreundlichkeit. Kunst und Religion lassen das Potenzial erkennen, das Zugleich von Zeitlichem und Ewigem sich abzeichnen zu lassen. Die Kunstwerke in der Ausstellung verweisen auf das erste Ökumenische Konzil von Nicäa, dessen 1700 Jahre-Jubiläum im Jahre 2025 begangen wird. Im selben Jahr jährt sich zu 60. Mal das Ende des II. Vatikanischen Konzils.

Die Ausstellung entfaltet die Wechselgesänge zwischen dem Körperlichen und Geistigen, jene Wendungen der „Innenwelt der Außenwelt der Innenwelt“, wie Peter Handke eines seiner Gedichte überschreibt. Die Auswahl der Werke in den zwölf Etappen der Ausstellung findet ein Echo in der Aussage der Künstlerin Vija Celmis, die einmal zur Arbeit mit dem Bild gesagt hat: „Es ist etwas Tiefes, mit einem Material zu arbeiten, das fester ist als Worte, und es geht dabei um einen anderen, rätselhafteren Ort.“

Neben dem Klever Andy Warhol sind auch Kunstwerke weiterer Künstlerinnen und Künstler zu sehen:

  • Francesco Clemente
  • Gerald Domenig
  • Marlene Dumas
  • Nan Goldin
  • Goudji
  • Volker Hildebrandt
  • Rebecca Horn
  • Alexej von Jawlensky
  • Raimer Jochims
  • Axel Kasseböhmer
  • Thomas Locher
  • Christiane Löhr
  • Duane Michals
  • Rune Mields
  • Omar Mismar
  • Santu Mofokeng
  • Hermann Nitsch
  • Yszid Oulab
  • Nicole van den Plas
  • Susi Pop
  • Gustav Seitz
  • Kiki Smith
  • Manfred Stumpf

[verfasst von Hubert Salden, Kurator der Ausstellung; online gestellt von Valentina Vlašić]

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Hauptleihgeber für die erste große Achilles Moortgat-Retrospektive seit über 40 Jahren

Das Museum Kurhaus Kleve und sein Förderverein, der Freundeskreis Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V., sind die Hauptleihgeber für die erste große Retrospektive seit über 40 Jahren über das Leben und Werk von Achilles Moortgat (1881–1957), die vom 11. Mai bis 6. Juli 2025 im Städtischen Museum in Kalkar zu sehen ist. 

Der aus Belgien stammende Künstler lebte und arbeitete über drei Jahrzehnte lang am Niederrhein, wo er nicht nur durch Kunstwerke im öffentlichen Raum zahlreiche Spuren hinterlassen hat. Der junge Joseph Beuys (1921–1986) war von ihm und seinem Atelier höchst angetan, den er für seinen Lebensweg nachhaltig beeinflusste.

Achilles Moortgat ist ein Hauptvertreter historistischer Malerei und Bildhauerei am Niederrhein, die mehrere Jahrzehnte lang unmodern war, sich jüngst aber wieder einer zunehmenden Popularität erfreut. Moortgats Werke – Skulpturen und Gemälde – fanden daher damals wie heute einen großen Anklang in der Bevölkerung. 

Das Museum Kurhaus Kleve als städtisches Museum und sein Freundeskreis besitzen den größten Bestand an Skulpturen, Gemälden und Archivalien über den Künstler, der erst unlängst erweitert werden konnte (siehe ein Vermächtnis ->hier).

Eine ausführliche Biographie über den Künstler sowie seine Werke (von denen noch nicht alle online abrufbar sind) sind auf der Sammlungswebsite des Museum Kurhaus Kleve ->hier abrufbar.

Weitere Informationen über die Ausstellung in Kalkar sind ->hier verfügbar. 

[verfasst von Valentina Vlašić]

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Sensationsausleihe aus Kleve: Quellinus’ „Pallas Athene“ geht für die 750-Jahr-Feier von Amsterdam 2025 in den Königlichen Palast

Nach der Ausleihe des „Handtuchhalters mit Liebespaar“ 2024/2025 an den Louvre in Paris (weitere Infos ->hier) handelt es sich hierbei um die zweite Sensationsausleihe aus Klever Museumseigentum innerhalb kurzer Zeit: Anlässlich der 750-Jahr-Feier der Stadt Amsterdam im Jahr 2025 kooperieren der Koninklijk Paleis und das Rijksmuseum Amsterdam für die große Retrospektive „Artus Quellinus. Meister des lebendigen Marmors“ (Arbeitstitel), die im Königlichen Palast zu sehen sein soll. Eröffnet wird die Ausstellung am 17. Juni 2025 von Seiner Majestät König Willem-Alexander, die bis zum 27. Oktober 2025 zu sehen sein wird. Erwartet werden 200.000 Besucherinnen und Besucher. Dafür leihen die beiden Institutionen das Hauptwerk des Bildhauers aus Klever Museumseigentum: die monumentale „Pallas Athene“, das größte und teuerste Kunstwerk der Sammlung.

Zum ersten Mal kann ein breites und internationales Publikum den berühmten Antwerpener Bildhauer Artus Quellinus d.Ä. (1609–1668) in einer umfassenden Ausstellung sehen, die sämtliche Aspekte seines Werks beleuchten wird. Die aktuellsten kunsthistorischen Forschungen treffen hier auf die greifbare Präsenz seiner überwältigenden Skulpturen. Die Skulptur des 17. Jahrhunderts, die selten Gegenstand von Ausstellungen ist, erhält hier im wörtlichen und übertragenen Sinne das Fundament, das sie verdient. Damit dieses ambitionierte Projekt ein Erfolg wird, darf die monumentale Skulptur der „Pallas Athene“ aus der Sammlung des Museum Kurhaus Kleve nicht fehlen, die einen der absoluten Höhepunkte in seinem Schaffen darstellt.

Artus Quellinus d.Ä. ist einer breiten Öffentlichkeit kaum bekannt. Dabei gehört er zu den größten Bildhauern seiner Zeit. Er begann seine Karriere in seiner Heimatstadt Antwerpen und arbeitete eine Zeit lang in Rom, bis er vor allem als Bildhauer des neuen Rathauses in Amsterdam, des heutigen Königlichen Palastes, Furore machte. Zwischen 1650 und 1665 versah er die Fassaden und den gesamten Innenraum mit Skulpturen aus Marmor und Bronze. Wer den Königlichen Palast besucht, betritt Quellinus’ absolutes Meisterwerk: eine reiche Sammlung von Skulpturen voller Geschichten und überraschender Details, die auch nach mehr als 350 Jahren nichts von ihrer Überzeugungskraft verloren haben.

Im festlichen Jubiläumsjahr Amsterdams ist die Ausstellung hier, im Herzen der Stadt und buchstäblich mitten in Quellinus Meisterwerk, genau am richtigen Platz. Im Königlichen Palast wird die „Pallas Athene“ mit einer Vielzahl spektakulärer Leihgaben interagieren: Werke von imposanter Größe werden neben kleinen, intimen Skulpturen aus verschiedenen Materialien zu sehen sein, ergänzt durch Gemälde, Zeichnungen und Drucke. Mit Meisterwerken aus bedeutenden internationalen Museums-, Kirchen- und Privatsammlungen wird das Œuvre von Quellinus in seiner ganzen Vielseitigkeit beleuchtet sein. Von frühen figürlichen Arbeiten im dynamischen Stil des Stadtgenossen Rubens bis hin zu monumentalen Projekten für Kirchen und Monarchen. Und von unvergleichlichen Porträtbüsten mächtiger Regenten bis zu liebenswerten Putten- und Tierstatuen.

Besonders hervorzuheben sind die zahlreichen Skizzen und Modelle in Terrakotta für die Skulpturen des Rathauses. Es sind gerade diese Vorstudien, die den Künstler so nahe bringen, als würde man ihm über die Schulter schauen. Die Ausstellung schließt mit erfolgreichen ehemaligen Kollegen und Schülern wie Rombout Verhulst, Bartholomäus Eggers und Giusto le Court. Ihre Werke zeigen, wie Quellinus’ Einfluss auf die Bildhauerei in den Niederlanden und weit darüber hinaus weiterwirkte. 

Es ist nicht das erste Mal, dass die Klever Skulptur der „Pallas Athene“ auf Reisen geht. Sie wurde bereits 1994 an den Königlichen Palast ausgeliehen, zur damaligen, weitaus kleiner konzipierten Ausstellung über den Künstler. Damals wurde sie im Innenhof des ehemaligen Rathauses gezeigt. Bei der Ausstellung 2025 soll sie einen absoluten Ehrenplatz innerhalb des Gebäudes erhalten, umgeben von der imposanten und einzigartigen Wanddekoration des Künstlers. Die 1994 von Museumsphotographin Annegret Gossens erstellte Photo-Serie dokumentiert den damals spektakulären Monumentaltransport, der sich 2025 vielleicht ähnlich geartet wiederholen wird.

[verfasst von Valentina Vlašić]

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Campendonk & Klee aus Kleve im Gustav-Lübcke-Museum in Hamm zu sehen

Von 24. Mai bis 28. September 2025 stellt das Gustav-Lübcke-Museum Hamm mit der Ausstellung „In aller Freundschaft! Heinrich Campendonk: Ein Blauer Reiter im Deutschen Werkbund“ eine bisher wenig beachtete Moderne um Campendonk in den 1920er Jahren in den Mittelpunkt. Im Fokus steht Campendonk mit seinen vielfältigen Kontakten. Mit wem hat er sich ausgetauscht? Welche Künstler*innen haben ihm beeinflusst? Welche Spuren hat sein soziales Netzwerk in seinem künstlerischen Werk hinter­lassen? Die Ausstellung geht Verflechtungen, Inspirationen und Diskursen nach und zeigt, wie sich Campendonks Werk im Spannungsfeld der modernen Kunstströmungen des frühen 20. Jahrhunderts verorten lässt. Das Museum Kurhaus Kleve freut sich, dafür zwei Arbeiten aus seiner Sammlung und der Sammlung des Freundeskreises beitragen zu dürfen. 

Der Schwerpunkt der Ausstellung liegt auf der Weimarer Republik, einer Zeit, in der Campendonk als gereifte Künstlerpersönlichkeit besonders vielfältig tätig war. Ohne das Staffeleibild je ganz zu verwerfen, prägt eine Gattungsvielfalt sein Schaffen, das von einer modernen Kunstauffassung zeugt.

Die Ausstellung möchte durch die Werkauswahl darlegen, dass diese Vielfalt an Techniken und Materialien durch persönliche und künstlerische Kontakte angeregt wurde. Darum werden Campendonks Werke mit denjenigen seiner Künstlerfreunde in Zwiesprache gezeigt. Zentrale Bedeutung haben dabei vor allem Johan Thorn Prikker, August und Helmuth Macke, Heinrich Nauen und Paul Klee. Basierend auf der aktuellen Forschung visualisiert die Ausstellung die fruchtbaren Ergebnisse des intermedialen Arbeitens dieser Zeit und nimmt so eine Moderne in den Blick, die sich abseits des Bauhauses ebenfalls mit den Ideen der Gestaltung aller Lebens­bereiche beschäftigte. 

Neben dem Schwerpunkt auf den 1920er Jahren kontextualisieren weitere Kapitel in der Aus­stellung diese Schaffensphase in das Gesamtwerk Campendonks. So wird ebenfalls ein Ein­blick in seine frühe Zeit in Krefeld, die Zeit im Kreis der „Blauen Reiter“ sowie in sein Schaffen nach seiner Emigration 1933 gegeben.

->Die Ausstellung wird kuratiert von der freien Kunsthistorikerin und Thorn-Prikker-Expertin Dr. Christiane Heiser (die auch jüngst Co-Kuratorin der großen Retrospektive „Ewald Mataré: KOSMOS“ im Museum Kurhaus Kleve war) und Ronja Friedrichs, stellv. Direktorin und Leiterin der Sammlung Bildende und Angewandte Kunst am Gustav-Lübcke-Museum. Zur Ausstellung erscheint ein Katalog, der mit Aufsätzen u.a. von Gisela Geiger (ehemalige Direktorin des Museum Penzberg) und Diana Oesterle (LMU München) aktuelle Forschungsergebnisse veröffentlicht. 

[verfasst von Dr. Christiane Heiser und Valentina Vlašić]

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Nach „KOSMOS“ geht Ewald Mataré von 2025 bis 2027 auf groß angelegte Deutschlandreise

Die weithin beachtete Gesamtretrospektive „Ewald Mataré: KOSMOS“ ging am 9. März 2025 zu Ende. Doch danach verschwinden die kostbaren Kunstwerke des Namensgebers des Museum Kurhaus Kleve – Ewald Mataré-Sammlung jedoch nicht etwa wieder im Depot, sondern gehen auf groß angelegte Deutschlandreise. Drei angesehene Museen mit einem Fokus auf der Kunst des 20. Jahrhunderts zeigen in der Ausstellung „Nichts ohne Natur. Tierplastiken von Ewald Mataré“ das Beste vom Besten aus der Ewald Mataré–Sammlung in Kleve.

Ausgeliehen werden nur die Höhepunkte aus der Ewald Mataré–Sammlung im Museum Kurhaus Kleve. Sämtliche Topstücke aus dem Eigentum des Klever Museums und seines Freundeskreises gehen auf Tournee, insgesamt sage und schreibe 80 Skulpturen, Aquarelle, Holzschnitte und Zeichnungen – die sogar ergänzt werden durch die für „Ewald Mataré: KOSMOS“ produzierte Spezialanfertigung der „Großen liegenden Kuh“. Dabei handelt es sich (ganz nebenbei) übrigens auch um die größte Ausleihe von Kunstwerken aus der Sammlung seit dem Bestehen des Museums. 

Der Fokus der Ausstellung „Nichts ohne Natur“ liegt auf dem Tier und – wie bei Mataré nicht anders zu erwarten – vor allem auf der Kuh, doch auch skulpturale Ikonen von Kopf und Körper wie bspw. „Weiblicher Kopf (Hanna H.)“ oder „Schreitende / Torso“ ergänzen die delikate Auswahl. 

Bereits am 27. März 2025 eröffnet das Kunsthaus Dahlem in Berlin die Schau, die 2026 im Ernst Barlach Haus in Hamburg und zuletzt schließlich im Museum Lothar Fischer in Neumarkt in der Oberpfalz zu sehen sein wird. Die genauen Ausstellungsdaten und Links der Museen sind wie folgt: 

Die Vermittlung kam über die Arbeitsgemeinschaft Bildhauermuseen und Skulpturensammlungen e.V. zustande. Die Verknüpfungen zwischen diesen Museen und Kleve sind vielfältig und augenscheinlich. Alle drei Häuser sind spezialisiert auf der Kunst und vor allem der Bildhauerei des 20. Jahrhunderts. Ernst Barlach (1870–1938) ist eine Generation wie Ewald Mataré und teilte u.a. ein ähnliches Schicksal wie er (beispielsweise durch die Verfemung als „entarteter“ Künstler). Er ist u.a. mit einer Keramikskulptur in der Klever Sammlung vertreten (siehe ->hier). Der zwei Generationen später geborene Lothar Fischer (1933–2004) war wie Mataré Bildhauer, dessen viel beachtete Werke sich auch in der Sammlung des Museum Kurhaus Kleve befinden (siehe ->hier). 

Das Kunsthaus Dahlem widmet sich der Kunst der deutschen Nachkriegsmoderne mit einem Schwerpunkt auf Skulpturen zwischen 1945 und 1961. Es wurde im Sommer 2015 eröffnet und hat seinen Sitz im für Arno Breker gedachten, von ihm aber kaum benutzten Atelier im Berliner Ortsteil Dahlem. Das Ernst Barlach Haus – Stiftung Hermann F. Reemtsma ist ein im Hamburger Jenischpark gelegenes Kunstmuseum, das dem expressionistischen Künstler Ernst Barlach und seinen Werken gewidmet ist und daneben auch wechselnde Ausstellungen präsentiert. Stifter des Hauses ist der Industrielle Hermann F. Reemtsma. Das Museum Lothar Fischer ist ein Museum in Neumarkt in der Oberpfalz, das sich vor allem mit dem Werk des Künstlers Lothar Fischer befasst.

Dass die Werke von Ewald Mataré in anderen Museen in Deutschland auf ein derartiges Interesse stoßen, ist ein großes Geschenk für Kleve und trägt maßgeblich zur Verbreitung des Ansehens des Künstlers und der Ewald Mataré–Sammlung in Kleve bei. Es erscheint ein Katalog zur Ausstellung „Nichts ohne Natur. Tierplastiken von Ewald Mataré“ (Deutsch/Englisch), der in den ausstellenden Museen käuflich zu erwerben sein wird. 

[verfasst von Valentina Vlašić]

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Die große Retrospektive aus der Sammlung, „Ewald Mataré: KOSMOS“, endete mit Besucherrekord

Noch nie zuvor war mehr „Mataré“ zu sehen als bei der großen Retrospektive „Ewald Mataré: KOSMOS“, die vom 27. Oktober 2024 bis 9. März 2025 im Museum Kurhaus Kleve – Ewald Mataré-Sammlung präsentiert wurde. Weit über 600 Kunstwerke und Archivalien aus der gesamten Lebenszeit des Künstlers (1887–1965) sowie alle Gattungen waren ausgestellt – auf allen Etagen und in sämtlichen Wechselausstellungsälen. Die Schau endete nun mit einem Besucherrekord: Fast 10.200 Gäste kamen in das Klever Museum, um die Werke seines Namensgebers zu sehen. Das hatten zuvor zwar schon wenige andere Ausstellungen in diesem Zeitraum erreicht (u.a. Alberto Giacometti, Mark Tansey, Govert Flinck). Mit ausschließlich Sammlung war das jedoch bislang noch nie der Fall, wodurch diese Besucherzahlen als Premiere und als ganz besonderer Glücksfall angesehen werden dürfen. 

Was waren die Faktoren für diesen Erfolg? Neben der geradezu idealen Ausgangslage mit Vermächtnis und Schenkung (weitere Infos siehe ->hier) haben folgende Punkte in der Ausstellungskonzeption sicherlich dazu beigetragen: 

  • Die Fokussierung auf die absoluten Kernkompetenzen des Museums, nämlich auf das Leben und Werk des Namensgebers Ewald Mataré, dessen künstlerischer Nachlass 1988 von seiner Tochter Sonja Mataré (1926–2020) der Stadt Kleve übergeben worden war und u.a. zur Gründung des Städtischen Museums im ehemaligen Kurhaus beitrug. Ebenfalls von Bedeutung waren die identitätsstiftenden Elemente aus der Geschichte der Stadt Kleve, die u.a. 1938 Matarés „Toten Krieger“ zerstörte und verscharrte. Hier konnte das Museum aus dem Vollen schöpfen und bislang wenig oder sogar völlig unbekannte Werke und Verknüpfungen aufzeigen. 
  • Das schöne Mittel aus sowohl ansprechender als auch anspruchsvoller Kunst der Klassischen Moderne, die nicht nur ein elitäres Publikum, sondern die Breite der Gesellschaft zu einem Museumsbesuch animierte. Für heutige Generationen geradezu brandaktuell scheint Mataré durch seine Liebe und Hingabe zu Tieren und vor allem Kühen und durch seine Verbindung zur Natur zu sein.
  • Die maßgeblichen Förderungen durch Landes- und Bundesmittel, durch die nicht nur die Ausstellung, sondern auch inhaltlich wichtige Erwerbungen, Publikationen, Personalförderungen und vorherige Restaurierungen finanziert werden konnten. Die Reihe der Fördermittelgeber ist das Who-is-Who der Kulturförderung in Deutschland und reicht vom Düsseldorfer Landesministerium bis hin zur Kulturstiftung der Länder in Berlin (eine vollständige Liste ist ->hier am Ende des Beitrags abrufbar).
  • Die Kombination von kunsthistorischem Know-how vor Ort als auch von außen. Durch Co-Kuratorin und 20. Jahrhundert-Expertin Dr. Christiane Heiser wurden die öffentlichen Aufträge Matarés so ausführlich wie noch nie zuvor museal inszeniert und präsentiert.
  • Die Installation einer reichen, gattungsübergreifenden Themen-Ausstellung, die nicht nur Kunstwerke und Archivalien berücksichtigte, sondern auch Zitate des Künstlers, ausführliche Beschriftungstafeln und Familienmitglieder miteinbezog. Die von den Farben von Matarés Atelierhaus in Meerbusch-Büderich inspirierte Ausstellungsarchitektur wurde vom renommierten Typographen Ingo Offermanns realisiert – die übrigens nachhaltig angelegt wurde und problemlos für erneute Präsentationen wieder benutzt werden kann. 
  • Ein reiches pädagogisches Programm, das die Jüngsten nicht nur punktuell im Rahmen von Einzelveranstaltungen zum Museumsbesuch animierte, sondern die gesamte Ausstellungsdauer über für kindgerechte Abwechslung sorgte. Die Worpsweder Kulturpädagogin Kathrin Klug installierte einen atmosphärischen Aufenthaltsraum für Kinder, in dem sich nicht nur Mobiliar in Kinderformat und eine Lampe mit Mataré-Kühen befand, sondern in dem auch mit Tangram geometrische Kühe gelegt und kindgerechte Texte in einfacher Sprache über das Leben und Werk Matarés gelesen werden konnten. Das Prunkstück dieses Saales bildete jedoch sicherlich die sogenannte Riesenkuh von Ewald Mataré aus der Hand der Julius Fröbus GmbH., die sowohl Kinder als auch Erwachsene zum Sitzen, Liegen oder einfach Fühlen der Form animierte. 
  • Ein umfassendes Veranstaltungsprogramm mit über 40 Angeboten, das nicht nur aus klassischen Formaten wie öffentlichen Führungen und Workshops bestand, sondern u.a. auch aus Spezialvorträgen, musikalischen Auftragskompositionen, Kurzfilmabenden, Videokonferenzangeboten und institutionellen Querformaten (z.B. zwischen Tiergarten und Museum oder „Tierisches Yoga“ der VHS-Kleve, was beim Künstler der Kühe – also Mataré – so offensichtlich war wie noch nie zuvor). 
  • Eine Intensivierung der social media-Präsenz durch im Vorfeld realisierte Kurzfilme zum Leben und Werk Matarés, die die Photographin und Filmemacherin Kirsten Becken für die Schau konzipierte. 
  • Maßgeschneiderte Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, die in Kooperation zwischen Museum Kurhaus Kleve und externen Dienstleistern wie den Deutschland-Niederlande-Experten mediamixx in Kleve und die auf internationale Kunst und Kultur spezialisierte Kathrin Luz Communication in Köln realisiert wurde. 

Dass durch die Klever Schau auch noch eine Ausstellungstournee der Werke Ewald Matarés angeregt werden konnte (weitere Infos ->hier), durch die es zur größten Ausleihe der Klever Museumsgeschichte sowie zur größten Ausstellung der Werke Matarés außerhalb Kleves kommen konnte, ist sicherlich ebenfalls als Erfolg (und Sahnehäubchen obenauf) zu werten.

Dass es zudem (Vorsicht, Spoiler!) – u.a. auch durch die Klever Ausstellung angeregt – Ende diesen Jahres zu einem Mataré-Film im Fernsehen und Kino kommen wird, sicherlich ebenso. Hierzu aber erst zum gegebenen Zeitpunkt mehr …

[verfasst von Valentina Vlašić]

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125. Geburtstag der bedeutenden deutschen Keramikerin Ursula Fesca (1900–1975)

In seiner breiten Sammlung besitzt das Museum Kurhaus Kleve weit über hundert Kunstwerke aus allen Schaffensperioden der bedeutenden deutschen Keramikerin Ursula Fesca (1900–1975), die am 1. März 2025 ihren 125. Geburtstag gefeiert hätte. Um auf ihr Leben und Wirken sowie ihr breites Œuvre aufmerksam zu machen, widmet ihr das Museum Kurhaus Kleve den folgenden Beitrag:

Ursula Fesca wurde am 1. März 1900 im sächsischen Hohenbucko (Kreis Schweinitz) geboren und hat nach ihrer Schulzeit an der „Kunstschule des Vereins der Berliner Künstlerinnen“, einer Zeichen- und Kunstgewerbeschule in Berlin, studiert. Sie nahm 1925 ihre Arbeit bei den Steingutfabriken Velten-Vordamm GmbH in Vordamm (Mark Brandenburg) auf. 

Theodor Bogler (1897–1968), der am Bauhaus in Weimar bei Lyonel Feininger (1871–1956) studiert hatte und von 1925 bis 1926 die Modell- und Formenwerkstatt der Vordammer Fabrik leitete, sowie Fescas Mentor Hermann Harkort (1881–1970), der die Bauhausidee ständig vorantrieb, förderten und beeinflussten ihr großes Talent. 

Auf der „Ausstellung neuer Märkischer Keramik“ stellte Ursula Fesca erstmals ein Kinderservice mit Kinderszenen in Schablonendekor vor, das neben anderen Schmuckgefässen starke Beachtung fand. Hier ist es ihr erstmalig gelungen, die Produktionspalette einer großen Firma entscheidend zu verändern. Dies gelang ihr u.a. durch majolikaähnliche, einfarbige Mattglasuren in Rot, Blau und Schwarz, durch innovative Neuerungen bei den Schablonendekoren, der Weiterentwicklung der craquelierten Glasuren, oder Kombination von Streifendekoren und schwarzgrauen feinen Linienzeichnungen, teils geometrisch, teils floral sowie durch einige andere Veränderungen der Produktionslinie. Das Modellbuch der Vordammer Steingutfabrik von 1927/28 belegt etwa 90 Fesca-Entwürfe. Alle sind durch kräftige und gelegentlich auch etwas derbe Formen gekennzeichnet. Sie wurden mit verschiedenen Dekoren und Glasuren angeboten.

Nach dem Weggang von Bogler traf sie dort auf Hedwig Bollhagen (1907–2001), die die Leitung der Malerabteilung übernommen hatte und eine Reihe von Streifen- und Strichdekoren entwarf.

Ursula Fesca hat in der Steingutfabrik Velten-Vordamm GmbH bis 1928 gewirkt und mit ihren Arbeiten dem Werk zum Anschluss an die moderne Entwicklung verholfen. Hier sammelte sie erste Erfahrungen bei herausragenden Keramikerinnen und Keramikern. Diese Kenntnisse sollte sie später in der Wächtersbacher Steingutfabrik voll entfalten.

Reinhardt Korsukewitz, der Besitzer und Direktor der Steingutfabrik Elsterwerda, holte Ursula Fesca im Jahr 1928 als künstlerische Leiterin in seine Fabrik. Sie entwickelte dort einen im Unterschied zu Vordamm freieren künstlerischen Stil mit Mattglasuren und teils verlaufenden Linien- und Streifendekoren sowie stilisierten Blattmotiven.

Nach Auflösung der Kunstabteilung im Jahr 1928/29 hatten die Verantwortlichen des Schlierbacher Werkes für Wächtersbach eine neue Innovationskraft als künstlerische Nachfolge gesucht, die das durch die Wirtschaftskrise angeschlagene Unternehmen wieder in die Gewinnzone führen sollte. Ursula Fesca hatte bereits in zahlreichen Artikeln in der Fachpresse und bei Ausstellungen auf sich aufmerksam gemacht und so war das Talent der inzwischen bekannten Keramikgestalterin den Verantwortlichen der Wächtersbacher Steingutfabrik nicht verborgen geblieben. Ursula Fesca wurde im August 1931 in der Wächtersbacher Steingutfabrik, Schlierbach als künstlerische Leiterin eingestellt. 

Ihre ersten Entwürfe für Teegeschirre – die Modelle „Amsterdam“, „Haarlem“, „Köln“ und „Bonn“ – setzten neue Akzente in der Produktion. Sie gelten heute noch als Designklassiker und genießen in den Kreisen von Sammler*innen und Keramiker*innen höchste Wertschätzung. Zahlreiche nationale und internationale Museen haben sie gekauft und in ihre Sammlungen integriert. 

In der Zeit des Nationalsozialismus waren die extravaganten und zum Teil futuristisch anmutenden Formen des Bauhauses nicht mehr gefragt. Die Reichskulturkammer nahm zunehmend Einfluss auf Produktion und Zeitgeschmack. Die avantgardistischen Modelle galten oftmals als „entartet“ und aus diesem Grund wandte sich Fesca einer anderen Produktlinie zu. Florale, oftmals schlichte (Rillen-) Dekore bestimmten nun die Produktion der sog. „Volksdeutschen Heimatkunst“.

Um 1939 verließ Ursula Fesca ihre neue Heimat im Brachttal und kehrte erst nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aus Berlin zurück nach Schlierbach. In der Steingutfabrik wurden zunächst nur Gegenstände mit schlichten Dekoren und Gebrauchsgeschirre produziert. Essgeschirre mit grüner Ränderung waren für die unmittelbare Nachkriegszeit typisch. Ende der 1950er Jahre entwarf Fesca das Dekor „Pisa“. Das in einem sehr aufwändigen Herstellungsverfahren produzierte Dekor erfreute sich bundesweit großer Beliebtheit und entwickelte sich rasch zur Designikone der 1950er Jahre.

Schnell konnte Ursula Fesca mit ihren frischen Form- und Dekorentwürfen an ihre Erfolge der frühen 1930er Jahre anknüpfen. Mit ihrer Einstellung in der Wächtersbacher Steingutfabrik entstand eine neue und kreative Kontinuität, die dem Unternehmen zu neuem Aufschwung verhelfen sollte. Die talentierte Kunstkeramikerin hatte genügend Ideen hierzu und das nötige Know-How mit nach Schlierbach gebracht. Für deren Umsetzung hatten auch der Modelleur Walter Reuel, der bereits 1928 in die Steingutfabrik eingetreten war und der Chemiker Franz Eggert, den sie bei ihrer Tätigkeit in Elsterwerde kennen und schätzen gelernt hatte, gesorgt. Ihr Wirken beeinflusste die gesamte Produktionslinie der Wächtersbacher Steingutfabrik bis weit in die 1960er Jahre maßgeblich.

Ursula Fesca starb am 9. Juni 1975 in Schlierbach. Dort hat sie an der Wächtersbacher Keramikfabrik über 30 Jahre lang mit ihren stilprägenden Form- und Dekorentwürfen die Produktionslinie nachhaltig geprägt. Ihre vielfältigen Glasur- und Dekorationstechniken beeindrucken noch heute. 

[Text freundlicher Weise zur Verfügung gestellt von Ulrich Berting, Museum Wächtersbacher Keramik in Schlierbach, z.T. überarbeitet von Werner Steinecke, Sammler u.a. der Werke von Ursula Fesca; online gestellt von Valentina Vlašić]

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Franka Hörnschemeyers „Oszilloskop“: Erwerbung eines skulpturalen Höhepunkts für die Sammlung

Mit ihrer Arbeit „Vermutung 722“ war sie einer der absoluten Höhepunkte der großen Jubiläumsausstellung „Schatzhaus und Labor. 25 Jahre Museum Kurhaus Kleve“, die vom 23. Juli 2022 bis 29. Januar 2023 zu sehen war und für Furore sorgte. Dank der essentiellen Unterstützung des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen, der Förderstiftung Museum Kurhaus Kleve und des Freundeskreises Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. glückte dem Museum Kurhaus Kleve nun im Nachhall die Erwerbung einer eindrucksvollen, raumgreifenden Arbeit von Franka Hörnschemeyer, die einen neuen skulpturalen Höhepunkt für die Sammlung bilden wird. 

Die Bildhauerin und Professorin Franka Hörnschemeyer (1958 geboren in Osnabrück, lebt und arbeitet in Berlin) erforscht in ihrer Arbeit die Bedeutung, Funktionsweise und Materialität von Raum. Meist nutzt sie für ihre bildhauerischen Werke industriell gefertigte Baumaterialien. Neben Raumkonstruktionen und Skulpturen entste­hen auch Photographien, Videos und Zeichnungen.

Zu ihren wichtigsten Arbeiten in musealen Sammlungen und im öffentlichen Raum zählen u.a. „Discrete Case II.“ (2011) in der Dresdner Skulpturensammlung, „Trichter“ in Dresden (2011), und „BFD – Bündig Fluchtend Dicht“, eine labyrinthische Rauminstallation, die Hörn­schemeyer zwischen 1998 und 2001 für einen der Höfe im Paul-Löbe-Haus des Deutschen Bundestages konzipierte. In Nordrhein-Westfalen ist Franka Hörnschemeyer als Künstlerin und durch ihre Professur an der Kunstakademie Düsseldorf seit dem Jahr 2015 in besonderer Weise präsent. 

Hörnschemeyers Werk widmet sich der tiefgreifenden Erforschung von Raum, seiner Struktur, Geschich­te und Materialität. In ihren Raumkonstruktionen bildet die Bewegung der Betrachtenden ein zentrales Moment, da räumliche Strukturen nur aus unterschiedlichen Perspektiven umfassend wahrzunehmen sind. Jede Erfahrung des Raums ist damit gleichzeitig eng mit der Dimension der Zeit verknüpft.

Der Mensch und sein Körper in Relation zum Raum sind für Franka Hörnschemeyers An­satz zentral: „Meine Ideen kreisen um die Beziehungen vom Menschen zum Raum und vom Raum zum Menschen. Mich interessiert alles, was ich mit meinen Raumvorstellungen koppeln kann. Deshalb reflek­tiere ich auch Theorien, die mit soziologischen, historischen und philosophischen Fragestellungen zu tun haben. In meiner Arbeit entwickle ich architektonische Konstruktionen, die ich als Systeme verstehe und in denen sich Gegenwart, Geschichte und Zukunft ineinander verschränken.

Die neue Arbeit für die Sammlung des MKK, „Oszilloskop“ (2014), konzentriert sich in besonderer Weise auf Fragen nach Raum und Zeit, deren „untrennbare Verwobenheit“ Hörnschemeyers Œuvre in vielen Facetten ins Bild rückt. Es nimmt eine Sonderstellung ein, denn in keinem anderen ihrer Werke findet die Auseinandersetzung der Künstlerin mit dem Begriff der „Grazie“ so deutlichen Ausdruck. Der Aufsatz „Über das Marionettentheater“ von Heinrich von Kleist ist in diesem Zusammenhang ein zentraler Text für das künstlerische Verständnis von Hörn­schemeyer. 

„Oszilloskop“ bewegt sich aus ihrem Mittelpunkt heraus. Die Bewegungsimpulse, die die Flü­gel aus Aluminium-Wabenverbundplatten in eine überraschend anmutige Bewegung versetzen, werden – einzigartig innerhalb Hörnschemeyers Werk – von einem Motor gesteuert, den die Künstlerin spezifisch für den jeweiligen Ort programmiert. Raumgreifend sind nicht nur die Flügel der Skulptur, sondern auch die Geräusche, die sie produzieren. Ein unregelmäßiges Klackern begleitet die Bewegungen und wirkt emotional und unmittelbar auf die Betrachtenden ein. Die Skulptur bietet demnach im Rahmen der Mu­seumsarbeit das Potential, als Teil der Sammlung in verschiedenen, immer neuen Raumsituationen seine Wirkung zu entfalten. Die starke Verbindung zwischen Mensch, Skulptur und Raum im weitesten Sinne steht exemplarisch für das künstlerische Werk von Franka Hörnschemeyer.

Bei der Sammlung des Museum Kurhaus Kleve liegt ein besonderer Schwerpunkt auf künstlerischen Posi­tionen, die im Zusammenhang mit der Kunstakademie Düsseldorf stehen, zum Beispiel Künstler*innen, die dort studiert haben, u.a. Thomas Schütte und Michael van Ofen, oder Professor*innen wie Katharina Fritsch. Franka Hörnschemeyer stellt hier eine sinnvolle Ergänzung und Kontinuität dar.

[Verfasst von Prof. Peter Gorschlüter, Direktor des Museum Folkwang, Essen; für die Sammlungswebsite des MKK leicht angepasst und online gestellt durch Valentina Vlašić]

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Kleves „Galgenfigur, gehängt“ in der großen Paloma Varga Weisz–Übersichtsschau in Hannover

Die monumentale Skulptur „Galgenfigur, gehängt“, die sich seit 2004 in der Sammlung des Museum Kurhaus Kleve befindet, wurde von der Düsseldorfer Künstlerin Paloma Varga Weisz geschaffen, die heute zu den bedeutendsten Bildhauerinnen Deutschlands unserer Zeit zählt. Die kolossale Arbeit ist nun von 7. Dezember 2024 bis 2. März 2025 in der großen Retrospektive „Paloma Varga Weisz. Multiface“ in der Kestner Gesellschaft e.V. in Hannover zu sehen. 

Die Ausstellung Multiface ist eine der umfassendsten Präsentationen von Paloma Varga Weisz’ Werk. Sie vereint neueste Werkgruppen mit Schlüsselarbeiten aus über drei Jahrzehnten und bietet einen Einblick in ihre poetische und zugleich subversive künstlerische Praxis. Ihre Werke – Skulpturen, Aquarelle, Zeichnungen und Installationen – durchdringen existenzielle Fragen zu Identität, Erinnerung, Verletzlichkeit und Transformation. Figuren und Formen bewegen sich zwischen Vertrautem und Fremdem, Körperlichem und Narrativem.

Als Holzbildhauerin ausgebildet, bricht Paloma Varga Weisz bewusst mit der Tradition des Handwerks. Indem sie traditionelle Techniken beherrscht und zugleich unterwandert, schafft sie Werke, die klassische Vorstellungen von Materialität und Form hinterfragen. Ihre Skulpturen verbinden historische Bezüge mit surrealen Elementen, humorvollen Brüchen und subtiler Ironie, wodurch sie die Grenzen zwischen handwerklicher Präzision und zeitgenössischer Reflexion eindrucksvoll auslotet.

Weitere Informationen über die Ausstellung ->hier

[verfasst von der Kestner Gesellschaft in Hannover; leicht angepasst und online gestellt von Valentina Vlašić]

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Restaurierung bislang unbekannter Skizzen und Entwürfe „Kunst am Bau“ von Ewald Mataré (1887–1965)

Mit der essentiellen Unterstützung des Ministeriums für Kultur und Wissenschaften des Landes Nordrhein-Westfalen und der Ernst von Siemens Kunststiftung konnte in den Jahren 2022 bis 2024 die in der Geschichte des Museum Kurhaus Kleve größte Restaurierungsmaßnahme eines hochbedeutenden Objektkonvoluts in Angriff genommen: die Restaurierung bislang unbekannter Skizzen und Entwürfe „Kunst am Bau“ des Namensgebers des Museum Kurhaus Kleve – Ewald Mataré-Sammlung, Ewald Mataré (1887–1965).

Zur kunsthistorischen Bedeutung des Objektkonvoluts

Die Originalentwürfe der Baudenkmäler, die einen Sonderstatus im Werk von Ewald Mataré einnehmen, wurden nach dem Tod der Tochter des Künstlers, Sonja Mataré (1926–2020), und wichtigsten Mäzenin für das Klever Museum beim Sichten des Ateliers 2021 entdeckt. Sie zählen zum Spätwerk von Mataré, als er ab 1945 an der Düsseldorfer Akademie wiedereingestellt wurde und bis 1957 die Bildhauerklasse leitete. Während dieser Jahre wurden ihm prominente, ehrenvolle Aufträge im In- und Ausland anvertraut, für die er Werke der angewandten Kunst außerordentlichen Ranges schuf.

Die kunsthistorische Bedeutung dieses Konvoluts an bislang gänzlich unbekannten Bauzeichnungen ist unbestritten. Darunter befinden sich u.a. die Originalskizzen für die Türen des Rathauses oder für das Wappen des Kreisamtes in Aachen, ein Entwurf zur Fassadengestaltung des Kölner Gürzenich, mehrere Entwürfe für die Türen des Notariats Pikalo in Düren, mehrere Entwürfe für Windfahnen für Kirchen im Rheinland (St. Georg, St. Michael usw.), mehrere Fensterentwürfe für einen Kriegerfriedhof in Rovaniemi in Finnland. Ebenfalls darunter befindet sich eine Entwurfszeichnung für einen Teppich, der vor einigen Jahren hochpreisig von der Akademie-Galerie in Düsseldorf angekauft worden ist.

Alle Werke zeichnet Matarés sicheres Formgefühl und eine von ihm entwickelte Systematik des Ornaments aus, bei dem immer wiederkehrende Grundmotive in graphische Formen variiert werden. Großzügige Rhythmen wechseln sich mit abstrahierten Kompositionen und gegenständlichen Symmetrien ab. Die Werke weisen eine ornamentale Flächenfüllung auf, in denen sich Matarés gestaltende Phantasie verdichtet.

Maßnahmen 2022–2024

Nach Einholung von Angeboten wurde mit der Maßnahme die Firma „Ratinger Restauratoren. Atelier für Papier- und Buchrestaurierung“ in Ratingen beauftragt. Die dortigen Sachbearbeiterinnen wurden angeleitet von Restauratorin Sabine Güttler.

Teil 1 der Restaurierungsmaßnahme im Jahr 2022 bestand aus folgenden notwendigen Vorarbeiten für die Restaurierung:

  • Transport Kleve-Ratingen,
  • Entrollen,
  • Vereinzeln,
  • Photographieren,
  • Schadenskartierung,
  • Dokumentation.

Bei einem zweiten Teil der Restaurierungsmaßnahme in den Jahren 2023–2024 wurden folgende Aufgaben realisiert:

  • Testreihen (Anfärben, Klebetest, Ergänzungen …),
  • Restaurierung,
  • Dokumentation,
  • Verpackung,
  • Transport Ratingen-Kleve.

Konkrete Restaurierungsmaßnahmen

Die auf unterschiedlichen Materialien ausgeführten Entwürfe waren in einer Ecke des Ateliers im Wohnhaus von Ewald Mataré in Meerbusch-Büderich jahrzehntelang aufrechtstehend gelagert, eng zusammengerollt, ohne angemessenen Schutz und vermutlich eher vernachlässigt bewahrt.

Um einen Überblick über die vorliegenden Schäden zur erhalten und erforderliche Maßnahmen planen zu können, mussten die teils mehrere Meter langen Arbeiten zunächst entspannt werden. Erst nach Überwindung der extremen Rollneigung konnten die häufig ineinander verhakten Blätter zerstörungsfrei voneinander getrennt und erforderliche Maßnahmen geplant werden.

Neben unterschiedlichsten Verschmutzungen, zahlreichen mechanischen Schäden mit teils ungeeigneten Reparaturmaterialien sowie Fehlstellen durch Insektenfraß, stellten insbesondere die teils abpudernden Zeichenmaterialien wie Kreide und Kohle auf den verschiedenen Untergründen (wie Transparentpapier, Schwarz-Weiß-Photographien, Folie und Malerpapier) eine besondere Herausforderung dar. Verschiedenste Sorten von Klebebändern waren zum Zusammenhängen von Einzelblättern, für Ergänzungen oder als Reparaturen angebracht, deren Klebstoffe zum Teil durchschlugen oder ihre Funktion alterungsbedingt vollständig verloren hatten.

Vor der notwendigen Malschichtfixierung war zunächst oberflächlich anhaftender Schmutz zu reduzieren, ohne dabei jedoch wichtige Arbeitsspuren zu entfernen. Erst im Anschluss konnte partienweise geglättet, Risse geschlossen und Fehlstellen mit passend eingefärbtem Papier ergänzt werden. Säurehaltige und selbstklebende Reparaturbänder sowie deren Rückstände wurden entfernt und angemessen ersetzt. Zur dauerhaften Lagerung der teils großformatigen Entwürfe wurden abschließend individuelle Konzepte erarbeitet und umgesetzt.

Mit dem Erhalt dieser wichtigen Arbeitsmittel und Wiederherstellung der Lesbarkeit unter beständigem Abwägen zwischen restauratorisch notwendigem Eingriff und konservatorischer Sicherung von Originalsubstanz konnte ein wesentlicher Beitrag zum Verständnis der Arbeitsweise Ewald Matarés geleistet werden.

Nachhaltigkeit

Bei der Restaurierung wurde ein Fokus auf den Einsatz umweltverträglicher, langlebiger Materialien und ressourcenschonender Techniken gelegt. Materialien wurden eingesetzt, die nicht nur reversibel, sondern auch biologisch abbaubar und recyclingfähig sind. Schädliche Substanzen wurden gänzlich vermieden, wie auch der Einsatz energiereicher Techniken. Konnte bei gewissen Maßnahmen nicht gänzlich auf energieeffiziente Geräte verzichtet werden, wurde auf Geräte mit regenerativen Energiequellen geachtet.

Der Transport der Werke und ihre künftige dauerhafte Lagerung fanden unter Beachtung der Nachhaltigkeit statt. Die Werke wurden daher in säurefreien Transportboxen aus Karton transportiert, die sich – angekommen im Museum – auch direkt zur dauerhaften, konservatorisch sicheren Lagerung eignen.

Präsentation

Eine Auswahl des Konvoluts wurde im Rahmen der groß angelegten Ausstellung „Ewald Mataré: KOSMOS“ dem Publikum präsentiert, die am 27. Oktober 2024 eröffnen wurde und bis 9. März 2025 zu sehen war.

[verfasst von Sabine Güttler und Valentina Vlašić; online gestellt von Valentina Vlašić]

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Kleves „Handtuchhalter mit Liebespaar“ im Louvre in Paris, 16. Oktober 2024 – 3. Februar 2025

Der Narr ist aus der Kulturgeschichte nicht wegzudenken. Vom 16. Oktober 2024 bis 3. Februar 2025 widmet ihm das Musée du Louvre in Paris eine komplette Ausstellung mit dem klangvollen Namen „Figures du Fou – Du Moyen Âge aux Romantiques“, für die es aus der Sammlung des Museum Kurhaus Kleve ein ganz besonderes Highlight als Leihgabe angefragt hat: Kleves begehrten „Handtuchhalter mit Liebespaar“ (um 1535–1540) von Arnt van Tricht. 

Der schöne Titel „Figures du Fou“ lässt sich – will man die Alliteration auch im Deutschen zumindest klanglich beibehalten – mit „Figuren des Verrückten“ übersetzen. Und diese sind auch der Schwerpunkt einer Ausstellung, in der über 300 Werke vom 13. bis zum 16. Jahrhundert aus ganz Europa zu sehen sind.

Künstler stellten die Figur des Narren wiederkehrend als sowohl humorvollen wie politisch-subversiven Kommentar gegen die Obrigkeit dar. In der Ausstellung finden sich Gemälde, Skulpturen, Stiche, Wandteppiche, illuminierte Manuskripte oder auch Alltagsgegenstände – vielfältige Exponate, die eint, dass sie die Figur des Narren in ihrem ganzen Reichtum und ihrer Komplexität widerspiegeln. 

Und die Narren waren geradezu Stars des Mittelalters und der Renaissance. Sie waren selbstbewusste und mitunter aggressive Schausteller und Unterhaltungskünstler, die das Publikum aufstachelten, anpeitschten und ablenkten. Narren nutzten gewalttätige, erotische, tragische oder parodistische Aufführungen, um zu warnen, zu spotten oder die etablierte Ordnung umzustoßen. Indem sie ihre Exzesse exhaltiert auf die Bühne holten, brachen die Narren mit den Anstandsregeln der etablierten Gesellschaft. Durch ihre einzigartige Position waren sie (zumindest im Mittelalter) die Einzigen, denen dieses Verhalten widerspruchslos zugestanden wurde. 

In seiner bildgewaltigen wie komplexen Ausstellung lädt der Louvre in Paris ein, die Figur des Narren wieder und auch gänzlich neu zu entdecken. Ein kunsthistorisches Highlight besonderer Güte und ein großes Muss, nicht nur für Klever Kunstinteressierte und Museumsgänger*innen. 

By the way: Der Förderverein des Museums, der Freundeskreis Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V., hat aus Stolz und Freude über die Ausleihe eine eigene Baumwolltüte herausgegeben, die käuflich erworben werden kann. Weitere Infos dazu ->hier.

[Verfasst von Valentina Vlašić, Kuratorin des Museum Kurhaus Kleve, die die Ausstellung bereits im Oktober 2024 gesehen hat und begeistert war]

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Schenkung von René Block an das Museum Kurhaus Kleve – aus Dankbarkeit über die Ausstellung „Drei Hubwagen und ein Blatt Papier“

Von 26. April bis 8. September 2024 war im Museum Kurhaus Kleve die Ausstellung „Drei Hubwagen und ein Blatt Papier: Die Edition Block 1966–2022“ zu sehen, bei der es sich um ein Kooperationsprojekt des Museum Kurhaus Kleve mit dem Museum Schloss Moyland und dem Museum Goch handelte. Aus Dankbarkeit über die Ausstellung schenkte René Block dem Klever Museum nun zwei ausgewählte Kunstwerke aus seiner erlesenen Editionsreihe für die Sammlung. 

Die Ausstellung würdigte den Galeristen und Kurator René Block – der 1942 in Velbert geboren, aber in Weeze am Niederrhein aufgewachsen ist – für sein umfassendes und bis heute andauerndes Engagement für die internationale zeitgenössische Kunst sowie für Joseph Beuys.

Mit seiner „Edition Block“ in Berlin 1966 schuf René Block ein Instrument zur „Demokratisierung und Sozialisierung des Kunstmarktes“. Zu den 122 Editionen seines Verlags gehören Meilensteine wie die Skulptur „Der Denker“ (1976/1978) des koreanischen Medienkünstlers Nam June Paik, bekannte Multiples von Joseph Beuys wie z.B. „Schlitten“ (1969) oder „Filzanzug“ (1970), das raumgreifende Objekt „Hubwagen“ (2012/2013) von Alicja Kwade, das der Ausstellung ihren Namen gab, sowie mehrere Graphikmappen mit Beiträgen internationaler Künstler*innen.

Darüber hinaus arbeitete René Block in den 1980er und 1990er Jahren als Kurator großer Übersichtsausstellungen sowie war von 1997 bis 2006 künstlerischer Leiter der Kunsthalle Fridericianum in Kassel.

In der Präsentation im Museum Kurhaus Kleve waren ausgewählte Positionen aus dem gesamten Spektrum der „Edition Block“ zu sehen – von den 1960er Jahren bis heute, mit internationalen Künstler*innen aus Bosnien, Deutschland, Italien, Libanon, Niederlande, Polen und der Türkei.

Gleich mehrfach waren Joseph Beuys und Dieter Roth in der Auswahl vertreten. Darüber hinaus waren Werke von Rosa Barba, Mehta Baydu, KP Brehmer, Henning Christiansen, Robert Filiou, Mona Hatoum, Rebecca Horn, Šejla Kamerić, Jarosław Kozłowski, Aljcia Kwade, Olaf Metzel, Bjørn Nørgaard, Navid Nuur und Sigmar Polke zu sehen. 

Die ausgestellten Werke von Mona Hatoum sowie Navid Nuur schenkte René Block nach Abschluss der Ausstellung im Museum Kurhaus Kleve, aus Dankbarkeit über die gelungene Kooperation, aber auch um die zeitgenössische Sammlung mit den Arbeiten aus seiner bekannten Reihe sinnfällig zu ergänzen. 

[online gestellt von Valentina Vlašić]

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Schenkung von 33 Kunstwerken mehrerer Jahrhunderte mit Kleve-Bezug für die Sammlung des Freundeskreises im Museum Kurhaus Kleve

Im September 2024 hat der Freundeskreis Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. aus Klever Privatbesitz 32 Graphiken und ein Gemälde aus mehreren Jahrhunderten erhalten, die allesamt mit Kleve und den Ansichten der und rund um die Stadt zu tun haben und die direkt an vorhandene Kunstwerke im Museum Kurhaus Kleve anknüpfen.

Darunter befinden sich acht Stadt- und Landkarten, zwölf Kupfer-, Stahl- und Holzstiche, zwölf Werke zeitgenössischer Künstler*innen sowie ein Gemälde des 20. Jahrhunderts. Die Karten zeigen mitunter Stadtteile von Kleve und die Region in der Verbindung zu den Niederlanden und Belgien.

Besonders hervorzuheben sind zwei Kupferstiche nach Wenzel Hollar und Baudartius, beide verlegt durch Abraham und Frans Hogenberg, die die ältesten Arbeiten dieses Konvoluts aus dem 17. Jahrhundert bilden und Ansichten der wichtigen Festung Schenkenschanz zeigen.

Weitere Kupfer-, Stahl- und Holzstiche des 18. und 19. Jahrhunderts zeigen Kleves heute verloren gegangene Schönheit der früheren Jahrhunderte, die aus der Stadt einen begehrten Kurort gemacht haben. Die Schwanenburg ist darauf beispielsweise zu sehen, aber auch Schloss Moyland sowie die Klever Gärten rund um das ehemalige Kur- und Badehaus.

Von der Druckgraphik der vergangenen Jahrhunderte heben sich das Gemälde und die Zeichnungen sowie Aquarelle zum Teil zeitgenössischer Künstler*innen des 20. und 21. Jahrhunderts formal ab, schließen aber sinnfällig daran an. Wieder steht Kleves Topographie im Zentrum, die malerische Landschaft bei Morgen- und Abendlicht, Trauerweiden und Landschaftsansichten, wie sie die Klever Lande definieren.

Darunter befinden sich vier Werke des versierten Zeichners und Aquarellisten Fritz Poorten, der dem Klever Museum und seinem Freundeskreis seit Jahrzehnten verbunden ist. Darunter befindet sich aber auch ein imposantes Aquarell von Gitta van Heumen-Lucas. In das 20. Jahrhundert zu zählen sind ein Gemälde von Helmuth Liesegang und sieben Aquarelle von Paul Theissen. Alle zeigen eine weitreichende Farbpalette mit atmosphärischen Motiven von Seen, Sonnenaufgängen bzw. -untergängen, Städten und der Natur.

Alle Werke ergänzen die bereits im Museum Kurhaus Kleve vorhandene Sammlung sinnfällig und erweitern sie konsequent.

[verfasst von Lilly Matschinsky und Antonia Wagner unter Mithilfe von Valentina Vlašić]

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Spektakuläre Schenkung einer 14-teiligen Bilderserie von Pia Fries für die Klever Sammlung

Aus Dankbarkeit über ihre jahrzehntelange gute Zusammenarbeit mit dem Museum Kurhaus Kleve schenkte Pia Fries (*1955 in Beromünster, Schweiz) dem Freundeskreis der Klever Museen im August 2024 die 14-teilige, geradezu monumentale Bilderserie der „fahnenpapiere“, die ab sofort die Sammlung des Museum Kurhaus Kleve im Bereich der zeitgenössischen Malerei vortrefflich ergänzt und sinnfällig erweitert.

  • Ausstellungshistorie in Kleve

Nur wenige Künstlerinnen und Künstler sind mit dem Museum Kurhaus Kleve derart eng verbunden wie Pia Fries. 1992 stellte die Schweizer Malerin bereits im Städtischen Museum Haus Koekkoek in Kleve aus. 1997, im Eröffnungsjahr des Museum Kurhaus Kleve, war sie die erste Künstlerin, die eine Einzelausstellung in den neuen Räumen erhielt. Bereits damals zeichneten ihr Œuvre dezidierte Bezüge zur Malereigeschichte aus.

2017, zum 20-jährigen Jubiläum des Museum Kurhaus Kleve, kehrte sie für die Ausstellung „Hendrick Goltzius & Pia Fries: Proteus & Polymorphia“ zurück, um ihr malerisches Werk in eine sinnfällige Synthese mit den komplexen Bildschöpfungen des Altmeisters zu setzen. Obwohl sie seit 2010 zu den Werken von Hendrick Goltzius arbeitete, standen sich die beiden hochkarätigen künstlerischen Positionen, die vierhundert Jahre trennen, erstmals überhaupt in der Klever Ausstellung gegenüber.

2022 war Pia Fries nicht nur durch fünf monumentale Werke zu Goltzius’ „Herkules Farnese“ Teil der großen Jubiläumsausstellung „Schatzhaus & Labor. 25 Jahre Museum Kurhaus Kleve“, sondern realisierte mit der Ausstellung „Zwischen Gestern und Morgen. Klasse Pia Fries“ auch die erste Kooperation zwischen der Akademie der bildenden Künste München und dem Klever Museum.

  • Repräsentanz in der Sammlung

Dass Werke von Pia Fries nicht von Anfang an in der Sammlung des Museum Kurhaus Kleve vertreten waren, stellte ein großes Desiderat dar.

Glücklicher Weise konnte im Nachhall der Ausstellung „Hendrick Goltzius & Pia Fries: Proteus & Polymorphia“ ein eindrucksvolles Diptychon von Pia Fries für die Sammlung des Museum Kurhaus Kleve erworben werden, „justis / nemen“, das seither zu den Höhepunkten der zeitgenössischen Malerei im Klever Museum gehört.

2023 konnten aus der Ausstellung „Zwischen Gestern und Morgen. Klasse Pia Fries“ die zwei Arbeiten „disloziert“ der Professorin erworben werden, die sich mit Goltzius’ „Herkules Farnese“ befassten.

  • fahnenpapiere

Nun potenziert Pia Fries durch die Schenkung der spektakulären 14-teiligen Bilderserie „fahnenpapiere“ ihre Repräsentanz in der Sammlung des Museum Kurhaus Kleve. Die Werkserie war bereits 2017 in der Ausstellung „Hendrick Goltzius & Pia Fries: Proteus & Polymorphia“ zu sehen.

In Gegenüberstellung zu einem der monumentalsten Werke von Goltzius, seinem ca. drei Meter breiten Fries „Die Bestrafung der Niobe“, hat Pia Fries die Bildinhalte einer 2012 entstandenen Serie mit dem Titel „fahnenpapier“ kurzerhand uminterpretiert und in Korrelation zu dem über vierhundert Jahre alten Kupferstich von Goltzius gesetzt. Neu angeordnet, erzählen nun ihre abstrakten und furios gemalten Bildwerke die Geschichte vom Streit der Titanin Latona und der Königin Niobe von Theben, der in einem blutigen Massaker endet.

Die 14 Werke der „fahnenpapiere“ von Pia Fries sind abstrakt und rhythmisch zugleich, ihre Flächen sind gleichermaßen bemalt und unbemalt, die Farbe ist sowohl dick aufgebracht als auch mit Struktur abgeschabt usw. Mittels einer druckgraphischen Technik (dem Siebdruck) integrieren Fries’ Werke die Druckgraphiken von Hendrick Goltzius, die aber durch Aussparung und Beschränkung reduziert sind, wiederum potenziert durch bildfüllende oder bewusst akzentuierte Malerei.

[verfasst von Valentina Vlašić, Kuratorin im Museum Kurhaus Kleve]

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Neuerwerbung für das graphische Kabinett: Heinrich VIII. ab sofort neben seiner Ehefrau Anna von Cleve in der Klever Sammlung vertreten

Dank spontaner Zusage der Übernahme der Finanzierung durch den Freundeskreis Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. konnte das Museum Kurhaus Kleve im Juli 2024 eine zwar kleine, aber inhaltlich bedeutende Neuerwerbung für sein graphisches Kabinett tätigen: ein delikates Schabkunstblatt mit einem Porträt des Tudor-Königs Heinrich VIII. (1491–1547).

Zu sehen ist ein imposantes Porträt des berühmten englischen Renaissancefürsten im repräsentativen Ornat, das vom Kupferstecher Richard Houston Mitte des 18. Jahrhunderts angefertigt wurde – und zwar direkt nach dem berühmtesten Porträt des Königs, das 1536/1537 durch den hoch angesehenen Renaissancemaler Hans Holbein d.J. nach dem lebenden Herrscher entstanden ist. Es ging durch einen Brand 1698 verloren und ist heute nur noch in einer Kopie von 1667 überliefert.

Warum ist ein Porträt eines englischen Königs von Bedeutung für die Klever Sammlung? Weil das englische Königshaus im 16. Jahrhundert engste familiäre Verbindungen zu Kleve aufwies, denn Heinrichs vierte Ehefrau war die berühmte Anna von Cleve (1515–1557), die dieser 1540 ehelichte, nachdem er ein Porträt von ihr (ebenfalls durch Hans Holbein d.J. erstellt) begutachtete. Leider ließ er sich jedoch noch im selben Jahr von ihr scheiden, als er sie in natura traf und – sprichwörtlich – der Funken zwischen den beiden nicht übersprang. 

Vor allem durch die Sammlung Robert Angerhausen, aber auch durch gezielte Erwerbungen der späteren Jahrzehnte befindet sich nahezu der komplette Stammbaum des Klever Herzoghauses in der Sammlung des Museum Kurhaus Kleve. Dazu zählen neben der bereits erwähnten Anna von Cleve – die vor allem in mehreren Fassungen des Kupferstichs von Wenzel Hollar (nach dem erwähnten Porträt des Hans Holbein d.J.) enthalten ist – auch Porträts ihres Bruders Wilhelm V. von Jülich-Kleve-Berg (1516–1592), ihrer Schwester Sybilla von Cleve (1512–1554) sowie deren Ehemanns Johann Friedrich I. von Sachsen (1503–1554) als auch ihrer Neffen und Söhne des Wilhelm, der Thronfolger Karl Friedrich (1555–1575) und Johann Wilhelm (1562–1609). 

Bislang fehlte in dieser Reihe immer ein repräsentatives Porträt des Ehemanns der Anna von Cleve, das bislang nur in Publikationen enthalten war. Nun gibt es die Möglichkeit, bei einer Neuinstallation der graphischen Sammlung auch den berühmt-berüchtigten Tudor-König Heinrich VIII. in diese Reihe aufzunehmen. Besucher*innen kann dadurch nicht nur schlüssig die Verbindungen Kleves nach England zur Zeit des „Lands im Mittelpunkt der Mächte“ aufgezeigt, sondern auch ein wichtiges Kapitel Klever Geschichte vermittelt werden. 

Eine weitere Fassung des Blattes befindet sich u.a. in der National Portrait Gallery in London (siehe ->hier), wodurch sich das Klever Stück in bester Gesellschaft weiß und die hiesige graphische Sammlung international aufgewertet wird.

[verfasst von Valentina Vlašić, Kuratorin im Museum Kurhaus Kleve]

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Schenkung aus dem Nachlass von Jürgen Vogdt an das Museum Kurhaus Kleve – aus Dankbarkeit über die Ausstellung „Lebenslinien. In memoriam Jürgen Vogdt (1949–2023)“

Von 25. November 2023 bis 7. April 2024 war im Museum Kurhaus Kleve die Ausstellung „Lebenslinien. In memoriam Jürgen Vogdt (1949–2023)“ zu sehen, die das Schaffen des 2023 viel zu früh verstorbenen Künstlers vom Niederrhein umfassend wie bislang noch nie zuvor widerspiegelte. Aus Dankbarkeit über die eindrucksvolle Retrospektive schenkte die Witwe des Künstlers, Frau Uta Vogdt-Klinksiek, dem Museum Kurhaus Kleve nun zehn originale Zeichnungen des Künstlers aus seiner Serie „Mimmy“, die wie Kinderzeichnungen anmuten und Humor und Strichsicherheit gleichermaßen in sich vereinigen.

In der Ausstellung „Lebenslinien. In memoriam Jürgen Vogdt (1949–2023)“ waren rund 125 Zeichnungen, Gemälde und gebrauchsgraphische Arbeiten zu sehen, in denen die vitale Energie unvermindert zu Tage tritt, mit der Jürgen Vogdt die äußere Welt verschlang und zu einem eigenständigen Bildkosmos verdichtete. Als Strom unablässiger Notate, Chiffren und eruptiver Ausbrüche verdeutlichen die Blätter und Papiere dabei den Prozess der Bildfindung im Wechsel von gestischer Bestimmtheit und innerer Verletzlichkeit.

Gespeist von lebenslangen Anregungen durch Literatur, Film und Musik und durchaus in bekennender Nähe zum Werk etwa von Antoni Tàpies, Cy Twombly und späterhin Tracey Emin, verfolgte der ursprüngliche Autodidakt unbeirrt seinen eigenen, dezidiert nicht akademischen Weg durch labyrinthische Verzweigungen hindurch zu großer offener Weite des Werks. 

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Thomas Struths Familienportraits gehen in das Stadtmuseum in Düsseldorf

Zwei Familienportraits von Thomas Struth aus der breiten photographischen Sammlung des Museum Kurhaus Kleve werden im Herbst/Winter 2024/2025 in der Ausstellung „Das ist Gesellschaft. Soziale Fotografie in Düsseldorf“ (9. September 2024 - 5. Januar 2025) im Stadtmuseum Düsseldorf zu sehen sein. 

Die Exponate der Ausstellung schildern das Leben in Düsseldorf; der geographische Rahmen ist jedoch nicht lokal begrenzt. Ihren zeitlichen Schwerpunkt hat die Ausstellung in den Jahrzehnten zwischen dem Kriegsende und der Gegenwart. Das Leben in der Nachkriegszeit war auch in Düsseldorf geprägt von Wohnungsnot, Armut und von großen Flüchtlingsströmen aus den verloren gegangenen Ostgebieten. Das darauf folgende „Wirtschaftswunder“ zeigte sich in besonderen Ausprägungen des städtischen Lebens. Die „68er-Jahre“ waren von Unruhen der Student*innen und in Gewerkschaftskreisen geprägt. Junge Menschen, unter ihnen Künstlergruppen im Umfeld der Kunstakademie, formten einen neuen Lebensstil.

Heute ist Düsseldorf eine internationale Stadt mit über 180 vertretenen Nationen. Was mit den italienischen und später türkischen „Gastarbeiter*innen“ begann, wurde mit der drittgrößten japanischen Gemeinde in Europa erweitert und durch die Aufnahme von Flüchtlingen schließlich ergänzt. Durch die örtliche Konzentration einzelner Gruppen entstanden z.B. „Klein Japan“ in Niederkassel und „Klein Marokko“ hinter dem Hauptbahnhof mit ihren spezifischen Lebensweisen. Als weiteres Beispiel für eine kulturell eigenständige Gruppe sind auch die Darstellungen über Sinti und Roma in Düsseldorf aus den 90er- und 2000er-Jahren zu nennen. Die Großstadt macht auch die Lebenssituation beider Seiten einer gespaltenen Gesellschaft deutlich, ebenso wie die Freuden und Leiden, die unterschiedliche Bevölkerungsgruppen betreffen.

Weitere Informationen über die Ausstellung und das Museum ->hier.

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Kleves „most wanted painting“ geht nach Wuppertal: Von der Heydt-Museum zeigt Richters „Umgeschlagenes Blatt“ (1965)

Es ist und bleibt eines der Stars der Klever Sammlung, das kontinuierlich angefragt wird: Gerhard Richters „Umgeschlagenes Blatt“ (1965), das nun in der großen Ausstellung „Lucio Fontana: Erwartung“ (4. Oktober 2024 – 12. Januar 2025) im Von der Heydt-Museum Wuppertal zu sehen sein wird.

Lucio Fontana (1899–1968) zählt international zu den Schlüsselfiguren der Kunst des 20. Jahrhunderts und ist als Wegbereiter neuer Formen und Konzepte vergleichbar mit Persönlichkeiten wie Kasimir Malewitsch und Marcel Duchamp. Seine inspirierende Wirkung auf inzwischen mehrere Generationen von Künstler*innen ist unübersehbar. Dessen ungeachtet hat es in Deutschland seit fast 30 Jahren keine museale Ausstellung mehr gegeben, die Fontanas Geltung und seinem bis in die Gegenwart reichenden Einfluss gerecht wird.

Mit „Lucio Fontana: Erwartung“ möchte das Von der Heydt-Museum Fontanas komplexes Gesamtwerk anhand ausgewählter Arbeiten möglichst umfassend erlebbar machen: von den figurativen bis zu den konzeptuellen Arbeiten, von der Keramik bis zur Rauminstallation. Wegweisend, wenn nicht brisant ist Fontanas Schaffen insbesondere deshalb, weil er es ganz der Erfahrung von Raum und Zeit widmete. Angesichts einer durch die elektronischen Medien immer fluider werdenden Bildwelt erscheint seine schon 1946 gestellte Diagnose, die Geschwindigkeit sei die entscheidende Erfahrung der Moderne, heute aktueller denn je. 

Ein Raum der Ausstellung wird den Zeitgenossinnen und -genossen von Lucio Fontana vorbehalten sein. Thematisiert wird hier der tiefreichende Eindruck, den Fontanas Werke bei jungen Künstler*innen hinterlassen hat und in welcher Weise sich die von Fontana ausgehenden Impulse in deren Werken niederschlugen. In diesem Kontext wird Gerhard Richters „Umgeschlagenes Blatt“ aus der Klever Sammlung von großer Wichtigkeit sein. 

Weitere Informationen über die Ausstellung und das Museum in Wuppertal ->hier

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Gerhard Richters „Grau“ (1970) geht zu „Verborgene Schätze. Werke aus rheinischen Privatsammlungen“ in das Museum Kunstpalast nach Düsseldorf

Er gilt als wichtigster deutscher Maler unserer Zeit, der mit mehreren ikonischen Arbeiten – vor allem dem „Umgeschlagenen Blatt“ (1965) – vorzüglich in der Sammlung des Museum Kurhaus Kleve vertreten ist: Gerhard Richter (siehe den bisher online gestellten Stand ->hier). Seit 2013 befindet sich sein monochromes Gemälde „Grau“ (1970) als Dauerleihgabe aus Meerbuscher Privatbesitz in der Sammlung des Museum Kurhaus Kleve, wo es bereits mehrfach in ausgewählten Sammlungspräsentationen zu sehen war. Nun geht das Gemälde als Leihgabe an das Museum Kunstpalast in Düsseldorf, wo von 5. September 2024 bis 2. Februar 2025 die Ausstellung „Verborgene Schätze. Werke aus rheinischen Privatsammlungen“ zu sehen sein wird. 

Mit rund 130 Werken ermöglicht die Schau einen Überblick über das gesamte Œuvre Richters von den frühen 1960er Jahren bis in die jüngste Gegenwart. Dabei liegt der Schwerpunkt auf der Gattung Malerei: Mehr als 70 Gemälde führen die Besuchenden von den ersten, schwarz-weißen Photobildern, den strengen Farbtafeln und grauen Bildern zu den monumentalen Landschaften, den weichen und freien Abstraktionen bis zu den letzten ungegenständlichen Gemälden aus dem Jahr 2017. Zeichnungen, Aquarelle, Photographien und Skulpturen sowie der einzige von Gerhard Richter gedrehte Künstlerfilm belegen den großen Reichtum der rheinischen Sammlungen und verleihen der Ausstellung retrospektiven Charakter.

Die Ausstellung lenkt den Blick auf das Rheinland als ein ideales Umfeld, in dem sich das Werk von Gerhard Richter seit seiner Übersiedlung aus Dresden im Jahr 1961 entfalten konnte. Hier traf er auf Gleichgesinnte wie Sigmar Polke und Konrad Lueg, auf Vorbilder und Reizfiguren wie Joseph Beuys und schließlich auch auf eine so neugierige wie umtriebige Sammler*innenschaft, die sich rund um die jungen Galerien in Düsseldorf und Köln gebildet hatte.

Weitere Informationen über die Ausstellung ->hier.

 

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Prominente Leihgabe aus Kleve für die große Gerhard Richter-Ausstellung 2024/2025 in Düsseldorf

Vom 3. September 2024 bis 2. Februar 2025 findet im Museum Kunstpalast in Düsseldorf die Ausstellung „Gerhard Richter: Verborgene Schätze. Werke aus rheinischen Privatsammlungen“ statt, für die das Museum Kurhaus Kleve wegen einer kostbaren Leihgabe, dem Gemälde „Grau“ (1970) von Gerhard Richter, angefragt wurde, das sich seit 2013 als Dauerleihgabe aus rheinischem Privatbesitz in der Sammlung des Klever Museums befindet.

Über den Künstler

Gerhard Richter wurde am 9. Februar 1932 in Dresden geboren, er lebt und arbeitet in Köln. Er gilt heute als bedeutendster deutscher Künstler. Seine Werke bilden ein kulturelles Erbe für Deutschland, das auf der ganzen Welt gesammelt und geachtet wird.

1951 begann Richter ein Studium an der Dresdner Kunstakademie. 1961 flüchtete er nach Westdeutschland und setzte sein Studium an der Kunstakademie Düsseldorf fort, wo u.a. Karl Otto Götz (1914–2017) sein Lehrer wurde. Gemeinsam mit den Künstlern Sigmar Polke (1941–2010) und Konrad Lueg (später „Fischer“, 1939–1996) gründete er den „kapitalistischen Realismus“, durch den er gegen den offiziellen „Sozialistischen Realismus“ der UdSSR protestierte und den westlichen Kapitalismus kommentierte. Ende der 1960 Jahre arbeitete er als Zeichenlehrer. Richter war von 1971 bis 1993 Professor an der Kunstakademie Düsseldorf und lehrte u.a. auch in Hamburg (1971, 1978).

Gerhard Richter ist dafür bekannt, sich innerhalb seines Œuvres alle paar Jahre neu erfunden zu haben. Legendär sind seine unscharfen Bilder von Photographien, mit denen er die NS-Zeit anprangerte, oder seine Werke zu dem RAF-Zyklus. Seine klassischen Stillleben sind begehrt, aber auch seine Landschaften und Meeresbilder oder abstrakten Kompositionen. Seine Pixel-Bilder sind farblich von einem Algorithmus erstellt, womit er u.a. das berühmte monumentale Fenster am Kölner Dom produziert hat.

Das Gerhard Richter-Archiv, das sich dem Leben und Werk des Künstlers verschrieben hat, befindet sich in den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Dort wurden seit 2011 sechs Bände des Werkverzeichnisses der Arbeiten des Künstlers herausgegeben und von dort aus werden sämtliche Ausstellungen über den Künstler unterstützt und mit erforscht.

Über das Gemälde „Grau“ (1970)

Grau ist die Farbe des Alltags.

Die Menschen wissen seit langem, dass es nicht notwendig ist, viele Farben zu verwenden, um eine Aussage zu treffen. Manchmal reicht nur eine Farbe, um alles zu sagen – und das ist in diesem Fall die Farbe Grau.

Eigentlich ist Grau gar keine eigenständige Farbe, denn sie ist eine Kombination aus Weiß und Schwarz. Weiß ist ein Symbol für die Freiheit und Unschuld. Schwarz ist wiederum ein Symbol für die Unendlichkeit des menschlichen Lebens, für die Existenz nach dem Tod, für die Verzweiflung und vielleicht auch die Traurigkeit. Schwarz wird auch oft als Hintergrundfarbe verwendet, um andere Farben kräftiger zu machen und somit zu stärken.

Auf diese Weise wird Grau zu einer Kombination aus dunkeln und hellen menschlichen Gefühlen und erhält eine Neutralität, durch die viele Menschen sie mit dem Alltäglichen assoziieren. Gleichzeitig ist diese Alltäglichkeit die Verkörperung von Gefühlen wie Traurigkeit, Sicherheit, Bescheidenheit, Stabilität, Intellektualität, und vielleicht sogar Melancholie. Es sind diese Gefühle, die in der Farbpsychologie in der Farbe Grau kulminieren.

Dunkelgrau kann auch mit Kontinuität und Verlässlichkeit verbunden werden, die bei der Autorin dieses Artikels die Assoziation mit einem geliebten Menschen erwecken, für die dieses Gemälde mit der schlichten Farbe Grau sogar ein Bildnis über die Liebe darstellen könnte.

Die Leere und zugleich Fülle von Gerhard Richters Gemälde „Grau“ ermöglicht es Betrachter*innen, selbst eine Bedeutung in der Darstellung zu finden. Für diejenigen, die es mit Bedacht und Ruhe ansehen, eröffnet sich ein Resonanzboden, der ungeahnte Möglichkeiten bietet. Die Farbe Grau kann alles und nichts darstellen. Erst bei Betrachter*innen, die ausreichend Resonanzvermögen mitbringen, vermag die Farbe Grau in die Seelen der Rezipienten blicken und tiefere Gefühle hervorbringen.  

Über die Ausstellung in Düsseldorf 2024/2025

Mit der Ausstellung „Gerhard Richter: Verborgene Schätze. Werke aus rheinischen Privatsammlungen“ würdigt das Museum Kunstpalast, Düsseldorf die herausragende Bedeutung des Standorts Rheinland sowohl für die Biographie des Künstlers als auch für die Herausbildung einer vielfältigen Sammlerschaft seiner Werke. Die Werkschau macht Arbeiten zugänglich, die noch nie öffentlich gezeigt wurden und erzählt Geschichten von Sammler*innen, die mittlerweile untrennbar mit den von ihnen erworbenen Werken verbunden sind. Sie vereinigt rund 100 Arbeiten aus allen Gattungen und Werkgruppen des Künstlers, von den frühen Vermalungen und Verwischungen zu den abstrakten Gemälden, von den einfachen und farbigen Spiegeln zu den geometrischen, vom Zufall geordneten Farbtafeln; von den Gemälden, Aquarellen, Zeichnungen und Editionen bis hin zu den übermalten Photographien.

Das Museum Kurhaus Kleve leiht für diesen Zweck eine Arbeit von Gerhard Richter, die sich seit 2013 aus einer Privatsammlung als eine Dauerleihgabe bei ihm befindet: das Gemälde „Grau“ von 1970 (Öl auf Leinwand, 41 cm x 32,5 cm, Werkverzeichnis Nummer 247-14). Seit 1974, als Johannes Cladders im Museum Abteiberg in Mönchengladbach eine ganze Ausstellung unter dem Titel „Graue Bilder“ veranstaltete, ist das Sujet vor allem bei Sammler*innen im Rheinland außerordentlich populär und daher in dieser beeindruckenden Ausführung ein besonders wichtiges Werk dieser Ausstellung.

 

→Geschrieben von Anastasiia Chaban im Zuge ihres wissenschaftlichen Forschungspraktikums im Museum Kurhaus Kleve im September 2023, die aus der Ukraine kommt und erst seit einem Jahr Deutsch lernt. Weitere Informationen über die Arbeit von Anastasiia Chaban sind ->hier abrufbar. 

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Maywalds „Juliette Greco“ und „Maria Elena Vieira da Silva“ für Moyland

Das Museum Kurhaus Kleve und sein Freundeskreis besitzen sage und schreibe 384 Schwarzweißphotographien des berühmten Klever Mode- und Künstlerphotographen Wilhelm „Willy“ Maywald (Komplettbestand ->hier abrufbar), von denen es nun 2 besondere Exemplare – eindrucksvolle Porträts der französischen Chansonsängerin Juliette Greco (1927–2020) und der portugisisch-französischen Malerin Maria Elena Vieira da Silva (1908–1992) – für die diesjährige Maywald-Einzelausstellung im Museum Schloss Moyland ausleiht. 

Die Ausstellung „Willy Maywald. Die Künstler daheim – Les Artistes chez eux“ ist zwar bereits ab 1. August 2024 zu sehen, eröffnet jedoch zusammen mit der Alice Springs-Retrospektive am 15. September 2024 im Museum Schloss Moyland.

Gezeigt wird eine von Momo Giesen kuratierte Auswahl der 63 Photographien, die sich in der Sammlung des Museum Schloss Moyland befinden und von den Brüdern van der Grinten ab 1960 erworben wurden. In der Ausstellung ist es möglich, in das faszinierende Werk des renommierten Modephotographen Willy Maywald einzutauchen.

Willy Maywald wurde 1907 in Kleve geboren, wo er im bekannten Hotel Maywald seiner Familie aufwuchs und früh Kontakt zu illustren Kreisen erhielt. Bekennend homosexuell, wurde ihm Kleve schnell zu klein und er zog – nach Zwischenstationen in Krefeld und Berlin – bald nach Paris, wo er Berühmtheit erlangte, da er u.a. Christian Dior’s „New Look“ (siehe auch ->hier) oder Werke anderer Modedesigner wie Jacques Fath oder Balenciaga photographierte. Er arbeitete für Zeitschriften wie Harper’s Bazaar oder Vogue und in der französischen Metropole eröffneten sich für ihn Zugänge zu einflussreichen Künstler*innen wie Pablo Picasso, Georges Braque, Fernand Léger und Juliette Greco, die er in sehr eindrucksvollen Porträts festhielt.

Die Ausstellung bietet einen Einblick in die Gedankenwelt des Photographen. Besucher*innen können die porträtierten Künstler*innnen auf eine persönliche, sehr individuelle und private Weise kennen lernen.

Zudem wird dort die WDR-Produktion „Eleganz des Blicks – Der Fotograf Willy Maywald“ der Regisseurin Annette von Wangenheim gezeigt, die einen eindrucksstarken Blick auf Maywalds Leben wirft und interessante Eindrücke von Wegbegleiter*innen einfließen lässt. Der Film hatte übrigens bei der aus Anlass von Maywalds 100. Geburtstag 2007 von Valentina Vlašić kuratierten Klever Maywald-Ausstellung „Glanz und Eleganz“ im Museum B.C. Koekkoek-Haus eine seiner Uraufführungen (siehe bspw. ->hier und ->hier). 

Weitere Infos über die Ausstellung 2024 im Museum Schloss Moyland ->hier.

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Resultat der großen Jan Baegert-Retrospektive 2024: 4 originale Kunstwerke bereichern ab sofort die Klever Sammlung!

Ein höchst erfreuliches Resultat der großen Altmeister-Ausstellung „Schönheit & Verzückung. Jan Baegert und die Malerei des Mittelalters“ (24.03. – 23.06.2024) ist, dass ab sofort vier weitere originale Kunstwerke von Jan Baegert die Klever Sammlung bereichern und als Dauerleihgaben vor Ort bleiben. Drei dieser vier Arbeiten künftig unabhängig voneinander zu zeigen, würde auch keinerlei Sinn machen – das hat die Klever Ausstellung deutlich gemacht. Denn die Arbeiten bildeten ursprünglich große zusammenhängende Tafelgemälde des Jan Baegert, die kurz nach 1500 entstanden sind und vermutlich kurz nach 1800 zersägt wurden. 

Sie müssen großartig gewesen sein und das Œuvre des Jan Baegert (um 1465–nach 1535) zu Lebzeiten unter seinen Mitmenschen gefestigt haben: der vermutlich über 4 Meter breite Kreuzigungs- oder Passionsaltar sowie der wahrscheinlich 2,5 Meter breite Marienaltar. Heute sind von diesen Meisterwerken leider nur noch Fragmente vorhanden: Vom Kreuzigungs- oder Passionsaltar konnten in der Klever Ausstellung erstmals überhaupt 9 Fragmente aus 6 Museen zusammengeführt werden, vom Marienaltar 4 Fragmente aus 3 Museen. 

Vom Kreuzigungs- oder Passionsaltar bleiben künftig die drei Fragmente links oben zusammen, die den Reiterzug aus Jerusalem zeigen (im Eigentum des Museums für Kunst und Kulturgeschichte Dortmund), die Kreuztragung Christi, begleitet von der Heiligen Veronika mit dem Schweißtuch und der Würfelszene (im Eigentum des Badischen Landesmuseums Karlsruhe), sowie Maria Muttergottes, die von Johannes und Maria Salomé gehalten wird (im Eigentum der Klever Sammlung).

Diese drei Fragmente wurden kurz nach 1800 auf absurde Weise voneinander getrennt: die Zerteilungen gingen direkt durch Personen und architektonische Details. Das Hinterteil eines gelbrot gekleideten Soldaten ist auf dem Fragment in Dortmund zu sehen, während sein Kopf und ein ausgestrecktes Bein nach Karlsruhe ragen; ein blauweiß gekleideter Soldat steht mit seiner linken Körperhälfte in Karlsruhe, während seine rechte in Kleve zu sehen ist; usw. Ein Berg im Hintergrund der Szenerie beginnt in Kleve und geht nach Karlsruhe über, die Stadtmauer Jerusalems ragt von Karlsruhe rüber nach Dortmund usw. 

Noch absurder mutet die Zerteilung der Fragmente des Marienaltars an: auf dem Klever Fragment sind kniende Männer an einer Bettkante zu sehen, die für Besucher*innen i.d.R. alleine nicht zu identifizieren sind. Erst zusammen mit dem Fragment aus Karlsruhe erschließt sich die Szenerie, denn die Bettkante geht in die im Bett sitzende Maria über, die dort kurz vor ihrem Tod erscheint. Ohne das Karlsruher Fragment ist das Klever Fragment nicht zu begreifen – und umgekehrt. 

Die beiden Museen – das Museum für Kunst und Kulturgeschichte in Dortmund und das Badische Landesmuseum in Kalsruhe – stimmten der Dauerleihanfrage aus Kleve umgehend zu, da sie die gemeinsame Präsentation in diesem plausiblen Kontext ebenfalls als völlig überzeugend erachteten. Die Werke sollen künftig gemeinsam ausgestellt werden. Zum gegebeben Zeitpunkt sollen sie auch in Rotation in den beiden anderen Museen gezeigt werden. So schließt sich der Kreis und zumindest drei ehemals zusammengehörige Teile können endlich wieder dauerhaft gemeinsam präsentiert werden – so, wie sie vom Künstler ursprünglich angedacht gewesen sind. 

Eine vierte Arbeit bleibt ebenfalls als Dauerleihgabe in Kleve, die Christus am Kreuz mit Heiligen und Stifter zeigt. Sie ist in mehrfacher Hinsicht wichtig für die Klever Sammlung, da sie nicht nur ein Frühwerk aus dem Schaffen des Künstlers ist, sondern auch aus Jan Baegerts Geburtsstadt Wesel stammt. Sie wird dem Klever Museum als Dauerleihgabe des Städtischen Museums in Wesel überreicht. Zudem ist im Hintergrund die Klever Schwanenburg zu sehen. Beim eingangs beschriebenen Kreuzigungs- oder Passionsaltar des Jan Baegert konnte bislang leider kein einziges Fragment des Gekreuzigten selbst wiederentdeckt und zugeschrieben werden – was ab sofort durch die Weseler Dauerleihgabe (zumindest in kleinerem Maßstab) kompensiert werden kann. 

[verfasst von Valentina Vlašić, Kuratorin im Museum Kurhaus Kleve]

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Derick und Jan Baegert: die zwei spektakulären Digitalisate der Altäre von Vater und Sohn gehen in die Klever Sammlung ein

Im Zentrum der großen Mittelalter-Retrospektive „Schönheit & Verzückung. Jan Baegert und die Malerei des Mittelalters“ (24.03. – 23.06.2024) im Museum Kurhaus Kleve standen zwei Hauptwerke von Jan Baegert, von denen heute bedauerlicherweise nur noch Fragmente erhalten sind: der Passionsaltar und der Marienaltar. Bei ihnen handelte es sich um die Höhepunkte im Œuvre des mittelalterlichen Meisters. Um Besucher*innen einen Eindruck der ursprünglichen Opulenz des Passionsaltars zu ermöglichen, fertigte das Museum Kurhaus Kleve Digitalisate zweier Passionsaltäre an, die die Motivik, den Bildaufbau und das Kolorit des zerstörten Meisterwerks besitzen. Nach Ablauf der Ausstellung gehen nun beide Digitalisate dieser Altäre in die Sammlung des Museum Kurhaus Kleve ein. 

Das eindrucksvolle Digitalisat des Hochaltar-Retabels von Jan Baegerts Vater Derick bildete den inoffiziellen Höhepunkt der Ausstellung. Auf der Mitteltafel der Feiertagsseite, die fast vier Meter breit ist, finden sich zahlreiche für Kleve wichtige Details: Dort sind nicht nur zwei Klever Grafen und Herzöge hoch zu Ross dargestellt (Graf Adolf I. von Kleve-Mark und Herzog Johann I. von Kleve), sondern auch eine der ältesten Darstellungen der Klever Schwanenburg. Derick Baegert präsentierte sich auf dieser Tafel selbstbewusst im Selbstporträt (rechts oberhalb der Heiligen Veronika, die das Schweißtuch hält) – und zwar knapp 25 Jahre bevor Dürer sein bedeutendes Selbstporträt fertigte.

Die vielfigurige Massenszene enthält zahlreiche Haupt- und Nebenszenen, Simultan- und Zeitebenen. Christus als Gekreuzigter nimmt das Zentrum ein, ist zeitgleich aber im linken Hintergrund noch beim Reiterzug aus Jerusalem zu sehen sowie im rechten Hintergrund bei der Kreuzabnahme, Beweinung und Grablegung. Im Vordergrund bricht seine Mutter Maria unter dem Kreuz zusammen, gehalten von Johannes und Maria Salomé. Maria Magdalena umgreift in Agonie den Kreuzesbalken. Vermutlich nahezu identisch verhält sich der Bildaufbau bei Jan Baegerts vermutetem Meisterwerk des Passionsaltars – und anhand der ungemein hohen Qualität der Fragmente ist zu vermuten, dass Jan Baegert dabei seinen Vater Derick vermutlich bei weitem übertroffen hat.

Doch während Derick Baegert das Glück hatte, dass sein Altar seit fast 550 Jahren an ein- und demselben Ort – nämlich der Propsteikirche St. Johannes Baptist in Dortmund – steht, ist beim Passionsaltar des Jan Baegert nichts bekannt – weder der Auftraggeber, noch der Standort oder der Zeitpunkt der Zerstörung. Es konnten lediglich 9 Fragmente in 6 unterschiedlichen Museen identifiziert werden, die in der Klever Ausstellung erstmals überhaupt zusammenhängend präsentiert wurden. Da essentielle Teile nach wie vor fehlen – beispielsweise konnte bislang kein einziges Fragment des Gekreuzigten selbst entdeckt und zugeschrieben werden – griff das Klever Museum auf das moderate Mittel zurück, den Besucher*innen die volle Opulenz der mittelalterlichen Arbeit durch das Digitalisat des Dortmunder Hochaltars des Vaters zu veranschaulichen – eine Rechnung, die nach den Resonanzen der Besucher*innen voll aufgegangen ist. Die Qualität des durch die Julius Fröbus GmbH angefertigten Digitalisats des Hochaltars überzeugte voll und ganz. 

Um sich nicht nur auf die Arbeit des Vaters zu konzentrieren und auch das einzige Altarretabel von Jan Baegert zu zeigen, das noch heute der ursprünglichen Intention des Künstlers entspricht, ließ das Museum Kurhaus Kleve auch den sogenannten „Cappenberger Altar“ als Digitalisat anfertigen. Er weist abermals dieselbe Szenerie – eine vielfigurige Kreuzigung mit u.a. Reiterzug, Kreuzabnahme und Beweinung etc. – auf. Er ist geradezu idealtypisch für die Bildsprache Jan Baegerts mit seinen properen Gesichtern, runden Körperformen, modischen Kleidungsstücken und mehr. Er ist auch insofern von Bedeutung, da er Jan Baegert über 80 Jahre lang den Notnamen „Meister des Cappenberger Altars“ einbrachte, der ihm sogar noch heute anhängt. So bezeichnet ihn beispielsweise die National Gallery in London nach wie vor auf diese Weise und nennt seinen Namen lediglich in Klammern, ergänzt um ein Fragezeichen. 

Beide Digitalisate, die in enger Absprache mit den Eigentümern erstellt wurden – der Propsteikirche St. Johannes Baptist in Dortmund und der Stiftskirche Schloss Cappenberg in Selm –, gehen nun in die Sammlung des Museum Kurhaus Kleve ein, wo sie den Bestand der originalen Kunstwerke der niederrheinischen Malerei trefflich ergänzen. Präsentiert oder ausgeliehen werden dürfen sie nur nach Zustimmung der Eigentümer, die für jeden Anlass neu eingeholt werden muss. 

[verfasst von Valentina Vlašić, Kuratorin im Museum Kurhaus Kleve]

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ENDLICH MIT GESICHT + PROFIL: Porträts der bedeutenden Jan Baegert-Forscherin Gundula Tschira-van Oyen

Ohne sie hätte die Altmeister-Ausstellung „Schönheit & Verzückung. Jan Baegert und die Malerei der Mittelalters“ (24. März – 23. Juni 2024) im Museum Kurhaus Kleve nicht realisiert werden können: Gundula Tschira-van Oyen, die große Jan Baegert-Forscherin, von deren Zuschreibungen, Kenntnissen und Entdeckungen alle nachkommenden Generationen an Kunsthistoriker*innen profitieren werden. Leider war sie bislang genauso wenig bekannt wie ihr Forschungsgegenstand, der niederrheinische mittelalterliche Maler Jan Baegert aus Wesel. Dank der Ausstellung im Museum Kurhaus Kleve sind nun weitere Informationen über ihr Leben aufgetaucht. 

Die Gender-and-Diversity-Studentin Jessica „Violet“ Roberts, die im Zuge ihres Studiums an der Hochschule Rhein-Waal ein 6-monatiges wissenschaftliches Praktikum im Museum Kurhaus Kleve absolvierte (weitere Infos ->hier), bei dem sie u.a. auch als Junior-Kuratorin an der Konzeption der Ausstellung mitarbeitete, stellte sich die Frage, warum eine 1925 in Lobberich am Niederrhein geborene Kunsthistorikerin ausgerechnet über einen mittelalterlichen Maler aus Wesel promovierte. Den Forschungsstand trug Roberts in einem kenntnisreichen Beitrag im Katalog der Ausstellung zusammen (weitere Infos zum Katalog ->hier). 

Dabei war es ihr trotz kurzfristiger intensiver Recherche während der Ausstellungsvorbereitung leider nicht möglich an essentielle Informationen über Gundula Tschira-van Oyen zu gelangen, wie beispielsweise wann sie gestorben ist oder wie sie ausgesehen hat. Einen dementsprechenden Aufruf platzierte sie am Ende ihres Artikels, den die Kuratorin der Ausstellung, Valentina Vlašić, bei (fast) allen ihren Führungen wiederholte. 

Diesen Aufruf nahm sich ein Mitglied des Freundeskreises, Wolfgang R. Müller aus Rees, zu Herzen und recherchierte einige Wochen lang auf eigene Faust. Ihm gelang schließlich der Coup, die Kontaktaufnahme zu einem direkten Familienmitglied von Gundula Tschira-van Oyen: zu einem ihrer drei Kinder. 

Diese Tochter – deren Name und Kontaktdaten dem Museum Kurhaus Kleve bekannt sind, aber die nicht veröffentlicht werden sollen – stellte dem Museum Kurhaus Kleve die hier vorliegenden fünf Porträts aus den 1960er Jahren der Kunsthistorikerin zur Verfügung. Sie zeigen Gundula Tschira-van Oyen als wachen Geist und als Frau mit Verstand, Stilsicherheit und Humor. Es sind die ersten Porträts überhaupt, die von ihr veröffentlicht werden.

Zeitlebens erhielt sie für ihre Forschungen nie die Anerkennung, die ihr gebührte – weshalb der Ausstellungskatalog des Klever Museums von 2024 ihr gewidmet ist. Ihre Tochter bestätigte, dass sie sich nach der Geburt ihrer drei Kinder vorwiegend um ihre Familie kümmerte und ihre Forschungen zeitlebens hinten an stellte. 

Sie starb – wie von den Klever Museumsleuten vermutet – kurze Zeit nach ihrer Korrespondenz mit dem damaligen Museumsdirektor Guido de Werd im Alter von 76 Jahren. Beide schrieben sich im November und Dezember 2001, Gundula Tschira-van Oyen interessierte sich – wie sollte es anders sein – um eine Arbeit von Jan Baegert, für die sie dem Klever Museum gratulierte. Die komplette Korrespondenz ist im Beitrag von Roberts im Katalog zur Ausstellung abgedruckt. Gundula Tschira-van Oyen starb nur wenige Monate später, am 23. September 2002. Somit verbrachte sie ihr gesamtes Leben mit der Forschung zu Jan Baegert. 

Ihre Familie besuchte die Ausstellung in Kleve und war vom Engagement und der Zuschreibung des Kuratorenteams tief berührt. Sie bleibt dem Museum weiterhin verbunden. Mit den Passphotos, die sie dem Klever Museum bereitgestellt hat, erhält die Wissenschaftlerin nun auch endlich ein (äußerst sympatisches) Gesicht.

[verfasst von Valentina Vlašić, Kuratorin im Museum Kurhaus Kleve]

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Schenkung von sieben Aquarellen der Berner Malerin Lisa Hoever für die Klever Sammlung

Im Frühsommer 2024 erhielten das Museum Kurhaus Kleve und sein Freundeskreis eine Schenkung von sieben delikaten, kleinformatigen Aquarellen der Malerin Lisa Hoever (geboren 1952 in Münster). Die Künstlerin studierte an der Düsseldorfer Kunstakademie und zog, nach Zwischenstationen u.a. in Berlin und Florenz, nach Bern, wo sie seit über fünfunddreißig Jahren lebt und arbeitet.

Lisa Hoever ist eine Malerin abstrakter Werke, deren Inspiration in der Natur zu finden ist, besonders bei Pflanzen. Die Motive, die sie in der Realität sieht, versetzt sie auf das Papier, mal vergrößert, mal verkleinert, mal ausgeschnitten, mal im Ganzen, wodurch sie ihnen eine zeitlose Eleganz und Präsenz verleiht.

Lisa Hoevers Hauptwerkzeug ist Farbe, die sie auf magische Weise zu komponieren versteht. Sie arbeitet vornehmlich mit Aquarellfarben, die schnell trocknen und keine nachträglichen Änderungen zulassen. Sie formuliert ihre Motive schnell, präzise und kompakt. Trotzdem zeichnen sich ihre Arbeiten durch eine hohe Leichtigkeit und Transparenz aus, deren Muster und Ornamente das Auge der Betrachter*innen zu hypnotisieren und nicht loszulassen verstehen. Gleichzeitig gleicht keines ihrer Aquarelle dem anderen, jedes besitzt einen eigenen Charakter, eine eigene Persönlichkeit, Stimmung und Atmosphäre.

Einzelnen Kunstwerken unterlegt die Künstlerin Kommentare in der Form von Gedichten, die viel über ihr Selbstverständnis und Denken preisgeben. Als Beispiel sei genannt:

Gesicht bleibt Gesicht
Mauer bleibt Mauer
Dickicht & Gezweig
Wolke über Wolke doch Luft dazwischen
für Rufe & Schauer
Auch Pigmente ausbringen wie der Bauer den Mist damit auf den Planquadraten des Sichtbaren gedeihen möge
die Schönheit dieser ersten und letzten Feldfrucht
des Seins

Die Schenkung von sieben originalen Aquarellen an das Klever Museum fand durch einen schönen Zufall zustande. Lisa Hoever hegt einen engen Kontakt zum Niederrhein, den sie regelmäßig besucht. Ihre Schwester Ida Hoever lebt und arbeitet am Niederrhein, wo sich die weit verstreute Familie einmal jährlich zu treffen pflegt. Das Museum Kurhaus Kleve ist beiden kunstsinnigen Schwestern bestens bekannt.

Lisa Hoevers Nichte machte die Künstlerin auf einen Eintrag auf der Sammlungswebsite des Museum Kurhaus Kleve vom Sommer 2022 aufmerksam (siehe hier: https://sammlung.mkk.art/projekte/209-schne-kleine-schenkung-aus-privatbesitz-ein-abstraktes-bild-der-malerin-lisa-hoever), bei dem beschrieben ist, dass Gründungsdirektor Guido de Werd dem Museum eine Edition von Lisa Hoever geschenkt hat. Die Edition wurde im Museum Franz Gertsch in Burgdorf in der Schweiz herausgegeben, wo 2021-22 eine große Übersichtsausstellung der Arbeiten von Lisa Hoever zu sehen war. Guido de Werd empfand die Arbeit als passende Ergänzung zur vorhandenen Klever Sammlung – mit Arbeiten u.a. von Ulrich Erben, Karl Otto Götz, Günther Förg oder Franz Gertsch.

Als Lisa Hoever auf die Schenkung aufmerksam wurde, war sie darüber derart erfreut, dass sie das Museum Kurhaus Kleve kontaktierte und nicht nur die Schenkung des originalen Aquarells – das als Grundlage für die von Guido de Werd geschenkte Edition diente – tätigte, sondern darüber hinaus weitere sechs kleinformatige Aquarelle nachlegte, die in künftigen Sammlungspräsentationen in einer Serie gemeinsam präsentiert werden können.

Den besonders schönen und aussagekräftigen kleinformatigen Blättern haftet eine starke Präsenz und unverwechselbare Bildsprache an. Die digitalen Wiedergaben werden den formschönen Unikaten kaum gerecht, die durch eine bestechende Kombination aus Farbkraft und Komposition überzeugen.

[verfasst von Anastasiia Chaban (weitere Informationen ->hier) und Valentina Vlašić]

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Nachruf auf Bibliothekar Klaus Nöller (1957–2024)

Am 20. März 2024 verstarb völlig überraschend Klaus Nöller (1957–2024), der seit 1997 Bibliothekar am Museum Kurhaus Kleve gewesen ist und Wertvolles – wie kein Zweiter – für die Sammlung des städtischen Klever Museums geleistet hat. Durch diesen Nachruf soll seinen großartigen Leistungen im Bereich der Sammlung sowie seinem liebenswürdig-eigenwilligem Charakter gedacht werden. 

Klaus Nöller studierte Ingenieurswesen in Köln, konnte einen Beruf wegen einer frühen schweren Erkrankung jedoch nie ausüben. Als ihn der Gründungsdirektor des Museum Kurhaus Kleve, Guido de Werd, bei der Ausübung einer für sein Können nicht angemessenen Maßnahme des Arbeitsamts im Rathaus der Stadt Kleve kennenlernte, erkannte er seiner wachen Verstand, seinen Humor und seine Fähigkeiten. Glücklicher Weise war es ihm möglich, ihn in das städtische Museum zu holen. Dort wurde Klaus Nöller eingangs noch durch die Stadt Kleve beschäftigt, danach – da Guido de Werd seine Leistungen für die Sammlung honorierte – wurde seine Anstellung jahrzehntelang durch den Freundeskreis Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. fortgeführt.

Im neu gegründeten Klever Museum übernahm Klaus Nöller die Stelle des Bibliothekars, in der neu von Walter Nikkels gestalteten Bibliothek im zweiten und dritten Obergeschoss des Gebäudeteils Badhotel. Hier entwickelte und realisierte er zusammen mit Guido de Werd und vor allem Roland Mönig (von 1997 bis 2014 u.a. stellvertretender Museumsdirektor und Kustos der Sammlung) eine bis heute gültige Inventarverwaltung, die u.a. alphabetisch sortierte Künstler*innen-Namen und vielschichtige Themengebiete enthält (z.B. nach Gattungen wie Gemälde, Photographie oder Kunstgewerbe sortiert; oder nach Zeitalter wie Mittelalter, Barock oder Bauhaus; topographisch gegliedert und vieles mehr).

Hier erfasste Klaus Nöller in den Jahren seiner Tätigkeit 45.000 Bücher – mehr Datensätze, als jede/r andere Mitarbeiter*in bislang inventarisiert hat. 

Dabei hat Klaus Nöller u.a. präzise Buchtitel, Künstler*innen- und Autor*innen-Namen, Erscheinungsort und -jahr sowie Verlag erfasst. Ohne diese essentielle Tätigkeit wären die Wissenschaftler*innen des Museum Kurhaus Kleve nicht in der Lage, ihrer Arbeit fachkundig nachzugehen, zu recherchieren und kunsthistorische Forschung zu betreiben. 

Um welche Bücher handelte es sich dabei? Klaus Nöller inventarisierte sämtliche Katalogneuerscheinungen beider Klever Museen – des Museum Kurhaus Kleve als auch des B.C. Koekkoek-Hauses, die er u.a. auch immer direkt bei der Deutschen Nationalbibliothek meldete und auch unaufgefordert dorthin versandte. Er führte die ISBN und die Nummern der Schriftenreihe Museum Kurhaus Kleve und half dem Freundeskreis auch beim Versand der Museumskataloge, die von Privatleuten bestellt wurden und per Post verschickt werden mussten. Er erfasste auch alle Kataloge dem Klever Museum verbundener Künstler*innen und weiterer Personen, von denen jede Woche unzählige Exemplare im Museum eintreffen.

Klaus Nöller kümmerte sich auch jahrzehntelang um den professionellen sogenannten „Schriftentausch“, bei dem er sich um den kostenlosen Tausch von Fachpublikationen zwischen Museen, Bibliotheken und Lehr- und Forschungsinstituten handelt, wofür i.d.R. ein großer Aufwand an Kommunikation und Schriftverkehr notwendig ist.

Klaus Nöller erfasste auch komplette Bibliotheken, die dem Museum und seinem Freundeskreis aus Nachlässen und Vermächtnissen zugedacht wurden. Dazu gehörten u.a. die bedeutende Sammlung an alten Büchern von 1500 bis 1900 von Robert Angerhausen, aber auch die Bibliothek von Ewald, Hanna und Sonja Mataré, die Bibliothek von Alex Vömel, die Bibliothek von Bernd Füchte, die Bibliothek von Gerard Lemmens und nicht zuletzt die Bibliothek von Rose und Gustav Wörner, für die Klaus Nöller 2018 in einer konzentrierten Aktion mit weiteren Museumsmitarbeiter*innen und Ehrenamtlichen des Freundeskreises die komplette Bibliothek des Museum Kurhaus Kleve umräumen musste (damals ca. 15 Tonnen an Büchern). 

Als 1997 die Museumsdatenbank „Faust“ eingeführt wurde, war es Klaus Nöller, der alle zuvor von Friedrich Gorissen und Guido de Werd handschriftlich verfassten Inventarkarten in das neue digitale System abtippte. Als die Datenbank 2006 von „Faust“ auf „MuseumPlus Classic“ wechselte, war es Klaus Nöller, der sie für die neuen Formularfelder anpasste. Als 2015 die Notwendigkeit der Permanentinventur im Museum Kurhaus Kleve ankam, war es Klaus Nöller, der zusammen mit Valentina Vlašić jedem städtischen Kunstwerk eine Anlagenummer des SAP-Systems hinterlegte. Als Valentina Vlašić 2020-2021 die Sammlungswebsite des Museum Kurhaus Kleve finalisierte, war es Klaus Nöller, der dafür sorgte, dass tausende Datensätze an Literatur fristgerecht unter jedem online abrufbaren Kunstwerk verfügbar waren. 

In den 1990er und 2000er Jahren war es Klaus Nöller, der akkurat für jede einzelne Ausstellung Pressemappen zusammenfügte und kopierte, die anschießend problemlos an Fördermittelgeber zum Ausweiß der Tätigkeiten versandt werden konnten. Er führte ein Zeitschrifteninventar und legte jeden Lexikonband (vom Thieme-Becker über SAUR – Lexika aller Zeiten und Völker) geflissentlich an. Bis zum letzten Augenblick realisierte er für jede Ausstellung, zu der ein Katalog erschienen war, den Katalogversand an Leihgeber*innen, Fördermittelgeber*innen und die Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst. Jede ihm zugedachte Arbeit hinter den Kulissen, die meistens kein Dankeschön erhielt oder keine öffentliche Wahrnehmung besaß, realisierte er akkurat und ohne zu murren. 

Klaus Nöller war ein Klever Sohn, der entfernte Familie in Emmerich besaß, zu der er jedoch kaum Kontakt hielt. Die Kolleg*innen im Museum Kurhaus Kleve waren wie eine Ersatzfamilie für ihn – und er für sie. Bei jeder Betriebsfeier, egal, ob Weihnachtsfeiern oder Geburtstagsessen, fand er sich in ihrer Mitte ein und war unverzichtbarer Bestandteil und gern gesehener Teilnehmer. Er hörte gerne jedwedem Schwatz aus seinem beruflichen Umfeld zu, verlor jedoch selbst nie ein Wort zu viel über sich selbst – außer, wenn es um seine große Leidenschaft, den Fußball ging. Hier kommentierte er mit großem Witz und Ironie die Siege und Verluste kürzlich stattgefundener Spiele. Er kam nicht zu allen Ausstellungseröffnungen, doch wenn er erschien, war es für die Museumsmitarbeiter*innen – augenzwinkernd – wie ein royaler Adelsschlag für deren monatelange Vorbereitungen.

Obwohl er nicht viel besaß, brachte er an jedem 12. Juni, zu seinem Geburtstag, für die komplette Belegschaft Erdbeerkuchen mit Sahne mit, wozu er seine Kolleg*innen immer pünktlich um 10 Uhr zum gemeinsamen Verzehr zusammentrommelte. Da er kein Auto besaß, erledigte er diesen Einkauf immer zu Fuß, bei jedwedem Wetter und trotz seiner schweren Erkrankung. Unvergessen bleibt sein stets langsamer, geradezu gemütlich erscheinender Gang, wenn man ihn mal auf der Straße sah und/oder traf. Er wirkte immer, als sei er völlig frei und würde ohne Hast über einen Strandboulevard spazieren, und nicht schnellen Schrittes an einer viel befahrenen Straße zur Arbeit marschieren. 

Klaus Nöller arbeitete nur zwei Tage die Woche, montags und mittwochs, jeweils von 8.30 Uhr bis 15.00 Uhr. Zeitlebens kam er keine Sekunde zu spät zur Arbeit. Urlaubs-, Krankheits- oder sonstige Abwesenheitszeiten kannte er so gut wie nicht, da das Museum seinen einzigen Sozialkontakt darstellte. Man konnte immer auf ihn zählen und er lehnte nie eine Arbeitsaufforderung ab. Auch wenn die Zeiten fordernd und anspruchsvoll waren (wie z.B. während der Jahre mit dem Corona-Virus), war Klaus Nöller eine Konstante, ein Fels in der Brandung. Obwohl er zeitlebens krank und sozial schwach aufgestellt war, beschwerte er sich nie und verlor nie ein schlechtes Wort über seine Mitmenschen und Kolleg*innen.

Wir werden ihn vermissen, für seine Arbeit und ihn als Menschen, und seiner in Freundschaft gedenken. Die Arbeit, die er für das Museum geleistet hat, ist unanfechtbar und sucht ihresgleichen. 

[verfasst von Valentina Vlašić, stellvertretend für die Mitarbeiter*innen des Museum Kurhaus Kleve]

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Spätmittelalterliche Skulpturen vom Niederrhein in der Sammlung des Museum Kurhaus Kleve

Das Museum Kurhaus Kleve verfügt über eine bedeutende Sammlung niederrheinischer Skulptur des 15. und 16. Jahrhunderts. Im Kontext eines wirtschaftlichen Aufschwungs des Herzogtums Kleve-Jülich-Berg vollzog sich eine einzigartige Entwicklung der Architektur, Malerei und besonders der Skulptur. Von 1450 bis 1550 entstanden Werke von außerordentlicher Qualität in den Bildhauerwerkstätten in Kleve und Kalkar.

Zu den bekanntesten Künstlern, die auch in der Sammlung des Museum Kurhaus Kleve prominent vertreten sind, zählen Meister Arnt von Kalkar und Zwolle, Dries Holthuys, Henrik Douverman und Arnt van Tricht.

Meister Arnt von Kalkar und Zwolle leitete ein Atelier, das ein Gebiet von Zwolle bis an die Maas belieferte. Der stark linear geprägte Stil seiner Werke entfaltete sich unter dem Einfluss der Brabanter Malerei und Skulptur, vor allem des in Brüssel arbeitenden Malers Rogier van der Weyden. Der Klever Bildhauer Dries Holthuys war vermutlich sein Schüler und setzte Arnts Stil fort. Henrik Douverman wiederum schuf Figuren wie die „Heiligen Drei Könige“, die mit ihrer weltlichen Pracht, den „Herbst des Mittelalters“ (J. Huizinga) verdeutlichten.

Nicht zuletzt stehen zwei Handtuchhalter von Arnt van Tricht für die Frührenaissance: wobei besonders die Darstellung eines Liebespaares mit einer Kalkarer Bürgerin und einem Narren wegen seiner körperlich-sinnlichen und geistreichen Darstellung ein Highlight der Sammlung darstellt.

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Ausleihe von fünf Graphiken und Photographien nach Kalkar

Das Museum Kurhaus Kleve unterstützt hiesige Institutionen und Vereine vor Ort stets gerne mit Leihgaben aus seiner Sammlung. Für den Herbst/Winter 2023/2024 leiht es fünf Kupferstiche und Photographien aus seinem reichen graphischen Fundus, um die Ausstellung „Niedermörmter | Kirchdorf am Rhein | Geschichte und Geschichten von Menschen, Land und Wasser“ im Städtischen Museum Kalkar zu unterstützen, die von 19. November 2023 bis 4. Februar 2024 zu sehen sein wird.

Der Verein der Freunde Kalkars, der seit 1994 das Ausstellungsprogramm des Städtischen Museum Kalkars erarbeitet und umsetzt, hat 2017 in unregelmäßigen Abständen begonnen, Ausstellungen über die einzelnen Stadtteile Kalkars zu erarbeiten und durchzuführen. Er versucht anhand von spannenden Originalen den Menschen ihre Heimat von einer z.T. unbekannten Seite zu zeigen.

Die hier vorliegende Ausstellung ist die vierte in dieser Reihe. Reeserschanz gehört heute zu Kalkar-Niedermörmter, (das NSG Reeserschanz, direkt neben der Siedlung, gehört zu Wesel) war in früherer Zeit ein Teil der Festung Rees.

Mit diesen Stadtteilausstellungen möchte der Verein der Freunde Kalkars e.V. neue Besucher*innen-Gruppen in das Städtische Museum Kalkar bringen. Angesprochen sind alle, aber vor allem auch Menschen, die noch nie im Städtischen Museum waren und nun sehen wollen, was es über Ihre Heimat zu erzählen gibt. Diese sollen positiv überrascht werden über den Reichtum und die Fülle ihrer Heimat und Region. 

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Eindrucksvolle Schenkung an Kunstwerken von Hanns Lamers und seiner Familie

Im September 2023 erhielt das Museum Kurhaus Kleve aus Privatbesitz eine eindrucksvolle Schenkung von 60 Kunstwerken und Archivalien von und aus dem Umkreis von Hanns Lamers (1897–1966). Darunter befinden sich Aquarelle, Ölbilder, Hinterglasgemälde, Holzschnitte, Zeichnungen, Skizzen und Dokumente von Hanns Lamers persönlich, aber auch u.a. von dessen Onkel mütterlicherseits, Rupert Vordermayer (1843–1884). In der Schenkung befinden sich auch Kunstwerke und Archivalien seines Vaters Heinrich Lamers (1864–1933), seiner Cousine Waltraud Anna Lamers (1908–1992) und seines Bruders Heinz Lamers jun. (1896–1939). Ebenfalls vertreten sind Kunstwerke von Emil Orlik (1870–1932) und Gerhard Marcks (1889–1981). 

Hanns Lamers ist nicht nur als Bewohner des sogenannten „Belvedere“, des Atelierturms von Barend Cornelis Koekkoek, auf immer mit Kleve verbunden. Er beeinflusste auch den jungen Joseph Beuys, dessen väterlicher Freund und künstlerischer Ratgeber er zeitlebens gewesen ist. Hanns Lamers lebte und arbeitete in Kleve und pflegte von hier aus ein Netzwerk in halb Europa. Bei seinem Freund und Künstlerkollegen, dem Photographen Willy Maywald (1907–1986), in Paris hielt er sich jedes Jahr wiederkehrend mehrere Monate auf, wo er Ausstellungen und Galerien besuchte, deren Einfluss er nach Kleve mitbrachte. Aus Frankreich, z.B. St. Tropez, Cannes oder der Cote d’Azur, brachte er Einflüsse für seine Arbeit mit.

In der Sammlung des Museum Kurhaus Kleve befinden sich bereits unzählige Arbeiten von Hanns Lamers und seines familiären Umfelds, nicht nur aus dem persönlichen Besitz von Ilse Lamers (1902–1988), der Ehefrau von Hanns Lamers, die 1987 dutzende Werke dem Klever Museum übergeben hat, und auch aus anderem alten städtischen Besitz. Die hier beschriebene Schenkung bildet eine wunderbare Ergänzung der bereits vorhandenen Sammlung und ergänzt diese um kostbare Arbeiten aus mehreren Jahrzehnten. 

Besonders hervorzuheben ist ein frühes Aquarell aus seiner Studienzeit in Paris, als Lamers Reisen nach Nordafrika, Frankreich, Italien und Korsika unternahm. Dabei besuchte er auch die Künstlerstadt Positano südlich von Neapel, die insofern bemerkenswert ist, als er die eigentümliche Künstlerstadt naturalistisch, aber auch mit impressionistischen und surrealistischen Tendenzen darstellt. Kurz bevor Lamers 1935 da war, besuchte ein anderer für das Klever Museum wichtiger Künstler das berühmte Künstlerdorf: 1926 war Ewald Mataré da und malte ebenfalls mehrere Ansichten des bekannten Küstenorts. Die beiden Blickwinkel der Künstler anhand ihrer Werke in Relation zueinander setzen zu können, macht besondere Freude beim Betrachten und Interpretieren der Arbeiten. 

Einen eindrucksvollen Schritt in Richtung Abstraktion beschreitet eine Pfingstszene mit einer Ansicht der zwölf Apostel, die Flammen in Form von Kerzen auf ihren Häuptern aufweisen und in der zentralen Mitte vom Heiligen Geist in der Form einer Taube bekrönt werden. Die Figuren wirken wie Säulen und weisen blau gefärbte, nahezu geisterhafte Gesichter auf. 

Gesellschaftlich bedeutend ist eine Anzahl von 17 „Jahresschnitten“ von Hanns Lamers, von denen auch schon mehrere in der Sammlung zu finden sind. Hanns Lamers besaß die schöne Angewohnheit, jedes Jahr wiederkehrend zum Jahresende sogenannte „Jahresschnitte“ an Freunde, Sammler*innen und weitere Personen zu versenden, die religiöse Motive gepaart mit Kommentaren zur jeweiligen Zeit und Gesellschaft sowie mahnende Botschaften und Denkanregungen abgaben. Hanns Lamers nahm als Soldat am Ersten und Zweiten Weltkrieg teil, wodurch er mit seinen „Jahresschnitten“ seine Hauptbotschaft des Friedens und der gewaltfreien Zukunft an einen Kreis von Abnehmer*innen verteilen konnte. Immer wieder thematisiert er z.B. Krieg und Raketen, die als Symbol für die Entscheidung verstanden werden können, für die die gesamte Menschheit verantwortlich ist: Werden wir den technologischen Entwicklungsprozess für das Gemeinwohl oder für die Produktion von Kriegswaffen nutzen? Werden unsere Raketen Kriegswaffen sein oder Fahrzeuge, die die Raumfahrt ermöglichen?

Hanns Lamers ist nicht der erste in der Familie, der religiöse Motive verwendet. Sein Vater Heinrich Lamers war Kirchenmaler, und seine Mutter Johanna Lamers-Vordermayer (1870–1945) brachte die Kunst des Krippenbaus nach Kleve. Hanns Lamers’ Onkel Gerhard Lamers (1871–1964) war ebenfalls Kirchenmaler (manchmal mit Hilfe von Waltraud Lamers), und auch sein Onkel Rupert Vordermayer verwendete häufig religiöse Motive, von denen sich einige in dieser hier beschriebenen Schenkung befinden. Unter anderem sind Engel bei verschiedenen Tätigkeiten zu sehen (z.B. beim Musizieren, Trinken). Werke von Rupert Vordermayer waren bislang noch nicht in der Klever Sammlung vertreten. Rupert Vordermayer war Maler und studierte an der Kunstakademie München unter Professor Sándor (Alexander) von Wagner (1870–1919). Von ihm befinden sich auch gemalte Porträts und Skizzen in der Sammlung, die einen Einblick in seinen künstlerischen Schaffensprozess geben. In der Schenkung befinden sich mehrere Graphiken von Heinz Lamers jun., die veranschaulichen, wie versiert der Künstler in einer präzisen Strichführung war. 

Diese Schenkung bildet insgesamt eine treffliche Erweiterung des derzeitigen Bestandes an Kunstwerken dieser Familie, da sie den Künstler*innen, die bereits in der Sammlung vertreten waren, mehr Kontext verleiht, diese aber auch durch Werke eines familiären Kontextes erweitert, die bisher nicht Teil der Sammlung waren. Zwei Werke von Waltraud Anna Lamers, die einen großen Teil ihres Lebens in Nidau in der Schweiz verbracht hat (und auch am Ende ihres Lebens 1992 dort lebte), stellen ein solches Beispiel dar. 

Das Museum Kurhaus Kleve ist froh und dankbar, diese reiche Sammlung an Kunstwerken dieser für Kleve bedeutenden Künstlerfamilie als Schenkung für seinen Bestand von Klever Künstler*innen erhalten zu haben.

 

→Dieser Text zur Schenkung wurde verfasst von Jessica „Violet“ Roberts im Zuge ihres wissenschaftlichen Praktikums im Museum Kurhaus Kleve im Dezember 2023, die den Bestand als Teil ihres Praktikums von Oktober bis Dezember 2023 vollständig inventarisiert und online verfügbar gemacht hat. Weitere Informationen über die Arbeit von Jessica „Violet“ Roberts sind ->hier abrufbar. 

→Unter diesem Text sind die Höhepunkte der Schenkung als „verknüpfte Objekte“ angegeben. Unter folgendem Link ->hier lassen sich alle Werke der Schenkung online auf der Sammlungswebsite des Museum Kurhaus Kleve begutachten. 

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Das Lieblingskunstwerk der ukrainischen Jung-Künstlerin Anastasiia Chaban

Im September 2023 initiierte der Freundeskreis Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. die Aktion „Mein Lieblingsbild“, der zum 1. Europäischen Tag der Museumsfreunde startete (weitere Infos ->hier). Bislang beteiligt haben sich zahlreiche Mitglieder und Ehrenamtliche des Vereins, die interessante Texte und ungeahnte Schilderungen wiedergegeben haben. Aus dem Museum Kurhaus Kleve wurde die aus der Ukraine stammende Schülerin und angehende Künstlerin Anastasiia Chaban gebeten, ihr Lieblingskunstwerk zu beschreiben. Die junge, 19-jährige Frau traf eine ungewöhnliche Auswahl, die sie wie wie folgt begründete:

Mein Lieblingskunstwerk im Museum Kurhaus Kleve

Geschrieben von Anastasiia Chaban im September 2023, im Zuge ihres wissenschaftlichen Praktikums im Museum Kurhaus Kleve

Tacita Dean, „Darmstädter Werkblock“, 2008
8 Farb-Gravüren auf Somerset 300gr, je 495 x 655 mm
Museum Kurhaus Kleve – Dauerleihgabe des Freundeskreises Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V., erworben mit Unterstützung der Kunststiftung NRW
Inv. Nr. 2009-VI-II a-h

  • Über die Künstlerin

Die vielseitige Tacita Dean (geboren 1965 in England) macht Filme, Photos, Collagen und Zeichnungen. Ihre Arbeit finde ich absolut einzigartig, da sie mit ihren Kunstwerken Zeit und Geschichte beobachtet. Zufälligkeit ist ihr Werkzeug. Ihre Arbeit ist durchdrungen von Fragen zum Kulturverlust. Sie beschäftigt sich z.B. mit dem Wechsel von der analogen Photographie und dem analogen Film zur Digitalität. 

Tacita Dean studierte an der Falmouth Universität und erhielt 1992 einen Master-Abschluss an der Slade School of Fine Arts. Zu ihren bekanntesten Werken zählen u.a. die Filme „Disappearance at Sea“ (1996) und „Green Ray“ (2001). 

Sie lebt und arbeitet in Berlin, Deutschland. Ihre Werke befinden sich in den Sammlungen des Museum of Modern Art in New York, der Tate Gallery in London, des Reina Sofia National Museum in Madrid und des Hirshhorn Museum and Sculpture Garden in Washington, D.C.

  • Über das Kunstwerk

Wenn an mich die Aufgabe gestellt wird, das Kunstwerk zu nennen, das mir im Museum Kurhaus Kleve am besten gefällt, möchte ich nach einiger Bedenkzeit und einem Rundgang durch das Museum Kurhaus Kleve nennen: Tacita Dean, „Darmstädter Werkblock“. Warum spricht mich dieses 8-teilige Kunstwerk mit seiner spröden Oberfläche an?
 
Dafür gibt es viele Gründe. Einerseits sprechen mich seine ästhetischen Komponenten an, aber auch seine Farbkombination. Ich finde, diese Photographien hauchen einer Idee Leben ein. Sie machen mich aber gleichzeitig auch ein wenig traurig, wenn ich sie betrachte. Denn als ich mich über die Entstehungsgeschichte dieser Arbeit informierte, wurde mir klar, warum. Denn das Kunstwerk ist eine Reminiszenz an einen anderen Künstler, es steht in direktem Zusammenhang mit der Kreativität von Joseph Beuys. Daher möchte ich meine Ausführungen mit einem kurzen Bericht über ihn fortsetzen: 

Joseph Beuys wurde 1921 laut Wikipedia in Krefeld geboren, aber meine Ansprechperson im Museum Kurhaus Kleve, Valentina Vlašić, berichtete mir, dass er selbst sagte, dass er in Kleve geboren wurde. Von 1927 bis 1940 ging er in Kleve zur Grundschule und später zum Staatlichen Gymnasium. 1941 absolvierte er (als er in exakt meinem Alter war – auch ich bin gerade 19 Jahre alt) eine Ausbildung zum Funker, nachdem er sich freiwillig zur Deutschen Luftwaffe gemeldet hatte. 1945 geriet er in britische Gefangenschaft, aus der er freigelassen wurde und wonach er nach Kleve zurückkehrte. Diese Kriegsereignisse wirkten sich sicherlich stark auf seinen Geisteszustand aus, er kriegte Depressionen und es ging ihm öfters nicht gut. Er suchte seine Rettung in der Kunst. In Kleve suchte er die Nähe zu dem älteren Künstler Hanns Lamers, später studierte er in Düsseldorf Malerei und Bildhauerei an der Kunstakademie, wo er später von 1961 bis 1972 sogar eine Professur innehatte. 1959 heiratete er Eva Wurmbach, mit der er zwei Kinder bekam. Es gibt über Beuys so viel zu sagen, was ich heute noch nicht verstehe (z.B. seine Performances bei Alfred Schmela 1961 oder in New York, „I like America and America likes me“), aber das spielt für dieses Kunstwerk für den Moment vielleicht keine Rolle. 

Ich möchte vielmehr seine Arbeit im Hessischen Landesmuseum Darmstadt erwähnen, in der sich der größte authentische Komplex seiner Werke befindet, die er dort selbst zwischen den Jahren 1949 bis 1972 installiert hat. Joseph Beuys schuf ca. 290 Kunstwerke, die dort in sieben Räumen gezeigt werden. Dabei schuf er Kunst aus allem, was ihn umgab, und platzierte sie dort, wo sie theoretisch überhaupt nicht sein sollte. Dieser riesige Komplex gibt Auskunft über alles, was Joseph Beuys ausmachte: sein Denken, seine Biographie, die von ihm verwendeten Materialien und mehr. 

Tacita Dean zeigt durch ihre Arbeit „Darmstädter Werkblock“ ihren großen Respekt vor Beuys‘ Arbeit. Sie selbst sagt: „Alle Dinge, von denen ich angezogen bin, befinden sich in einem Stadion des Verschwindens“. Das trifft außerordentlich für diese Arbeit zu. In den Nullerjahren beschloss das Hessische Landesmuseum in Darmstatt, Restaurierungsarbeiten in den Räumen von Beuys vorzunehmen, wodurch viele Kleinigkeiten, die Beuys womöglich absichtlich hinterlassen hatte und die so von ihm angedacht waren, verschwunden sind. Tacita Dean photographierte Details seiner Großinstallation, um dadurch präzise in Erinnerung zu behalten, wie die Situation VOR dem Restaurierungseingriff war. Der Wert ihrer Photos besteht darin, dass sie die Authentizität von Joseph Beuys’ Kunst bewahren. Sie hat damit für uns die Zeit angehalten. Mit ihrer Arbeit teilt sie ihren persönlichen Blick auf diese Arbeit mit uns allen und zeigt, was die Aufrichtigkeit der Kunst ist und wie sie sich manifestieren kann. 

Was mich an ihrer Arbeit berührt, ist ihr Wunsch nach Aufrichtigkeit und Authentizität.

Weitere Informationen über Anastasiia Chaban sind ->hier nachzulesen. 

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Imposante Schenkung des Klever Malers Josef van Brackel für die Sammlung des Museum Kurhaus Kleve

In die Sammlung des Museum Kurhaus Kleve gelangte im Sommer 2023 als Schenkung aus Privatbesitz ein imposantes Gemälde des Klever Malers Josef van Brackel (1874–1959). 

Über den Künstler

Josef van Brackel gehörte einer Riege von bedeutenden Klever Künstler*innen an, die im 20. Jahrhundert in der Stadt lebten und wirkten. Sein Name ist in einem Atemzug mit z.B. Walther und Elna Brüx, mit Hanns Lamers, Achilles Moortgat, Bernd Schulte, Josef Mooren und mehr zu nennen. 

Van Brackel ist auf ganz besondere Weise mit Kleve verbunden. Er wurde am 7. Juni 1874 in Kleve geboren, wo er auch aufwuchs. Bis 1890 studierte er in der Werkstatt des Kirchenkünstlers Kevelar Friedrich Stummel (1850–1919). Von 1890 bis 1897 absolvierte er eine Studienreise nach Italien, wo er beispielsweise als Hospitant an der Kunstakademie Florenz tätig war. In Venedig ließ er sich durch die eindrucksvollen Mosaikarbeiten in der Kuppel von San Marco, die zwischen 829/32 un 1071 erstellt wurden, zu eigenen Studien inspirieren. Nach 1897 bis 1912 lebte und arbeitete van Brackel in Düsseldorf, Köln, München und Berlin. 

Josef van Brackel lebte von 1912 bis 1943 in Kassel. Er studierte an der Kunstakademie in Kassel, wo er auch ein Atelier besaß. Einer seiner Lehrer war der Professor und Kunstschriftsteller Hermann Knackfuß (1848–1915), der ihm zu einem prominenten ersten Auftrag verhalf: zur Ausführung eines figurenreichen Deckengemäldes im Rathaus zu Kassel nach Entwürfen von Prof. Knackfuß. Das Deckengemälde ist heute bedauerlicherweise nicht mehr erhalten, denn das Rathaus wurde 1943 im Zweiten Weltkrieg zerstört.

Seine Studienzeit in Kassel erweiterte van Brackel immer wieder durch Studienreisen nach Holland, Belgien, Italien und Österreich. Er nahm an Ausstellungen der Kunstakademie Kassel in Berlin teil, in München, in Düsseldorf und in weiteren Städten. 1943 verlor er sein Atelier in der Akademie in Kassel, als die Stadt während des Zweiten Weltkriegs ausgebombt wurde.

Josef van Brackel flüchtete danach zurück in seine Geburtsstadt Kleve, wo ihn dasselbe Schicksal einholte: 1944/1945 wurde auch Kleve ausgebombt, wodurch er seine Wohn- und Arbeitsstätte verlor. Nach dem Krieg befand er sich 1946 in Lendringsen (Sauerland), er kehrt aber 1947 zurück nach Kleve, wo er 1959 im Alter von 85 Jahren starb. Die letze Zeit seines Lebens verbrachte er im Herz-Jesu-Kloster in Kleve, wo er am 15. November 1959 starb. 

Die blaue Kammer

Sein bis heute berühmtestes Gemälde ist „Die blaue Kammer“ (1910), das sich in der Kreisverwaltung Kleve befindet. Es ist insofern erstaunlich, weil es auf einem monumentalen Format ältere Frauen zentral präsentiert – zu einer Zeit, als ältere Frauen schlichtweg uninteressant waren und nicht als abbildungswürdig galten.

Van Brackel setzt sie zentral in Szene, sie sitzen rund um den Betrachter auf Stühlen und sind in sich versunken. Zu sehen sind fünf betende ältere Frauen, die meditativ in sich gekehrt sind. Die Ausführung ist historistisch-figürlich, aber trotzdem zukunftsgewandt. Die Farben sind stark und ansprechend, die Malweise pastos und deckend.

„Van Brackel ist ein echter Lyriker, dessen Bilder jene heimliche Schwermut haben, die aus sich selbst zu klingen scheint“, schreibt ein Kritiker nach einer Ausstellung in Mannheim.

Zu Beginn seiner ersten Schaffensperiode malte der Künstler in einem traditionellen Stil, erst später entwickelte er in seinen Gemälden impressionistische Tendenzen.

Über die Schenkung an das Museum Kurhaus Kleve: 
   
Beim Gemälde „Verlassene Alte beim Tischgebet“ handelt es sich um eines der großformatigsten im Œuvre von Josef van Brackel. Der Zeitpunkt seiner Entstehung ist nicht bekannt, stilistisch darf jedoch der Zeitraum zwischen 1910 und 1940 dafür herangezogen werden.

Den Titel des Gemäldes gibt der Künstler durch eine deutliche Titulierung auf der Rückseite selbst vor. Und exakt dieses Motiv ist auch dargestellt: eine alte Frau in einem Innenraum, die auf einem Stuhl sitzt, in sich gekehrt ist und zu beten scheint. Die Kleidung der Protagonistin wirkt heimelig und ist typisch für diese Zeit, scheint aber sehr gepflegt zu sein.

Die Szenerie spielt sich in einem Innenraum ab, womöglich in einer Küche, die gefliest ist und auf der Rückseite ein Geschirrregal mit Tellern aufweist. Tageslicht, das von rechts einfällt, erhellt diesen Raum und gibt Betrachter*innen die Möglichkeit, schöne atmosphärische Details zu erkennen, wie die bereits genannten Regale, aber auch ein Weinfass auf der rechten Seite und ein gedeckter Tisch auf der linken. Wahrscheinlich handelt es sich bei dieser Frau um eine Arbeiterin oder um eine Ehefrau und Mutter.

Beim Betrachten des Bildes kann man Ruhe und Frieden erfühlen. Anhand der Körperhaltung kann man davon ausgehen, dass es sich bei der Frau um eine Christin handelt. Sie sitzt mit geschlossen Augen da und betet mit gefalteten Händen.

Es gibt gewisse Analogien zwischen van Brackels berühmtesten Gemälde, „Die blaue Kammer“, und dem vorliegenden Bild „Verlassene Alte beim Tischgebet“. In beiden Bildern sind eine gewisse Spiritualität und Ruhe zu erspüren, die dem Künstler eigen war. Beide Motive gleichen sich. 

 

→ verfasst von Anastasiia Chaban im Zuge ihres wissenschaftlichen Praktikums im Museum Kurhaus Kleve im September 2023, die aus der Ukraine kommt und erst seit einem Jahr Deutsch lernt. Weitere Informationen über die Arbeit von Anastasiia Chaban sind ->hier abrufbar. 

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Schenkung dreier Gemälde von Anton Henning für die Sammlung des Museum Kurhaus Kleve

Im August 2023 erhielt das Museum Kurhaus Kleve aus Verbundenheit eine großzügige Schenkung des Künstlers Anton Henning (geboren 1964 in Berlin): drei Gemälde, die ab sofort die Sammlung der zeitgenössischen Malerei vortrefflich bereichern. 

Anton Henning bearbeitet seit über drei Jahrzehnten den Bildervorrat der europäischen Kunstgeschichte – insbesondere der Klassischen Moderne –  mit malerischen Mitteln der Gegenwart. Er greift dabei Fragestellungen wie etwa die nach der künstlerischen Autonomie oder die nach dem Fortwirken tradierter Sujets (Porträt, Interieur, Akt) auf und verdichtet sie zu hybriden Neuinterpretationen. Dabei fällt auf, dass er die ironische Distanz der Postmoderne ebenso meidet wie den imitierenden Nachvollzug des Adoranten.

Vielmehr ist seine Arbeitsweise geprägt von einem selbstbewusst nonchalanten Umgang mit großen Vorbildern und dem gleichzeitigen Bestreben ihrer Steigerung und malerischen Radikalisierung. Sehr oft verlässt er dabei die Begrenzung des Rahmengevierts und erweitert sein Wirkungsspektrum um skulpturale und gesamträumliche Aspekte, so dass viele Präsentationen Hennings wie synästhetische Environments anmuten.

Diesen Charakter einer reflektierten Salon-Inszenierung verströmten auch die bisherigen Kooperationen zwischen dem Künstler und dem Kurator Harald Kunde, nämlich zum einen im Rahmen der Ausstellung „Adieu Avantgarde. Willkommen zu Haus“ 2003 im Ludwig Forum Aachen und zum anderen innerhalb des Projekts „Basic Research. Notes on the Collection“ 2014 im Museum Kurhaus Kleve.

Die jetzt erfolgte großzügige Schenkung der drei Arbeiten „Portrait No. 533“ (2018), „Portrait No. 574“ (2020) und „Interieur No. 651“ (2023) durch den Künstler an die Sammlung des Museum Kurhaus Kleve versteht sich insofern als äußerst produktive Fortsetzung der gegenseitigen Wertschätzung und bereichert die hiesigen Bestände an Gegenwartskunst um eine signifikante malerische Position.

Wer die beiden Porträts und das Interieur näher betrachtet, wird unschwer die anverwandelte Formensprache etwa von Paul Klee, Pablo Picasso oder Francis Bacon erkennen und zugleich deren Ent-Idolisierung wahrnehmen; es wirkt, als wären die Heroen in ihrer Substanz entkernt und zu Schemen einer etablierten Geschmackserwartung geschrumpft worden. Mit dieser Chuzpe des Nachgeborenen behandelt Henning den enormen Fundus der Bildinnovationen der Moderne immer aufs Neue und führt ihre längst vollzogene Ankunft im designten Alltag des durchkapitalisierten Welt-Westens vor Augen.

Im Unterschied aber beispielsweise zum amerikanischen Maler George Condo (geboren 1957), der seine Vorlagen zu bitterbösen ausweglosen Grotesken steigert, verbleibt bei ihm noch immer so etwas wie eine Restsehnsucht nach dem vollkommenen Bild, dem alle Zurichtungen der Realität und der massenmedialen Überinformiertheit nichts anhaben können. Insofern könnte es sich bei Anton Henning durchaus um einen deutschen Spätest-Romantiker handeln, der im Bewusstsein grassierender Katastrophen noch immer am Gegenentwurf einer zeitgemäßen Schönheit arbeitet.

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Bedeutende Schenkung einer mittelalterlichen Heiligenskulptur des Meister Arnt von Kalkar und Zwolle für die Klever Sammlung

Der Freundeskreis Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. kann sich direkt zu Beginn des neuen Jahres 2023 überaus glücklich schätzen, eine bedeutende Schenkung einer imposanten Heiligenskulptur des Meister Arnt von Kalkar und Zwolle für die mittelalterliche Sammlung des Museum Kurhaus Kleve zu erhalten. Die Schenkung stammt vom langjährigen Leiter des städtischen Museums und Gründungsdirektor des Museum Kurhaus Kleve, Guido de Werd, der vor einiger Zeit auch schon die mittelalterliche Statue des „Heiligen Laurentius“ für die Klever Sammlung stiftete (->siehe hier). Fand die damalige Schenkung noch aus Freude über die Bemühungen des Museum Kurhaus Kleve über die Erwerbung der „Heiligen Drei Könige“ von Henrik Douverman statt (->siehe hier), so vollzog de Werd diese Schenkung aus Anlass des 25-jährigen Jubiläums des Museum Kurhaus Kleve im Jahr 2022. 

In der Sammlung des Museum Kurhaus Kleve befinden sich nur wenige Skulpturen von Meister Arnt von Kalkar und Zwolle. Die bislang einzige weibliche Heilige (eine „Heilige Luzia“) konnte erst vor kurzem erworben werden (->siehe hier). Die hier vorliegende Heiligenskulptur stellt die zweite Frauendarstellung aus der Hand dieses Meisters in der Klever Sammlung dar. Dargestellt ist eine stehende Heiligenfigur, bei der es sich vermutlich um eine „Heilige Katharina“ handelt. Sie weist Beschädigungen am unteren Rand oberhalb der Plinthe auf, wo sich in früheren Zeiten vermutlich das für Katharina obligatorische Attribut des Köpfchens des bösen Kaisers Maxentius befand.

Trotz dieser Beschädigung und einer fehlenden rechten sowie einer beschädigten linken Hand handelt es sich bei der Skulptur um ein höchst sensibles Werk von großer Eleganz, die aus der späten Phase des Künstlers stammt. Sie steht im leichten Kontrapost mit vorgestelltem rechten Bein, dessen Knie sich unter einem Gewand mit einem üppigen Faltenwurf abzeichnet. Ihr Oberkörper weist besonders feine Formen und Züge auf: kleine feste Brüste erheben sich unter einem hoch geschlossenen Kleid, das von einem Band oder Gürtel um den Hals und die Hüfte gehalten wird. Ein lose aufgelegter Mantel bedeckt beide Schultern und fällt am Rücken bis unter die Knie herab. Ein für Meister Arnt typisches Haarband bekrönt das Haupt der Schönen, unter dem die für Arnt typische Lockenpracht auf die Schultern und den Oberkörper herabfallen. Das Gesicht weist eine beseelte Entrücktheit auf, die den Skulpturen des Kalkarer Meisters eigen sind.

Meister Arnt, der 1484 von Kalkar nach Zwolle umgesiedelt ist, hat eine große Werkstatt geleitet, in dem Skulpturen nach seinen Modellen auch von Schülern ausgeführt wurden. Die Bildwerke aus seiner Werkstatt befinden sich in den Kirchen an Rhein und Maas, an beiden Seiten der heutigen deutsch-niederländischen Grenze.

Werke von Meister Arnt sind auf dem freien Markt nicht mehr zu erwerben, weshalb die Schenkung der „Weiblichen Heiligen“ für das Klever Museum einen großen Glücksfall darstellt. Meister Arnt ist eng mit der Geschichte des Niederrheins verbunden, er ist der Entwerfer des berühmten Kalkarer Hochaltares, den er bei seinem unerwarteten Tod Weihnachten 1492 unvollendet zurückgelassen hat, sowie der Schöpfer des Georgsaltares in Kalkar, und des Dreikönigsreliefs im Museum Schnütgen, dessen Ergänzung dort den Anlass für eine hochbedeutende monographische Ausstellung 2020 bildete (->siehe hier). Die Werke des mit einem Notnamen benannten mittelalterlichen Meisters Arnt von Kalkar und Zwolle feierten dort eine fulminante Neuentdeckung und -bewertung, als unter Federführung von Guido de Werd, der als bester Mittelalter-Experte für den Niederrhein gilt, die erste Einzelausstellung des Künstlers im Museum Schnütgen in Köln stattfand, zu der er – über 500 Jahre nach dem Ableben des Künstlers – das Meisterstück vollbrachte, ein Werkverzeichnis seiner Skulpturen herauszugeben. Dort ist die hier vorliegende Figur unter der Nummer 128 gelistet. 

De Werds Recherchen ferner zu verdanken ist, dass die Provenienz der Skulptur bestens bekannt ist. So ist beispielsweise überliefert, dass sie sich im 19. Jahrhundert in der englischen Sammlung von Edward White Benson (1829–1896) befand, der der Erzbischof von Canterbury war. Als sie über das Auktionshaus Christie’s verkauft wurde, befand sie sich im 20. Jahrhundert schließlich in der Sammlung des bekannten Amsterdamer Kunsthändlers J.C. Leeman. In die Klever Sammlung kam sie dann über das Auktionshaus Lempertz in Köln, wo sie von einem niederländischen Privatsammler verkauft wurde und der fachkundige Stifter sie schließlich entdeckte und für das Klever Museum sicherte. 

Bei der „Weiblichen Heiligen“ handelt es sich um einen wahrlich sensationellen Zuwachs für die Klever Mittelaltersammlung, die vom Museumsteam umgehend in die ständige Präsentation im Katharina-von-Kleve-Saal eingebunden wird. 

[verfasst und online gestellt von Valentina Vlašić]

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Schenkung von Originalaquarellen von Paul Theissen für die Sammlung des Freundeskreises im Museum

Im Juni 2023 gelangten neun Originalaquarelle von Paul Theissen (1915–1994) in die Sammlung des Freundeskreises Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. Sie wurden aus Düsseldorfer Privatbesitz für das Museum Kurhaus Kleve geschenkt. Für Kleve von Bedeutung sind die Aquarelle durch die ausschließlich klevischen und niederrheinischen Motive, die Gebäude und Landschaften vor Ort zeigen. 

Paul Theissen wurde in Essen geboren, gilt jedoch heute als wichtiger Klever Künstler des 20. Jahrhunderts. Sein erster Zeichenlehrer Bruno Schilbach übte großen Einfluss auf ihn aus. Von 1934 bis 1936 studierte Theissen bei Josef Urbach an der Folkwangschule Essen, wo er als Graphiker ausgebildet wurde. An der Folkwangschule traf er auch den französischen Künstler Honoré Daumier, ein seiner eigenen Aussage zufolge Schlüsselereignis für ihn, da ihn die Begegnung zur Graphik und Illustration führte, die er ein Leben lang verfolgte. 

Paul Theissen diente als Soldat im Zweiten Weltkrieg und kam im Zuge dessen 1942 nach Kleve, wo er schließlich sesshaft wurde und bis an sein Lebensende lebte und wirkte. Schnell kam er in der lokalen Kunstszene an und trat dem Niederrheinischen Künstlerbund bei, wo er seine Werke ausstellte und Kontakte zu anderen Künstlern wie z.B. Jupp Brüx, Achilles Moortgat und Josef Mooren knüpfte. Seit 1951 entwarf Paul Theissen die Illustrationen für den Kalender für das Klever Land, eine Tätigkeit, die er mehrere Jahrzehnte lang ausübte. Er unterrichtete u.a. auch an der Klever Volkshochschule. Seine Werke wurden zeitlebens u.a. im Städtischen Museum Haus Koekkoek in Kleve (Einzelausstellung 1990) – aber auch in Goch, Duisburg oder in München ausgestellt. Zum 100. Geburtstag widmete ihm das Museum B.C. Koekkoek-Haus posthum 2015 eine große Retrospektive.

Paul Theissen blieb seiner künstlerischen Haltung lebenslang treu. Er zeichnete und malte die klevische und niederrheinische Landschaft und widmete sich damit dem Leben, dem Alltag und der Denkweise der einfachen Bewohner*innen. Eine hohe Lesbarkeit seiner Bilder war ihm ein zentrales Anliegen. Das vorliegende Konvolut aus originalen Aquarellen, das Motive in Kleve und der Umgebung zeigt, offenbart Theissen als versierten Zeichner mit schneller Hand. Die Aquarelle weisen eine bislang für den Künstler ungeahnte Lebendigkeit und Qualität auf. 

Die neuen Arbeiten knüpfen nahtlos an bereits vorhandene Kunstwerke des Künstlers in der Sammlung an. Lediglich ein Motiv hebt sich von den Szenen in und um Kleve ab: eine Darstellung aus Hiddensee, die jedoch eine andere Relevanz für das Klever Museum besitzt und schlüssig an einen anderen Schwerpunkt der Sammlung anknüpft: an Ewald Mataré, der auf Hiddensee gearbeitet hat und dort ikonische Werke schuf, die sich heute ebenfalls in der Ewald Mataré-Sammlung im Museum Kurhaus Kleve befinden.
 

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Erwerbung von zwei Graphiken von Pia Fries für die Sammlung des Museum Kurhaus Kleve

Sie waren in der Ausstellung „Zwischen Gestern und Morgen. Klasse Pia Fries“ (30. Oktober 2022 bis 19. März 2023) im Museum Kurhaus Kleve als Werke der Professorin zu sehen: die beiden Arbeiten aus der Serie „disloziert“, die nun durch den Freundeskreis Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. aus den Erlösen der Verkäufe aus der Ausstellung für die Sammlung des Museum Kurhaus Kleve erworben werden konnten.

Pia Fries besitzt schon seit Jahren eine Leidenschaft für die Arbeiten des Altmeisters Hendrick Goltzius (1558–1617), dessen Werke sie zum Vorbild nimmt, adaptiert und für eine heutige Lesart kulminiert. In beiden Werken wird der sich ausruhende Herkules mit verschiedenen Mitteln in Bewegung gesetzt. Teile des Kupferstichs werden vergrößert, fragmentiert, gedreht und neu angeordnet, so dass der antike Held buchstäblich aus dem Gleichgewicht kommt. 

Wie im Titel angedeutet, wird Herkules „disloziert“, was so viel wie „verschoben“ oder „außerhalb des eigentlichen Standortes“ bedeutet. Die gegenständliche Darstellung des Herkules durchläuft dabei eine Transformation durch verschiedene Medien. Die antike Skulptur wird zur Radierung und diese zum Siebdruck. 

Im Bildfeld wird die zentrale Perspektive teilweise aufgehoben, so dass die Darstellung zur Mehransichtigkeit mutiert. Verschiedene Aspekte der antiken Statue versammeln sich simultan auf einem Blatt. 

In der Arbeit „disloziert b“ verdichtet sich die Komposition durch das Übereinanderlegen von gedruckten und gemalten Elementen. Die Farbe ist teilweise gestisch, teilweise flächig aufgetragen und die stark vergrößerten Linien des Siebdruckes wirken an mancher Stelle fast schon abstrakt, trotz des gegenständlichen Motivs. 

Das Werk „disloziert f“ ist in seiner Farbigkeit zurückhaltender und in seiner Komposition ausgeglichener als die Arbeit „disloziert b“. Im Hintergrund verarbeitet die Künstlerin Elemente eines weiteren Kupferstichs, diesmal von Stefano della Bella, der eine waldige Landschaft erahnen lässt. Wieder kombiniert Pia Fries Gedrucktes mit Gemaltem und auch hier lässt sie ein spannendes Nebeneinander von Abstraktem und Gegenständlichem entstehen.

Detail am Rande: Die Vorlage, die Pia Fries für ihre Graphik nutzte, stammte aus der Sammlung des Museum Kurhaus Kleve, in der sich der historische Kupferstich „Herkules Farnese“ von Hendrick Goltzius ebenfalls befindet. Pia Fries digitalisierte ihn, um ihn in ihre Serie einarbeiten zu können. 

Das Museum Kurhaus Kleve freut sich sehr, nun zwei weitere Arbeiten der Künstlerin zu besitzen, die mit dem Museum Kurhaus Kleve verbunden ist wie kein Künstler und keine Künstlerin vor ihr. Bereits 1997 stellte sie im Museum Kurhaus Kleve aus. 2017 kehrte sie für eine große Doppelausstellung zurück, die sie erstmals überhaupt mit dem Altmeister zusammen zeigte, „Hendrick Goltzius und Pia Fries: Proteus und Polymorphia“. 2022 war sie in der großen Jubiläumsausstellung „Schatzhaus und Labor. 25 Jahre Museum Kurhaus Kleve“ zu sehen, 2022/2023 stellte sie die Werke ihrer Studierenden der Akademie der Bildenden Künste in München im Klever Museum aus.

Der Freundeskreis konnte bereits 2018 zwei kapitale Arbeiten von Pia Fries für die Sammlung des Museum Kurhaus Kleve erwerben: das Diptychon „nemen/justis“, das seitdem zu den Höhepunkten der zeitgenössischen Malerei in der Klever Sammlung gehört. Es ist nur folgerichtig, dass nun zwei weitere, diesmal graphische Arbeiten angekauft werden konnten, die die Arbeit dieser wichtigen europäischen Malerin der Gegenwart in der Klever Sammlung weiter fundamentiert. 

[verfasst von Valentina Vlašić, Kuratorin im Museum Kurhaus Kleve]

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Ankauf eines Gemäldes von Arno Synaeve aus der Ausstellung der „Klasse Pia Fries“

Die Ausstellung „Zwischen Gestern und Morgen. Klasse Pia Fries“, die vom 30. Oktober 2022 bis 19. März 2023 im Museum Kurhaus Kleve zu sehen war, stellte die erste Kooperation mit der Akademie der Bildenden Künste in München dar. Dabei befassten sich siebzehn angehende Künstler*innen, die Studierende von Prof. Pia Fries in München sind, im Vorfeld ca. ein Jahr lang mit der Sammlung des Museum Kurhaus Kleve, mit dem historischen Gebäude des Museums sowie mit Kleve im allgemeinen. Sie schufen im Anschluss Werke, die unmittelbar mit Kleve und dem Museum zu tun hatten, und anschließend in der Ausstellung in einem sinnvollen Kontext präsentiert werden konnten.

Die Ausstellung, die über Verkäufe von Editionen der Professorin und ihrer Studierenden finanziert wurde, aber auch durch eine Förderung des Freundeskreises Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. sowie der Volksbank Kleverland eG, sorgte für Furore und Aufmerksamkeit. Es fand ein breites Vermittlungsprogramm aus Gesprächen (u.a. mit der Akademie-Präsidentin Prof. Karen Pontoppidan), Filmpräsentationen und Rundgängen statt. 

Es freut das Museum Kurhaus Kleve nun sehr, dass im Nachhall der Ausstellung sein Freundeskreis aus Restmitteln des Projekts eine Arbeit der Studierenden für die Sammlung des Museum Kurhaus Kleve ankaufen konnte: das Gemälde „Die Zurückgezogenheit des Blickes II (Den Rhijn bij Bonn)“ des belgischen Künstlers Arno Synaeve (2022), das sich wie kein zweites mit der Sammlung des Museums identifiziert.

Im Zuge der oben beschriebenen Auseinandersetzung mit Kleve schuf Arno Synaeve 2022 eine Serie an Gemälden mit den Titeln „Die Zurückgezogenheit des Blickes“, bei der er eine architektonische Besonderheit zweier Ausstellungssäle des Museum Kurhaus Kleve thematisierte. Zu beiden Seiten der Repräsentationsetage der historischen Kursäle öffnen sich jeweils drei große Fenstertüren zu zwei schmalen Kabinetten. Der Blick durch diese Fenstertüren zeigt keinen Außenraum, sondern weist auf eine Wand. Als das ehemalige Kurhaus noch ein singulärer Baukörper war, führten sie ursprünglich jeweils auf zwei Balkone, die allerdings, als der Rest des heutigen Gebäudes hinzugebaut wurde, durch zwei Kabinette ersetzt wurden. In der ersten Gebäudephase gaben die Fenstertüren den Blick frei in die umgebende Landschaft. 

Diese Beobachtung nimmt Arno Synaeve zum Ausgangspunkt, um in seiner Serie „Die Zurückgezogenheit des Blickes“ über mögliche Ausblicke nachzudenken. Eine Welt der Möglichkeiten eröffnet sich für ihn in der Frage: Was befindet sich hinter dieser Wand beziehungsweise  was gibt es hinter dieser Wand zu entdecken? Er spielt das Thema zunächst in Skizzen und Zeichnungen durch und macht dabei verschiedene kunsthistorische Bezüge auf. Diese Beschäftigung mit kunsthistorischen Referenzen ist selbstverständlicher Teil seiner künstlerischen Praxis und so fand er in der Klever Sammlung Werke, die ihn zu verschiedenen Entwürfen inspirieren. Einige der Bildideen setzte er letztendlich in Malereien um. 

In „Die Zurückgezogenheit des Blickes II (Den Rhijn bij Bonn)“ greift Synaeve einen Kupferstich aus der Sammlung Robert Angerhausen aus dem Museum Kurhaus Kleve aus dem 18. Jahrhundert auf, der eine Sicht auf den Rhein und die umgebende Landschaft zeigt. Durch die malerische Übersetzung des Kupferstichs nutzt Arno Synaeve den historischen Blick auf das Siebengebirge zur Auseinandersetzung zwischen Graphik und Malerei.

[verfasst von Valentina Vlašić, Kuratorin im Museum Kurhaus Kleve]

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Vergessene Künstlerin: Zwei kapitale Werke von Irmgart Wessel-Zumloh aus der Klever Sammlung werden im Museum Schloss Cappenberg gezeigt

Die abstrakte Malerin Irmgart Wessel-Zumloh (1907–1980) gehört zu einer Riege von Künstlerinnen, die im 20. Jahrhundert ein furioses malerisches Œuvre geschaffen haben, aber bereits zu Lebzeiten übergangen wurden und heute weitgehend vergessen sind. Es gehört zu einem (durchaus willkommenen) aktuellen Trend, dass heutzutage viele Museen versuchen, dieses massive Unrecht wiedergutzumachen und deshalb vorwiegend Ausstellungen über diese Künstlerinnen ausrichten. So auch das Museum Schloß Cappenberg, das eine Einzelausstellung über Irmgart Wessel-Zumloh organisiert und bei seinen Recherchen auf zwei kapitale Werke der Malerin in der Sammlung des Museum Kurhaus Kleve gestoßen ist. 

Und in der Tat befinden sich zwei überaus eindrucksvolle Gemälde im Eigentum des Klever Museums, die leider ebenfalls Jahrzehnte lang nicht zu sehen waren: „Traum“ von 1974 wurde vom Städtischen Museum, das damals noch im Haus Koekkoek angesiedelt war, 1978 in der Jahresausstellung des Niederrheinischen Künstlerbundes in Kleve erworben. Zuletzt war es im Haus Koekkoek ausgestellt. Seitdem sich das Städtische Museum im Gebäude des Museum Kurhaus Kleve befindet, war es nicht mehr ausgestellt.

Das weitaus monumentalere Werk bildet jedoch „Triptychon Gelb“ von 1962, eine vier Meter lange dreiteilige Arbeit in Öl auf Leinwand, die vom Klever Museum 1976 angekauft wurde – und zwar dezidiert zur Aufhängung im alten Rathaus der Stadt Kleve, wo es Jahrzehnte lang vor dem Ratssaal zu sehen war. Als das alte Klever Rathaus abgerissen und das neue erbaut und 2017 eingeweiht wurde, wurde die Arbeit abgenommen und in das Depot des Museum Kurhaus Kleve zurückgeführt.

Das Museum Kurhaus Kleve unterstützt die Leihanfrage der Kolleg*innen im Museum Schloß Cappenberg nur zu gerne und gibt beide Werke als Leihgaben für die dortige Einzelausstellung, die von 22. Oktober 2023 bis 7. April 2024 zu sehen sein wird. Das Museum Kurhaus Kleve freut sich dadurch zur „Wiederentdeckung“ dieser wichtigen deutschen Künstlerin des 20. Jahrhunderts beitragen zu können.

Die in Lennestadt beim Kreis Unna geborene und in Iserlohn verstorbene Irmgart Wessel-Zumloh war eine der führenden deutschen Künstlerinnen der Nachkriegszeit. Durch die Fusion von abstrakten und organischen Elementen entwickelte sie in ihren Malereien eine markante künstlerische Sprache zwischen gegenstandsloser informeller Kunst und rigoros figurativen Motiven.

Ihre Werke waren in den 1950er, 1960er und 1970er Jahren u.a. im Stedelijk Museum, Amsterdam, zu sehen, im Osthaus Museum, Hagen, im Museum Ostwall, Dortmund, oder im Von der Heydt-Museum, Wuppertal. 1946 gehörte Irmgart Wessel-Zumloh zu einer der Mitbegründerinnen des Westdeutschen Künstlerbundes. 1952 erhielt sie den Karl-Ernst-Osthaus-Preis der Stadt Hagen. John Anthony Thwaites, einer der maßgeblichen Kunstkritiker der 1950er und 1960er Jahre, beschrieb sie damals als eine der führenden deutschen Künstlerinnen der Zeit.

Weitere ausführliche Informationen zu Irmgart Wessel-Zumloh finden sich ->hier. Die Website von Museum Schloß Cappenberg ist ->hier zu finden.

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Ein delikates Klever Altmeisterwerk geht nach Düsseldorf: Graf Adolf von Kleve aus der Sammlung des Freundeskreises

Eine Klever Kostbarkeit aus der Sammlung seines Freundeskreises geht zeitnah nach Düsseldorf, zur Ausstellung „Allianzen: Düsseldorf/Lissabon“ des Stadtmuseums Düsseldorf (zu sehen von 7. September – 7. Januar 2024). Die Ausstellung verfolgt die Verbindungen zwischen Düsseldorf (und seiner Nachbarn) und Lissabon, die seit dem 15. Jahrhundert durch Allianzen der Heiratspolitik bestehen. Exemplarisch werden hier Hochzeitspaare mehrerer Jahrhunderte gezeigt:

des 15. Jahrhunderts Adolf von Kleve und Beatrix von Portugal, des 17. Jahrhunderts Peter II. von Portugal und Maria Sophie von der Pfalz, im 19. Jahrhundert Peter V. von Portugal und Stephanie von Hohenzollern-Sigmaringen sowie im 20./21. Jahrhundert die deutsch-portugiesische Familie von Carlos Quintas.

Gemälde, Pläne, Modelle und Exponate des Kunstgewerbes sowie Photographien und Videos dokumentieren die Architektur und Stadtentwicklung von Düsseldorf und Lissabon der Epochen. 

Die Ausstellung ist eine Kooperation mit dem Stadtmuseum Lissabon. Weitere Leihgeber*innen sind u.a. das Nationalmuseum für zeitgenössische Kunst Lissabon, das Marine Museum Lissabon und die Marine Akademie Portugal in Lissabon sowie das Stadtarchiv Düsseldorf, das Landes Archiv Nordrhein Westfalen u.a.

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Ein Höhepunkt der Klever Sammlung geht nach Hamburg: die Ikone „Umgeschlagenes Blatt“ (1965) von Gerhard Richter

Das Museum Kurhaus Kleve leiht eines der Meisterwerke der Sammlung seines Freundeskreises – Gerhard Richters „Umgeschlagenes Blatt“ (1965) – für die Ausstellung „Vija Celmins | Gerhard Richter. Double Vision“ in die Hamburger Kunsthalle, das dort zu sehen sein wird von 12. Mai – 27. August 2023.

Vija Celmins (*1938 Riga) und Gerhard Richter (*1932 Dresden) zählen zu den international renommiertesten Künstler*innen ihrer Generation. Eine große Doppelschau in der Hamburger Kunsthalle bringt die beiden erstmalig zusammen und macht überraschende Verbindungen sichtbar. Neben der thematischen Nähe, der künstlerischen Arbeit mit photographischen Vorlagen und der besonderen Bedeutung der Farbe Grau ist es die Frage nach den elementaren Bedingungen des Darstellens, die Celmins und Richter beschäftigt. Was ist Realität, was ist Repräsentation? Und wie kann die Wahrnehmung, das Sehen selbst, sichtbar gemacht werden?

Seit über sechs Jahrzehnten bringen die in New York lebende Künstlerin Vija Celmins und der in Köln lebende Gerhard Richter mit großer Meisterschaft und Intensität ein beeindruckendes künstlerisches Œuvre hervor, ohne sich je einer Künstlergruppe oder Stilrichtung angeschlossen zu haben. Es ist wohl diese Eigenständigkeit, die dazu führte, dass sowohl Celmins als auch Richter bislang fast ausschließlich in monographischen Ausstellungen präsentiert wurden.

Mit der Ausstellung „Vija Celmins | Gerhard Richter. Double Vision“ bietet die Hamburger Kunsthalle erstmals eine neue, erweiterte Lesart an und setzt auf einen spannungsreichen, transatlantischen Dialog, der verblüffende Parallelen und Gemeinsamkeiten in dem Werk beider Künstler*innen erkennbar werden lässt. Es ist die erste Begegnung und die erste gemeinsame Ausstellung der beiden, in ihrem Heimatland jeweils hoch geschätzten Künstler*innen.

Vija Celmins‘ beeindruckende Gemälde und Zeichnungen sind in Europa selten zu sehen und so möchte die Hamburger Kunsthalle auch dazu beitragen, ihrem Werk zu einer größeren Sichtbarkeit und Aufmerksamkeit zu verhelfen. Mit einer starken, weiblichen Position als Dialogpartnerin öffnet sich die Möglichkeit, das oft als singulär vorgestellte Werk Gerhard Richters mit einem frischen Blick neu zu befragen und zu entdecken.

Die Ausstellung umfasst ca. 70 Gemälde, Zeichnungen, Druckgraphiken und Objekte und findet im zweiten Obergeschoss der Galerie der Gegenwart statt. Die Dramaturgie der Doppelschau führt von einer frühen künstlerischen Beschäftigung mit Alltagsgegenständen über die Auseinandersetzung mit Krieg und Migration (in den so genannten „disaster“-Arbeiten) hin zu kunstphilosophisch-reflektierenden Werken („in response to Duchamp“). Zu entdecken sind die faszinierend realitätsnahen Seestücke und die Erforschung der Farbe Grau im Werk beider Künstler*innen, sowie eine große Bandbreite an Spiegelungen und Doppelungen, welche Fragen rund um die Wirklichkeit des Bildes aufgreifen.

Weitere Informationen zur Ausstellung sind ->hier abrufbar. 

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Schöne kleine Schenkung „Souvenir de Cleve“ für die Kunstgewerbesammlung: Böhmisches Trinkglas (um 1900) mit Motiv des Amphitheaters

Das schöne kleine Trinkglas „Souvenir de Cleve“ mit einer geschliffenen Ansicht des Amphitheaters wurde dem Museum Kurhaus Kleve im April 2023 durch Anneliese Vater aus Baesweiler geschenkt, aus deren langjährigen Familienbesitz es stammt. Es wurde 1934 von der Schwester der Mutter von Anneliese Vater, Frau Helene Dorothea Schatborn (geborene Langerfeld), direkt vor Ort in Kleve erworben, als diese mit ihrem Ehemann Willem Schatborn auf Durchreise in Kleve war und vor Ort in den Klever Gärten Halt machte. Die dem Objektphoto beigefügten Originalphotos zeugen von dem Besuch der beiden in den Klever Gartenanlagen. 

Das schöne kleine Trinkglas ergänzt die bereits in der Sammlung vorhandene Auswahl an „Souvenir de Cleve“-Objekten vortrefflich und wird bei der nächsten entsprechenden Präsentation aufgenommen werden.

Der Kurort „Bad Cleve“ war unter gut betuchten Langzeitgästen ein wohlbekannter Begriff, der sich vornehmlich aus den Bemühungen zweier idealistischer Männer heraus entwickelt hatte: von Dr. Johann Heinrich Schütte Ende des 18. Jahrhunderts, der mineralhaltiges Wasser am Springenberg entdeckt und dieses für einen ersten Kurbetrieb verwertet hatte, und rund fünfzig Jahre später von Dr. Wilhelm Arntz. 

Arntz errichtete Mitte des 19. Jahrhunderts unter dem Wohlwollen des Königs Friedrich Wilhelm IV. das sogenannte „Friedrich-Wilhelm-Bad“ und – fünfundzwanzig Jahre später – das sogenannte „Badhotel“ mit den Wandelhallen – die drei Gebäudeteile also, aus denen heute das Museum Kurhaus Kleve besteht. 

Kurz vor der Jahrhundertwende um 1900 prosperierte „Bad Cleve“ nochmals ordentlich, das pro Jahr von bis zu 15.000 Tagesausflügler*innen – vornehmlich aus den Niederlanden – frequentiert wurde und somit einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor für die Stadt darstellte, bis ihm der Ausbruch des Ersten Weltkriegs ein endgültiges Ende setzte. 

Bis dahin florierte „Bad Cleve“, wodurch sich auch „Souvenir de Cleve“-Artikel mit Kleve-Motiven entwickelten. Seit der Bieder­meierzeit liebten Bad Cleve-Reisende böhmische Gläser mit Ansichten des be­suchten Kurortes, die sie als Mitbringsel und Andenken für die Vitrine zu Hause erwarben. 

Die Produkte und Gläser, die zuweilen eine einfarbige Lasur erhiel­ten, wurden von den Produzent*innen bereits fertig eingekauft und anschließend mit Gra­vuren, kopiert nach zeitgenössischen Stahlstichen oder Lithographien (in Kleve z.B. nach Ansichten von Joseph Constantin Wilhelm Jellé), versehen. 

In Größe und Gestalt variierten die Gläser, es gab eine breite Produktpalette. Dekor und Ausführung ver­raten jedoch, daß es sich schon um reihenweise vor­gefertigte Stücke handelte. In deutschen Bade­städten wurden die böhmischen Gläser meist in Souvenir-Boutiquen verkauft. 

Diese Art von Glasproduktion blühte besonders in der Mitte des 19. Jahrhunderts auf. Böhmische Gläser aus Bad Cleve sind heute eine Seltenheit, denn im Vergleich zu den berühmten Bädern von Karlsbad, Baden-Baden oder Spa blieb Kleve als kleinere Badestadt stets ein „Geheimtipp“.

[verfasst von Valentina Vlašić, Kuratorin im Museum Kurhaus Kleve]

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Ankauf einer bislang unbekannten Kaminuhr (1896–1906) von Carl Sigmund Luber im Auftrag von Johann von Schwarz

Auf die Anregung des Keramik-Sammlers Werner Steinecke erwarb der Freundeskreis Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. im Februar/März 2023 eine bislang unbekannte Kaminuhr von Carl Sigmund Luber für die Firma Johann von Schwarz, die als Zustiftung für die „Sammlung Werner Steinecke“ im Museum Kurhaus Kleve gedacht ist. 

Carl Sigmund Luber kam aus einer Münchner Handwerkerfamilie, die ihn zu einem Steinmetz in die Lehre gab. Nach der Lehre war er einige Jahre im Ausland auf Wanderschaft. Mit seinen Ersparnissen schrieb er sich an der Münchner Kunstgewerbeschule ein, die zu der selben Zeit auch der berühmte Jugendstilkeramiker Hans Christiansen besuchte. Luber bewarb sich anschließend an der Münchner Kunstakademie und wurde dort in die Bildhauerklasse aufgenommen. Diese war im Gegensatz zur Kunstgewerbeschule noch sehr traditionell orientiert. Seine Klasse war die der religiösen Skulpturen. 

Nach seiner Heirat 1895 arbeitete Luber kurz als Zeichenlehrer an der Steinschleiferschule in Idar-Oberstein. Schon 1897 zog er mit seiner Familie nach Nürnberg, wo er zehn Jahre lang die Keramiken in der Fabrik „Norica“ der Familie von Schwarz entwickelte und entwarf. Die Firmeninhaber hatten sich auf dem Weltmarkt umgesehen und den aufkommenden Jugendstil für deutsche Verhältnisse sehr früh adaptiert. Es wurde schon Zinn in Jugendstil-Manier hergestellt. Lubers malerische Arbeiten scheinen von Schwarz überzeugt zu haben. In der Tat kamen die Herstellungstechniken der Norica-Keramiken den malerischen Ambitionen Lubers entgegen. 

Die aus Westeuropa (besonders Belgien) übernommene Technik, die Farbflächen durch Fadeneinlagen zu trennen, verhinderte das unkontrollierte Ineinanderlaufen der Glasuren, wie wir das bei vielen Jugendstilvasen deutscher Manufakturen deutlich erkennen können, was aber durchaus auch als expressives Stilmittel eingesetzt wurde. 

Die extrem farbigen Glasuren entsprachen genau dem neu aufgekommenen Geschmack. Die Keramiken der Firma Johann von Schwarz waren zielgerichtet auf das kunstsinnige und zahlungskräftige Bürgertum zugeschnitten. Sie hatten dort großen Erfolg. Die Ausstattung der Möbel mit Fliesen unterstrich deren Aktualität. Die Produktpalette der von Luber entworfenen Keramik ist breit angelegt, beschränkt sich aber immer aufs Repräsentative und ist nicht für den normalen Geschirr-Gebrauch gedacht. 

Es gibt im Gegensatz zu vielen gleichzeitig mit diesen Mitteln arbeitenden Firmen kein einziges Essgeschirr, keine Kanne oder dergleichen. Gebrauchsgegenstände sind am ehesten noch die Kerzenleuchter oder die Tabletts. Diese waren aber durch die relativ dicke Platte und die Metallmontierung  bereits so schwer, dass sie ihrem eigentlichem Zweck kaum gedient haben können. Sie gehören also durchaus zum Vertikoporzellan von Meißen und Co., das zum Vorzeigen und nicht zum Gebrauch gedacht war. 

Das war offensichtlich auch der innere Widerspruch, an dem Luber und die Firma scheiterten. Die reformerischen Ideen eines Behrens oder Riemerschmidts waren auf Schlichtheit, geometrische Formen und Dekore sowie deren Umsetzbarkeit auch in der Produktion für die breitere Masse ausgerichtet. Gerade im Nürnberger Kunstgewerbemuseum wollte man den alten Anstrich von Nürnberg als Hort des Historismus verändern, weshalb man dort Meisterkurse einrichtete, auch mit dem Ziel, den „schlechten“ Geschmack des Jugendstils zurückzudrängen. Peter Behrens war der tonangebende Leiter dieser Kurse. Und deren Ideen waren am Anfang des 20. Jahrhunderts in Nürnberg wirkmächtiger, so dass die Firma sich von Luber trennte. In anderen Regionen Deutschlands blühte der Jugendstil erst auf (z.B. in Darmstadt). Dies wird der Grund sein, dass die Arbeiten Lubers viel weniger bekannt sind als die der hessischen Jugendstilkünstler.

Luber verbrachte sein weiteres Leben nur noch kurz in Nürnberg, indem er bei der führenden Spielzeugfirma Bing arbeitete. Ab 1908 bis 1933 war er bei der Handwerkskammer in München angestellt und zwar beim Gewerbeförderungsinstitut, das die Aufgabe hatte, Mustersammlungen anzulegen, Meisterkurse zu geben u.v.a.m.

Die vorliegende Uhr von Carl Sigmund Luber ist für die Firma Norica in Nürnberg entworfen und bildet eher eine Ausnahme unter seinen zahlreichen Arbeiten für die bekannte Manufaktur von Johann von Schwarz. Sie ist auch bisher nicht bekannt gewesen und in dem umfangreichen Werkverzeichnis von Wolfgang König und Rudolf Weichselbaum nicht enthalten. Sie wurde wie alle Arbeiten von Luber in den Jahren zwischen 1896 und 1906 hergestellt. Die stilistischen Merkmale deuten eher auf die Zeit nach der Jahrhundertwende hin. Sie ist eine herausragende Ergänzung der in der Sammlung vorhandenen Arbeiten von Luber für Schwarz.

[Werner Steinecke und Valentina Vlašić]

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Ankauf einer seltenen Jugendstil-Kanne von Walter Magnussen als Zustiftung zur Sammlung Werner Steinecke

Auf die Anregung des Keramik-Sammlers Werner Steinecke erwarb der Freundeskreis Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. im Februar/März 2023 als Zustiftung zu seiner „Sammlung Werner Steinecke“ eine seltene Jugendstil-Kanne für die Keramiksammlung im Museum Kurhaus Kleve. Die ungewöhnlich große Kanne wurde in geringer Stückzahl hergestellt und stellt eine Gemeinschaftsarbeit des Keramikers Walter Magnussen und der Töpferei von Jakob Julius Scharvogel in München dar. Es sind nur vier Erzeugnisse aus der gemeinsamen Arbeit von Magnussen und Scharvogel bekannt, die wie diese Kanne beide Künstlerstempel tragen.

Walter Magnussen wurde 1869 in Hamburg geboren und absolvierte eine Ausbildung an der Kunstgewerbeschule in München. Dort lernte er Scharvogel kennen, für den er später viele Keramiken entwarf, vor allem im Zusammenhang mit der Mathildenhöhe in Darmstadt.

Magnussen lernte die Uffrecht Brüder aus Neuhaldensleben kennen und entwarf für diese Firma eine Reihe von Keramiken, die sich vor allem durch die konsequente Anwendung eines geometrischen Jugendstils auszeichnen, die aber z.T. auch pflanzliche Ornamentik aufweisen. Magnussens Arbeiten für Scharvogel und Uffrecht wurden auf der Weltausstellung in St. Louis 1902 gezeigt und ausgezeichnet.

Die Zusammenarbeit mit Jakob Julius Scharvogel begann schon in den 1890er Jahren. Seine Künstlerlaufbahn begann zunächst in der Malerei, während der er aber bereits auch schon töpferte. Wie viele andere Künstler*innen in Europa in dieser Zeit, war Magnussen von der japanischen Keramik begeistert. Er lehnte allerdings die direkte Übernahme und das Kopieren ab und suchte einen Weg, der die in Deutschland verwendeten Materialien als Akzente und Merkmale in den Vordergrund stellte.

Scharvogel war von den frühen Arbeiten Walter Magnussens angetan und bot ihm an, in seiner Werkstatt zu experimentieren und zu entwerfen. Scharvogel war zu dieser Zeit schon längst bekannt, beschäftigte zwei Töpfermeister und mehrere Dekorateure und war auf den Leipziger Messen mit wenigen, aber sehr hochpreisigen Stücken vertreten. Sein finanzieller Hintergrund erlaubte ihm großen Spielraum und er war nicht auf die Einnahmen seiner künstlerischen Tätigkeit angewiesen.

Bei Walter Magnussen sah es anders aus. Als Scharvogel dessen Arbeiten mit auf die Leipziger Messe nahm und neben den sehr hoch angesetzten Verkaufspreisen auch noch eine hohe Provision nahm, beendete Magnussen erbost die Zusammenarbeit mit Scharvogel.

Er erinnerte sich seiner Verbindungen zu den Uffrecht Brüdern und entwickelte für deren väterliche Fabrik in Neuhaldensleben zwei Entwürfe, wobei das bekanntere das Service „Iris“ ist, das in der „Sammlung Werner Steinecke“ vertreten ist wie die Vorratsgefäße der Küchengarnitur. Die Einkäufer der Warenhäuser und Einkaufsgenossenschaften der Haushaltsläden kauften von diesen Geschirren nichts. Doch Uffrecht war davon überzeugt und vermarktete es in den Jahren 1902 bis 1905 sehr erfolgreich.

Jakob Julius Scharvogel stammte aus Mainz aus begütertem Hause und strebte nach einer umfassenden künstlerischen Ausbildung. Ein längerer Aufenthalt in London in den frühen 1880er Jahren nutzte er zu einem intensivem Studium der neuen Entwicklungen im Kunsthandwerk. Er nahm begierig die „kolonialen“ Anregungen des Weltreiches auf. Deutschlandweite Ausstellungen brachten das Scharvogel-Steinzeug auch nach Darmstadt auf die Ausstellung der Darmstädter Künstlerkolonie im Jahr 1901.

Gleichzeitig plante Großherzog Ernst Ludwig, in Darmstadt eine keramische Manufaktur zu errichten. Da Scharvogel durch die Ausstellungen auf der Mathildenhöhe in Darmstadt einige Berühmtheit erlangt hatte, wurde er Leiter der Darmstädter großherzoglichen Keramikmanufaktur. Scharvogel legte im April 1904 ein Konzept vor, das drei Produktionsschwerpunkte vorsah: Gartenschmuck, Bauterrakotta und Innendekorationen. Zwei Jahre später nahm die Manufaktur in Darmstadt den Betrieb auf und baute vor allem den Bereich der Kachel- und Fliesenproduktion aus. Die Jugendstil-Badehäuser in Bad Nauheim legen davon noch heute Kenntnis ab. Scharvogel gehörte 1907 zu den Gründungsmitgliedern des Deutschen Wekbundes. Später ging Scharvogel nach München zurück und arbeitete weiter in seiner eigenen Werkstatt.

Für Scharvogel war es vor allem die Formensprache der asiatischen Keramik, die ihn faszinierte, wobei er schon in den Anfängen seiner Töpfertätigkeit deren tradierte Farbgebung ablehnte und durch eigene Glasurexperimente ersetzte. Er arbeitete in seiner Werkstatt im Wesentlichen mit Scharffeuerfarben. Bei Scharffeuerfarben handelt es sich um hitzeresistente Farben zum Bemalen von Keramik, die vor dem Glasurbrand aufgetragen werden. Aus diesem Grund werden sie auch als Unterglasurfarben bezeichnet. Der Name „Scharffeuerfarben“ leitet sich von den hohen Temperaturen ab, bei denen die Farben gebrannt werden. Sie müssen sozusagen “scharfes Feuer” aushalten. Dabei geht es um Brenntemperaturen zwischen 1100 ºC und 1400 ºC. Solch große Hitze überstehen nur ganz wenige Farben. Die meisten Keramikfarben würden ihre Eigenschaften verändern oder gar gänzlich verbrennen, wenn die Keramik solchen Temperaturen ausgesetzt ist.

Unterglasurfarben sind allesamt aus äußerst hitzebeständigen Metalloxiden zusammengesetzt. Allerdings gibt es nur wenige geeignete Metalloxide, was die Farbpalette erheblich eingeschränkt. Bei der in der Sammlung befindlichen Kanne wurde nur Braunsteinoxid eingesetzt, und das ergab diesen satten Braunton, auf dem nur wenig vegetabilen Relief des großen Kruges.

[Werner Steinecke und Valentina Vlašić]

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Neu in der Sammlung aus dem Nachlass Gerard Lemmens: Golgotafelsen mit Totenkopf von Ferdinand Langenberg

Im Februar 2023 erhielt der Freundeskreis Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. für die Sammlung im Museum Kurhaus Kleve aus dem Nachlass von Gerard Lemmens (zu Informationen über die Person siehe hier) eine einzigartige Schenkung, die aus der bekannten Sammlung Ferdinand Langenberg und im Anschluss aus der Sammlung Dr. Adolf Helfer in seinen Besitz gelangt ist.

Wäre der Totenkopf nicht, könnte es sich bei der vorliegenden Skulptur um ein geradezu zeitgenössisches abstraktes Schnitzwerk handeln. Der Totenkopf allerdings, die Form des Gebildes und der leere Schlitz auf der Oberseite ermöglichen jedoch eine konkrete Zuschreibung – die auf einen Golgotafelsen. Die autarke Erhöhung erhält durch die zahlreichen rhythmischen Schnitzungen, die kahlen Felsen veranschaulichen sollen, einen landschaftlichen Aspekt. Zentral dargestellt ist der Totenschädel, der unterschiedlich interpretiert wird – sowohl als Schädel Adams als auch als Schädel der Verurteilten, die an dieser legendären Stelle gestorben sein sollen.  

Der „Golgotafelsen“ oder „Kalvarienberg“ („kalvaria“ ist die lateinische Übersetzung des aramäischen Wortes „Golgota“, die „Schädel“ bedeutet) stellt die Hinrichtungsstätte Jesu Christi dar, die sich außerhalb der Stadtmauern Jerusalems befunden haben soll, so dass Passanten der Hinrichtung beiwohnen konnten. Er wurde im Laufe der Jahrhunderte verändert und im 11. Jahrhundert wieder künstlich errichtet, um Feiern des Kreuzigungsopfers Christi am ursprünglichen Ort zu ermöglichen. Lag der Felsen in der Spätantike noch unter freiem Himmel, wurde er im 11. Jahrhundert in seinen gesamten Ausmaßen in einen Seitenflügel der Grabeskirche integriert. 

Bei der vorliegenden Skulptur fehlt bedauerlicherweise das Kreuz mit dem gekreuzigten Jesu Christi, für das auf der Oberseite der Skulptur ein Schlitz eingelassen ist. Wurde Christus laut Überlieferung zusammen mit den beiden Verbrechern hingerichtet, sind vorliegend keine Hinweise auf weitere Möglichkeiten der Kreuzespräsentation zu finden. Überhaupt fehlen alle anderen, ansonsten oft dargestellten Elemente der Kreuzigung: u.a. gaffende Schaulustige, Soldaten oder die durch den Tod ihres Sohnes zusammenbrechende Maria Muttergottes, die von ihren beiden Schwestern Maria Salome und Maria Kleophas begleitet wird. Das Bildwerk ist ganz auf die zentrale Motivik des gekreuzigten Christus hin ausgerichtet – und erhält durch das Fehlen des besagten Kreuzes eine eigentümliche Präsenz, die ihrem Daseinszweck enthoben zu sein scheint, aber trotzdem nicht einer gewissen Dynamik entbehrt. 

Das Schnitzwerk entspricht dem Stil der spätgotischen Skulpturen um 1500 am Niederrhein, ist jedoch zweifelsfrei um 1900 entstanden – durch den neugotischen Bildhauer Ferdinand Langenberg in Goch, der einer der besten Kenner mittelalterlicher Bildhauerei am Niederrhein war und sich mit seiner Werkstatt u.a. auf die „Verschönerung“, Neuinterpretation oder Restaurierung alter Werke spezialisiert hat. Der Mentalität um 1900 entsprechend, ersetzte er in vielen Kirchen des Niederrheins (z.B. im Xantener Dom) mit seinen Eigenkreationen zahlreiche Originale, mit denen er sich anschließend mitunter sogar bezahlen ließ. Dadurch gelang es Langenberg, eine beeindruckende Schausammlung anzulegen, die zu den bedeutendsten am Niederrhein zählte und die hohe Qualität dieser Epoche gesammelt wiederspiegeln konnte. Zahlreiche Werke seiner Sammlung befinden sich heute im Besitz des Museum Kurhaus Kleve (siehe „Verknüpfte Objekte“), kaum eines aus seiner eigenen Hand – wodurch das vorliegende Werk abermals eine interessante Bedeutung erhält. 

[Valentina Vlašić]

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Sechs neue Dauerleihgaben von Ulrich Erben & Andreas Schmitten für die Klever Sammlung

Ab Februar 2023 erweitern sechs prominente Dauerleihgaben der deutschen Künstler Ulrich Erben (*1940) und Andreas Schmitten (*1980) die Sammlung des Museum Kurhaus Kleve:

  • Andreas Schmitten

Dem Klever Museum seit Jahrzehnten wohl gesonnene Unterstützer*innen aus Meerbusch bei Düsseldorf liehen dem Museum Kurhaus Kleve für dessen Jubiläumsausstellung „Schatzhaus und Labor. 25 Jahre Museum Kurhaus Kleve“ (23.07.2022–29.01.2023) mehrere Werke von Andreas Schmitten, der vor einigen Jahren in einer großen Übersichtsausstellung („Andreas Schmitten“, 13.05.–26.08.2018) gewürdigt worden war. Nach Ablauf der Ausstellung bleiben die Werke – aus Freude über die Präsentation und angereichert um weitere Arbeiten dieses jungen deutschen Bildhauers – als Dauerleihgaben in der Klever Sammlung, wo sie das vorhandene graphische Portfolio seiner Werke trefflich um skulpturale Positionen erweitern. Dabei handelt es sich um außergewöhnliche und frühe Arbeiten des mittlerweile international bekannten Künstlers:

Die poppig bunt anmutende Arbeit „Oststraße“ (2014) zeigt auf einem Podest stehende Figuren und Objekte in einem kindlich-surrealen Umfeld. Sie mutet überraschend fröhlich und persönlich an, wie der familiäre Traum eines Mann-Frau-Idylls. Mit der Arbeit lehnt sich Schmitten an der Gruppe der „Düsseldorfer Modellbauer“ der 1980er Jahre an, der u.a. Thomas Schütte, Ludger Gerdes, Harald Klingelhöller oder Reinhard Mucha angehörten und deren Modelle und Sets Schmitten um surreale und dadaistische Elemente erweiterte. Mit einer Prise Ironie und Humor überträgt Schmitten klassische Formen in eine neuartige, zeitgenössische Bildsprache.

Die beiden Vitrinenobjekte „Falsche Scham VIII.“ (2016) erinnern an die Werke von Duchamp, Man Ray oder Joseph Cornell. Bei ihnen schließt Schmitten aufgerollte, farblich schmeichelnde Stoffbahnen in hochglänzende Schaukästen ein und generiert durch die Aspekte des Einrollens und Verschließens bei Betrachter*innen eine sinnlich-haptische Paradoxie.

Bei „Zwei Throne“ (2014) hebt er das Sitzmobiliar des Menschen auf einen Sockel und standardisiert es durch die Verdoppelung. In seinen Skulpturen zeigt Schmitten sinnlich ansprechende Farben und Formen, perfekt lackierte Oberflächen, kühle Materialien, die ihre Anleihen in profanen Alltagsgegenständen haben, die durch den Künstler jedoch einer umfänglichen inhaltlichen wie handwerklichen Verfremdung unterzogen werden, durch die sie schließlich eine neuartige und attraktive, geradezu sakrale oder sanitäre Anmutung erhalten.

Die Arbeit „Heizung“ (vor 2014) ist aus Karton geschnitten und in eine Form gebracht, deren Name diese allerdings ad absurdum führt. Würde man die Kartonarbeit erhitzen, um eine Heizung zu befeuern, würde sie umgehend in Flammen aufgehen und sich auflösen. 

  • Ulrich Erben

Ergänzend zu den vier Arbeiten von Andreas Schmitten gelangen auch zwei Arbeiten von Ulrich Erben neu in die Sammlung des Museum Kurhaus Kleve – einem international hoch angesehenen Künstler, mit dem das Klever Museum bereits eine lange Ausstellungshistorie teilt. Kaum ein Künstler ist enger mit dem Museum in Kleve verbunden als er. In der Sammlung ist Ulrich Erben mit äußerst prominenten Positionen vertreten [allen voran den beiden Varianten von „Klever Raum“ (1988)]. 

Die beiden neuen Arbeiten „Ohne Titel“ sind sowohl typisch als auch ungewöhnlich für Erben. In seinen Bildern gehen die Farben stets einen Dialog ein, basierend auf dem spezifischen Klang eines Ortes, der sich in der Erinnerung festsetzt und das Einmalige und Spezifische eines Ortes genauso zu verkörpern vermag wie aus der Realität entnommene Architekturformen.

Bei „Ohne Titel“ (1996) wird eine schwarze Innenfläche von einer rotbraunen Randzone gerahmt. Beide Farben begegnen sich in einer geometrischen Form und vibrieren geradezu im Auge des Betrachters.

Bei „Ohne Titel“ (1968) handelt es sich um eine der frühesten Arbeiten des Künstlers in der Klever Sammlung, die ungewöhnlich für ihn anmutet, da ihr ein realistischer Ursprung – die Reminiszenz an van Goghs „Brücke von Langlois“ in Arles, die dieser in mehreren Variationen malte – zugrunde liegt. 

Die sechs neuen Arbeiten bereichern exzellent die vorhandene Sammlung im Museum Kurhaus Kleve um wichtige neue Akzente. In wechselnden Präsentationen werden sie in den folgenden Jahren immer wieder in die Dauerausstellungen integriert werden. 

[verfasst von Valentina Vlašić, Kuratorin im Museum Kurhaus Kleve]

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Kleves berühmter „Handtuchhalter mit Liebespaar“ geht in den Louvre in Paris

Er ist und bleibt das Lieblingsstück der Klever Sammlung: der „Handtuchhalter mit Liebespaar“ des Bildhauers Arnt van Tricht (um 1535-1540). Kein anderes Objekt wird derart oft angefragt und ausgeliehen wie er. Nun reist Kleves Prunkstück zu einer Ausstellung an exponierter Stelle: dem Louvre in Paris. Dort wird er vom 16. Oktober 2024 bis 3. Februar 2025 in der Ausstellung „Närrische Figuren. Zwischen Mittelalter und Renaissance“ zu sehen sein. 

Die Ausstellung ermöglicht dem Publikum einen neuen, unkonventionellen Blick auf die Kunst des Mittelalters und der Renaissance, indem sie sich auf eine Figur konzentriert, die in unserer Vorstellung zwar bekannt und vertraut ist, aber dennoch von einer stets gleichbleibenden Faszination umgeben ist: dem Narren. 

Für die breite Öffentlichkeit ist die Kunst des Mittelalters im Wesentlichen religiös und der Verherrlichung Gottes und seiner Heiligen gewidmet. Dennoch ist es das Mittelalter, das der subversiven Figur des Verrückten eine Gestalt verliehen hat. Ursprünglich im religiösen Denken verwurzelt, als Verkörperung des Dummkopfs und Gimpels, der Gott ablehnt, blühte der Narr vor allem in der weltlichen Sphäre auf und wurde im späten Mittelalter zu einer wesentlichen Figur des städtischen sozialen Lebens, insbesondere in Bruderschaften und Karnevals, bis er schließlich am Hof als „fou du roi“ verkörpert wurde.

Die zahlreichen Kunstwerke, die von dieser Begeisterung zeugen, von den feinsten Objekten und Gemälden bis hin zu Alltagsgegenständen, zeigen uns, wie sehr die Figur des Narren Teil der visuellen Kultur der damaligen Menschen und insbesondere der Künstler war, bis hin zu dem Höhepunkt, den das 15. Jahrhundert in einer Bewegung der Wiederaneignung und Erneuerung, die das Thema des letzten Teils der Ausstellung sein wird.

In der Ausstellung werden rund 300 verschiedene Exponate – Kunstgegenstände, Gemälde, Skulpturen, Manuskripte usw. – aus den bedeutendsten Sammlungen der Welt zu sehen sein. Sie wird von einem umfangreichen Katalog begleitet werden. Die Ausstellung wird in den vollständig renovierten Ausstellungsräumen der Napoleonhalle zu sehen sein, die sich damit erstmals überhaupt der Öffentlichkeit präsentieren werden.

Der „Handtuchhalter mit Liebespaar“ von Arnt van Tricht (um 1535-1540) – mit der Darstellung eines Narren, der eine verheiratete Frau „unter der Haube“ umgarnt – stellt naturgemäß ein zentrales Exponat dieser Ausstellung dar, der wesentlich zu ihrem Erfolg beitragen wird. Das Museum Kurhaus Kleve gewährt diese Leihgabe zu diesem Zwecke gerne – trägt die Ausstellung zum Ansehen seiner Sammlung und seines mittelalterlichen Prunkstücks wesentlich bei. 

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Wissenschaftliche Forschungsvolontärin des Landes Nordrhein-Westfalen 2023-2024 für die Ewald Mataré-Sammlung: Annemarie Gareis

Nach 2019 lotete das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen 2022 zum zweiten Mal in Folge das Programm „Forschungsvolontariate Kunstmuseen NRW“ aus, mit dem es die kunsthistorische Arbeit an Museen in NRW gezielt mit den Kernaufgaben des Sammelns und Forschens unterstützen möchte. Mit dem Programm werden die Aufarbeitung von Ausstellungs- und Sammlungsgeschichten unterstützt und eine junge Generation von Nachwuchswissenschaftler*innen in die Museen eingebunden.

Nachdem das Museum Kurhaus Kleve bereits beim ersten Durchgang vom Programm profitierte (siehe ->hier), bewarb es sich auch beim zweiten Aufruf erfolgreich, und zwar für die Bearbeitung der durch das Ableben und Vermächtnis von Sonja Mataré 2020 und die Schenkung von Guido de Werd 2021 fundamental erweiterten Ewald Mataré-Sammlung.

Für diesen wichtigen Aufgabenbereich konnte die Kunsthistorikerin, Kulturwissenschaftlerin und -vermittlerin Annemarie Gareis M.A. aus Herford gewonnen werden, die das Team des Museum Kurhaus Kleve für die nächsten zwei Jahre bereichern und unterstützen wird. 

  • Über die neue wissenschaftliche Forschungsvolontärin Annemarie Gareis

Annemarie Gareis wurde 1994 in Herford geboren. Sie studierte Kunstgeschichte, Kulturwissenschaften und Kulturvermittlung an den Universitäten und Hochschulen im deutschen Hildesheim, im italienischen Bologna und in Caldas da Rainha in Portugal. Ihre Bachelorarbeit schrieb sie über die Fluxus-Künstlerin Yoko Ono, ihre Abschlussarbeit über körperliche Transformationsprozesse in der zeitgenössischen Performancekunst. 

2015 absolvierte Annemarie Gareis bereits ein wissenschaftliches Praktikum im Museum Kurhaus Kleve, bei dem sie das Privileg hatte, Sonja Mataré persönlich im Atelierhaus ihres Vaters Ewald Mataré in Meerbusch-Büderich kennenlernen zu dürfen. Sie arbeitete damals maßgeblich im Bereich der Ausstellungsorganisation und Katalogproduktion für „Ewald Mataré: Berliner Jahre“ (29.03.–28.06.2015) mit, wobei sie zzgl. an der Fertigstellung des Werkverzeichnisses der Aquarelle von Ewald Mataré involviert war, das neben dem Katalog ebenfalls zu dieser Ausstellung erschienen war.

Diese positiven Erfahrungen von 2015 bewogen Annemarie Gareis nach dem Abschluss ihres Studiums 2022 dazu, ihr wissenschaftliches Volontariat zum Berufseinstieg abermals in Kleve zu absolvieren. Bei der öffentlichen Stellenausschreibung setzte sie sich gegen alle anderen Mitbewerber*innen durch und erhielt von der Stadt Kleve den Zuschlag für die Stelle.

  • Über Ewald Mataré und seine Sammlung in Kleve

Ewald Mataré (1887–1965) gehört zu den bedeutendsten Künstlerpersönlichkeiten der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Deutschland. Seine Werke befinden sich in zahlreichen Museumssammlungen und an öffentlichen Orten. Mataré war Maler, Graphiker und Bildhauer. Seine Tierdarstellungen, bei denen die Kuh eine zentrale Rolle spielt, zeichnen eine absolute Klarheit in der Form und eine unerschöpfliche Erfindungskraft aus. Sie nehmen in der deutschen Kunst des 20. Jahrhunderts einen singulären Platz ein.

Die Präsentation und wissenschaftliche Aufarbeitung des facettenreichen Werks von Ewald Mataré gehören zu den Grundpfeilern der Arbeit des Museum Kurhaus Kleve, das die Ergänzung „Ewald Mataré-Sammlung“ in seinem Titel trägt. 1988 überließ die Tochter des Künstlers, Sonja Mataré, dem Museum der Stadt Kleve einen substantiellen ersten Teil des sich nach dem Tod Ewald Matarés 1965 in ihrem Besitz befindlichen Œuvres. Diese Werke bildeten den Grundstock für die Sammlung des neuen Museum Kurhaus Kleve, das 1997 eröffnete. Nicht nur Mataré, sondern auch das Werk seiner Schüler, u.a. Joseph Beuys und Erwin Heerich, ist heute in der Sammlung dieses Museums mit bedeutenden Arbeiten vertreten. 

2020 und 2021 wurde die Ewald Mataré-Sammlung im Museum Kurhaus Kleve fundamental erweitert. Die Tochter des Künstlers, Sonja Mataré, starb am 7. Oktober 2020. Testamentarisch verfügte sie als Vermächtnis an den Freundeskreis des Museums eine hochbedeutende Schenkung. Diese besteht u.a. aus 45 Skulpturen und keramischen Arbeiten, 222 Holzschnitten und einem umfassenden und eindrucksvollen Archiv über Ewald Mataré, das u.a. die originale Korrespondenz des Künstlers mit Zeitgenossen, Künstlerkolleg*innen, Sammler*innen, Galerien, Museen usw. enthält – wie auch die handgeschriebenen Tagebücher Matarés aus den Jahren 1915 bis 1965, die nicht nur über seine eigene Person wertvolle Informationen liefern, sondern auch ein wichtiges zeitgeschichtliches Dokument darstellen.

In ihrem Testament hat Sonja Mataré den Gründungsdirektor des Museum Kurhaus Kleve, Guido de Werd, zum Alleinerben für den zweiten, nicht durch das Vermächtnis gebundenen Teil ihrer Hinterlassenschaft bestimmt. Den verbliebenen künstlerischen Nachlass sowie die originale Atelier-Einrichtung schenkte dieser dem Museum Kurhaus Kleve – Ewald Mataré-Sammlung. Die Schenkung umfasst 263 Skulpturen, 63 Druckstöcke, 455 Zeichnungen und Entwürfe, 101 Aquarelle, 3 Gemälde sowie 20 „Kunst am Bau“-Entwürfe in Originalgröße. Darüber hinaus umfasst die Schenkung auch noch 226 Werke anderer Künstler*innen aus dem Besitz von Ewald und Sonja Mataré. 

Das Vermächtnis von Sonja Mataré und die Schenkung von Guido de Werd – bereichert durch zahlreiche Erwerbungen in den vergangenen Jahrzehnten – haben dazu geführt, dass sich das umfassende und eindrucksvolle Œuvre Ewald Matarés nun zu zwei Dritteln in Kleve befindet, was eine opulente Konzentration des Werkes dieses Künstlers in der Klever Sammlung darstellt. 

  • Aufgaben in den nächsten zwei Jahren

2021 und 2022 hat das Museum Kurhaus Kleve eine erste, rudimentäre Erfassung dieses eindrucksvollen Neubestands durchgeführt und die Kunstwerke erfasst, photographiert und gelistet. Damit ist die Arbeit an diesem hoch bedeutenden Konvolut jedoch bei weitem nicht abgeschlossen.

Darüber hinaus muss eine wissenschaftliche Aufarbeitung und Einordnung der Kunstwerke stattfinden wie auch eine Ersterfassung der hochbedeutenden Dokumentation des Künstlers. Ferner müssen erforderliche restauratorische Maßnahmen an mehreren Skulpturen (vorwiegend originalen Gipsen, die nunmehr in nahezu vollständiger Zahl im Museum enthalten sind) sowie an fast allen 20 „Kunst am Bau“-Entwürfen initiiert und begleitet werden.

Die Ergebnisse sollen im Rahmen einer umfassenden Ausstellung Ende 2024 / Anfang 2025 der Öffentlichkeit präsentiert werden, die die Person und das Werk von Ewald Mataré in ein gänzlich neues Licht stellen werden und zu der ein mehrbändiger Bestandskatalog erscheinen soll. 

All diese komplexen Aufgaben der Sammlungserfassung und -pflege, der Ausstellungsplanung und -umsetzung sowie der Katalogproduktion sollen im Rahmen des wissenschaftlichen Forschungsvolontariats Kunstmuseen NRW – Sammlungsforschung durch das wissenschaftliche Team des Museums unter der maßgeblichen Mithilfe von Annemarie Gareis erfolgen. 

[verfasst von Valentina Vlašić, Kuratorin im Museum Kurhaus Kleve]

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Großes Erwerbungsprojekt „Ewald Mataré & Freunde“: Neuzugang von zehn Kunstwerken für die Ewald Mataré-Sammlung des Freundeskreises

Mit der Unterstützung des Ministeriums für Kultur und Wissenschaften des Landes Nordrhein-Westfalen sowie der Förderstiftung Museum Kurhaus Kleve konnte das Museum Kurhaus Kleve als großes Erwerbungsprojekt in den Jahren 2021–2022 für die Ewald Mataré-Sammlung des Freundeskreises Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. zehn Kunstwerke von Ewald Mataré (1887–1965) und seines Umfelds erwerben:

In den Jahren 1926/1927 reiste Ewald Mataré nach Italien und Frankreich, wo er unter dem Eindruck der Farbgebung von u.a. Giotto und Cimabue einzigartige Suiten von Aquarellen schuf. Aus dieser Zeit konnte „St. Tropez“ erworben werden, ein für den Künstler intimes, erstaunlich farbintensives Aquarell, das am Ende von Matarés expressionistisch geprägtem malerischen Frühwerk steht.

Eine Kuhskulptur konnte erworben werden, die zentral für Matarés Plastik ist. Die Kuh ist ein Thema, mit dem er sich ein Leben lang beschäftigt hat. Die „Grasende Kuh I.“ von 1930 ist ein äußerst seltenes, in der Patinierung exzellent erhaltenes Exemplar mit imposanter Körperlichkeit, von dem nur wenige Güsse bekannt sind. Thematisiert wird das Geschöpf Kuh beim Nahrung aufnehmen – eine von drei essentiellen Zuständen des Tieres (die Kuh, „sie steht in vollendeter Ruhe, sie liegt in vollendeter Ruhe, sie frisst in vollendeter Ruhe“, so Mataré). Selten ist, dass die Kuh hier mit der Nase auf der Platte gezeigt wird.

In den Holzschnitten „Hahn“ und „Zeichen einer Weide“ wird Matarés ornamentales Denken ersichtlich, auf die er die Formen der Tiere in schlüssiger Anwendung reduziert und komprimiert.

Matarés Zeitgenosse Heinrich Campendonk lehrte wie er an der Kunstakademie Düsseldorf, wo er (wie kurze Zeit später Mataré) 1933 von den Nationalsozialisten verdrängt wurde. Im Holzschnitt „Harlekin“ thematisiert er Themen wie Mataré: den Mensch, das Tier, das Ornament. Von Alfred Kubin und Joseph Beuys konnten jeweils eine Originalzeichnung und ein seltener Holzschnitt erworben werden, die der Architekt Willi Basqué seinem Sohn Lukas Basqué geschenkt hat.

Alle übrigen Werke stammen aus dem Besitz von Ilse und Fritz Steinert aus Krefeld. Fritz Steinert war ein Seidenfabrikant. Lukas Basqué ist durch Schenkung und Erbschaft von seiner Großmutter Ilse Steinert und seiner Mutter Dora Basqué (geborene Steinert) sowie durch Ankauf in den Besitz der Werke gekommen.

Die Familie Steinert stammte aus Krefeld. Ihr dortiges Wohnhaus wurde von dem berühmten Architekten Hans Poelzig (1869–1936) errichtet, das dessen einzigen Bau in NRW darstellte. Für die Fassade schuf Mataré 1936/1937 das Relief „Seidenrose“. Ilse und Fritz Steinert, die viele Künstler*innen um sich versammelten, waren jahrzehntelang eng mit Ewald Mataré befreundet. Ihr Schwiegersohn Willy Basqué förderte in den Anfangsjahren den jungen Joseph Beuys. Als dieser 1956 von einer tiefen mentalen Krise getroffen war, holten ihn Willy Basqué zusammen mit Erwin Heerich und Adam Rainer Lynen aus dessen Atelier in Düsseldorf-Heerdt und brachten ihn nach Krefeld. Beuys übernachtete am 3. Mai 1956 bei Basqué in Krefeld, wo er in der Nacht die vier bekannten Zeichnungen auf den Seiten der Brockhaus-Enzyklopädie von 1935 schuf, die sich bereits seit 2002 in der Sammlung des Museum Kurhaus Kleve befinden. Tags darauf fuhr der junge Beuys mit seinem Vater nach Kleve, wo er später den Sommer auf dem Hof der Brüder van der Grinten in Kranenburg verbrachte, eine heute als legendär geltende Begebenheit, die Beuys in seinem selbst verfassten „Lebenslauf/Werklauf“ als „Beuys arbeitet auf dem Felde“ bezeichnete.

Die neuhinzugewonnenen Arbeiten des Projekts „Ewald Mataré & Freunde“ bereichern die vorhandene „Ewald Mataré-Sammlung“ (-> siehe auch hier) exzellent und prägen das Museum nachhaltig. Sie sollen 2024/2025 in einer großen Retrospektive über Ewald Mataré im Museum Kurhaus Kleve präsentiert werden.

[Valentina Vlašić]

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Imposante Frauenbüste von Achilles Moortgat (1881–1957) aus dem Vermächtnis von Karl-Heinz Schayen, Kleve

Im Oktober 2022 erhielt das Museum Kurhaus Kleve aus dem Vermächtnis von Herrn Karl-Heinz Schayen (†2022) zu Kleve eine imposante Frauenbüste des in Kleve in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ansässigen Bildhauers Achilles Moortgat (1881–1957). Sie stammt aus der Familie des Schenkers Karl-Heinz Schayen und zeigt dessen Großmutter, Frau Wilhelmine Lamers (geborene Kaldenhoff, †1934). In Auftrag gegeben wurde die Skulptur durch ihren Ehemann, Herrn August Lamers. Von den Kindern der beiden, Annemarie und Hans Lamers, existiert eine weitere Büste von Achilles Moortgat in Berliner Privatbesitz. 

Achilles Moortgat gehörte zu einer der führenden Künstlerpersönlichkeiten der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Kleve. 1881 in St. Gillis-bij-Dendermonde geboren, studierte Moortgat an der St.-Lukas-Schule in Gent und an der Akademie der schönen Künste in Antwerpen. 1904 erhielt er als Auszeichnung die „Primus-Medaille“, 1909 den „Prix-de-Rome“. 1911 holte ihn der Klever Künstler Gerd Brüx (1875–1944) nach Kleve, um sein Atelier zu leiten, bis er sich nach dem Ersten Weltkrieg schließlich selbständig machte. 

1936 fungierte Achilles Moortgat als einer der Mitbegründer der klevischen Künstlergilde „Profil“, an deren Jahresausstellungen er auch mehrere Jahre mitwirkte. 1937 war Moortgat mit einer Skulptur bei der Großen Deutschen Kunstausstellung in München vertreten, wonach Adolf Hitler diese für seine Kunstsammlung erwarb – wie es der Klever Heimatkalender für das Jahr 1938 berichtete. Moortgat hatte sich den kulturellen Verhältnissen in Deutschland angepasst und war in die Reichskulturkammer eingetreten. Noch im Ersten Weltkrieg hatte er darum bangen müssen, als Ausländer ohne Arbeit interniert zu werden (da das Atelier von Gerd Brüx durch die Einberufung der dort beschäftigten Bildhauer zwischenzeitlich schließen musste). Der damalige Dechant der Klever Stiftskirche, Gerhard Sprenger, hatte sich bei der Polizei persönlich für Moortgat eingesetzt, so dass dieser unbeschadet in Kleve bleiben durfte.

Während des Zweiten Weltkriegs blieb Moortgat mit seiner Ehefrau Louise Mommens und der 1915 geborenen Tochter Mia in Kleve. Bei dem verheerenden Luftangriff auf Kleve im Oktober 1944 wurde sein Wohnhaus und Atelier an der Gruftstraße in Kleve völlig zerstört. Er wurde mit seiner Familie erst nach Grieth in Kalkar evakuiert, danach in ein Lager in Bedburg Hau interniert. Dadurch ergriff er im Alter von 64 Jahren die Gelegenheit, nach Flandern zurückzukehren, wo er jedoch nicht mehr an frühere Erfolge anknüpfen konnte. Am 9. Dezember 1957 verstarb Achilles Moortgat in Baasrode.

Achilles Moortgat bleibt sowohl als klassischer Bildhauer wie auch als Maler in Erinnerung, der während seiner 44 Jahre am Niederrhein die klevische Kunstszene prägte und beeinflusste. Dort baute er u.a. die sogenannte Schule von Dendermonde auf, eine flämisch-postimpressionistische Strömung, deren Pinselführung breit und Farbgebung dunkel war und mit Lichtkontrasten experimentierte. Er war sowohl als Porträtist wie auch als Maler beliebter Städte wie Brügge und Gent sowie Motive längs der Schelde bekannt. Später folgten Bilder von Kleve und Umgebung sowie Blicke auf den Rhein. Für das Museum Kurhaus Kleve gilt es, seine kunsthistorische Stellung – auch anhand der neuen hier vorliegenden Arbeit – aus heutiger Sicht zu untersuchen und ihn in einen zeitgemäßen Kontext mit den Künstler*innen der damaligen Zeit zu setzen.

[Valentina Vlašić]

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Schöne kleine Schenkung aus Privatbesitz: ein abstraktes Bild der Malerin Lisa Hoever

Die Kolleg*innen des Museum Franz Gertsch in Burgdorf in der Schweiz – mit denen das Museum Kurhaus Kleve nicht nur durch seine „Silvia II.“ dauerhaft verbunden ist – haben sie als Geistesverwandte des großen Franz Gertsch erkannt und jüngst ausgestellt: die in Bern arbeitende Malerin und Graphikerin Lisa Hoever. Das Museum Kurhaus Kleve und sein Freundeskreis dürfen sich nun über eine starke abstrakte Position dieser Künstlerin für seine Sammlung freuen, die aus Kölner Privatbesitz zu ihnen gekommen ist und sich nahtlos in die vorhandene Sammlung einfügt. 

Die klein-, mittel- und großformatigen, farbstarken Werke der Malerin Lisa Hoever bewegen sich in einer Bandbreite von abstrakten bis figürlichen Darstellungen. Die Künstlerin arbeitet mit Öl, Aquarell und Mischtechnik auf Papier oder Leinwand. Ausgangs- und Bezugspunkt ihrer Arbeiten sind immer figürliche „Modelle“. Dabei handelt es sich seltener um Personen, sondern häufiger um getrocknete Früchte und Beeren, Blüten, Knospen, Blätter, Zweige, Äste, Gräser, aber auch Gefäße, Stoff­muster oder Verpackungsmaterial. 

Persönliche Gedankengänge bestimmen ihre Komposition immer mit: die Idee einer Doppelung, die Spiegelung eines Objekts oder einer Form, Partnerschaften und Gegensätze, etwas Florales oder ein Ornament, Linien und Punkte. In der Ausführung wird die Gegenständlichkeit jedoch häufig zugunsten von Farbe und Form aufgelöst. Lineare, zeichnerische Elemente und mehrschichtig aufgetragene oder gegossene Farbflä­chen treffen in den Werken der Künstlerin zusammen. 

Was entsteht, sind keine stilllebenhaften Darstellungen von Objekten mit klassischem Vorder- und Hintergrund – Lisa Hoever schafft vielmehr eigene Realitäten im Bild. Ihre Objekte verwandeln sich in bildwürdige Entitäten innerhalb des sie umfangenden Bildrands. Beim vorliegenden Blatt geht die Künstlerin an die Grenzen ihrer Technik, bei der sie das Papier auf dem Boden liegend bearbeitet und mit dünnflüssiger Farbe von mehreren Richtungen aus übergossen hat. 

Lisa Hoever wurde 1952 in Münster geboren und lebt seit 1988 in Bern. Sie studierte an der Kunstakademie Düsseldorf bei Rolf Sackenheim und Alfonso Hüppi, dessen Meisterschülerin sie war, und war langjährige Dozentin an der Hoch­schule der Künste Bern HKB. Seit den späten 1970er Jahren übt sie eine rege Ausstellungstätigkeit im In- und Aus­land aus. So fand u.a. 2008 eine Retrospektive ihrer Arbeiten im Kunstmuseum Winterthur statt, 2021-2022 eine große Übersichtsausstellung im Museum Franz Gertsch in Burgdorf („Lisa Hoever. Nachmittagslicht“), für die vorliegende Arbeit als Edition entstanden ist.

[Valentina Vlašić]

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Schöne kleine Schenkung aus Privatbesitz: Fernand Légers „Ausflug auf das Land“ von 1955

Eine schöne kleine Schenkung bereichert ab September 2022 die Sammlung des Freundeskreises Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. für das Museum Kurhaus Kleve: Aus Düsseldorfer Privatbesitz gelangte eine Originallithographie des französischen Malers und Graphikers Fernand Léger (1881–1955) nach Kleve, die in der Reihe „Derrière le miroir“ erschienen ist. 

Fernand Léger zählt heute zu den bedeutendsten französischen Maler*innen des 20. Jahrhunderts, der bestrebt war, eine für alle zugängliche Form der Kunst zu schaffen, wodurch seine Werke als Vorläufer der „Pop Art“ angesehen werden dürfen.

Die vorliegende Arbeit ist die letzte Fassung von drei Variationen zu einem Thema, mit dem Léger eine sozial-gesellschaftliche Neuigkeit feiert: in Frankreich wurde bezahlter Urlaub eingeführt. Selbstverständlich orientierte er sich dabei auch an Edouard Manet, dessen „Frühstück im Grünen“ von 1863 einen Skandal auslöste, weil sich darin vor allem eine nackte Frau inmitten einer Gruppe von bekleideten Männern in der Landschaft zeigte. 

Bei „La Partie de Campagne“ stellt Léger eine Szene im Freien dar, die ohne seine übliche Fragmentierung des Raums durch den analytischen Kubismus auskommt. Die konstruiert wirkende Landschaft ist das Gegenteil jedweden Naturalismus, der Einsatz von Farbe ist frei und mitunter willkürlich. Die Szenerie ist rechts von einem japanisch anmutenden Baum abgeschlossen und mit diversen Zeichen versetzt. 

Die Graphik ist in der Künstler*innen-Edition „Derrière le miroir“ (oder kurz „DLM“) erschienen (Ausgabe Nr. 121-122; veröffentlicht im Jahr 1960), die von dem französischen Verlegerpaar Maeght in den Jahren 1946 bis 1982 herausgegeben wurde. Ein Hauptbestandteil der meisten Hefte war eine Originalgraphik (Lithographien, Radierungen, Serigraphien oder Holzschnitte), die meistens in der Druckerei von Fernand Mourlot gedruckt wurde. 

Mit insgesamt 201 Ausgaben mit Werken bekannter Künstler*innen wie Marc Chagall, Joan Miró, Georges Braque, Pablo Picasso und vieler mehr stellt „Derrière le miroir“ heute ein wichtiges Zeitdokument zur bildenden Kunst der Nachkriegszeit dar. Die meisten Graphiken sind auch jeweils in den Werkverzeichnissen der entsprechenden Künstler*innen zu finden, wodurch die Blätter bis heute begehrte Sammlerstücke sind.

Léger und Maeght verband eine gemeinsame Geschichte. Im Mai 1949 fand in der Galerie Maeght in Paris die Ausstellung „Abstrakte Kunst“ statt, die von Andry-Farcy, dem Kurator des Musée de Grenoble, und Michel Seuphor organisiert wurde und die Zusammenarbeit zwischen Fernand Léger und Aimé Maeght einleitete. Auf Empfehlung von Léger besuchten Aimé Maeght und seine Frau Marguerite die Vereinigten Staaten, um ihre Trauer über den Tod ihres jüngsten Sohnes Bernard zu überwinden. Nachdem sie mehrere amerikanische Stiftungen – u.a. Barnes, Philips, Guggenheim – besucht hatten, beschlossen sie, etwas zu schaffen, an dem sie ihre Sammlung zusammenbringen und mit Künstler*innen-Freunden zusammenarbeiten und Ideen diskutieren konnten. 

[Valentina Vlašić]

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Schöne kleine Neuerwerbung für den kunstgewerblichen Teil der Ewald Mataré-Sammlung im Museum Kurhaus Kleve

Beim ersten Augenschein meinen Betrachter*innen eine kleine Kuhskulptur von Ewald Mataré (1887–1965) zu erkennen, wenn sie sich die schöne kleine Neuerwerbung ansehen, die der Freundeskreis Museum Kurhaus und Koekkkoek-Haus Kleve e.V. im September 2022 für die Ewald Mataré-Sammlung im Museum Kurhaus Kleve erworben hat. Denn das Objekt aus dunkelrotem, hart gebranntem Ton weist einen bauchigen Körper, einen langen Hals und vier kleine Füßchen auf. Doch in Wahrheit handelt es sich um ein Nutzobjekt, das Ewald Mataré in den Kriegsjahren 1944/1945 für den eigenen Gebrauch geschaffen hat: eine Pfeifenschale. Bekanntlich war Mataré zeitlebens Raucher, nicht von Zigarren oder Zigaretten, sondern von Pfeifen, die er in dem vorliegenden Objekt abzulegen pflegte. 

Die kunstgewerbliche Skulptur hat eine regelrechte kleine Odysee hinter sich, bis sie in das Klever Museum gelangte. Nach Matarés Tod 1965 schenkte sie die Tochter des Künstlers, Sonja Mataré (1926–2020), an eine enge Freundin der Familie, Christa Peters in Mönchengladbach. Christa Peters nahm in den 1950er Jahren am von Sonja Mataré regelmäßig organisierten „Jour fixe“ im Atelierhaus Mataré in Meerbusch-Büderich teil, bei dem u.a. auch Joseph Beuys anwesend war. Als Christa Peters 2019 starb, gelangte das kleine Objekt in den Kunsthandel, erst zu VAN HAM Kunstauktionen in Köln, danach über einen Sammler zu Peter Karbstein, Kunst- und Auktionshaus in Düsseldorf, wo sie schließlich in Kölner Privatbesitz gelangte. Dieser bot die Skulptur dem Freundeskreis des Klever Museums an, der sie letztlich für die Ewald Mataré-Sammlung erwerben konnte. 

Bei einer großen Retrospektive über Ewald Mataré 2024/2025 im Museum Kurhaus Kleve soll sie erstmals der Öffentlichkeit präsentiert werden, wo sie einen Platz unter den kunsthandwerklichen Exponaten des Künstlers einnehmen wird. 

[Valentina Vlašić]

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Leihgaben aus Kleve für die Ausstellung „Entfernte Verwandte. Tierskulpturen von Ewald Mataré, Hans Martin Ruwoldt & Renée Sintenis“ im Kunsthaus Stade

Das Museum Kurhaus Kleve – Ewald Mataré-Sammlung und sein Freundeskreis leihen mehrere Werke seiner umfassenden Sammlung von Ewald Mataré (1887–1965) für die Ausstellung „Entfernte Verwandte. Tierskulpturen von Ewald Mataré, Hans Martin Ruwoldt & Renée Sintenis“ im Kunsthaus Stade, die von 1. Oktober 2022 bis 15. Januar 2023 zu sehen sein wird. 

Die Ausstellungsidee ist neu und interessant: Die gemeinsame Klammer zwischen den drei unterschiedlichen (und doch gar nicht so unterschiedlichen) Künstler*innen-Persönlichkeiten bildet der Zugang zum Tier: Tiere gehören seit jeher zum Menschen, doch war und ist es nicht immer eine friedliche Koexistenz, die das Zusammenleben prägt: Fürsorge und Verbundenheit wechseln sich mit Angst, Abhängigkeit und Tötung ab. Alles Animalische wird oftmals als „das Andere“ betrachtet, einerseits als das Beschränkte und Triebhafte, andererseits als das Unbewusste, das noch in Harmonie mit der Natur steht. Dabei ist eine Verwandtschaft zwischen Mensch und Tier unbestritten, gehört doch der Mensch auch zu den Primaten und damit zu den höheren Säugetieren.

Die Auseinandersetzung mit diesem Neben-, Mit- und Gegeneinander schlägt sich seit Jahrtausenden in der Kunst nieder, Künstler*innen nehmen sich in ihrem Werk der Tiere an. Zuerst dienten sie in der plastischen Darstellung jedoch nur als Beiwerk und Bezugspunkte oder als Symbole. Dies ändert sich Mitte des 19. Jahrhunderts – von nun an begegnen wir an vielen Orten Tierskulpturen und -Plastiken, jetzt beginnt eine Popularisierung des Tiermotives. Vor allem Kleinplastiken aus Bronze entstehen, die Auskunft über die verschiedenen Blickwinkel auf das Verhältnis zwischen Mensch und Tier geben.

Mit Werken von Ewald Mataré, Hans Martin Ruwoldt und Renée Sintenis können verschiedene Positionen plastischer Tierdarstellungen des 20. Jahrhunderts präsentiert werden, um die künstlerische Auseinandersetzung, die Bewunderung und das Erstaunen eindrucksvoll vorzuführen. Dabei ist offensichtlich, dass nicht nur die Darstellungsarten, sondern auch die Interpretation von höchster Komplexität sind.

Die meisten Werke der geplanten Ausstellung entstehen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Renée Sintenis, Hans Martin Ruwoldt und Ewald Mataré schaffen zahlreiche Kleinplastiken von Tieren aus Bronze und Holz. Und trotz der zeitlichen und motivischen Nähe sind die Werke der drei Bildhauer*innen deutlich voneinander abzugrenzen. Die Ausstellung macht auf Zusammenhänge und Varianz aufmerksam und stellt die Komplexität des Themas in den Vordergrund.

Weitere Informationen unter www.museen-stade.de.

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„Silvia“ kehrt als Leihgabe zurück an ihren Ursprungsort – nach Burgdorf, zur Jubiläumsausstellung im Museum Franz Gertsch

Obwohl „Silvia II.“ (2000), die Ikone der Sammlung des Museum Kurhaus Kleve, gerade zentraler Bestandteil der Ausstellung „Schatzhaus und Labor. 25 Jahre Museum Kurhaus Kleve“ ist, geht sie von September 2022 bis März 2023 auf Reisen. Denn auch das Museum ihres Schöpfers, des Schweizer Malers Franz Gertsch, feiert ein wichtiges Jubiläum, für das sie einen zentralen Bestandteil darstellen soll: Es begeht feierlich sein 20-jähriges Bestehen. Aus diesem Grund gibt das Museum Kurhaus Kleve seine „Silvia II.“ gerne als Leihgabe für die Ausstellung „Kaleidoskop. 20 Jahre Museum Franz Gertsch“ im Museum Franz Gertsch in Burgdorf, wo sie von 17. September 2022 bis einschließlich 5. März 2023 ausgestellt sein wird. 

Aus diesem Anlass gezeigt wird eine Ausstellung mit Gemälden und Holzschnitten von Franz Gertsch aus den letzten zwanzig Jahren bis hin zu neuen, erstmals präsentierten Arbeiten. Darunter befinden sich auch prominente Leihgaben anderer Museen, die in Burgdorf bereits länger nicht mehr zu sehen waren.

Der Begriff „Kaleidoskop“ wird im Zusammenhang mit der Ausstellung als Sinnbild für lebendige Farbigkeit, für eine vielseitige Abfolge von Motiven, Farben und Sinneseindrücken beim Betrachten der Werke verstanden. Die Besucherinnen und Besucher der Ausstellung erleben ein Kaleidoskop der Kunst von Franz Gertsch. Das Motto wird zusätzlich auf das Programm der Jubiläumsfeier vom Samstag, 17. September 2022 übertragen, das mit vielfältigen kunstvermittlerischen, musikalischen und kulinarischen Höhepunkten aufwartet. Franz Gertsch hat über die Jahrzehnte hinweg ein umfassendes Werk geschaffen, in dem bestimmte Motive in Variationen auftreten. Sei es das gleiche Motiv in den Techniken Malerei und Holzschnitt oder auch in der gleichen Technik in Farbvariationen.

In der Ausstellung werden nun erstmals seit vielen Jahren wieder die drei Silvia-Gemälde zusammengeführt: Während sich „Silvia I.“ (1998) im Besitz des Museum Franz Gertsch befindet und eine zentrale Rolle in seiner Gründungsgeschichte spielt, gehört „Silvia II.“ (2000) zur Sammlung des Museum Kurhaus Kleve (D) und „Silvia III.“ (2003/04) zum Kunsthaus Zürich. In einem anderen Raum sind Holzschnitte der so genannten „Regenbogen-Reihe“ der „Silvia“ (2001/02) aus der Sammlung des Künstlers ausgestellt. Auch die Werkgruppe „Guadeloupe“ ist erstmals seit Jahren wieder in Gemälden und Holzschnitten im Museum präsent – seit 2014 befanden sich die Gemälde im Museum Folkwang, Essen (D) als Dauerleihgabe. Die Festrede aus Anlass der Eröffnung der Jubiläumsausstellung hält Guido de Werd, der Gründungsdirektor des Museum Kurhaus Kleve, der sich auch für die Erwerbung der „Silvia II.“ für die Klever Sammlung verantwortlich zeichnet.

Weit öffnet sich die Vielfalt der Motive Gräser, Pestwurz, Waldweg und Jahreszeiten-Darstellungen in den Techniken Malerei und Holzschnitt – die Bandbreite reicht von Darstellungen in Lokalfarbigkeit bis zur Monochromie und den in echtes Ultramarinblau getauchten Landschaften der späten Jahre. Ein Raum ist dem Thema „Meer“ gewidmet: Im Rückgriff auf photographische Vorlagen, die in den 1970er Jahren in Saintes-Maries-de-la-Mer entstanden, schuf Franz Gertsch seit 2013 weitere Gemälde und Holzschnitte zum Thema. Der Holzschnitt „Meer“ (2020/21) und das Gemälde „Meer II.“ (2021/22) sind erstmals ausgestellt.

Weitere Informationen über die Ausstellung und das Museum sind ->hier abrufbar. 

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Ca. 1.200 Werke für das Museum Kurhaus Kleve: Hochbedeutende Schenkung an Kunstwerken von Ewald Mataré (1887–1965) geht nach Kleve

Ein Teil des künstlerischen Nachlasses von Ewald Mataré (Aachen-Burtscheid 1887–1965 Büderich bei Düsseldorf) befindet sich bereits seit 1988 im Besitz der Stadt Kleve, der als Grundstock für das 1997 eröffnete Museum Kurhaus Kleve diente, das auch seinen Namen trägt („Ewald Mataré-Sammlung“). Am 7. Oktober 2020 verstarb Frau Sonja Mataré (1926–2020), die Tochter des Künstlers, die ihr Leben dem Werk ihres Vaters gewidmet hat. Testamentarisch bedachte sie den Freundeskreis Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. mit einem großartigen Vermächtnis an ca. 300 Werken ihres Vaters. Ihren langjährigen Wegbegleiter und Vertrauten, Herrn Drs. Guido de Werd, den damaligen Direktor des städtischen Museums und Gründungsdirektor des Museum Kurhaus Kleve, machte sie zu ihrem Alleinerben. Dieser schenkte der Stadt Kleve und damit dem Museum Kurhaus Kleve über 900 Arbeiten von Ewald Mataré aus allen Gattungen und Schaffensperioden.

Ewald Mataré, ein bedeutender Vertreter der Klassischen Moderne in Deutschland, stellt Mitte des 20. Jahrhunderts die zentrale Bildhauerpersönlichkeit des Rheinlands dar. 1932 wurde er auf Initiative von Paul Klee und Walter Kaesbach an die Kunstakademie Düsseldorf berufen, dort jedoch nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten bereits im Juli 1933 wieder entlassen (wohin er erst nach 1945 wieder zurückkehrte). 1933 war Ewald Mataré von der Stadt Kleve mit einem großplastischen Ehrenmal für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs beauftragt worden, dem sog. „Toten Krieger“. Dieses Denkmal wurde im Rahmen der Aktion „Entartete Kunst“ 1937 zerschlagen und verscharrt, vierzig Jahre später jedoch wieder aufgefunden und rekonstruiert. 

1988 hat die Stadt Kleve von Ewald Matarés Tochter Sonja Mataré Teile von dessen künstlerischem Nachlass – ca. 200 Plastiken, Keramiken, Aquarelle, Zeichnungen und Holzschnitte – für das neu zu planende städtische Museum im ehemaligen Kurhaus der Stadt erhalten, das 1997 eröffnete und den Namen „Museum Kurhaus Kleve – Ewald Mataré-Sammlung“ erhielt. 

Darüber hinaus gab Sonja Mataré auch noch wichtige Werke als Dauerleihgabe. Die Sammlung konnte seitdem durch Neuankäufe sowie Schenkungen noch wesentlich erweitert werden. Auf diesem Bestand aufbauend hat sich das Museum in besonderer Weise dem Werk von Ewald Mataré gewidmet. Durch Leihgaben aus seinem Bestand ermöglichte es zahlreiche Ausstellungen im In- und Ausland, die den Namen des Künstlers weit über Nordrhein-Westfalen und Deutschland hinaus bekannt gemacht haben. Darüber hinaus erarbeitete das Museum Kurhaus Kleve drei Werkverzeichnisse der Arbeiten Matarés: das der Holzschnitte, Zeichnungen und Aquarelle. Seit mehreren Jahren wirkt das Museum schließlich auch noch mit an einem überarbeiteten Werkverzeichnis der Skulpturen, das 2022 erscheinen soll. 

2020 verstarb im 94. Lebensjahr die Tochter des Künstlers, Sonja Mataré. Dadurch hat der Bestand der Kunstwerke im Museum Kurhaus Kleve – Ewald Mataré-Sammlung einen gewaltigen Zuwachs erfahren: 

Sonja Mataré vermachte dem Förderverein des Museums, dem Freundeskreis Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V., ein wichtiges Konvolut an Arbeiten ihres Vaters, in dem sich besonders ikonische Werke befinden. Darunter sind auch Skulpturen, die in anderen Museen als Dauerleihgaben ausgestellt sind, z.B. im Museum Schloß Gottorf in Schleswig und dem Suermondt-Ludwig-Museum in Aachen. 

Zu diesem Vermächtnis von Sonja Mataré zählt auch das umfassende Privatarchiv des Künstlers, das u.a. seine persönliche Korrespondenz enthält, die in der Berliner Zeit 1915 beginnt und mit seinem Tod 1965 endet. Darunter befindet sich u.a. originaler Briefverkehr mit hochbedeutenden und in die deutsche Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts eingegangenen Zeitgenossen wie Herwarth Walden, Alfred Flechtheim, Fritz Gurlitt, Ferdinand Möller, Karl Hofer, Ludwig Mies van der Rohe – um nur einige wenige zu nennen.

Darunter befindet sich ferner – als wichtigstes Zeitdokument über Mataré überhaupt – der komplette Bestand seiner handgeschriebenen Tagebücher, deren Aufarbeitung nochmals zusätzlich einen völlig neuen Aspekt über das Leben und Wirken Matarés liefern wird. Der renommierte Kunstbuchverlag Wienand gab 1997 eine Fassung der Tagebücher Matarés heraus – die jedoch gekürzt erschienen ist und bei weitem nicht den vollen Umfang der faszinierenden Gedankenwelt des Künstlers wiedergibt, die in den Originalen vollumfänglich enthalten ist. Fünfzig Jahren lang hat Ewald Mataré all seine Gedanken, Wünsche und Anregungen, aber auch private Höhen und Tiefen, in seinen Tagebüchern festgehalten – dabei handelt es sich um ein unersetzbares Originaldokument von höchster Qualität und Güte, das es zwingend zu erarbeiten und zu veröffentlichen gilt! 

Doch über das Vermächtnis an den Freundeskreis hinaus existierte noch ein zweiter und weit größerer Bestand im Besitz der Tochter des Künstlers. Zum Alleinerben dafür ernannte Sonja Mataré ihren langjährigen Weggefährten, den Gründungsdirektor des Museum Kurhaus Kleve – Ewald Mataré-Sammlung, Guido de Werd. Im Sinne von Sonja Mataré hat dieser mehr als 900 Arbeiten von Ewald Mataré dem Klever Museum geschenkt. Darunter befinden sich 263 Skulpturen (u.a. aus Holz, Bronze und Gips), 63 Druckstöcke, 455 Zeichnungen und Entwürfe, 101 Aquarelle, 3 Gemälde sowie 20 „Kunst am Bau“-Entwürfe in Originalgröße. 

Darunter befindet sich ebenfalls die Einrichtung des bis 2021 vollständig im Original enthaltenen Ateliers von Ewald Mataré in dessen Haus in Meerbusch-Büderich – das Sonja Mataré zeitlebens bewohnte und liebevoll pflegte. Dieses Wohn- und Atelierhaus der Familie Mataré wurde Ende 2021 in ein Künstlerhaus für die dHCS-Stipendiat*innen umgewandelt.

Andere öffentliche Sammlungen, die bedeutende Werke (insbesondere Arbeiten aus Holz) von Ewald Mataré besitzen, sind das Museum Ludwig in Köln, die Hamburger Kunsthalle, das Sprengel-Museum in Hannover, das Museum Kunstpalast in Düsseldorf, das Lehmbruck-Museum in Duisburg, die Moderne Galerie in Saarbrücken und die Kunsthalle in Bern. Die überwältigende Mehrzahl an Skulpturen von Ewald Mataré befindet sich heute in öffentlichen Sammlungen. Die absolute Konzentration davon befindet sich im Museum Kurhaus Kleve – Ewald Mataré-Sammlung, wodurch hier die unbedingte Verpflichtung besteht, angemessen mit dem Werk seines Namensgebers umzugehen. 

In den Jahren 2021–2022 hat das Museum Kurhaus Kleve eine erste Erfassung dieses eindrucksvollen Neubestands durchgeführt und die Kunstwerke photographiert und gelistet. Dieser Datenbestand ist am 1. Juli 2022 online gegangen und kann auf dieser Sammlungswebsite u.a. mit folgenden gezielten Begriffen in der Suchleiste angesehen werden: 

  • Werke, die Sonja Mataré an den Freundeskreis vermacht hat: 
    Museum Kurhaus Kleve – Ewald Mataré-Sammlung; Dauerleihgabe des Freundeskreises Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V.; Vermächtnis Sonja Mataré, Meerbusch-Büderich (oder kurz: „Vermächtnis Sonja Mataré“)
  • Werke, die Guido de Werd aus dem Nachlass von Sonja Mataré an die Stadt Kleve bzw. das Museum Kurhaus Kleve geschenkt hat:
    Museum Kurhaus Kleve – Ewald Mataré-Sammlung, Schenkung Guido de Werd 2021 aus dem Nachlass Sonja Mataré (1926-2020) (oder kurz: „Schenkung Guido de Werd 2021“)

Nur einzelne Hauptwerke dieses Vermächtnisses bzw. dieser Schenkung sind unter diesem Artikel unter „Verknüpfte Objekte“ angeführt. Den Komplettbestand an Arbeiten von Ewald Mataré können Sie auch über die Personensuche unter „Künstler*innen“ (siehe Menü oben rechts) oben, dann im Alphabet unter „M“ und einem gezielten Klick auf „Ewald Mataré“ einsehen. 

Mit diesem ersten Schritt der Onlinestellung ist die Arbeit an diesem kunsthistorisch großartigen Konvolut noch lange nicht abgeschlossen. In den nächsten Monaten und Jahren müssen weitere notwendige Schritte durchgeführt werden: Es muss eine wissenschaftliche Aufarbeitung und Einordnung der Kunstwerke stattfinden, wie auch eine Ersterfassung der hochbedeutenden Dokumentation des Künstlers. 

Alle Werke und Dokumente von Ewald Mataré (wozu Skulpturen, Graphiken, Gemälde, Kunstgewerbe und Dokumentation zählen) sollen sowohl weiterhin auf dieser Sammlungswebsite des Museum Kurhaus Kleve veröffentlicht als auch in einem umfassenden Bestandskatalog des Museum Kurhaus Kleve präsentiert werden, der als wichtiges Vorzeigeprojekt und gültiges Standardwerk des Klever Museums präzise recherchiert und mit großer Sorgfalt realisiert werden soll. 

Eine Anzahl der Werke muss restauriert werden; die Restaurierung durch Fachkräfte muss kunsthistorisch begleitet und koordiniert werden. Dazu gehören ca. 40 Skulpturen aus Gips – Originalentwürfe Ewald Matarés, die als Vorlagen für die Skulpturen aus Bronze dienten – sowie 20 „Kunst am Bau“-Entwürfe in Originalgröße (mitunter bis zu vier Meter lange Blätter). 

Im Rahmen einer opulenten Retrospektive Ende 2024 / Anfang 2025 im gesamten Museum Kurhaus Kleve – Ewald Mataré-Sammlung soll der Neubestand der Öffentlichkeit fulminant präsentiert werden, zu der auch der oben beschriebene Bestandskatalog erscheinen und zu der auch ein entsprechendes Begleitprogramm konzipiert werden soll.

[verfasst von Valentina Vlašić und Guido de Werd]

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Schenkung eines Gemäldes des Klever Malers Manes Peters (1906–1980)

Aus Privatbesitz und bester Provenienz stammend – dem Umfeld der Familie des Künstlers kommend – erhielt das Museum Kurhaus Kleve im August 2022 die Schenkung eines Gemäldes des Klever Malers Manes Peters, der eine wichtige Position für die Kunst in Kleve in der Mitte des 20. Jahrhunderts einnimmt und in einem Atemzug mit malenden Klever Zeitgenossen wie Josef Mooren, Bernd Schulte, Albert Reibmayr, August Lüdecke und anderen genannt werden muss.

Manes Peters malte Mensch und Natur am Niederrhein, Bauer und Bäuerin bei der Kaffeepause oder auf dem Ac­ker, den Landwirt bei der Feldbe­stellung, bei der Getreide-, Kar­toffel- und Rübenernte, die Mel­kerin an der Viehtränke und Pum­pe, den Fuhrmann mit Gaul und Karren und die Fischer an Strom und Altrhein. Kate und Hof, Kopfweiden und Kolke, Rhein­strom und jenseitiges Ufer, Alt­rhein, Deichkrone und so manches verträumte Dorf im Klever Land bilden den jeweiligen Hinter­grund. Manes Peters kannte und mochte Land und Leute am Niederrhein. In seinen Bildern bezeugte er zeitlebens seine Wertschätzung für Menschen in Arbeitskleidung und in der stillen Genüg­samkeit ihres Lebens. 

Manes Peters wurde am 6. April 1906 in Kleve als zwölftes Kind (von insgesamt vierzehn Kindern) von (dem legendären) „Eps“ Peters und Ma­ria (geborene Aengenheyster) geboren. Sein Geburtsname war Hermann Heinrich Antonius Peters. Seine Eltern unterhielten eine Weinkellerei und ein Feinkostgeschäft sowie ein Restaurant mit Weinstube. Der junge Hermann besuchte die Rektoratsschule in Xanten, besaß jedoch früh den Wunsch, Maler zu werden – den sein Großvater, der Tierarzt Dr. Aengenheyster, erkannte und dessen malerisches Talent er förderte. 

Erste Anregungen holte sich der junge Hermann in die Klever Malerwerkstätten von Gerhard und Heinrich Lamers. Bei Jupp Brüx in Kleve, der beispielsweise das „Schüsterken“ schuf, hatte er seine ersten prägenden Lehrjahre. 1923 studierte er schließlich an der Gewerbeschule in München bei Prof. Roth. 1925 war er als Kirchenmaler bei Gerd Lamers in Münster tätig, 1927 als Schüler beim „Pferdemaler“ Albert Baur in Düsseldorf. 1928 studierte er drei Jahre an der Kunstakademie Düsseldorf und war Privatschüler von Heinrich Schröder und Carl Hans Schrader-Velgen. 1939 ging er erneut nach München, um an der Kunstgewerbeschule zu lernen, wo er u.a. Techniken und Stilrichtungen bei Prof. Weißgärber erlernte. Im Anschluß reiste er in seinen Wanderjahren durch Deutschland, um sein malerisches Handwerk zu erweitern. 

Zurück in Kleve erhielt er von den dort amtierenden Nationalsozialisten Malverbot, da er sich weigerte, der örtlichen NSDAP beizutreten. Hermann Peters war schließlich von 1939 bis 1945 Soldat für die deutsche Wehrmacht, wo er u.a. an die Fronten in Holland und Russland versendet wurde. Schon in den ersten Kriegsjahren, vor Ausbruch des Polenfeldzuges im September 1939, ließ sich Peters in dem rechtsrheinisch gelegenen Dorf Dornick nieder, wo er eine alte Windmühle bezog, die er sich zum Wohnhaus und Atelier umbaute. An diesem Ort legte er sich den Namen „Manes“ zu, den er fortan führte. 

In den ersten Nachkriegsjahren malte er gegen Naturalien. 1959 lernte er seine spätere Ehefrau Ellen Rübo kennen, die einer bekannten Klever Familie entstammte. 1963 heirateten sie und bezogen anschließend eine Katstelle in Kleve-Materborn, die sie sich zum Wohn- und Atelierhaus umbauten. An diesem Ort fand Manes Peters, der inzwischen als Tiermaler Anerkennung gefunden hat, wieder zu sich und lebte zurückgezogen für seine Kunst. Er verschrieb sich ganz den Motiven seiner Heimat, dem Niederrhein. Pferde, Kühe, Ziegen und andere Tiere tauchten immer wieder in seinen Gemälden auf. Seine Bilder sind ohne jeden Modernismus oder jede Abstraktion, sie kommen einer objektiven Naturbeobachtung nach. Sie zeugen von der „guten, alten Zeit“, die von einer tiefen Heimatliebe geprägt ist. 

Manes Peters starb am 16. September 1980 in Kleve. Seine letzte Ruhestätte fand er in der Gruft seiner Eltern auf dem Klever Friedhof. 

[Valentina Vlašić]

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Skulptur von Erwin Heerich geht als Leihgabe für die Retrospektive zum 100. Geburtstag an das Museum Schloss Moyland in Bedburg-Hau

Das Museum Kurhaus Kleve leiht seine Arbeit „Ohne Titel“ (1997) von Erwin Heerich (1922–2004) für eine große Retrospektive des Künstlers im Museum Schloss Moyland in Bedburg-Hau, die aus Anlass seines 100. Geburtstags gezeigt wird.

Erwin Heerich steht für eine Kunst, die Präzision und mathematisch-nüchterne Klarheit mit Offenheit und spielerischer Freiheit verbindet. Skulpturen und Reliefs von Heerich sind in NRW an vielen Orten im öffentlichen Raum zu sehen. Seine Architekturen, die auf der südlich von Neuss gelegenen Insel Hombroich harmonisch in die Landschaft eingebettet sind, ziehen jedes Jahr viele Besucher*innen an.

Nach dem Studium an der Kunstakademie Düsseldorf entwickelte Heerich konsequent eigene künstlerischen Vorstellungen. Bekannt wurde er Anfang der 1960er Jahre vor allem mit klein- und mittelformatigen Plastiken aus Karton. Seither wird sein Werk innerhalb der konkreten und minimalistischen Kunst nach 1945 als herausragende und zugleich einzigartige künstlerische Position gewürdigt.

Die Ausstellung in Museum Schloss Moyland umfasst Plastiken aus Karton, Holz, Gips und Messing sowie druckgraphische Serien und großformatige Zeichnungen, von denen viele zum ersten Mal gezeigt werden. Zu sehen sind außerdem textile Gemeinschaftsarbeiten von Erwin Heerich und seiner Frau Hildegard Heerich.

Arbeiten aus dem großen Sammlungsbestand des Museums Schloss Moyland werden zusammen mit Leihgaben aus anderen Museen präsentiert (Leihgeber: Stiftung Insel Hombroich, Lehmbruck Museum, Museum Kurhaus Kleve).

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog mit zahlreichen Abbildungen und Texten von Dr. Felix Billeter, Frank Boehm, Dr. Julia Cwojdzinski und Dr. Alexander Grönert.

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Noch nie gezeigte Arbeit des jüngst verstorbenen Pierre Theunissen geht als Leihgabe für die Alfred Sabisch-Retrospektive nach Kalkar

Die im Museum Kurhaus Kleve noch nie ausgestellte, imposante Skulptur „Thermische Regulation“ (1975) des 2021 verstorbenen, deutsch-französischen Bildhauers Pierre Theunissen (1931–2021) aus der Klever Museumssammlung geht als Leihgabe an das Städtische Museum Kalkar.

Dort findet unter dem Titel „In der Versenkung werden Kräfte frei – Der Bildhauer Alfred Sabisch und sein Werk 1926–1980“ von 22. Mai bis 24. Juli 2022 die erste Retrospektive über den Kalkarer Bildhauer Alfred Sabisch (1905–1986) statt. Theunissen zählte zu seinen Schüler*innen und wurde von Sabisch ausgebildet. 

Das Werk von Alfred Sabisch zeichnet sich durch eine große Geschlossenheit aus. Ein Leben lang blieb er dem Figürlichen verpflichtet. Im Zentrum seiner Arbeit standen die menschliche Figur und das ruhende Tier. Ähnlich wie u.a. Ewald Mataré oder Gerhard Marcks galt Sabisch das Typische und Zeitlose als Leitbild. Reduktion und verhaltene Abstraktionstendenzen, geschlossene Silhouetten, klare Konturen und beruhigte, glatte Oberflächen kennzeichnen die meisten seiner Arbeiten.

Zu Sabischs bekanntesten Werken gehörten „Die Sinnende“ (1932) und die „Fohlengruppe“ (1937), die ursprünglich vor dem Duisburger Hauptbahnhof aufgestellt war. Heute gilt der „Schwanenbrunnen“ (1954) in der Klever Schwanenburg als sein Hauptwerk. 

Alfred Sabisch und sein Werk stehen auch exemplarisch für die vielschichtigen und widersprüchlichen persönlichen Umstände jener Bildhauer, die im Nationalsozialismus arbeiten und ausstellen konnten und nach 1945 ihrem Vorkriegsstil weitgehend treu blieben, ein Umstand, der im Katalog zur Ausstellung erstmals umfassend aufgearbeitet werden soll. 

Werke aus der Sammlung des Städtischen Museums Kalkar und Leihgaben des Museum Kurhaus Kleve, des Lehmbruck Museums Duisburg, der Mannheimer Kunsthalle, des Grassimuseums und des Museums der Bildenden Künste Leipzig werden das Gesamtbild des Künstlers vervollständigen und die Rezeptionsgeschichte veranschaulichen. Eine Auswahl der zahlreichen Arbeiten, die Sabisch für den öffentlichen Raum und für Kirchen geschaffen hat, werden mithilfe von Probegüssen, Vorzeichnungen, Photographien und mit digitalen Hilfsmitteln in die Ausstellung integriert werden.

Biographische Eckdaten:

Geprägt wird der 1905 im sächsischen Wurzen geborene Alfred Sabisch in den 1920er Jahren von Alfred Thiele, Johannes Goeldel und Wilhelm Andreas, die ihn in ihren Ateliers und an der Leipziger Kunstgewerbeschule unterrichten. Frühe Anregungen und Förderung erfährt der junge Mann dort auch durch Max Schwimmer, mit dem er sich näher anfreundet. Nach dem Weggang aus Leipzig lernt er über Kontakte zu Künstlern der Berliner Ateliergemeinschaft Klosterstraße 1936 den Maler Hermann Teuber kennen, der kurz nach dem Zweiten Weltkrieg einige Jahre mit seiner Familie bei Sabisch in Kalkar wohnen wird.

Der 1934 im Rahmen der Gleichschaltung des Kulturbetriebs eingesetzte Leiter des heutigen Lehmbruckmuseums, der Leipziger Kunsthistoriker Herbert Griebitzsch, vermittelt ihm erste öffentliche Aufträge im Ruhrgebiet und am Niederrhein. Sabisch tritt der Reichskulturkammer bei, als dies von ihm verlangt wird; dafür erbringt er auch den geforderten Ariernachweis. Er wird allerdings nicht Parteimitglied und distanziert sich in privaten Briefen von der herrschenden Ideologie.

Nach dem Ende des Krieges, den Sabisch als Soldat der Luftwaffe übersteht, lässt er sich mit seiner Frau, der Altistin Ilse Ihme und seiner Tochter Angelika endgültig im niederrheinischen Kalkar nieder. Besonderer Raum soll seiner Beziehung zu Hermann Teuber gegeben werden, der wie zuvor Heinrich Nauen ebenfalls im alten Haus am Taubenturm arbeitet.

Als Mitbegründer der Künstlergruppe Krefeld 1945, Mitglied der Rheinischen Sezession und des Niederrheinischen Künstlerbundes – zwischen 1951 und 1965 als dessen Präsident – ist Sabisch gut in der Region vernetzt. Er profitiert von Porträtaufträgen, aber auch von dem hohen Bedarf an künstlerischen Ausgestaltungen für Kirchen und kommunale Gebäude im Zeichen des Wiederaufbaus; er gewinnt eine Vielzahl von Kunst-am-Bau-Wettbewerben in der Region.

Neben architekturgebundenen Arbeiten, vorrangig monumentalen Reliefs gestaltet er bis in die 1970er Jahre Freiraumplastiken und Brunnenanlagen. Der Holzschnitt ist ebenfalls ein klassisches bildnerisches Medium, dem er sich insbesondere in späteren Jahren ebenso widmet wie der Malerei.

Sabisch hat auch Schüler*innen angenommen: Sein prägender Einfluss auf Rota Blanck, Peter Theunissen, Ludwig Dinnendahl und Anna Kubach-Wilmsen soll in der Kalkarer Ausstellung genauer in das Augenmerk genommen werden. Alle vier studierten anschließend an deutschen Kunstakademien und wurden angesehene Bildhauer*innen.

Weitere Informationen zur Ausstellung: www.kalkar.de/de/inhalt/staedtisches-museum-kalkar/

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Nachguss von Matarés Klever „Engel“ im Mai 2022, um seinen „Zwilling“ am Bischofshaus in Essen zu rekonstruieren

Es war eine Schreckensmeldung im Frühjahr 2021: Bei einem Sturm stürzte die vergoldete Engelsfigur, die Ewald Mataré in den 1950er Jahren für das Essener Bischofshaus schuf, vom Dach, wobei der ausgestreckte rechte Arm mit dem erhobenen Zeigefinger abgebrochen ist, der daraufhin nicht wieder aufgefunden werden konnte. Zahlreiche Medien (Rheinische Post, Bildzeitung etc.) berichteten vom Malheur, aber auch davon, dass ein „Klever Zwilling“ womöglich Rettung verheißen könnte …

In der Tat existiert eine zweite Fassung der Figur, die sich seit 1988 im Eigentum des Museum Kurhaus Kleve befindet. Laut Aussage von Sonja Mataré (1926–2020), der Tochter des Künstlers, handelt es sich bei der Klever Variante sogar um einen Probeguss, der noch vor der Essener Skulptur entstanden sein soll – der sich somit de facto also vortrefflich für einen Nachguss eignen sollte. 

Ein Jahr später haben sich die Verantwortlichen und Beteiligten über die komplizierte Materie nunmehr geeinigt. Die Sonja Mataré-Stiftung wurde befragt und hat ihr Einverständnis erteilt, dass ein Nachguss der Fassung aus Kleve stattfinden darf. Augenblicklich werden Zustandsprotokolle erstellt, die Kunstspedition Hasenkamp organisiert zeitnah einen Transport, um die Klever Figur im Museum Kurhaus Kleve abzuholen und in die traditionsreiche Kunstgießerei Kayser nach Düsseldorf zu bringen (wo u.a. auch Paloma Varga Weisz und Thomas Schütte ihre Skulpturen gießen lassen), wo ein Nachguss des Armes entstehen soll. 

Das Museum Kurhaus Kleve ist stolz und glücklich, dass seine Fassung der Figur von Mataré dazu beitragen kann, dass die Skulptur am Essener Bischofshaus wieder in der von Mataré im Original konzipierten Form rekonstruiert werden kann. 

[verfasst von Valentina Vlašić, Kuratorin im Museum Kurhaus Kleve]

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Schenkung eines imposanten Reliefs der Bildhauerin Elna Brüx aus Klever Privatbesitz

Im April 2022 erhielt das Museum Kurhaus Kleve aus Klever Privatbesitz ein imposantes Relief der Klever Bildhauerin Elna Brüx als Schenkung, das ab sofort in die Sammlung eingegangen ist. Dargestellt ist ein überaus reizvolles Motiv: die ewige Geschichte um den „Tod und das Mädchen“. 

„Der Tod und das Mädchen“ ist ein weit verbreitetes Sujet, das in der bildenden Kunst, Musik und Literatur schon seit der Zeit der Renaissance behandelt worden ist. Hans Baldung Grien schuf um 1517/1525 den „Tod und das Mädchen“ sowie den „Tod und die Frau“ (beide heute im Kunstmuseum Basel), zwei intensive Gemälde, auf denen der Knochenmann noch Gewalt anwendet, um die Schöne in das Grab zu locken oder um ihr einen Kuss zu rauben. 
Bei Egon Schieles „Tod und Mädchen“ von 1915 (heute im Belvedere, Wien) nehmen die Protagonist*innen eine Platzhalterfunktion ein, um die tragische Liebe des Künstlers zu seiner Geliebten zu veranschaulichen. 
Franz Schubert vertonte 1817 mit „Der Tod und das Mädchen“ ein gleichnamiges Gedicht von Matthias Claudius, in dem die Hauptpassagen wie folgt lauten: 

Das Mädchen:
Vorüber! Ach vorüber!
Geh wilder Knochenmann!
Ich bin noch jung, geh Lieber!
Und rühre mich nicht an.

Der Tod:
Gib deine Hand, du schön und zart Gebild!
Bin Freund, und komme nicht, zu strafen:
Sei gutes Muts! ich bin nicht wild,
Sollst sanft in meinen Armen schlafen.

Der Tod tritt stets als der Verführer oder der Geliebte des Mädchens in Erscheinung. Das ‘unschuldige, naive’ Mädchen verkörpert zumeist das blühende Leben und erscheint unter einem erotischen Aspekt als Verführerin. Nicht umsonst wird beispielsweise im Französischen der Orgasmus des Menschen als ‘La petite Mort’ bezeichnet. Bei Hans Baldung Griens „Tod und Mädchen“ von 1517, um den erotischen Aspekt zu unterstreichen, handelt es sich z.B. um die erste bildliche Darstellung von Schamhaar überhaupt. Das Mädchen erscheint stets im Kontrast zum Tod oder Knochenmann, der das ‘Memento mori’ veranschaulicht, die Bedrohung des Daseins durch den unausweichlichen Tod. 

Auch bei Elna Brüx’ vorliegender, äußerst imposanter Arbeit gehen der Tod und das Mädchen eine intensive und enge Beziehung ein. Im Zentrum steht das Mädchen, dem jedoch – und diese Annahme wird durch die Darstellung der Augen und Stirnfalten offensichtlich – die Leichtigkeit des Seins abhanden gekommen ist – und die vielmehr als Frau erscheint, denn als junges naives Mädchen. Eine erotische Komponente erhält ihre Darstellung durch die Beschneidung des Motivs: An der unteren Kante sind die aufragenden Brüste des Mädchens zu erkennen, die offensichtlich nackt sind, aber von Elna Brüx nur in der Andeutung gezeigt werden. 
Während das Mädchen die Betrachter*innen frontal anblickt, erscheint hinter ihr der Tod im Profil, der durch seinen Skelettkopf erkennbar ist. Er schmiegt sich eng an die Seite des Mädchens und scheint sie in gewisser Weise zu liebkosen. Doch der Frau haftet eine beinahe körperlich spürbare Erstarrung und Traurigkeit an, die tiefenpsychologisch womöglich auf die Biographie der Künstlerin umgemünzt werden könnte. 

Elna Brüx gehört zu einer Riege von Künstlerinnen aus Kleve des 20. Jahrhunderts, die heute – völlig zu Unrecht – in Vergessenheit geraten sind und deren Schaffen unbedingt neu entdeckt werden müsste. Als Elna Wick wurde sie 1923 in Hamburg-Wandsbek geboren, als Tochter des Kunstmalers Robert Wick, der eher lokale Berühmtheit erlangte und heute ebenfalls vergessen ist. Zu gewisser Prominenz gelangte Elna Brüx’ älterer Bruder, Armin Wick (1914–2008), der vor allem als Schauspieler und Regisseur Anerkennung erlangte und ein schillerndes Leben führte. 

Elna Brüx, die schon früh ein großes Talent als Bildhauerin zeigte, teilte jedoch das Schicksal zahlreicher guter Künstlerinnen ihrer Generation: Sie heiratete früh, zog nach Kleve an den Niederrhein und gebar fünf Kinder (vier Söhne und eine Tochter), wonach sie zeitlebens zwischen ihrer Mutterrolle und ihrem Künstlerinnendasein changierte. Als Charakter war sie weder dominant noch zurückhaltend, aber eine starke Persönlichkeit (O-Ton von Isa Zins, die eine gute Freundin ihrer Tochter war), die klar, fordernd und – wenn es die Situation verlangte – auch schwierig sein konnte. Wenn sie über Kunst sprach, so Isa Zins, war sie niemals belehrend, sondern stets zutiefst freundschaftlich und wohlwollend vermittelnd. Ihrer Position – in einem nicht einfachen Frauenleben zu stecken, in dem sie keine Freiheit für ihre eigene Kunst besaß – war sie sich jedoch zeitlebens bewusst. 

Verheiratet war Elna Brüx mit Walther Brüx (1917–2006), der der unangefochtene Künstler in der Familie war und heute vor allem als Bildhauer in Erinnerung geblieben ist. Er war der Sohn des klassizistischen Bildhauers Gerd Brüx (1875–1944), in dessen Werkstatt er bereits als Kind spielte und überwiegend aufwuchs. Walther Brüx war u.a. einer der Mitbegründer des „Niederrheinischen Künstlerbundes“, der sich auch politisch engagierte und als Kunstlehrer, u.a. am Collegium Augustinianum Gaesdonck und am Freiherr-vom-Stein-Gymnasium, tätig war. Mit seiner Frau Elna bewegte er sich in der niederrheinischen Künstlerszene rund um Joseph Beuys und Ilse und Hanns Lamers, die durch Photographien von Willy Maywald, Fritz Getlinger und Hildegard Weber begleitet wurde. 

Während Walther Brüx formal klare, figurative Bildwerke schuf (u.a. seine Porträtköpfe von Beuys und Lamers), besaß Elna Brüx stets eine stilistisch eigenwilligere Formensprache. Ihre Werke sind eigentümlicher und weisen eine Nähe zu ursprünglicher Kunst (z.B. afrikanischen Skulpturen) auf. Ihre Werke geben nicht das Gesehene wider, sondern eine vereinfachte, geradezu zerlegte Wirklichkeit, die auf jedwede Details verzichtet. Insofern ist ihre hier besprochene Arbeit „Tod und Mädchen“ als Frühwerk zu verstehen, in der noch die Figuration überwiegt, aber erste Ansätze zu einer geometrischen Abstraktion erkennbar sind. Künstlerisch gesehen war Elna Brüx eine Perfektionistin, die auch oft Selbstzweifel plagten und die sogar eigene Werke, die nicht ihren Ansprüchen entsprachen, zerstören konnte. 

Zum Ende ihres Lebens, als ihre Kinder erwachsen und außer Haus waren, lebte Elna Brüx ein zurückgezogenes, aber in sich zufriedenes Künstlerinnen-Dasein (so ihr Sohn, Manuel Brüx). Ab einem gewissen Zeitpunkt waren Verkäufe für sie nicht mehr von Belang. Nachdem sie, überwiegend erblindet und beginnend dement, bei ihren Kindern lebte, verstarb sie schließlich in einem Altersheim am Niederrhein. Auf ihren Wunsch hin lies sie sich anonym in Wesel bestatten. Es gilt, ihr großartiges bildhauerisches Œuvre unbedingt wiederzuentdecken und für eine neue Generation zu erhalten. 

[verfasst von Valentina Vlašić, Kuratorin im Museum Kurhaus Kleve]

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Klever Leihgaben von Beuys und Mataré gehen in den Kölner Dom

Im Nachhall des großen Beuys-Jahres 2021 findet vom 24. März bis 24. Juli 2022 an promintenter Stelle – dem Kölner Dom – eine erlesene Ausstellung zu den Ursprüngen von Joseph Beuys statt, die bei seinem Lehrer Ewald Mataré, aber in erster Linie in seiner Heimatstadt Kleve zu suchen sind. Die Domschatzkammer zu Köln zeigt „Joseph Beuys. Frühe Jahre 1947–1955“ und hat dazu zentrale Leihgaben im Klever Museum angefragt, die dieses auch im Auftrag seines Freundeskreises gerne gewährt. Schließlich soll der Name des großen Klever Sohnes auch außerhalb der Stadt kontinuierlich bekannt gehalten werden. Exzellent recherchierte und organisierte Ausstellungen wie im Kölner Dom tragen maßgeblich dazu bei. 

Somit gehen zentrale Werke des „frühen Beuys“ nach Köln, zu denen – dem Ort geschuldet – zuvorderst sakrale Arbeiten gehören [hier besonders zu erwähnen seien „Madonna aus einer Krippe“ oder „Ohne Titel (Christusfigur)“], aber zu denen auch frühe Ikonen wie beispielsweise „Corsett“ oder „Porträtbüste“ zu zählen sind (siehe u.a., eine Übersicht der nach Köln gehenden Exponate unter „Verknüpfte Objekte“). 

In der Gegenüberstellung von Ewald Matarés „Brennendem Köln“ (das im Kölner Dom erstmals überhaupt im Eisenguss präsentiert wird) und Joseph Beuys’ „Bischofstür“ [aus „Ohne Titel (Meiner Kölner Dom)“] wird die Verbindung beider Künstler augenscheinlich und nachvollziehbar. 

Wer die Präsentationen in der Domschatzkammer zu Köln kennt, weiß, dass die Anzahl der Exponate zwar vergleichsweise überschaubar ausfällt, ihre Auswahl jedoch äußerst delikat und weitsichtig zusammengetragen wurde und zu einer konzentrierten und überzeugenden Ausstellung führt. In der Ausstellung „Joseph Beuys. Frühe Jahre 1947–1955“ wird der frühe Beuys erlebbar, der eine hohe Affinität zu seinem Lehrer Ewald Mataré aufweist und ein besonderes Augenmerk auf das Zusammenwirken von Materialien und Formen legt. Die Auswahl der Werke zeigt die geistige Verbindung zwischen den beiden, bevor sich Beuys ab 1955 schließlich einem anderen künstlerischen Weg zugewandt hat, bei dem er sich zwar von Mataré entfernt, der ihn jedoch schlussendlich zu einem der wichtigsten Künstler des 20. Jahrhunderts gemacht hat.

Das Klever Museum darf sich freuen, für eine solch prominente Örtlichkeit wie den Kölner Dom Exponate seiner beiden wichtigsten Sammlungsschwerpunkte – Mataré und Beuys – leihen zu dürfen. Es erscheint ein Katalog. Aufgrund der Corona-Pandemie soll am 24. März 2022 keine Eröffnungsveranstaltung stattfinden, allerdings soll im Sommer 2022 – rund um die Finissage – voraussichtlich eine öffentliche Abschlussveranstaltung stattfinden. Bei Interesse informieren Sie sich unter www.koelner-dom.de/besuchen/domschatzkammer

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Hendrick Goltzius’ „Herkules Farnese“ (um 1592-1617) geht als Leihgabe von März bis April 2022 nach Düsseldorf und vereint sich dort wieder mit Pia Fries

Bereits 2017 waren sie in der großen Sonderausstellung „Hendrick Goltzius und Pia Fries: Proteus und Polymorphia“ gemeinsam zu sehen (für einen Ausstellungsrückblick siehe hier: https://www.museumkurhaus.de/de/11004.html?from=ausstellungenArchiv): der muskulöse „Herkules Farnese“, eines der bekanntesten Motive des großen manieristischen Kupferstechers Hendrick Goltzius (1558–1617), und die Werke der aus der Schweiz stammenden und seit Jahrzehnten in Düsseldorf lebenden Malerin Pia Fries (*1955), die 2017/2018 in ihrer Werkschau im Museum Kurhaus Kleve eine fulminante Symbiose miteinander eingingen.

Damals lag der Fokus der zeitgenössischen Malerin Pia Fries noch vornehmlich auf den „Himmelsstürmern“ von Hendrick Goltzius, zu denen sie mehrere malerische Serien geschaffen hat. Doch im Zuge dieser ersten gemeinsamen Präsentation der beiden 2017 rückte auch erstmals der ikonische „Herkules Farnese“ in den Augenmerk der Malerin, der das erste von drei Blättern zu den antiken Statuen in Rom darstellte und von Goltzius um 1592 konzipiert und wohl posthum 1617 gestochen wurde. 

Seither beschäftigte sich Pia Fries mehrere Jahre lang mit den Formen und Proportionen von Hendrick Goltzius, die der deutsch-niederländische Künstler in seinem ikonischen Kupferstich „Herkules Farnese“ verwendete. Pia Fries’ Ausgangslage bildete – wie schon zuvor in ihren vorangegangenen Serien zu den „Himmelsstürmern“ – der Kupferstich von Hendrick Goltzius, den sie mit dem Mittel des Siebdruckes auf ihre Werke übertrug. Das tat sie jedoch selbstverständlich nicht 1:1, sondern sie zersplitterte, dekonstruierte und remodellierte die Vorlage von Goltzius, die sie dann mit den Mitteln der Malerei potenzierte und zu eigenen Bildschöpfungen kreierte. 

Entstanden ist eine vielteilige graphische Serie aus Siebdrucken, die durch Pia Fries’ Malereien allesamt Unikate bilden. Sie stellen eine gültige und schlüssige Hommage an den „Herkules Farnese“ von Hendrick Goltzius dar und wurden noch nie öffentlich präsentiert.

Dieses Desiderat behebt nun die traditionsreiche und auf Graphik spezialisierte Kunsthandlung „C.G. Boerner“ in Düsseldorf, die erstmals überhaupt die neue Graphikserie von Pia Fries über Goltzius’ „Herkules Farnese“ öffentlich ausstellt. Zu sehen ist die Ausstellung vom 18. März bis 29. April 2022. Es erscheint eine Publikation. Der Klever Impulsgeber – der historische Kupferstich von Hendrick Goltzius – geht eigens dafür als Leihgabe nach Düsseldorf. 

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Schenkung eines Gemäldes von Adriaen Hendriksz. Verboom (1627–1673) aus Klever Privatbesitz

In die Sammlung des Freundeskreises Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. gelangte im Januar 2022 eine wunderbare Kostbarkeit: ein Gemälde mit Blick auf Kleve eines Malers des Goldenen Jahrhunderts der Niederlande, Adriaen Hendriksz. Verboom (Rotterdam 1627–1673). Verboom war ein Landschaftsmaler, der sich im Umkreis des berühmten Jacob van Ruisdael (Haarlem 1628/29–1682) bewegte und seine Gemälde u.a. von Zeitgenossen wie Adriaen van de Velde oder Philips Wouwerman staffieren ließ.

Die imposante Landschaft wird von grünen und dunkelbraunen Tönen dominiert, einer Eigenart des Künstlers. Der Blick geht vom Kermisdahlberg zur Klever Burg sowie über die Unterstadt und die Rheinebene bis nach Hochelten. Im Dächergewirr der Klever Unterstadt ist der Dachreiter der Minoritenkirche erkennbar. Der Rhein windet sich als silberner Streifen durch die sich zum Horizont ausbreitende Ebene. Der Horizont wird von der Kuppe des Eltenberges begrenzt. 

Links von der Bildmitte ragen zwei Bäume ins Bild, die das Gemälde in zwei Hälften gliedern. Links im Vordergrund ruht ein Hirte mit seinen Kühen. Am linken Bildrand erhebt sich, dunkel und eindrucksvoll, die Klever Burg, die hier aus mehreren Einzelbauwerken besteht. Der Maler visualisiert keine topographische Genauigkeit.

Das Sonnenlicht beleuchtet die Südseite der Burg und die weite Rheinlandschaft, während die Nordseite der Burg in einem dunklen Schatten liegt, der sich über die nahen Bereiche der tiefer gelegenen Unterstadt ausbreitet. Der Kermisdahl wie auch die weiträumige Rheinebene strahlen hingegen im Sonnenlicht. Das Bild verdankt seine Wirkung vor allem diesen starken Hell-Dunkel-Kontrasten; die vielen Brauntöne verleihen ihm eine stimmungsmäßige Schwere. 

[Valentina Vlašić]

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Objekt des Monats Januar 2022: Elfteiliges Teegeschirr der berühmten Keramikerin Eva Stricker-Zeisel im Dekor „Mattgrün“ aus dem Jahr 1930

Eva Stricker-Zeisel (1906–2011) entstammt einer gut bürgerlichen Budapester Familie mit jüdischen Wurzeln. In ihrer Heimatstadt erhielt sie eine Ausbildung zur Töpferin und arbeitete in verschiedenen Manufakturen. 1928 ging sie zur „Hansa Keramik“ nach Hamburg, kurze Zeit später zur Schramberger Majolikafabrik, bis sie zuletzt zum Carstens-Konzern wechselte. Für Hirschau arbeitete sie (meist von Berlin aus) im Jahr 1931. Anfang 1932 ging sie, wie viele linke Intellektuelle, in die Sowjetunion, wo sie für die beiden größten Porzellan- / Keramikfabriken des Landes, einmal bei Lomonosov (St. Petersburg) und bei Dulevo (Moskau), arbeitete, jedoch im stalinistischen Regime für eineinhalb Jahre in Haft kam. Schließlich emigrierte sie über Österreich in die USA, wo es ihr schnell gelang, Fuß zu fassen und zu einer „Star-Entwerferin“ für Glas, Keramik, Porzellan und andere Materialien zu werden. Vor und nach ihrem Tod erhielt sie zahlreiche Ausstellungen. Nahezu jedes bedeutende Kunstmuseum in den USA besitzt eine Sammlung mit ihren Entwürfen.

In der Sammlung des Museum Kurhaus Kleve sind Objekte aus ihrer Schramberger und Hirschauer Zeit zu sehen. Allein für Schramberg stellte sie ca. 200 Formen her. Für Schramberg kennzeichnend sind die streng geometrischen Formen wie (Halb-) Kugel und Zylinder. In den USA wollte sie von ihren frühen Entwürfen nichts mehr wissen, distanzierte sich sogar von ihnen und bezeichnete sie als „mit Zirkel und Lineal konstruiert“, als seelenlosen Bauhausstil, bei dem sie, so Stricker-Zeisel, blind Gropius oder Moholy-Nagy gefolgt sei. Ihr spätes Werk zeigt eine deutliche Abkehr und ist von der Dominanz organischer Formen und Linien bestimmt.

In der Klever Museumssammlung sind wunderbare Beispiele ihres Œuvres zu sehen: Tee-, Kaffee-, Likör- und Speiseservices, Vasen und Teile aller Art. Der Freundeskreis Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. besitzt ca. 700 Teile ihrer Werke.

Das hier beschriebene „Objekt des Monats“, ein Teegeschirr, stammt aus dem Frühjahr 1930 und ist beispielhaft für die damalige Schaffenszeit der Künstlerin. Eva Stricker-Zeisel war immer mehr an den Formen als an den Dekoren interessiert. Hier haben die drei Teile des Teekerns – Kanne, Zuckerdose und Milchgießer – konkave Längsseiten und die Form entstammt einem auf der Seite liegenden Zylinderabschnitt. Die Deckel von Kanne und Zuckerdose haben jeweils ausgesparte Griffstege, so dass die Umrisslinien von einem Deckelknauf nicht gestört werden. Diese Kannenform (Formnummer 3301) war im Vertrieb und Verkauf viel weniger erfolgreich als die am weitesten verbreitete Kanne von ihr (Formnummer 3211). Sie entspricht aber mit ihrer unauffälligen grünen Mattglasur exakt den Vorstellungen der Bauhauskeramiker*innen, die generell eine zurückhaltende Glasur bevorzugten. Bei diesen Objekten kommt Stricker-Zeisel den Entwürfen von Marianne Brandt sehr nahe bzw. führt diese konsequent zu Ende. Das komplette Service wirkt in sich stimmig.

Die Zeit schien aber noch nicht reif zu sein für diese reduzierte Gestaltung. Der Verkauf verlief offensichtlich so schleppend, dass die Objekte nur einmal in den für Deutschland bestimmten Katalogen auftauchen. Die wenigen erhaltenen Exemplare stammen immer aus beiden Hauptexportländern für die modernisierte Schramberger Keramik, aus den Niederlanden und den USA. Die einzelnen Teile des Service sind unter den Inventarnummern 2019-VII-245 A-F einsehbar.

Zum Vergleich kann man sich die erfolgreiche Schramberger Teekanne aus dem Jahr 1929 von ihr in verschiedenen Dekoren in der Sammlung aufrufen, indem die Formnummer 3211 in die Suchmaske eingegeben wird.

[Werner Steinecke]

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Spektakuläre Neuerwerbung des Freundeskreises der Klever Museen mit Ewald Matarés „Weiblichem Kopf“ von 1926 für die Sammlung des Museum Kurhaus Kleve

Ende 2021 gelang dem Freundeskreis Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. eine spektakuläre Neuerwerbung für die Ewald Mataré-Sammlung im Museum Kurhaus Kleve, die möglich gemacht wurde durch die großzügige Unterstützung der Kulturstiftung der Länder, der Ernst von Siemens Kunststiftung, der Kunststiftung NRW und der Sonja Mataré-Stiftung. Er konnte den großartigen „Weiblichen Kopf“ von Ewald Mataré aus dem Jahr 1926 ankaufen, ein Schlüsselwerk im frühen skulpturalen Werk des Bildhauers. 

Der „Weibliche Kopf“ wurde Mitte der 1950er Jahre von der Kunstsammlerin Margrit Loh (1923–2012) bei Ewald Mataré (1887–1965) persönlich in dessen Atelier in Meerbusch-Büderich bei Düsseldorf erworben. Die Arbeit nimmt eine zentrale Stellung im Werk von Mataré ein, da sie veranschaulicht, wie es diesem gelingt, mit einer minimalen Anzahl an Eingriffen einen maximalen Ausdruck zu schaffen. Der Hauch an manueller Bearbeitung verdeutlicht, wie Mataré sich zu diesem Zeitpunkt mit Abstraktion auseinandersetzt, ohne jedoch das Figürliche zu verlassen. Er lotet die Grenzen zwischen den beiden Bereichen aus und schafft eine Skulptur, die auf dem schmalen Grad dazwischen agiert.

Die Skulptur wurde aus einem zusammenhängenden Stamm aus rötlichem Birnbaumholz geschnitzt. Dabei nutzte Mataré die von oben nach unten verlaufende Maserung des Stammes, um die Gestalt des Porträtkopfes auch optisch zu verstärken. Auf der Oberfläche befinden sich einzelne, für Holzskulpturen typische Spannungsrisse, die diesen Eindruck weiter vertiefen. Es scheint beinahe, als hätte Mataré die Alterungsprozesse geplant, um damit auch der Skulptur die Möglichkeit der Veränderung zu geben. 

1926, das Jahr der Entstehung dieser Arbeit, bildet ein Schlüsseljahr in Matarés Leben und Werk: Seine Tochter Sonja kommt zur Welt und in den Nachfolgejahren sieht sich der Künstler in der Pflicht, ein konstantes Einkommen zu generieren, wodurch er 1932 eine Professur an der Akademie der Bildenden Künste in Düsseldorf annimmt. Vorerst widerwillig, da er – wie er in seinen Tagebüchern vermerkt – dadurch gebunden ist und sich nicht mehr ausschließlich der freien Kunst widmen kann. Doch zunächst entstehen 1926 die bisher radikal minimalsten Werke wie etwa die „Schreitende/Torso“ (deren Unikat aus Holz sich heute im Edwin Scharff Museum, Neu-Ulm befindet) und der „Männliche Kopf“ (dessen Unikat sich heute in der Nationalgalerie Berlin befindet). Durch die Tagebucheinträge ist bekannt, dass sich Mataré mit seinem „Weiblichen Kopf“ vermutlich auf das Gesicht der Schauspielerin Annemarie Mummenhoff (1903–1983) bezog. Der „Weibliche Kopf“ markiert zugleich einen Endpunkt seines freien Schaffens als auch einen Höhepunkt seines minimalen Denkens in Hinblick auf skulpturale Formgebung.

Ewald Mataré zählt zu den herausragenden Vertretern der Klassischen Moderne in Deutschland. Sowohl für das Museum Kurhaus Kleve als auch für die Stadt Kleve ist der Künstler von höchster Bedeutung. Das Museum Kurhaus Kleve trägt den Namenszusatz „Ewald Mataré–Sammlung“, da die Übergabe eine großen Teils des künstlerischen Nachlasses von Ewald Mataré an die Stadt Kleve im Jahr 1988 zur Gründung des Museum Kurhaus Kleve und zu dessen Eröffnung 1997 im alten Kurhaus-Komplex geführt hat. Für die Stadt Kleve realisierte der Künstler 1933/34 vor Ort ein Monument für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs, die Skulptur „Der Tote Krieger“. Diese wurde 1937 in mehrere Teile zerschlagen und in der Erde vergraben, da Mataré unter den Nationalsozialisten als „entartet“ galt. Die Teile der Skulptur wurden bei Grabungen vierzig Jahre später, 1977, durch Zufall wiederentdeckt, wonach die Skulptur restauriert, rekonstruiert und an einem neuen Standort in Kleve wieder aufgestellt worden ist. Im Museum Kurhaus Kleve bildet die Ewald Mataré-Sammlung eine der wichtigsten Säulen der Sammlung, die sich vom Mittelalter über den Barock bis hin zur Kunst der Moderne und der Internationalen Gegenwartskunst erstreckt.

[verfasst von Valentina Vlašić, Kuratorin im Museum Kurhaus Kleve]

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Als Dankeschön für seine Ausstellung zum 90. Geburtstag: Schenkung von neun Zeichnungen von Fritz Poorten an das Museum Kurhaus Kleve

Die Ausstellung „Uferzonen – Fritz Poorten zum 90. Geburtstag“ war von 02.07. bis 03.10.2021 im Museum Kurhaus Kleve zu sehen und umfasste zehn Arbeiten des Klever Künstlers aus dem Zeitraum von 1984 bis 2021.

Darin erfolgte zwar nur eine punktuelle Würdigung seines Lebenswerkes, wobei diese Reduktion auf das Wesentliche gleichwohl der künstlerischen Grundüberzeugung des Jubilars entspricht, der in seinen Ambitionen nie auf eine expansive Erweiterung der Themen und Medien abzielte, sondern in stiller Kontemplation und genauer Beobachtung zeichnerische Bildwelten schuf.

Fritz Poorten ist der Landschaft seiner niederrheinischen Heimat zutiefst verbunden, in der er jede Böschung, jedes Bauwerk und jede Chaussee kennt, und insbesondere die beweglichen Übergangszonen zwischen Wasser, Land und Himmel, die ihn lebenslang faszinierten und die er in seinen hier vorliegenden Blättern festgehalten hat.

Als Dankeschön für die Ausstellung schenkte er dem Museum Kurhaus Kleve neun der ausgestellten Blätter, die fortan fester Bestandteil der Sammlung sein werden. 

[Valentina Vlašić]

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Ein Hochschule-Projekt mit der Sammlung des Museum Kurhaus Kleve: die Ausstellung „Der nackte Körper – Eine Frage der Perspektive“ (26.11.2021–30.01.2022)

Nacktheit ist eine Frage der Perspektive: Wie der nackte Körper bewertet wird, und ob ein Körper als nackt angesehen wird, hängt maßgeblich vom historischen, religiösen, sozialen und kulturellen, aber auch politischen Kontext ab. Nacktheit weckt widersprüchliche Assoziationen: Sie steht für Freiheit, Liebe und Sexualität, symbolisiert Selbstbestimmung und Handlungsmacht, kann Ausdruck von Stärke sein und als kraftvolles Medium für Protest fungieren. Nacktheit kann aber auch Verletzlichkeit bedeuten, mit Entblößung und Scham assoziiert werden. Der nackte Körper unterliegt gesellschaftlichen Normierungen, sei es in Bezug auf Geschlecht und sexuelle Orientierung, Hautfarbe, Körperformen oder auf Gesundheit und Fitness.

Die Ausstellung „Der nackte Körper – Eine Frage der Perspektive“ ist ein Kooperationsprojekt zwischen dem Museum Kurhaus Kleve und dem sozialwissenschaftlichen Bachelor-Studiengang „Gender and Diversity“ an der Hochschule Rhein-Waal. Studierende der sozialwissenschaftlich ausgerichteten Gender and Diversity Studies entwickelten als Jungkurator*innen die Ausstellung entlang dreier Themenkomplexe: Die künstlerische Darstellung, aber auch der Bruch mit den Idealen des nackten Körpers rücken in den Fokus. Das Augenmerk wird auf Kunstwerke, die Nacktheit positiv und selbstermächtigend präsentieren, gelenkt. Dekoloniale Perspektiven (in Überwindung rassistischer Zuschreibungen) auf den nackten Körper in der Kunst werden eröffnet. Damit steht die Ausstellung für das Ringen um ein anderes, emanzipatorisches Narrativ mit Blick auf Nacktheit.

Gezeigt werden Werke aus der Sammlung des Museums Kurhaus Kleve, thematisch ergänzt um Leihgaben sowie um eigens für die Ausstellung angefertigte künstlerische Arbeiten von Studierenden des Studiengangs „Information and Communication Design“ der Hochschule Rhein-Waal, welche unter der Leitung der Künstlerin und Photographin Kirsten Becken entstanden sind. Das Spektrum der gezeigten Kunstwerke umfasst Skulpturen, Malerei, Zeichnungen, Graphik, Photographie, aber auch Filme und Videos, und reicht vom 16. Jahrhundert bis in die Gegenwart.

Die Ausstellung lädt dazu ein, im Dialog zwischen Kunst (-geschichte) und Gender and Diversity Studies gängige Perspektiven auf den nackten Körper zu reflektieren und in Bezug auf Körpernormen und koloniale Prägungen herauszufordern, einen Blickwechsel zu wagen vom nackten Körper als Objekt zum Subjekt, zur Handlungsfähigkeit.

In der Ausstellung sind Werke folgender Künstler*innen vertreten: Ellen Auerbach, Stephan Balkenhol, Kirsten Becken, Joseph Beuys, Jodi Bieber, AA Bronson, Kennedi Carter, Emil Cimiotti, Sophia Cockburn, Marlene Dumas, Va-Bene Elikem Fiatsi (crazinisT artisT), Andrea Fraser, Renée Green, Hendrick Goltzius, Hanns Lamers, Jocelyn Lee, Alla Magdina, Gerhard Marcks, Ewald Mataré, Zanele Muholi, Richard Phillips, R.H. Quaytman, Pipilotti Rist, Jürgen Teller, Ming-Jing Tsai, Paloma Varga Weisz, Kefan Weng, Franz West, Johann Andreas Wolff, Tobias Zielony und mehr.

Die Ausstellung wurde initiiert von Crystal Hassell und kuratiert von den Studierenden Runa Autzen, Konul Bilalova Brocker, Stephanie Finkler, Karen Gumiel-Silva, Crystal Hassell, Farhin Sohan Kabir, Aylin Klisura, Jana Küppers, Luna Orsini, Rutu Gole, Zama Madondo, Yi-Ning Su, Tamunosiki Tende, Lynn Marie Watzka unter der Mithilfe von Gerd Borkelmann, Alexandra Eerenstein und Valentina Vlašić (Museum Kurhaus Kleve) und Crystal Hassell und Eva Maria Hinterhuber (Hochschule Rhein-Waal).

Die Ausstellung ist ein Kooperationsprojekt des Museum Kurhaus Kleve mit der Hochschule Rhein-Waal. Sie wurde gefördert durch

•    Ministerium für Kultur und Wissenschaften des Landes Nordrhein-Westfalen
•    Freundeskreis Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. 

Mit freundlicher Unterstützung durch

•    Stadt Kleve 
•    Sparkasse Rhein-Maas
•    The Rilano Hotel Cleve City
•    WDR 3 – Kulturpartner des Museum Kurhaus Kleve 

[Valentina Vlašić]

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Neue Sammlungspräsentation im MKK: „Original & Kontext. Die Sammlung analog + digital“ (30.10.2021–27.02.2022)

Die Tätigkeitsfelder des Sammelns, Bewahrens, Erforschens und Vermittelns sowie des raumbezogenen Ausstellens der Bestände zählen seit jeher zu den zentralen Aufgaben eines Kunstmuseums. Im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung aller Lebensbereiche haben sich darüber hinaus neue Formate des Informationsaustauschs entwickelt, die das MKK seinem Publikum gern in exemplarischen Konstellationen vorstellen möchte. Wichtig dabei bleibt, dass die Begegnung mit den Originalen unverzichtbar ist, dass aber die Zugänge zu den Kontexten der jeweiligen Werke um ein Vielfaches vor, während und nach dem Museumsbesuch erweitert werden können. Bringen Sie bitte Ihr Smartphone mit und vertiefen Sie sich in das dichte Referenzgewebe unserer Online-Sammlung oder lassen Sie sich faszinieren von lange nicht gesehenen Schätzen und neuesten Dauerleihgaben … 

Das Museum Kurhaus Kleve besitzt eine eindrucksvolle, epochenübergreifende Sammlung vom Mittelalter am Niederrhein bis zur internationalen Gegenwartskunst, von der stets weniger als zehn Prozent ausgestellt ist. Der Großteil schlummert im Depot, wo er die letzten Jahre aufgearbeitet und sukzessive auf die neue Sammlungswebsite www.sammlung.mkk.art geladen wurde, die im Frühjahr 2021 online gegangen ist. Integraler Bestandteil der Onlinestellung ist die Verknüpfung zwischen dem realen Museumsbesuch und der digitalen Verfügbarkeit umfassender Informationen, die mittels QR-Code bequem von der Sammlungswebsite abgerufen werden können. 

Die neue Sammlungspräsentation im MKK zeigt ungeahnte, z.T. Jahrzehnte nicht ausgestellte Kunstwerke und Kostbarkeiten mehrerer Jahrhunderte, bei deren Einrichtung u.a. auch eine Würdigung musealen Mäzenatentums erfolgt ist und ein Fokus auf jüngste biographische Ereignisse gelegt wurde. Im Erdgeschoss ist erstmals seit Jahren wieder das monumentale und fast neun Meter lange „Farbspektrum des Tageslichts“ (1997) von Jan Andriesse zu sehen, eines Künstlers, der dem MKK Jahrzehnte verbunden war und im August dieses Jahres verstorben ist. Seinem Werk gegenübergestellt sind Arbeiten von Alex Katz – den Jan Andriesse bewundert und zu dem er eine langjährige Freundschaft gepflegt hat. Seit Alex Katz’ Einzelausstellung 2009 befindet sich dessen rätselhaftes Werk „Oona’s Back“ (2008) im MKK, das nun neu durch das imposante Waldstück „Clearing“ (1986) – einer erst jüngst erworbenen Dauerleihgabe aus der Stiftung Kunst im Landesbesitz – bereichert wird. Ergänzt werden die Arbeiten durch die Leihgabe eines Werks von Alex Katz aus dem Besitz der Familie von Jan Andriesse und ein filmisches Interview, das Jan Andriesse 2008 noch persönlich mit Alex Katz in New York geführt hat. 

Im Erdgeschoss ferner zu sehen sind Gegenwartspositionen mit neuesten Ankäufen von Lucas Blalock sowie Werkkomplexe von Michael Krebber, Katharina Fritsch, Werner Wefers und Cy Twombly. 

Im ersten Obergeschoss stehen Kunstwerke des 20. Jahrhunderts im Fokus, die gattungsübergreifend präsentiert werden: Im schmalsten Saal des Museums mit der Nummer 13 werden Gemälden aus der Sammlung die Porträts ihrer Künstler gegenübergestellt. Das noch nie präsentierte Bildnis von Johan Thorn Prikker (1924) aus der Hand von Heinrich Nauen erscheint neben Thorn Prikkers Relief der „Fußballspieler“ (um 1900). Weitere Künstlerporträts, die Fritz Getlinger in den 1950er bis 60er Jahren von Klever Künstler*innen angefertigt hat, sind den dazu gehörigen Gemälden aus altem städtischen Besitz in Disposition gestellt. 

In den Sälen 14 und 15 sind Gemälde, Zeichnungen und Druckgraphiken der 1930er bis 70er Jahre aus der Sammlung Wörner Skulpturen und Kunstgewerbe der Sammlungen Werner Steinecke und Irene Zintzen gegenübergestellt. Das Wuppertaler Ehepaar Rose und Gustav Wörner gehörte zu den wichtigsten Mäzenen der Klever Museen, deren umfangreiche Sammlung nach Rose Wörners Tod 2015 in die Hände des Freundeskreises übergegangen ist und 2016 in einer umfassenden Gesamtschau präsentiert wurde. Bei der diesjährigen Ausstellung soll die Kleinplastik der Klassischen Moderne mit den figürlichen Keramiken der Sammlung Steinecke konfrontiert werden. Der Keramiksammler und -experte Werner Steinecke hat 2011, 2019 und 2022 ganze Konvolute seiner einzigartigen Keramiksammlung in die Hände des Freundeskreises übergeben, wobei bei dieser Ausstellung erstmals überhaupt die figurativen Exponate im Vordergrund stehen. Die Glassammlung mit Exponaten der 1970er und 80er Jahre der im Juli 2021 verstorbenen Museumsmäzenin Irene Zintzen (geb. van Ackeren) wurde noch nie öffentlich präsentiert. 

Im doppelgeschossigen Saal 16 ist die Pop Art zentral, die durch das monumentale „GERMAN LOVE“ (1995) von Robert Indiana angeführt wird, einem über sechs mal sechs Meter großen Wandteppich mit dessen ikonischem „LOVE“-Emblem in den Farben der deutschen Flagge. Eine im selben Saal untergebrachte Publikation erinnert an den Impulsgeber seiner Einzelausstellung 2007 im MKK: an den 2019 verstorbenen Galeristen Georg Friedrichs, der das Buch nach seinem Besuch bei Robert Indiana 2007 in Vinalhaven (USA) angefertigt und anschließend dem MKK geschenkt hat. Ergänzt werden diese beiden Exponate durch zwei neue Dauerleihgaben aus der Stiftung Kunst im Landesbesitz: „The New Zero“ (1972) von Robert Indiana und „Details of Renaissance Paintings (Leonardo da Vinci, The Annunciation, 1472)“ (1984) von Andy Warhol. 

Das zweite Obergeschoss steht im Zeichen der alten Kunst: Selten oder noch nie gezeigte Altmeisterporträts von Melchior Geldorp, Joos van Cleve oder Gerard van Honthorst zeugen vom Selbstverständnis eines im 17. Jahrhunderts aufkeimenden Bürgertums. Claes Molenaers „Beim Schiedsmann“, Jan Davidsz. de Heems „Allegorie auf Wilhelm III. von Oranien“ und Jan Jakobsz. van der Stoffes „Reitergefecht“ (alle um 1650) weisen multiple gesellschaftliche und vor allem politische Bezüge auf. Wallerant Vaillants „Rheinansicht“ und Jacob Konincks „Kleve und die Niederungen“ (um 1650 bis 1680) spiegeln den Blick auf die Landschaft wider. Die zeitlich frühesten Exponate sind ein niederrheinisches Kruzifix eines unbekannten Meisters (um 1500), eine gebundene Ausgabe der berühmten „Koelhoff’schen Chronik der Stadt Köln“ aus dem Jahr 1499 sowie das jüngst aufwändig restaurierte „Bildnis des Grafen Adolf von Kleve, Mark und Ravenstein“ (1489). 

Die Ausstellung wird gefördert durch

Mit freundlicher Unterstützung durch

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Wichtige Schenkung für das Museum Kurhaus Kleve: eine Laurentius-Statue des Kalkarer Bildhauers Henrik van Holt, um 1530–1540

Vor drei Jahren konnte der Freundeskreis Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. mit Hilfe bedeutender Stiftungen die einzigartige Gruppe der „Heiligen Drei Könige“ des Kalkarer Bildhauers Henrik Douverman erwerben, ein Glanzlicht der spätmittelalterlichen Kunst am Niederrhein. Aus Begeisterung und Dankbarkeit für den großen Einsatz des Freundeskreises, der diesen Erwerb möglich machte, hat ein Mäzen nun eine wichtige Skulptur des Bildhauers Henrik van Holt (tätig 1500–1546), der viele Jahre neben Douverman in Kalkar gearbeitet hat, an den Freundeskreis gestiftet.

Mit der Schenkung schließt sich eine große Lücke in der Sammlung des Klever Museums. Während die wichtigsten Bildhauer der Spätgotik am Niederrhein, wie Meister Arnt, Dries Holthuys, Henrik Douvermann und Arnt van Tricht, jeweils mit mehreren wichtigen Werken in der Sammlung des Museums vertreten sind, besaß das Klever Museum bis jetzt von Henrik van Holt nur die „Zwei Könige“, Fragmente einer Wurzel-Jesse-Darstellung, von dem der Mittelteil mit dem schlafenden Jesse im Busch-Reisinger-Museum in Cambridge (Mass.) aufbewahrt wird.

Bei der Stiftung handelt es sich um eine 95 cm hohe Heiligenfigur aus Eichenholz, die ursprünglich gefasst gewesen ist. Der Heilige ist als Diakon gekleidet, in einer priesterlichen Kasel mit reich bestickten Borten über einer Albe als Untergewand. Die Handschrift des Bildhauers van Holt ist in dem prägnanten Gesicht mit den leicht schräg gestellten Augen mit den gratigen Brauen, dem spitz zulaufenden Mund und der Form der Haarlocken leicht erkennbar.

Henrik van Holt hat in Kalkar, in der Stadt, in der er wohnhaft war, kaum Aufträge erhalten. Im benachbarten Xanten erhielt er für den St. Viktorsdom vom Kapitel sowohl wichtige Aufträge in Stein (eine Serie von Schlusssteinen im Gewölbe, 1514) wie in Holz (die Heiligenbüsten im Hochaltar, 1540). Hier finden sich zahlreiche stilistische Parallelen mit archivalisch gesicherten Werken, die die künstlerische Einordnung leicht machen. Besonders im Marienaltar in Xanten, der von Henrik Douverman um 1540 unvollendet zurückgelassen wurde, und von seinem Kollegen van Holts fertig gestellt wurde, erkennt man zum Beispiel in der Figur des Hohepriesters in der Szene der „Zurückweisung des Opfers des Joachim“ eine enge Verwandtschaft.

Über die Herkunft der Skulptur ist nur bekannt, dass diese sich um 1900 in der berühmten Sammlung des neugotischen Gocher Bildschnitzers Ferdinand Langenberg (1849–1931) und später bei dessen Nachfahren befunden hat. Damals fehlte bereits das Attribut in seiner rechten Hand, ein Rost, das auf das Martyrium des Hl. Laurentius hinweist, der im Jahre 258 in Rom auf einem Rost gebraten wurde, so dass er den Märtyrertod starb. Laurentius hatte von Papst Sixtus II. die Kostbarkeiten der Kirche bekommen, die er unter den Armen Roms verteilte, obwohl Kaiser Valerianus diese für sich beanspruchte und sich dann an Laurentius rächte.

Der Freundeskreis Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. freut sich besonders, dass nach dem Erwerb von Douvermans „Heiligen Drei Königen“ (2016–2018) und der beiden Figuren der „Hl. Luzia“ von Meister Arnt und des „Hl. Cosmas“ eines unbekannten Bildhauers (2019) nun erneut ein bedeutendes Werk spätmittelalterlicher Skulptur für das Museum Kurhaus Kleve gewonnen werden konnte.

Die Skulptur wurde in den beiden letzten Jahren von der Restauratorin Marita Schlüter, Everswinkel, restauriert. Sie entfernte behutsam eine dunkle Beize, mit der die Figur von Ferdinand Langenberg nach der Mode des späten 19. Jahrhunderts überzogen worden war, so dass die bildhauerischen Feinheiten nun besonders zur Geltung kommen.

Im Jahr 1996 wurde die Skulptur auf der großen Ausstellung „Gegen den Strom. Meisterwerke niederrheinisches Skulptur in Zeiten der Reformation 1500–1550“ im Suermondt-Ludwig-Museum in Aachen (Nr. 55) ausgestellt.

[Valentina Vlašić]

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Schenkung aus Privatbesitz: Jugendstilelement aus dem Hotel Maywald in Kleve

Das vorliegende kleine kunsthandwerkliche Element – vermutlich das Ornamentteil eines einstigen Fensters – gelangte im September 2021 als Schenkung aus Klever Privatbesitz in die Sammlung des Museum Kurhaus Kleve. Laut Auskunft des großzügigen Donateurs wurde es aus dem Schutthaufen des ehemaligen Hotels Maywald gerettet, wonach es viele Jahre lang in Privatbesitz verblieben war. Das Museum Kurhaus Kleve besitzt zahlreiche Exponate des ehemaligen Hotels in seiner Sammlung.

Um die Jahrhunderte um 1900 gehörte das Grand-Hotel Maywald zu den besten Adressen in Kleve, an der internationale Prominenz – russische Prinzesinnen und englisches Adelhaus – gerne abstieg, um in Bad Cleve die Kur zu zelebrieren. Die Eigentümer*innen des Hauses waren Wilhelm und Hermine Maywald, die Eltern des berühmten Photographen Willy Maywald (1907–1985), der u.a. 1947 mit seinen Aufnahmen vom „New Look“ Christion Diors in Paris für Furore sorgte.

Politische und wirtschaftliche Probleme existierten an Kleves bester Luxusadresse nicht: Dort war das Kurleben sorgenfrei, die Beau-Monde tanzte im Ballsaal beim Nachmittagstee oder am Abend beim Diner-Dansant und amüsierte sich auf der imposanten Terrasse. Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs setzte dem Reigen in „Bad Cleve“ jedoch ein abruptes Ende, wonach die Maywalds ihr Hotel nur mit Mühe über den Krieg hinweg retten konnten und es schließlich 1920 an den Schuhfabrikanten Gustav Hoffmann verkaufen mussten, wonach dieser illustre Stern allmählich verglühte. 

Gegründet wurde das Hotel Maywald 1818 von den Gebrüdern Wilhelm und August Maywald über den Kermisdalhöhen südlich des Prinzenhofes, als Gasthof „Zum Fürsten Moritz von Nassau“, wonach es erst zum „Hotel Maywald“ und Kleves bester Adresse wurde. Um 1850 erweiterten die Brüder ihr Hotel um ein Stockwerk, der Ballsaal wurde schließlich erst Anfang des 20. Jahrhunderts hinzugefügt. Das imposante Gebäude mit großem Hotelpark verfügte von der Anfahrtsseite über die Nassauer Allee aus über ein Auffahrtsrondell, über das man zum breiten Eingang gelangte. Auf der Rückseite befand sich eine überdachte Terrasse auf halber Breite des Gebäudes, von der aus man „die schönste Aussicht in Cleve“ (so die damaligen Prospekte) genießen und zu einer Bootsanlegestelle hinabsteigen konnte. In der Tat konnte man von der Terrasse aus den Kermisdal mit Burgberg die Ausläufer der Klever Unterstadt sehen; die Galleien und die am Horizont liegenden Dörfer von Elten bis Griethausen waren ebenfalls zu erkennen. Der Speisesaal des Hotels war mit Gemälden von August Lüdecke-Cleve geschmückt, u.a. von „Lohengrin“ und „Otto dem Schütz“.

Das vorliegende kleine Fenster-Element aus der Zeit des Jugendstil gehörte voraussichtlich zur feinen Ausstattung des Hauses, das sich womöglich an der oben beschriebenen Terrassenseite befunden hat. 

[Valentina Vlašić]

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Aufwändige Restaurierung eines kostbaren Tafelbildes aus dem Jahr 1488

In der Sammlung des Freundeskreises Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. im Museum Kurhaus Kleve befindet sich eine bislang selten gezeigte Kostbarkeit, die sich die letzten Jahre in der Restaurierung befunden hat und die nun zeitnah im Katharina von Kleve-Saal des Museum Kurhaus Kleve ausgestellt werden soll: ein Tafelbild des Grafen Adolf von Kleve, Mark und Ravenstein (1425–1492), das den Adeligen im Brustbild in leichter Seitenansicht zeigt.

Es handelt sich um ein äußerst kleinformatiges, intimes Porträt. Der Graf hat seine Hände zum Gebet gefaltet und blickt an den Betrachter*innen vorbei nach links aus dem Bild heraus. Das Täfelchen war höchstwahrscheinlich der rechte Teil eines Diptychons – vermutlich mit einer Darstellung der Muttergottes auf der gegenüberliegenden Seite, wie Guido de Werd in seinem Aufsatz über das Tafelbild im Klever Heimatkalender auf das Jahr 1996 vermutet.

Der Adelige ist in ein schwarzes Wams mit rotem Kragen gekleidet. Um den Hals trägt er die Collane des Ordens vom Goldenen Vlies. Sein Haupt bedeckt eine schlichte schwarze Kappe mit einer Agraffe in Form des Buchstabens „A“ und einem Perlenanhänger daran. Seine vornehme Erscheinung wird unterstrichen durch einen ockerfarbenen Brokatmantel mit rotem Futter und einem pelzbesetzten Kragen. Auf der Rückseite befindet sich in goldenen Majuskeln auf schwarzem Grund eine Schrift, die Guido de Werd folgendermaßen übersetzt hat: „Im Jahre 1488 / da wurde dieses gemacht. Da war ich / Adolf von Kleve und van der Mark, Herr von Ravenstein alt 64 / Jahre am Tag von S. Petrus und S. Paulus“.

Das Tafelbild wurde nun durch die Diplomrestauratorin Marita Schlüter aus Everswinkel fachmännisch restauriert. In ihrem ausführichen Restaurierungsbericht erkannte sie u.a., dass die relativ dünne Eichenholztafel aus zwei etwa gleich großen Stücken mit senkrechtem Faserverlauf zusammengeleimt ist. Ferner ist in ihrem Bericht nachzulesen: Beide Bretter zeigen im Anschnitt fast stehende Jahrringe. Dieser Zuschnitt ist dafür verantwortlich, dass sie sich kaum verwölbt hat. Die Fuge ist bereits einmal neu verleimt worden, wie ein leichter Niveauunterschied auf der Bildseite und Leimreste auf der Rückseite beweisen.

Die Tafel ist nach dem Prinzip der sog. „Bildrahmenplatte“ in seinem Zierrahmen grundiert und bemalt worden, wie der umlaufende holzsichtige Rand auf beiden Seiten beweist. Daher handelt es sich auch um das Originalformat – lediglich ein Holzausbruch von 40 x 3 mm ist in der oberen linken Ecke vorhanden.

Während die elfenbeinfarbige Grundierung auf der Vorderseite sorgsam geschliffen wurde, fehlt sie auf der Rückseite. Hier sind im oberen Viertel sogar noch Beilspuren vom Spalten des Brettes zu sehen und die schwarze Farbe liegt direkt auf dem Holz.

Die Malschicht des Gemäldes besteht aus Temperafarben mit Lasuren von roten Farblacken. Der Hintergrund des Gemäldes bestand ursprünglich aus einem leuchtenden Azuritblau. Dieses Pigment entfaltet seine Leuchtkraft am besten pastos aufgetragen in wässrigen Bindemitteln und wirkt in öligen und harzigen Bindemitteln eher grünlich. Heute sind die originalen Reste des Azurits durch später aufgetragene Firnisse und Übermalungen bereits vergrünt und daher dunkelgrünblau. Die Malschicht ist wie die Grundierung altersgerecht feinteilig craqueliert.

Im Vorzustand war das Gemälde großflächig überarbeitet. Vermutlich bereits sehr früh hat man Teile der Darstellung entfernt bzw. übermalt. So wurden Buchstaben mit seinem Titel und Alter am oberen Rand mit dem Azurit darunter regelrecht herausgekratzt – ebenso wie sein Wappen links neben dem Kopf. Rechts neben dem Kopf befand sich vielleicht ein weiteres – vielleicht kreisförmiges – Abzeichen oder Emblem. Außerdem wurde das leuchtend rote Futter seines Mantels dunkelgrün übermalt. Die übrige Malschicht zeigte leichte vertikale Schleifspuren. Alle Schadstellen nach der ersten Maßnahme noch mehrfach retuschiert worden. Insgesamt wirkte die die Malerei durch die tiefgreifenden und vielen Überarbeitungen wenig authentisch.

Der Zierrahmen ist eine Hinzufügung des 20. Jahrhunderts. Auf einen Korpus aus Nadelholz sind zwei umlaufende Profile aus Eichenholz aufgenagelt, die ursprünglich grundiert und schwarz gefasst waren. Zwischen den Profilen ist ein Streifen in dunklem Wurzelholz-Furnier auf den Korpus geleimt. Das Furnier war auf dem nach außen ansteigenden Rahmen z.T. geknickt und beschädigt. Die Brüche waren mit dunkler Farbe grob retuschiert. Die Eichholzleisten waren grob bis auf das Holz freigelegt. Auch der Rahmen ist neu verleimt worden. Tackerklammern auf der Rückseite datieren diese Maßnahme in das 20. Jahrhundert. In den Fugen steckte brauner Wachskitt.

Das Gemälde befand sich bei der Erwerbung durch den Freundeskreis der Klever Museen 1995 in keinem ausstellungsfähigen Zustand. Nach Absprache mit dem Eigentümer sollte die originale Farbigkeit und Formgebung – wenn möglich – freigelegt werden. Nach umfangreichen Voruntersuchungen im Streiflicht, unter UV- und Infrarotstrahlung stand fest, dass zwar nur noch minimale Farbreste des Schriftzuges vorhanden waren – allerdings war durch das Abkratzen der pastosen Azuritschicht eine Art „Negativ-Abdruck“ der Buchstaben erhalten. Die Schrift war somit rekonstruierbar. Zunächst aber wurde der Firnis von der Rückseite abgenommen und die dortige Malschicht an den Fehlstellenrändern mit Hausenblasenleim gefestigt.

Vorderseitig ließen sich Firnisse und Retuschen in mehreren Arbeitsgängen mit verschiedenen Lösemitteln auf Wattestäbchen sowie als Kompresse und mit Hilfe des Skalpells unter der Kopflupe abnehmen. Auch alle späteren Kittungen wurden mechanisch herausgenommen und die Fehlstellenränder ebenfalls gefestigt. 

Anschließend erhielten alle Fehlstellen in der Grundierung neue Kittungen mit einem leicht abgetönten Leimkreidekitt.
Im Zuge der Recherchen zur einer Rekonstruktion der verlorenen Teile fand der Nijmeger Kunsthistoriker Gerard Lemmens (1938–2021) 2011 eine Schwarzweißphotographie der Tafel, datiert 1935, im Archiv von Max. J. Friedländer. Gemeinsam mit einer farbigen Abbildung des Wappens Adolf von Kleves in der Brügger Liebfrauenkirche von 1468 dienten diese Vorlagen als Grundlage für die Retusche der Beschriftung und des Wappens.

Der Zierrahmen wurde gesäubert, seine Falzen ausgeschliffen und mit Filz ausgepolstert. Vorderseitig entfernt wurden die Reste der schwarzen Fassung in den Tiefen des Eichenholzes und die Retuschen auf dem Wurzelfurnier. Fehlstellen wurden neu verkittet und ausretuschiert. Abschließend wurde das Gemälde mit einem Rückseitenschutz aus Museumskarton und neuen Federklammern reversibel wieder eingerahmt.

[Valentina Vlašić]

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Leihgaben für die Ausstellung „Stadt und Festung Wesel in Mittelalter und Neuzeit“ im LVR-Niederrheinmuseum, Wesel

Das Museum Kurhaus Kleve stellt dem Stadtarchiv Wesel für seine Ausstellung „Stadt und Festung Wesel in Mittelalter und Neuzeit“ (23.09.–19.12.2021) im LVR-Niederrheinmuseum in Wesel mehrere Leihgaben aus der Sammlung Robert Angerhausen zur Verfügung.

Dabei handelt es sich u.a. um originale Handzeichnungen von Abraham Jansz. Begheyn (1637–1697), die die Stadt Wesel im Panorama zeigen und vom Ende des 17. Jahrhunderts stammen. Das Besondere an diesen Blättern ist, dass sie extreme Querformate von fast drei Metern aufweisen – und insofern geradezu einzigartig sind. Die lichtsensiblen Kostbarkeiten aus der Sammlung Robert Angerhausen schlummern in der Regel im Graphikdepot des Museum Kurhaus Kleve und kommen nur zu besonderen Anlässen an die Öffentlichkeit – wie in diesem Fall. 

Der Große Kurfürst, Friedrich Wilhelm von Brandenburg, entsendete den Autodidakten Abraham Jansz. Begheyn im Jahr 1786 zu seinen Ländereien (u.a. nach Halberstadt, Minden, Bielefeld, Kleve und Wesel), um diese zu katographieren und später davon Gemälde anzufertigen (wovor der Künstler jedoch verstorben ist). 

Weitere Arbeiten von Begheyn befinden sich heute im British Museum London, im Berliner Stadtarchiv, im Berlin-Museum, in der Sammlung der Fakultät für Architektur der Universität Berlin, im Märkischen Museum auf der Burg Altena, im Museum in Minden usw.

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Neuerwerbung eines historischen Kupferstichs von Wilhelm dem Reichen (1516–1592)

Im August 2021 konnte der Freundeskreis Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. aus Wuppertaler Kunsthandel einen historischen Kupferstich von Wilhelm dem Reichen aus dem Jahr 1601 für die Sammlung im Museum Kurhaus Kleve erwerben.

Das schöne Blatt ist eine Darstellung aus der Waffenkammer im Schloss Ambrass und stammt aus dem „Bildinventar der Waffensammlung von Erzherzog Ferdinand von Tirol“ von Jakob Schrenck von Notzing für Schloss Ambrass aus dem Jahr 1601.

Es stellt eine schlüssige Ergänzung zu einem Blatt dar, das ebenfalls aus dem Bildinventar stammt und sich bereits in der Sammlung des Freundeskreises befindet. Während das neue Blatt Herzog Wilhelm in bewegter Pose von hinten zeigt, präsentiert ihn das andere frontal von vorne. 

[Valentina Vlašić]

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Leihgaben für die Ausstellung „Rettet den Wald!“ im Museum Het Valkhof in Nijmegen

Das Museum Kurhaus Kleve stellt dem Museum Het Valkhof in Nijmegen für seine Ausstellung „Rettet den Wald!“ („Save the forest!“ oder „Red het bos!“) eine Leihgabe aus seiner Sammlung zur Verfügung: die Skulptur „Gesto vegetale“ des berühmten italienischen Arte Povera-Künstlers Giuseppe Penone (*1947). Worum geht es in der Ausstellung in Kleves Nachbarstadt auf holländischer Seite?

Rettet den Wald!“, rief Joseph Beuys schon 1971 aus. Mit diesem Appell zog er mit fünfzig Studierenden quasi in den Kampf, um das Abholzen von einem Teil des Düsseldorfer Grafenberger Waldes zu verhindern. Mit seinen Kumpanen fegte er die Pfade sauber und markierte die bedrohten Bäume. Beuys war einer der ersten Öko-Künstler.

Da sich die Umweltprobleme nun in der Gegenwart dringlicher denn je zeigen, folgen heutzutage viele Gleichgesinnte seinen Fußstapfen. „Rettet den Wald!“ veranschaulicht, wie sich zeitgenössische Künstler*innen für die bedrohte Natur einsetzen. Die Ausstellung ist vom 18. September bis 5. Dezember 2021 zu sehen. 

Weitere Informationen über die Ausstellung sind nachzulesen unter https://www.museumhetvalkhof.nl/de/sehen-und-machen/ausstellungen/rettet-den-wald/

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Leihgaben für die Ausstellung „Weltreich und Provinz – Die Spanier am Niederrhein 1560–1660“ im Museum Schloss Rheydt

Das Museum Schloss Rheydt plant in Kooperation mit dem Museum Zitadelle Jülich eine Sonderausstellung mit dem Titel „Weltreich und Provinz – Die Spanier am Niederrhein 1560-1660“, wofür vier Exponate aus dem Besitz des Museum Kurhaus Kleve geliehen werden sollen, die für dieses Thema eine exzellente Bereicherung darstellen.

Dabei handelt es sich um vier Kupferstiche aus Adriaen Valerius‘ „Nederlandtsche Gedenck-Clanck“, Haarlem, 1626, die die Unterdrückung des „Leo Belgicus“ zeigen.

Die Sonderausstellung soll vom 26. September 2021 bis 6. März 2022 im Museum Schloss Rheydt zu sehen sein. Sie findet im Rahmen des Museumsnetzwerks Rhein-Maas im Themenjahr „Provinz“ statt.

Einige Monate später soll die Ausstellung in abgewandelter Form im Museum Zitadelle Jülich zu sehen sein.

Das Generalkonsulat der Spanischen Botschaft in der Bundesrepublik Deutschland hat die Schirmherrschaft über das Ausstellungsprojekt übernommen.

Weitere Informationen zur Ausstellung finden sich unter folgendem Link: 

https://www.hsozkult.de/conferencereport/id/tagungsberichte-8886?title=die-spanier-am-niederrhein-1560-1660-interdisziplinaere-werkstattgespraeche&recno=27&page=2&q=&sort=&fq=&total=8606 

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Leihgaben für die Ausstellung „Eine Klasse für sich. Adel an Rhein und Ruhr“ im Ruhr Museum, Essen

Das Essener Ruhr Museum auf dem Welterbe Zollverein plant eine Sonderausstellung mit dem Titel „Eine Klasse für sich. Adel an Rhein und Ruhr“, die vom 6. Dezember 2021 bis 31. Juli 2022 stattfinden soll und für die das Museum Kurhaus Kleve zahlreiche Leihgaben aus seiner Sammlung zur Verfügung stellen wird. 

Ruhrgebiet und Adel? Die scheinbar konträren Begriffe lassen zuerst an die Villa Hügel und andere „Schlösser“ sowie die großen Industri­ellen denken, die von den Arbeitern auch „Schlotbarone“ genannt wurden. Aber das Ruhrgebiet hat auch eine reiche vorindustrielle Vergangenheit, in der der Adel eine zentrale Rolle spielte und die es einst sogar zu einer der burgenreichsten Regionen Europas werden ließ. 

Der Anlass der Ausstellung ist daher die Frage, wie sich der Einfluss des Adels im Laufe der Jahrhunderte auf die Geschichte der Ruhrregion ausge­wirkt hat und welche Relikte von seiner einstigen Macht zeugen. Zu­dem soll der gesellschaftliche Wandel thematisiert werden, in dem sich der Adel bis heute befindet. Bisher hat die regionale Forschung dieser Gruppe vor allem in Einzelstudien Beachtung geschenkt. Daher bietet eine Ausstellung die Chance, in einem größeren Überblick die vielfältigen Aspekte des adeligen Lebens vom Mittelalter bis zur Ge­genwart dar- und einer breiten Öffentlichkeit vorzustellen. 

Die Herzöge von Kleve-Mark, später Jülich-Kleve-Berg spielt als Landesherren eine zentrale Rolle, über die das Museum Kurhaus Kleve zahlreiche kostbare Werke verfügt. So soll u.a. mit dem „Weihrauchfass der Grafen Liuthard von Kleve“ auf adelige Stiftsgründungen verwiesen werden. Im Kapitel „Heiratspolitik“ der Ausstellung sollen Hochzeits­geschenke eine Rolle spielen, wofür die „Paxtafel“ aus der Klever Museumssammlung ein schönes Beispiel aus dem Mittel­alter ist. Durch das Gemälde von Jacob Koninck mit der „Ansicht der Schwanenburg“ soll eine der Residenzen der Herzöge von Jülich-Kleve-Berg gezeigt werden. Die verschiedenen Graphiken betreffen die politischen und repräsentativen Ambitionen der jeweiligen Herrscher. Im Bereich „Gärten und Parks“ soll der Lustgarten von Johann Moritz von Nassau-Siegen in Kleve und der Barockgarten von Kloster Kamp nicht fehlen.

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Leihgaben für die Ausstellung „Die Macht der Chroniken“ in Haus Bergh in ‘s-Heerenbergh

2017 hat das Wasserschloss Haus Bergh in ‘s-Heerenbergh, direkt jenseits der Grenze bei Emmerich, eine Handschrift mit zwölf mittelniederländischen Chroniken erworben, die kurz nach 1450 im Herzogtum Geldern angefertigt wurde und wegen des Umfangs und der Zeichnungen als außerordentlich gilt. Um dieses besondere Manuskript einer breiten Öffentlichkeit vorzustellen, soll eine Ausstellung mit dem Titel „Die Macht der Chroniken“ (niederländisch „Kracht van Kronieken“ oder englisch „Power of Chronicles“) durchgeführt werden, die vom 21. August bis 14. November 2021 zu sehen ist und für die das Museum Kurhaus Kleve drei Leihgaben zur Verfügung stellen wird. 

Mit der Ausstellung wird das Wasserschloss Haus Bergh die Öffentlichkeit auf die Handschrift aufmerksam machen. Für diese Ausstellung ist das Museum an der Art und Weise interessiert, wie tatsächliche und beabsichtigte machtpolitische Verhältnisse in diesem Manuskript visualisiert worden sind. Einerseits soll dem Buch als materiellem Objekt Aufmerksamkeit gewidmet werden, andererseits dem Inhalt, wobei sowohl Text als auch Zeichnungen berücksichtigt werden sollen.

Beabsichtigt ist, die Handschrift mit ihren einzigartigen Illustrationen in einen Rahmen mit anderen mittelalterlichen Exponaten, insbesondere illustrierten Chroniken aus demselben Zeitraum und derselben Gegend, zu stellen. So hat beispielsweise auch schon die Staatsbibliothek zu Berlin die „Rheinländische Historienbibel“ zur Verfügung gestellt.

Die Skulpturen aus der Werkstatt des Meister Arnt von Kalkar und Zwolle und seiner Nachfolge stellen in diesem Kontext exzellente Leihgaben dar und ergänzen die Bergh’schen Chroniken. Die Exponate aus dem Klever Museumsbesitz und die Handschrift aus Haus Bergh stammen aus demselben Zeit- und Kulturraum. Gemeinsam veranschaulichen sie den Reichtum am Niederrhein, der bisher zu wenig beleuchtet worden ist, da die Aufmerksamkeit in dieser Zeit oft anderen Zentren in den Niederlanden und in Deutschland gewidmet worden ist. 

 

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Abbildungen des Museum Kurhaus Kleve für die Dissertation „Goldschmiedehandwerk der Frühen Neuzeit am Niederrhein“

Das Museum Kurhaus Kleve unterstützte die junge Kunsthistorikerin Frau Dr. Marina Rieß aus Köln bei ihrer Dissertation „Das Goldschmiedehandwerk der Frühen Neuzeit am Niederrhein – Liturgische Goldschmiedewerke im konfessionellen Spannungsfeld“ durch die Bereitstellung mehrerer Abbildungen, die in folgenden älteren Klever Museumspublikationen erschienen sind: 

  • Kunstschätze aus dem St.-Martini-Münster zu Emmerich, bearb. v. Gerard Lemmens/Guido de Werd, Ausstellungskatalog, Emmerich 1977
  • Klevisches Silber. 15.–19. Jahrhundert, bearb. v. Guido de Werd, Ausstellungskatalog Städtisches Museum Haus Koekkoek, Kleve, Kleve 1978
  • Lemmens, Gerard: Die Schatzkammer Emmerich, Kleve 1983
  • Schenkenschanz. „de sleutel van den hollandschen tuin“, red. v. Guido de Werd, Ausstellungskatalog Städtisches Museum Haus Koekkoek, Kleve, Kleve 1986
  • De Werd, Guido: Een kelk uit 1697 door Rabanus Raab de Oudere uit Kalkar, in: Antiek, Jg. 25, Nr. 2, 1990, S. 83–88

Die Promotion von Dr. Marina Rieß, die von Frau Prof. Dr. Susanne Wittekind (Universität zu Köln) betreut und von Frau Prof. Dr. Evelin Wetter (Universität Leipzig) und Frau Prof. Dr. Sabine von Heusinger (Universität zu Köln) als Zweit- und Drittgutachter begleitet wurde, ist ab sofort bei „arthistoricum.net – Fachinformationsdienst Kunst – Fotografie – Design“ online abrufbar, und zwar in der Form zweier Pdf-Bände, jeweils mit Textband und Anhang: 

https://archiv.ub.uni-heidelberg.de/artdok/7137/

Zum gelungenen erfolgreichen Abschluss ihrer Promotion beglückwünschen wir Frau Dr. Rieß sehr herzlich!

[Valentina Vlašić]

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Neuerwerbung der 6-teiligen Holzschnitt-Serie „Gelber Enzian“ von Franz Gertsch

Mit essentieller Unterstützung des Ministeriums für Kultur und Wissenschaften des Landes Nordrhein-Westfalen konnte der Freundeskreis Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. im Mai 2021 sechs Holzschnitte von Franz Gertsch (*1930 Mörigen, Schweiz) für die Sammlung des Museum Kurhaus Kleve erwerben, der als wichtigster zeitgenössischer Maler und Druckgraphiker der Schweiz gilt und für seine photorealistischen Naturstudien und Frauenporträts weltweites Renommee genießt. 

Die Werke von Franz Gertsch nehmen einen besonderen Stellenwert in der Sammlung des Museum Kurhaus Kleve ein, das bereits einen überwältigenden Bestand seiner Arbeiten besitzt, wozu u.a. derart ikonische Werke wie „Schwarzwasser II. (Triptychon)“ oder „Silvia II.“ gehören.

Die sechs Neuerwerbungen befanden sich bereits seit 17 Jahren als Dauerleihgaben aus Privatbesitz im Museum Kurhaus Kleve, die in dieser Zeit als geradezu festes Repertoire der Klever Sammlung empfunden und u.a. 2012 im Bestandskatalog „Mein Rasierspiegel“ vorgestellt worden sind. Die sechs Holzschnitte „Gelber Enzian“ wurden von einer Lindenholzplatte auf handgeschöpftem Kumohadamashi-Japanpapier von Ivano Heizaburo handabgezogenen. Sie weisen ein Bildmaß von 690 x 560 mm und ein Blattmaß von 890 x 720 mm auf. Die Fassungen in Sepia, Zinnober und Olivgrün sind in einer Auflage von 14 Exemplaren (zzgl. 5 a.p.) erschienen, die Fassungen in Blau, Türkis und Gelb in einer Auflage von 10 Exemplaren (zzgl. 5 a.p.). 

Dank der Unterstützung des Ministeriums konnte der Freundeskreis der Klever Museen die sechs Werke nun dauerhaft für das Museum Kurhaus Kleve sichern, da die Arbeiten von Gertsch eine identitätsstiftende Verbindung mit dem Klever Ort und der Museumsarchitektur eingehen. Seine Holzschnitte besitzen eine meditative Qualität und strahlen eine Nachdenklichkeit aus, die der von Walter Nikkels geschaffenen und geradezu klösterlich anmutenden Museumsarchitektur kongenial entspricht. Bei der Betrachtung seiner Landschaften aus Gebirgsbächen und riesenhaft vergrößerten Pflanzen wie Pestwurzen oder Enzianen, die wie moderne Repliken auf die Gartenanlagen des Johann Moritz von Nassau Siegen im 17. Jahrhundert vor der Tür des Museums anmuten, scheint die Zeit stillzustehen.

Die Reihe „Gelber Enzian“ ist insofern auch wichtig für die Klever Sammlung, da Gertsch seine Holzschnitte i.d.R. nur in einer einzigen Farbe druckt, so dass jedes Exemplar Unikatcharakter erhält. Im Vergleich mit den weiteren monumentalen Holzschnitten in der Sammlung stellt „Gelber Enzian“ die einzige kleinformatige Reihe dar, die wie für die intimen Kabinette im Klever Museum gemacht ist.

Franz Gertsch selbst erzählt die ungewöhnliche Motivfindung der Serie „Gelber Enzian“ wie folgt:

Die nachfolgenden Zeilen berichten, wie es dazu kam, dass eine Schönheit, die sonst nur auf den Alpen anzutreffen ist, mir in ihrer wunderbaren Nacktheit, einige Schritte vom Haus entfernt, am Waldrand, Modell gestanden ist. Es sind Jahre vergangen, als Maria, meine Frau, und mich ein blauer Septembermorgen von unglaublicher Klarheit verführte, eine Bergwanderung zu unternehmen. Nach steilem Aufstieg gelangten wir auf eine fast ebene Alp. Berauscht von den Düften der Alpenflora, die uns ein säuselnder Talwind um die Nase wehte, verzehrten wir auf einem Felsbrocken unser Picknick. Da vernahmen wir plötzlich, eingebettet ins Rauschen des Windes, ein Stimmchen. Verwundert schauten wir in die Richtung, von wo es zu kommen schien und entdeckten ganz in der Nähe eine gelb blühende Pflanze mit um einen kräftigen, runden Stiel symmetrisch angeordneten, rautenförmigen und fächerartig gefalteten Blättern, von der das leise Flüstern zu kommen schien. Wir traten an sie heran und zuerst ich, dann Maria, hielten unsere Ohren ganz dicht an den oberen Blätterkranz. Und beide vernahmen wir die gleiche Botschaft: ‘Nehmt mich mit!’ Es versteht sich, dass wir total verblüfft waren. Doch als wir endlich wieder zur Besinnung kamen, überlegten wir, was zu tun sei. Bald wurde uns klar, sie konnte nicht meinen, dass wir sie abschneiden und zu Hause in eine Vase stellen sollten, wo sie jämmerlich dahinwelken würde. Nein, sie möchte eine Bleibe in unserem Garten finden. Warum sie von unserem Umschwung wusste und woher überhaupt ihr Wunsch um Versetzung kam, sei dahingestellt. Wie dem auch sei – Maria hatte ein kleines Taschenmesser bei sich und fing nun an, mühsam damit die Wunderpflanze auszugraben. Wie wir sie dann unversehrt noch zu uns nach Hause brachten, habe ich vergessen. Wahr ist, dass meine Frau sie noch am gleichen Abend am Saum unseres Wäldchens einpflanzte. Im folgenden Frühling brachte die Arme nur zwei Blätterstockwerke zustande. Uns wurde bewusst, dass ihr neues Zuhause, im Schatten der Bäume und umringt von wuchernden Pflanzennachbarn, kein idealer Ort ist. Zwar habe ich in den folgenden Jahren dafür gesorgt, dass die umliegenden Farne, Erdbeeren, Ahornstäbe und Schattengräser ihr nicht zu nahe traten, indem ich diese ausriss. Trotzdem blieb ein schlechtes Gewissen, nichts Besseres für sie getan zu haben. Da wollte es der Zufall, dass Freunde, die die gleiche Alpenwanderung unternahmen, wie wir damals, berichteten, man habe die schöne Bergflorawiese mit einer Jauche aus einem Heli berieselt, um sie in eine saftige Weide für Kühe zu verwandeln. Nun wurde uns klar, das Zuflüstern unserer Schönen war ein Notruf. Aber wie war das nur möglich, dass ein Pflanzenwesen zu einer so unglaublichen Vorausahnung fähig war? – Ja und überhaupt, unsere Enzianprinzessin (wie ich sie fortan nannte)! Denn einige Jahre später, an einem Sonntag, als ich den Waldrandpfad entlang schritt, stand sie dunkelgrün und hoch gewachsen vor mir. Und da flüsterte sie zum letzten Mal: ‘Male mich!’ Gemalt habe ich sie nicht, aber ich habe sie vorläufig in einem kleinen Holzschnitt verewigt. So bewahrheitete sich wieder einmal mehr, dass ich meine Modelle direkt vor der Haustür finde.

[Valentina Vlašić]

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Leihgaben aus der Sammlung des Museum Kurhaus Kleve für das Museum Forum Arenacum e.V. in Kleve-Rindern

Das Museum Kurhaus Kleve unterstützt auch immer die lokalen Institutionen vor Ort durch Leihgaben aus seiner Sammlung. So stellt es – nicht, ohne im Vorfeld Rücksprache mit dem Nachlass des Künstlers gehalten und dessen Einverständnis eingeholt zu haben – dem Museum Forum Arenacum e.V. in Kleve-Rindern für dessen Sonderausstellung „Joseph Beuys – Kindheit und Jugend“, die vom 11. Juli bis 26. September 2021 zu sehen sein wird, vier Photographien von Fritz Getlinger zur Verfügung. 

Joseph Beuys’ Leben und Werk sind aufs Engste mit der ihn prägenden Landschaft des Niederrheins verbunden. Hier wuchs er auf, entwickelte ein inniges Verhältnis zur Natur, schuf seine ersten Werke, organisierte Ausstellungen, verarbeitete persönliche Krisen, formte lebenslange Freundschaften. In der Ausstellung im Museum Forum Arenacum e.V. soll gezeigt werden, wie Beuys an seinen beiden Rinderner Wohnadressen am Molkereiweg und der Tiergartenstraße lebte. Anhand seines Jugendzimmers, frühen Werken, Photographien und Interviews mit Zeitzeugen sollen Einblicke in jene privaten Lebensverhältnisse gegeben werden, die Beuys vor seiner Berufung zur Professur für monumentale Kunst in Düsseldorf sein Zuhause nannte.

Die Zeit damals war schwer, sie wirkte unheimlich bedrohlich und bedrückend auf mich als Kind. Ich hatte allerdings eine sehr nachhaltige Beziehung zur niederrheinischen Landschaft und zu Kleve.“ (Joseph Beuys, zitiert nach Auskunft des Museum Forum Arenacum e.V., Kleve-Rindern)

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Besonderes aus der Sammlung: Keramikobjekt des Monats Mai 2021

Die neue Sammlungswebsite des Museum Kurhaus Kleve ist seit kurzem online abrufbar. Aus dem Bereich der Keramik soll in regelmäßigen Abständen ein Objekt vorgestellt werden. Im Monat Mai 2021 steht ein Teller aus der Keramikfabrik Velten von Harkorth im Fokus, eines Unternehmers, der sich in den 1920er Jahren bemühte, junge Talente für seine Produktion zu sichern. So arbeitete bei ihm u.a. Ursula Fesca, die später die Produkte der Steingutfabrik Elsterwerda bestimmte und über mehrere Jahrzehnte die Produktionspalette von Wächtersbach entwickelte.

Der hier vorgestellte Teller stammt jedoch von einer anderen bekannten Keramikerin, Hedwig Bollhagen. An diesem Teller, der noch aus der Zeit stammt, als sie ihre Wanderschaft durch die Keramiklandschaft der bedeutenden Werkstätten in Deutschland (u.a. bei Kalscheuer in Frechen, Karlsruher Majolika und W. Kagel sen. in Garmisch-Partenkirchen) noch gar nicht begonnen hatte. Ihre Ausbildung an der Kunstakademie Kassel und in einer nahegelegenen Töpferei sowie an der Keramischen Fachschule in Höhr hatte sie allerdings schon hinter sich, als sie 1927 von Harkorth als Leiterin der Malabteilung und als Entwerferin eingestellt wurde.

Er enthält schon alles, was sie in den langen Jahren ihrer Tätigkeit in Marwitz auszeichnete: u.a. äußerste Präzision bei der geometrischen Handmalerei auf kleinster Fläche. Die radiale Aufteilung der kleinen Fläche (nur 18 cm Durchmesser) in Achtel ermöglicht es ihr, in den Parallelen zum Innenkreis und zu den Teilungslinien Verdichtungen durch die schwarzen parallelen Linien in fast jedem Segment anders auszuführen.

Das zweite gestalterische Element ist die weinrote Flächigkeit, die je nach Ansatz dominant und zurückhaltend beginnend, als Kontrapunkt zur schwarzen Linienführung eingesetzt wird. Der Gegensatz zwischen den alternierenden weinroten Kleinflächen in der Mitte des Tellers sowie am äußerstem Rand und die zeichenhafte schwarze Stichführung bestimmt das Erscheinungsbild dieses einfachen Tellers. Diese einfache Strukturierung zum einfachen Produkt blieb Zeit ihres Lebens ihr Markenzeichen und macht ihre Arbeiten so unverwechselbar. Grundlage für ihre Dekoration ist eine graue Engobe auf einem dunkelrotem Scherben. Dieses Dekor (F 322) ist ebenso auf der Unterseite verzeichnet wie die blaue Lilie, das Fabrikzeichen und ein blaues HB als ihre Signatur.

Das Dekor ist ein eher seltenes in Vordamm gewesen und wurde auch nicht wie andere an ihrer eigenen Produktionsstätte ein paar Jahre später in Marwitz wieder aufgenommen.

[Werner Steinecke]

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Ausstellung „Joseph Beuys: Sammlungshighlights zum 100. Geburtstag“ im Museum Kurhaus Kleve

Anlässlich des 100. Geburtstages von Joseph Beuys (1921-1986) zeigt das Museum Kurhaus Kleve vom 7. Mai bis zum 5. September 2021 im größten Saal des Hauses, der sogenannten Wandelhalle, eine repräsentative Auswahl seiner Beuys-Sammlungsbestände.

Zu sehen sein werden etwa die monumentale Skulptur der „Badewanne“ (1961/1987), die vierteilige Arbeit „Ohne Titel (Mein Kölner Dom)“, (1980), ein umfangreicher Block an Farblithographien aus den 1970er Jahren sowie die fragile Wandarbeit „Seven Palms“ (1974).

Diese Präsentation versteht sich als Ergänzung zur Sonderausstellung „Intuition! Dimensionen des Frühwerks von Joseph Beuys“, die vom 19. Juni bis zum 3. Oktober 2021 im Museum Kurhaus Kleve, rund um das ehemalige Atelier des Künstlers im Gebäudeteil Friedrich-Wilhelm-Bad“, zu sehen sein wird.

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Keramik aus der Sammlung Werner Steinecke: Exkurs über die Entwicklungsgeschichte einer Gattungsepoche

Im Museum Kurhaus Kleve befindet sich eine beeindruckende Sammlung an deutscher Keramik aus dem ersten Drittel des 20. Jahrhunderts, die in circa vierzig Jahren durch den Sammler Werner Steinecke aus Bedburg-Hau zusammengetragen und dem Museum und seinem Freundeskreis in mehreren Schritten übergeben worden ist. Um die gesamte Sammlung einzusehen, die bereits online abrufbar ist, kann als Suchbefehl eingegeben werden: „Sammlung Werner Steinecke“.

Zeitlich einzuordnen ist die Sammlung zwischen der Zeit des Jugendstils in Deutschland und den 1920er und 1930er Jahren, wobei ein prägender Einfluss des Bauhauses hervorzuheben ist. Die Sammlung an Keramik besitzt mehrere Schwerpunkte: Die Umbruchzeit um 1900 strahlte auf das Kunsthandwerk stark aus. In allen Bereichen wurde eine neue Ästhetik entwickelt. Die Architektur entfernte sich genauso vom historistischen Nachahmen wie die neuen Möbel, aber eben auch gerade die Keramik. Dort kamen die westeuropäischen Neuentwicklungen schnell an und wurden in das Produkt umgesetzt. Die englische „Arts and Craft“-Bewegung stand dafür genauso Pate wie die zahlreichen französischen Keramikateliers. Zum ersten Mal in der Produktion der lebensnotwendigen Gebrauchsgegenstände konnte durch die industrielle Fertigungsweise sowie für den normalen Haushalt z.B. Geschirr erworben werden, das ganz nah an der modernen Kunst war oder oft auch direkt von berühmten Künstler*innen und Entwerfer*innen stammte. 

Um die neuen Impulse aufzunehmen, wurden Fachschulen für Keramik gegründet, wobei sicherlich Landshut, Höhr und Bunzlau als wichtigste zu nennen sind. Dort wurde zum Teil schon vorweggenommen, was später in der Bauhauswerkstatt ebenfalls Programm war: Nämlich die Vereinigung alter und neuer Techniken zur Weiterentwicklung der künstlerischen Keramik, die auch in großen Stückzahlen und erschwinglich für jedermann und -frau fast industriell hergestellt werden sollte. 

Es gab zwei Amplituden dieser Entwicklung: Die erste lag kurz vor dem Ersten Weltkrieg, die durch die gewaltigen Veränderungen in der Produktion des Kannenbäckerlandes impliziert wurde. In dieser Region wurden massenweise die tradierten Produkte in blaugrauer Salzglasur entweder in völlig neuen Formen und mit nie zuvor gesehenem reliefiertem geometrischem Dekor oder in völlig neuer Farbgebung, meistens im Kölner Braunton, hergestellt.

Die zweite Amplitude hatte eine viel breitere Ausdehnung und erfasste in den Jahren um 1930 nahezu die gesamte Keramikproduktion in Deutschland. Schaut man sich die führenden Entwerfer*innen dieser Jahre an, so entdeckt man immer wieder dieselben circa 25 bis 30 Namen. All diese Namen waren um die Jahrhundertwende geboren, fast alle waren auf eine der allerorten aus dem Boden schießenden Kunsthandwerkerschulen ausgebildet, alle waren mehrere Jahre lang auf der Wanderschaft durch die führenden Keramikwerkstätten jener Zeit gewesen.

Viele der Kunsthandwerker*innen empfanden sich als Allround-Künstler*innen, die in verschiedenen Metiers zuhause waren. Peter Behrens, Richard Riemerschmid, Hans Christiansen, Josef Maria Olbrich, M. Läuger u.v.a. waren als Architekten, Möbelentwerfer, Gartengestalter usw. tätig. Ihre Entwürfe revolutionierten die von der klassischen Töpferkunst tradierten Formen, aber auch deren Dekore. Das Hand-Töpfern und auch das industrielle Formgießen wurde nicht noch einmal neu erfunden, sondern man bediente sich der klassischen Verfahren. Schlicker- und Gießbüchsenmalerei, Ritzdekore, das Arbeiten mit Modeln und Schablonen wurde allerdings im Sinne der Moderne eingesetzt. Dazu kam das für die Massenproduktion erfundene Umdruckverfahren, das die Handmalerei ersetzte und somit die Produktionskosten absenkte.

Die frühe Keramik-Industrie orientierte sich natürlich im künstlerischen Bereich an dem im Bürgertum nachgeäfften höfischen Geschmack der Porzellanmanufakturen und fand erst nach 1900 so etwas wie eine eigene Form- und Dekorsprache. Am Augenfälligsten ist dies bei den Erzeugnissen des Westerwälder Steinzeugs, das mit den Entwürfen ab ca. 1900 die bisherige Produktion völlig veränderte. Neben klassischem Grau-Blau gab es das Kölnischbraun. Die Dekore bestanden oft aus keramischen Auflagen aus modernen Modelformen, wie sie z.B. die klassischen hessischen Töpfereien in Marburg oder in der Werraregion schon lange benutzten.

In einigen anderen Töpferzentren entwickelten sich die Glasuren weiter. Man experimentierte mit verschiedenen Metallbeimischungen, und heraus kamen Lüster- und Überlaufglasuren, die nicht weit entfernt von den französischen, belgischen oder englischen Keramiken jener Zeit waren (Bürgeln, Kandern, Altona u.a.).

Natürlich verliefen diese Umstellungen auf die künstlerische Moderne nicht konsequent. Die Arbeiten Max Läugers, sicher einer der einflussreichsten deutschen Keramiker des 20. Jahrhunderts, zeigen einerseits bei seinen Gießbüchsendekoren ein handwerkliches Traditionsbewusstsein, andererseits bei den plastischen Arbeiten eine konsequent moderne Auffassung. Die Farbigkeit seiner Arbeiten bewegt sich bei seiner Gefäßkeramik bei braun-rotem Scherben, mit vielfarbiger Schlickermalerei, während bei den Plastiken durchscheinende Glasuren bevorzugt werden. Er selbst gehört zu den Keramikern, die ein großes Interesse daran hatten, das Niveau der Töpferkunst zu heben. Am Ende seines Lebens gab er noch ein Werk heraus, das von seinem konservativen ideologischen Gehalt nahe am Denken von Paul von Schultze-Naumburg war. Er versuchte sich noch einmal konsequent als Volkserzieher mit dem Aufzeigen von guter und schlechter Form. Und scheiterte damit genauso wie später Hedwig Bollhagen, die „ihre Malermädchen“ zu deren Hochzeit mit einem Service zu beschenken pflegte. Zu ihrem Kummer suchten sich diese nämlich nie etwas Modernes, sondern immer etwas mit Blümchendekor aus.

Es gab Versuche auf mehreren Ebenen, die Keramikproduktion zu modernisieren. Den Einfluss der Fachschulen vermag man nicht so recht einzuschätzen, vor allem weil die große Mobilität der Absolvent*innen nur schwer aufzuarbeiten ist. Einige der Absolvent*innen wie Erich Krause und Wolfgang Kreidl (Bunzlau) oder Hedwig Bolhagen (Höhr-Grenzhausen) sind später eindeutig mit ihren Arbeiten nachzuweisen. Für die meisten gilt das nicht.

Die Gründung des Deutschen Werkbundes war einer der Versuche, durch einen Zusammenschluss der Produzent*innen und Entwerfer*innen, oft mit einem eigenen Vertriebssystem (Dürerhaus), das Niveau in allen Bereichen des Kunsthandwerkes zu steigern. Der Werkbund ist als Vorläufer für die Bauhausgründung anzusehen. Bei der Münchner Gründung des Deutschen Werkbundes waren die illustren Namen des frühen deutschen Industriedesigns dabei, die auch in der Keramik eine Rolle spielten, wie Richard Riemerschmid, Josef Maria Olbrich, Max Läuger u.v.a. Es gab noch andere Versuche, die Qualität der Keramik zu sichern. Der „Nürnberger Bund“ war eine Art Einkaufs- und Vertriebsgenossenschaft der Glas- und Keramikfachhändler*innen, die ein hohes Niveau gegenüber der Konkurrenz der Kaufhäuser wahren wollten. In der Sammlung gibt es etliche Stücke, die zusätzlich mit den Stempeln von Werkbund Dürerhaus und Nürnberger Bund versehen sind.

Das in Weimar gegründete Bauhaus mit seiner Rückbesinnung auf die Ideale der mittelalterlichen Bauhütte hatte auch in seinem keramischen Zweig das Hauptziel, das Niveau des Handwerks zu heben. Die Keramische Werkstatt, die nach einigem Hin und Her schließlich auf der Dornburg landete, produzierte einfache strenge Formen. Die beim Bauhaus Tätigen sind hier mit Arbeiten vertreten, die vor allem von ihren nachfolgenden Arbeitsstätten stammen: Fritz Wildenhain, Marguerite Friedlaender-Wildenhain, Johannes Leßmann.

Eine der Werkstätten, die sich um eine neue Form- und Dekorsprache schon vor dem Ersten Weltkrieg bemühte, war Vordamm. Aber es gab noch andere, die frischen Wind in die Produktion brachten: kleinere Werkstätten wie Schatz, Rüppurr u.v.a. Der eigentliche Höhepunkt der künstlerischen „Massenproduktion“ ist sicher in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre zu finden. Die beiden Werke in Velten und Vordamm mit ihren unterschiedlichen Produktlinien und großartigen Künstler*innen wie Theodor Bogler, Hedwig Bollhagen, Werner Gothein, Wolfgang Kreidl, Ursula Fesca und Werner Burri zeigen dort ihre Stärken. Eine erst in den letzten Jahren stärker beachtete Firma ist Hael in Marwitz, die Vorgängerfirma der HB-Werkstätten von Hedwig Bollhagen. Die Entwürfe der später aus Deutschland emigrierten Margarete Heymann-Loebenstein wirken immer noch wie Fanfaren zwischen den Massen des Steinguts. Es hat ihren Arbeiten sicher nicht geschadet, dass das Bauhaus sie nach den ersten Proben als Lehrling nicht behielt. Nach der erzwungenen „Arisierung“ ihrer Firma konnte sie ihre Karriere in Großbritannien nicht im gleichen Metier verfolgen.

Eva Stricker-Zeisel, die 2011 im Alter von 105 Jahren starb, ist eine weitere herausragende Keramikgestalterin um 1930. Ihre Arbeiten für Carstens Hirschau und Schramberg gehören zu den besten für die Zeit um 1930. In den USA ist sie mit ihren amerikanischen Entwürfen eine Stilikone, die in allen entsprechenden Museen zu finden ist.

Die exaltierte Formensprache der westeuropäischen Keramik jener Zeit gab es in Deutschland eher selten. Man kann sie bei den Spritzdekoren wiederfinden, die, offensichtlich inspiriert durch das russische Revolutionsporzellan, Ende der 1920er Jahre eine relative kurze Blütezeit hatten. Unter dem Aspekt der individuellen künstlerischen Gestaltung war dies sicher auch ein Endpunkt.

Artur Hennig, der Leiter der Bunzlauer Fachschule und selbst Entwerfer für etliche deutsche Porzellan- und Keramikfirmen, äußert sich als begeisterter Verfechter der industriellen Produktionsweise von Keramik: „An sich schon lange im Gebrauch, ist die Anwendung der Spritzapparate doch als eine moderne Errungenschaft zu bezeichnen. Nicht nur deshalb, weil dieses Verfahren immer mehr in Aufnahme kommt aus Gründen rationellen Arbeitens, sondern noch aus einem anderen Grunde darf die Technik des Aufspritzens der Farben im Gegensatz zu dem Pinselauftrag modern und zeitgemäß genannt werden. Der Pinselauftrag hat immer etwas von persönlicher Handschrift, die ja oft schlecht sein kann, während beim Spritzen dieses Moment ausscheidet und so die Dekoration die Klarheit der Maschinenschrift erhält. Wie wir uns gewöhnt haben, bei der Maschinenschrift unser Interesse mehr der Sprache, die behandelt wird, zuzuwenden, so ist es ähnlich bei Spritzdekoren. Es kommt mehr auf die gut organisierte Vorarbeit in Entwurf und Schablone an als auf die Zufälligkeiten, die aus dem Charakter des Arbeiters entspringen. Ob man dies begrüßt oder bedauert, ist eine Frage für sich. Auf jeden Fall liegt es in der notwendigen Entwicklung, dass mit der Technisierung das persönlich Betonte durch Sachlichkeit verdrängt wird.“

Die Keramiker*innen fanden trotzdem (oder gerade deshalb?) den Weg zu ihrem individuellen Ausdruck.

Die Kombination von Mal- und Spritzdekor war das Kennzeichen vor allem bei den Produkten der Carstens Werke in Rheinsberg und Uffrecht, aber auch in Elsterwerda und Schramberg. Sie liefern dafür hervorragende Beispiele. Auf den großflächigen Tortenplatten findet man die phantasievollsten Spritzdekore dieser Zeit. Tilmann Buddensieg, der erste Kunsthistoriker, der sich in den späten 1970er Jahren damit befasste, ging noch davon aus, dass 1933 mit diesem „kommunistischen“ Geschirr Schluss gewesen und es massenweise zerschlagen worden sei. Tatsächlich verlief die Gleichschaltung hier langsamer. Im NS-Staat war das Autarkiebesterben ein wichtiger Punkt. Doch der Einfluss aufs Design erfolgte (noch) nicht.

Die Messeanzeigen für Leipzig zeigen noch Spritzdekore bis 1935. Der Einfluss der Formensprache des Bauhauses verschwand nie ganz. Insbesondere bei Hermann Gretsch und seinen Entwürfen für Villeroy & Boch und Arzberg kann man dies aufzeigen. Im Katalog wird dieser Aspekt zusätzlich dokumentiert mit den Arbeiten von Hedwig Bollhagen, Richard Uhlemeyer und Jan Bontjes van Beek.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden zwar viele Formen und Dekore der frühen 1930er Jahre wieder aufgenommen, doch die neuen organischen Formen und Abstraktionen begrenzten den Erfolg. Es gab zaghafte „Wiedergutmachungsversuche“, indem vor allem die KPM Berlin und die Rosenthal AG emigrierte Vorkriegsdesigner*innen wie Trude Petri, Walter Gropius, Marguerite Friedlaender-Wildenhain u.a. mit Aufträgen betraut wurden. Theodor Bogler ließ nach dem Krieg als Prior der Abtei Maria Laach weiter produzieren.

Doch die Zäsur war erfolgt und auch nicht mehr rückgängig zu machen. Zwei Entwerferinnen lieferten ihre Entwürfe über diesen Einschnitt hinweg. Ursula Fesca für Wächtersbach und Hedwig Bollhagen für ihren Betrieb in Marwitz. Unter sehr unterschiedlichen gesellschaftlichen Bedingungen näherten sich die Formen- und Dekorsprache in der Keramik in Ost und West einander durchaus an, was man mit dem zeitlich größer werdenden Abstand zur Nachkriegszeit, umso deutlicher erkennt.

Der innere Zusammenhang der Keramik in dieser Sammlung erschloss sich z.T. erst später, als sich allmählich Qualitätsmerkmale herauskristallisierten und der Blick sich weitete, als er hinausging über die anfängliche Begeisterung für bestimmte Firmen. Die ungeheure Vielfalt und die Entwicklungsschübe für die deutsche Keramik sind natürlich auch abhängig von und verbunden mit der zeitgenössischen bildenden Kunst.

[Werner Steinecke]

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Leihgaben für die Ausstellung „Mataré – BEUYS – Immendorff. Begegnung der Werke von Lehrer und Schüler“ in der Akademie-Galerie

Das Museum Kurhaus Kleve hat zahlreiche Werke aus seiner Ewald Mataré-Sammlung für die Sonderausstellung „Mataré – BEUYS – Immendorff. Begegnung der Werke von Lehrer und Schüler“ (27. März – 20. Juni 2021) in der „Akademie-Galerie – Die Neue Sammlung“, einer Einrichtung der Kunstakademie Düsseldorf, zur Verfügung gestellt, die aus Anlass von Beuys’ 100. Geburtstag im Mai 2021 stattfindet.

Seit dem Frühjahr 1947 war Joseph Beuys (1921–1986) Schüler und seit 1951 Meisterschüler von Ewald Mataré (1887–1965) an der Kunstakademie Düsseldorf. Beuys’ arbeiten aus diesen Jahren belegen, dass er sich umfassend und produktiv mit der Ästhetik seines Lehrers auseinandersetzte, insbesondere mit Fragen der Religion, Mythologie und Anthroposophie. Nicht nur mit seinen Aktionen, sondern auch in seiner Lehre löste Beuys sich später von einem traditionellen Kunstbegriff und künstlerisch-didaktischen Konzeptionen.

Die Ausstellung präsentiert und analysiert anhand von frühen Zeichnungen, Plastiken und Holzschnitten Nähe und Distanz der künstlerischen Wurzeln von Mataré und Beuys. Die Begegnung der Werke von Lehrer und Schüler lassen zahlreiche ästhetische Gemeinsamkeiten und bemerkenswerte Parallelen im spirituellen beider Künstler erkennen. Zudem zeigt ein Raum Werke von Jörg Immendorff. Diese Arbeiten des „Beuys-Ritters“ und späteren Professors an der Kunstakademie sind wiederum Reflexionen über den Lehrer Beuys und dessen charismatische Künstlerpersönlichkeit. 

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Ankauf einer 8-teiligen Werkgruppe der deutsch-amerikanischen Photographin Evelyn Hofer (1922–2009)

Mithilfe der Unterstützung des Ministeriums für Kultur und Wissenschaften des Landes Nordrhein-Westfalen konnten das Museum Kurhaus Kleve und sein Freundeskreis Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. Ende 2020 eine achtteilige Werkgruppe der deutsch-amerikanischen Photographin Evelyn Hofer (1922–2009) erwerben, deren Arbeiten zuvor, vom 24. Februar bis 23. Juni 2019, in einer umfassenden Werkschau im Museum Kurhaus Kleve zu sehen waren.

Evelyn Hofer zählt zu den wichtigsten weiblichen Positionen der jüngeren Photographie-Geschichte und besticht bis heute durch Intensität und Klarheit der Formauffassung. Über einen Zeitraum von nahezu 50 Jahren hat diese „berühmteste unbekannte Photographin Amerikas“ (New York Times) im Sinne von visuell-soziologischen Recherchen ihr jeweiliges Gegenüber porträtiert. Das gilt für die Stadtansichten von New York, Washington oder Dublin ebenso wie für eine Vielzahl einfühlsamer Künstlerporträts und farblich subtiler Interieurs bis hin zu den singulären Stillleben ihres Spätwerks. Nicht das Zufällige und Schnappschussartige war für Evelyn Hofer interessant, sondern die Essenz der Dinge und Personen. 

Die acht späten Stillleben von Evelyn Hofer, die für die Sammlung des Museum Kurhaus Kleve erworben werden konnten, sind im Sinne eines Vermächtnisses ihres lebenslangen Strebens nach formaler Präzision und kompositorischer Klarheit anzusehen. Bezugnehmend auf die spanische Stilllebenmalerei des 17. Jahrhunderts und gleichzeitig in souveräner Kenntnis der medialen Möglichkeiten gegen Ende des 20. Jahrhunderts gelingt ihr in dieser einzigartigen Serie ein Heraustreten aus dem Fluss der Zeit jenseits irdischer Vergänglichkeit.

Die farbintensiven Stillleben gehören zur jüngsten Serie Evelyn Hofers, die Mitte der 1990er Jahre in ihrem New Yorker Studio entstanden sind. Auf den ersten Blick wirken sie wie alte Gemälde aus dem 17. Jahrhundert. In wunderbarer Plastizität und Realitätsnähe erscheinen die Gegenstände, Pflanzen und Früchte in satten Farben und beeindruckender Detailtreue vor einem samtig dunklen Hinter­grund. Die Kompositionen sind kunstvoll ausgeleuchtet, die Textur der Objekte hat die gleiche taktile Qualität wie die Ölfarben der Alten Meister, obgleich es sich hier um rein photographische Bilder handelt. Neben der von Evelyn Hofer aufgewendeten Zeit und Geduld ist diese Wirkung auch auf die Verwendung einer photographischen Linse aus der Zeit um 1900 sowie die Dye Transfer Technik zurückzuführen. 

Das Dye Transfer-Edeldruckverfahren ist eine Technik zur Herstellung von Farbbildern vom Diapositiv- oder Farbnegativfilm. Es werden schwarzweiße Farbauszugsnegative unter Ver­wendung von Farbfiltern in Rot, Grün und Blau hergestellt. Davon produziert man Übertragungs­matrizen in Größe des Farbabzugs, die anschließend in Farbstoff (= dye)-Lösungen (Cyan, Magenta, Yellow) eingefärbt werden. Mithilfe der Matrizen kann man nun die Farben nachein­ander auf ein mit Gelatine beschichtetes Barytpapier paßgenau übertragen. Im Verlauf dieses Prozesses diffundiert die Farbe mit dem Papier. Dye Transfer-Abzüge bestechen durch nuancenreiche Farben, hohe Tiefe, lange Haltbarkeit und körnungslose Bildoberfläche. Der dazu benötigte Pan Matrix Film wurde 1947 von Kodak entwickelt und nur bis 1994 hergestellt. Seither wird mit Restbeständen gearbeitet. 

Das Museum Kurhaus Kleve ist das erste und einzige Museum bundesweit, dass diese Serie vollständig für seine Sammlung erwerben und damit dem Schwerpunkt zeitgenössischer Photographie (u.a. mit Arbeiten von Candida Höfer, Thomas Ruff, Thomas Struth, Andreas Gursky, Wolfgang Tillmans) ein klassisches Segment hinzufügen konnte.

[Harald Kunde]

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Wissenschaftliche Forschungsvolontärin des Landes Nordrhein-Westfalen 2020-2022 für die Sammlung: Julia Moebus-Puck

Das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen lotete 2019 das Programm „Forschungsvolontariat Kunstmuseen NRW“ aus, mit dem es die kunsthistorische Arbeit an Museen in NRW gezielt mit den Kernaufgaben von Sammeln und Forschen unterstützen möchte. Mit dem Programm sollen die Aufarbeitung von Ausstellungs- und Sammlungsgeschichten unterstützt und eine junge Generation von Nachwuchswissenschaftler*innen in die Museen eingebunden werden.

Das Museum Kurhaus Kleve bewarb sich an der Ausschreibung mit dem umfangreichen Archiv zur künstlerischen Arbeit des Land Art-Künstlers Richard Long, das es im April 2019 geerbt hat und das im Zuge des Volontariats aufgearbeitet und durch eine Ausstellung, eine Publikation und die neue Sammlungswebsite zugänglich gemacht werden soll. Die Ausschreibung gelang auf Anhieb, wodurch eine neue Personalstelle für zwei Jahre geschaffen werden konnte, die zu 90 Prozent vom Land und zu 10 Prozent von der Stadt Kleve finanziert wird.

Das Archiv umfasst die Jahre 1970 bis 2018 und wurde von dem niederländischen Richard Long-Spezialisten Gerard Vermeulen (1946–2019) in intensiver Zusammenarbeit mit dem Künstler aufgebaut. Durch seine persönliche Freundschaft zu Richard Long und durch seine Leidenschaft für dessen künstlerisches Werk, das er über zweieinhalb Jahrzehnte persönlich begleitet hat, gelang es Vermeulen ein einzigartiges Archiv über das Œuvre von Richard Long aufzubauen.

Richard Long (*1945 in Bristol/England) gehört heute zu einem der wichtigsten internationalen Künstler von Weltrang, der zahlreiche internationale Auszeichnungen erhalten hat, unter denen der „Turner Preis“ 1989 und der „Praemium Imperiale“ 2009 herausragen. Richard Long ist in besonderer Art und Weise mit NRW verbunden. Seine erste Galerieausstellung hatte er 1968 mit dreiundzwanzig Jahren in Düsseldorf, in der damals gerade eröffneten und heute legendären Galerie von Konrad Fischer (1939–1996), wo er „Sculpture for Konrad Fischer“ aus tausenden aneinander gereihten Weidenstöckchen schuf, eine ikonische Arbeit, die sich heute als Teil der „Sammlung Dorothee und Konrad Fischer“ im Besitz der Kunstsammlung NRW, Düsseldorf befindet. Wenig später hatte Richard Long im Museum Haus Lange in Krefeld seine erste museale Einzelausstellung, bei der er im Garten durch beständiges Auf- und Ablaufen eine Linie im Rasen schuf, die den Titel „Walking the Line“ erhielt. Dieses „Sich-bewegen“ in Raum und Zeit soll für Jahrzehnte sein künstlerisches Schaffen prägen und ihn zu einem führenden internationalen Künstler machen, dessen Werk weltweit geschätzt, gezeigt und gesammelt wird.

Seit seiner Eröffnung 1997 hat das Museum Kurhaus Kleve eine besondere Beziehung zu dem Künstler entwickelt: 1999/2000 wurde „Being in the Moment – A Portfolio of Four Prints“ im Museum Kurhaus Kleve präsentiert, woraufhin 2001 eine große Einzelausstellung folgte, die das gesamte Erdgeschoss in Anspruch nahm. 2010 war Richard Long wesentlicher Bestandteil der Ausstellung „Von Carl Andre bis Gregor Schneider. Dorothee und Konrad Fischer: Archiv einer Haltung“. Als letzte Präsentation folgte schließlich 2013 eine Ausstellung mit dem Titel „Richard Long – Prints 1970-2013“.

Aufbauend auf dieser intensiven Zusammenarbeit hat Gerard Vermeulen testamentarisch verfügt, dass sein Archiv nach seinem Tod in das Museum Kurhaus Kleve kommt. Es enthält zahlreiche Korrespondenzen mit dem Künstler, Literatur und Dokumente zu seinem Werk und zu all seinen unzähligen Ausstellungen auf der ganzen Welt, Dokumentationen all seiner Wanderungen, die das Wesen seines Werkes auszeichnen uvm. Dies ist umso wichtiger, weil die Arbeiten, die Richard Long oft an entlegensten Stellen geschaffen hat und die er dort den Kräften der Natur ausgesetzt zurückgelassen hat, heute nicht mehr existieren.

In Julia Moebus-Puck (*1985) hat das Museum eine ideale Kandidatin für diese Arbeit gefunden, die über ihre eigene künstlerische Tätigkeit als Photographin zur Kunstgeschichte gekommen ist. Ihre Masterarbeit hat sie über Hermann Nitsch geschrieben, wofür sie 2017 nach Österreich gezogen ist. Dort kuratierte sie u.a. auch Ausstellungen für ihn und partizipierte als Akteurin an seinen Aktionen. Für ihre Promotion an der Universität Bonn kehrte sie 2019 wieder ins Rheinland zurück. Julia Moebus-Puck ist exzellent vernetzt. Sie arbeitete als Kunstvermittlerin an der Albertina in Wien, am Max-Ernst-Museum in Brühl oder am Arp Museum Rolandseck. Sie kuratierte zahlreiche Ausstellungen, gründete eine Kreativagentur, die eng mit weiteren Galerien zusammenarbeitet, und stellt Interviews mit Künstler*innen, die sie regelmäßig führt, auf ihre Research Plattform „studiosuperpopp“. Sie wird die Arbeit im Museum Kurhaus Kleve in den Jahren 2020-2022 essentiell bereichern.

[Valentina Vlašić]

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Neuer Auswahlkatalog der zeitgenössischen Photographie aus der Sammlung des Museum Kurhaus Kleve in Kooperation mit der Sammlung Viehof

Katalog “Freischwimmer: Fotografie der Sammlung Viehof & des Museum Kurhaus Kleve: 172 Seiten im Format 24 x 17 cm, Softcover mit PVC-Umschlag, ca. 122 Abbildungen in Farbe und in Schwarzweiß, Schriftenreihe Museum Kurhaus Kleve – Ewald Mataré-Sammlung Nr. 80, Erscheinungsjahr 2020, ISBN 978-3-934935-90-7, Deutsch / Englisch, Preis: 19,50 € (17,55 € für Mitglieder des Freundeskreises)

Hrsg. v. Freundeskreis Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. aus Anlass der gleichnamigen Ausstellung im Museum Kurhaus Kleve – Ewald Mataré-Sammlung (02.10.2020 – 21.02.2021).

Der Katalog enthält ein Geleit von Eugen Viehof, ein Vorwort von Harald Kunde, zehn Werkbeschreibungen von Annika Forjahn und Valentina Vlašić sowie ein Interview zwischen Eugen Viehof und Harald Kunde.

In diesem Katalog vereint das Museum Kurhaus Kleve eine breite Auswahl seiner Bestände zeitgenössischer Fotografie erstmals überhaupt mit denen einer anderen angesehenen Kollektion, der Sammlung Viehof aus Mönchengladbach.

Seit 2015 unter diesem Namen firmierend, machte sich die Sammlung Viehof gerade in jüngster Zeit einen Namen, indem sie 2016–2017 mehr als die Hälfte ihrer eindrucksvollen Bestände zeitgenössischer Kunst in den Deichtorhallen Hamburg und 2018 ausgewählte künstlerische Positionen in der Langen Foundation in Neuss präsentierte. Sich bewusst gegen ein eigenes Ausstellungshaus aussprechend, begeht die Sammlung Viehof mit dem Museum Kurhaus Kleve 2020 ihre nunmehr dritte Ausstellungskooperation mit ausgewählten deutschen Museen.

Der Katalog zur Ausstellung Freischwimmer, die nach einem Werk von Wolfgang Tillmans benannt ist, umfasst ca. 130 Werke von rund 30 internationalen Künstler*innen, die sinnreiche Parallelen und kontrastreiche Gegensätze aufweisen. Aus zwei separaten Beständen erwächst ein fein ineinandergreifendes Ausstellungsgeflecht, das Besucher*innen einen eindrucksvollen Einblick in zeitgenössische Fotografie liefert. Werke folgender Künstler*innen sind im Katalog vertreten: Lothar Baumgarten, Laurenz Berges, Tacita Dean, Thomas Demand, Hans-Peter Feldmann, Fischli/Weiss, Ori Gersht, Dan Graham, Andreas Gursky, Matthias Hoch, Evelyn Hofer, Candida Höfer, Axel Hütte, Jochen Lempert, Zoe Leonard, Sharon Lockhart, Josephine Meckseper, Boris Mikhailov, Peter Piller, Tata Ronkholz, Thomas Ruff, Jörg Sasse, Cindy Sherman, Katharina Sieverding, Beat Streuli, Thomas Struth, Wolfgang Tilmans, Jeff Wall, Christopher Wool und David Zink Yi.

Ihre Werke werden in folgende Kapitel aufgeteilt und entsprechend beschrieben: I. Natur und Stillleben, II. Gesellschaft und Haltung, III. Raum und Konstruktion, IV. Zufall und Absicht, V. Vertraut und Fremd, VI. Natur und Fiktion, VII. Urbanität und Instabilität, VIII. Porträt und Serie, IX. Dinge und Ordnung, X. Illusion und Wirklichkeit.

[Valentina Vlašić]

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Leihgaben für die Ausstellung „Arnt der Bilderschneider – Meister der beseelten Skulpturen“ im Museum Schnütgen, Köln

Die mittelalterlichen Skulpturen des „Himmelfahrtschristus“ sowie der „Heiligen Luzia“ von Meister Arnt von Kalkar und Zwolle waren über den Sommer 2020 in der viel beachteten Ausstellung „Arnt der Bilderschneider – Meister der beseelten Skulpturen“ (25.06. – 20.09.2020) im Museum Schnütgen in Köln zu sehen. Erstmals überhaupt fand eine monographische Ausstellung zum Werk des spätgotischen Holzschnitzers und Begründers einer reichen Bildschnitzerschule am Niederrhein statt, für die rund 60 Objekte aus ganz Europa zusammengetragen werden konnten. Von der Presse hoch gelobt („lange überfälliger großer Auftritt“, Kölner Stadtanzeiger, 25. Juni 2020), wurde für die Ausstellung vom Klever Alt-Direktor Guido de Werd, der sie u.a. zusammen mit dem Direktor des Museum Schnütgen, Moritz Woelk, kuratierte, erstmals überhaupt ein Werkverzeichnis konzipiert. 

Wer war Meister Arnt von Kalkar und Zwolle?
Die erste monographische Ausstellung zu dem Begründer einer reichen Bildschnitzerschule am Niederrhein nahm Besucher*innen mit in die Zeit des ausgehenden Mittelalters. Gezeigt wurden etwa 60 Werke des zwischen circa 1460 und 1491 tätigen Künstlers. Das spätgotische Œuvre Meister Arnts besticht durch außerordentliche Lebendigkeit, Themenreichtum und Erzählfreude.

Anlass der Ausstellung ist eine Neuentdeckung
Anfang 2019 ist es dem Museum Schnütgen gelungen, drei bislang verschollene Fragmente zu erwerben, mit denen ein bereits in der Museumssammlung befindliches Hauptwerk von Meister Arnt, die Altartafel mit der Anbetung der Heiligen Drei Könige, vervollständigt und erstmals in dieser Form gezeigt werden kann. Ein weiteres bedeutendes Werk des Bildschnitzers stammt aus der Kalkarer Nicolaikirche. Der im geöffneten Zustand etwa fünf Meter breite Georgsaltar wurde in dieser Ausstellung zum ersten Mal außerhalb des Kirchenraumes präsentiert. Zusätzliche hochkarätige Leihgaben – um nur einige internationale Leihgeber zu nennen – stammen aus dem Rijksmuseum in Amsterdam, dem Musée de Cluny in Paris und dem Musée Art & Histoire in Brüssel sowie aus zahlreichen Kirchen am Niederrhein.

Niederrhein und Niederlande
Meister Arnt steht für die Verbindung künstlerischer Impulse des Niederrheins mit denen der angrenzenden Niederlande: Von etwa 1460-1484 war er am unteren Niederrhein in Kalkar tätig und von etwa 1484-1491 in Zwolle, der heutigen Hauptstadt der niederländischen Provinz Overijssel. Seine Werkstatt belieferte zahlreiche Orte im Umland des IJsselmeeres und der Region um Kleve.
Zu dem erhaltenen Werk Meister Arnts zählen neben Altarretabeln mit figurenreichen erzählerischen Reliefdarstellungen, Statuen von Heiligen sowie markante Einzelfiguren von Christus, Engeln und der Muttergottes mit Kind. Trotz der Produktivität seiner Werkstatt ist Meister Arnt einer breiteren Öffentlichkeit bis heute weitgehend unbekannt – das Museum Schnütgen führte eigens für diese Ausstellung einen erheblichen Teil seines Œuvres zusammen und bot die Chance einer (Neu-) Entdeckung des „Bilderschneiders“.

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Zwei Neuerwerbungen für die spätmittelalterliche Sammlung des Museum Kurhaus Kleve: „Heilige Luzia“ und „Heiliger Cosmas“

Das Museum Kurhaus Kleve und sein Freundeskreis Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. konnten durch die großzügige Unterstützung der Ernst von Siemens-Kunststiftung und der Rudolf-August Oetker-Stiftung für Kunst, Kultur, Wissenschaft und Denkmalpflege zwei niederrheinische Skulpturen des späten Mittelalters erwerben, die die vorhandene Sammlung mittelalterlicher Plastik vom Niederrhein substantiell ergänzen und abrunden: eine „Heilige Luzia“ und einen „Heiligen Cosmas“.

1997, im Jahr der Eröffnung des Museum Kurhaus Kleve, erwarb die Kunststiftung NRW dreizehn Skulpturen aus der bedeutendsten Sammlung mittelalterlichen Plastik des Niederrheins, die der Benrather Arzt Dr. Adolf Helfer in den 1930er und 1940er Jahren des vorigen Jahrhunderts zusammengetragen hat, für das Klever Museum. Zur Sammlung zählen u.a. der berühmte „Himmelfahrtschristus“, der vermutlich aus dem Xantener Dom stammt und 1477 von Meister Arnt Beeldesnider in Kalkar geschaffen worden ist, und eine „Heilige Katharina“ des Bildhauers Kerstken Woyers. Die letztgenannte Figur ist durch die Entdeckung eines Zettels im Inneren, auf dem die Entstehungsgeschichte der Skulptur und deren Fassung beschrieben wird, von einzigartiger Bedeutung für unsere Kenntnis der mittelalterlichen Plastik in Deutschland. In den beiden darauffolgenden Jahrzehnten konnte die Sammlung, substantiell gefördert von der Kulturstiftung der Länder, der Ernst von Siemens Kunststiftung, der Kunststiftung NRW und einer inzwischen verstorbenen, auf die Kunst des späten Mittelalters spezialisierten Mäzenin, durch hochrangige Werke von Henrik Douverman, Arnt van Tricht und Dries Holthuys essentiell erweitert und damit lebendig gehalten werden.

Bei dem Erwerb der Skulpturen aus der Sammlung Helfer 1997 wurden vier Skulpturen ausgeklammert: zwei weibliche und zwei männliche Heilige, zwei Figuren der „Heiligen Luzia“, eines „Heiligen Ritters“ sowie eines „Heiligen Cosmas“, die der Sammler seinen Kindern, Zwillingen, zur Kommunion geschenkt hat und die im künstlerischen Rang vergleichbar bedeutend sind. Das Museum Schnütgen in Köln erwarb 2016 von einem dieser beiden Kinder die Skulptur einer „Heiligen Luzia“ des Meisters Arnt sowie einen „Heiligen Ritter“.

Aus dem Besitz der Nachfahren konnten sich das Museum Kurhaus Kleve und sein Freundeskreis nunmehr um die Erwerbung der beiden verbliebenen Plastiken bemühen, der zweiten „Heiligen Luzia“ des Meisters Arnt und einer noch nicht näher eingeordneten niederrheinischen Skulptur des „Heiligen Cosmas“. Die Erwerbung glückte schließlich durch die Unterstützung der beiden Stiftungen: Die Ernst von Siemens-Kunststiftung erwarb die Skulptur der „Heiligen Luzia“, die sie dem Freundeskreis der Klever Museen fortan in Form einer Leihgabe zur Verfügung stellt, die Rudolf-August Oetker-Stiftung unterstützte die Erwerbung der Skulptur des „Heiligen Cosmas“ für den Freundeskreis. Beide Werke weisen eine hervorragende Provenienz auf und stammen, wie die meisten Werke der Sammlung Helfer, aus dem Nachlass des bedeutendsten neugotischen Bildschnitzers am Niederrhein, Ferdinand Langenberg, der u.a. für die Restaurierung der Kalkarer Altäre verantwortlich war.

Werke von Meister Arnt sind auf dem freien Markt nicht mehr zu erwerben, weshalb die Erwerbung besonders der „Heiligen Luzia“ für das Klever Museum einen wahren Glücksfall darstellt. Meister Arnt ist eng mit der Geschichte des Niederrheins verbunden, er ist der Entwerfer des berühmten Kalkarer Hochaltares, den er bei seinem unerwarteten Tod Weihnachten 1492 unvollendet zurückgelassen hat, sowie der Schöpfer des Georgsaltares in Kalkar, und des Dreikönigenreliefs im Museum Schnütgen, dessen Ergänzung dort den Anlass für eine hochbedeutende monographische Ausstellung 2020 bildet. Meister Arnt, der 1484 von Kalkar nach Zwolle umgesiedelt ist, hat eine große Werkstatt geleitet, in dem Skulpturen nach seinen Modellen auch von Schülern ausgeführt wurden. Die Bildwerke aus seiner Werkstatt befinden sich in den Kirchen an Rhein und Maas, an beiden Seiten der heutigen deutsch-niederländischen Grenze.

Bei der „Heiligen Luzia“, Eichenholz, Höhe 74 cm, handelt es sich um ein eigenhändiges sensibles Werk, das von großer Eleganz geprägt ist. Die Heilige ist in ein elegantes, relativ enges Gewand und in einen über die Schulter geschlagenen Mantel gekleidet, der vor der Brust mit Kordeln zusammengehalten wird. Der linke Arm löst sich vom Körper. In der rechten Hand mit gespreizten Fingern hält die „Heilige Luzia“ ein aufgeschlagenes Gebetsbuch, in dem sie voller Konzentration liest. Ihr Gesichtsausdruck ist von zarter Anmut gekennzeichnet. Die Figur ist in die Nähe des 1474 entstandenen Klever Chorgestühls in der ehemaligen Minoritenkirche in Kleve einzuordnen, welches einen Höhepunkt der niederrheinischen Plastik markiert. In dem Aufbau der Figur und dem Gesichtsausdruck der Heiligen ist eine Nähe zur Malerei des Kölner Meisters des Bartholomäus-Altars nachweisbar. Die Beziehungen zwischen Meister Arnt und dem Meister des Bartholomäus-Altares wurden im Jahr 2000 in der Kölner Ausstellung „Genie ohne Namen“ nachgewiesen. Bei der „Heiligen Luzia“ handelt es sich um ein singuläres Werk von höchster Qualität.

Der „Heilige Cosmas“ ist von bisher unbekannter Hand um 1500 entstanden und aus Eichenholz geschnitzt, 81 cm hoch. Beim „Heiligen Cosmas“ handelt es sich um eine hochqualitative spätmittelalterliche Skulptur eines am Niederrhein nur selten dargestellten Heiligen. Es zeigt den gelehrten Arzt in eine höfische Tracht gehüllt, über die er einen Mantel geschlagen hat. In der linken Hand hält er ein Buch, in der rechten das Attribut einer Urinflasche. Er trägt einen imposanten Doktorhut. Die sich in einem sehr guten Erhaltungszustand befindliche Figur ist in einer der bedeutenden niederrheinischen Bildhauerwerkstätten des Niederrheins entstanden. Bis heute ist es nicht gelungen, die Skulptur näher einzuordnen, wobei jedoch angemerkt werden muss, dass die Skulptur seit ihrer Präsentation in einer großen kunsthistorischen Ausstellung in Düsseldorf im Jahr 1902 nie wieder öffentlich gezeigt worden ist.

Der Erwerbung der „Heiligen Luzia“ bedeutet für das Museum Kurhaus Kleve die Abrundung der Skulpturengruppe aus der Werkstatt des Meisters Arnt. Bis heute fehlte eine weibliche Heilige des Meisters. In ihr existiert außerdem ein enger stilistischer Zusammenhang mit den Wangenreliefs des Klever Chorgestühls aus dem Jahr 1474. Der „Heilige Cosmas« bildet ein herausragendes Beispiel für die Darstellung und Verehrung eines am Niederrhein nur selten abgebildeten Heiligen. Die Figur fügt der Sammlung mittelalterlicher Bildwerke eine attraktive neue Facette hinzu.

[Valentina Vlašić]

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Neuerwerbung des Diptychons „nemen / justis“ (2015) der Malerin Pia Fries

Mehrere Werkgruppen von Pia Fries (*1955 Beromünster) waren 2017/2018 Teil der Ausstellung „Hendrick Goltzius und Pia Fries: Proteus und Polymorphia“ im Museum Kurhaus Kleve, wo sie den Kupferstichen des manieristischen Meisters Hendrick Goltzius (1558-1617) gegenübergestellt waren. Mit der Unterstützung der Kunststiftung NRW, der Irene Zintzen Stiftung, der Volksbank Kleverland eG und den Stadtwerken Kleve GmbH. ist es dem Freundeskreis Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. gelungen, das Diptychon „nemen / justis“ (2015, Ölfarbe auf Siebdruck auf Holz, jeweils 200 x 140 cm) aus dieser Ausstellung für die Sammlung des Museum Kurhaus Kleve zu erwerben.

Das Diptychon von Pia Fries widmet sich der berühmten Kupferstichfolge der „Vier Himmelsstürmer“ von Hendrick Goltzius. Die Künstlerin integriert in ihre Gemälde Goltzius’ Druckgraphiken mithilfe einer druckgraphischen Technik, indem sie die Kupferstiche per Siebdruck auf ihre Maloberfläche aufträgt. Beide Künstler thematisieren das Fallen. Goltzius schuf definierte Männerkörper, kraftvoll und ansehnlich, mit ausgearbeiteten Muskelpaketen, die um ihre eigene Achse wirbelnd vom Himmel hinabstürzten. Pia Fries potenziert das Thema des Fallens durch malerische Mittel, durch Mittel der Aussparung und Beschränkung. Sie vermeidet für gewöhnlich eine vollständige Übertragung seiner Motive mithilfe des Siebdrucks und konzentriert sich vielmehr auf partielle, vielsagende Bereiche – gestreckte Leiber, gespreizte Beine, wehende Haare – und kreiert an ihm orientierte, jedoch völlig neue Kompositionen. Pia Fries interpretiert und verstärkt Goltzius’ künstlerischen Impuls, Körper in einem Sog wirbelnder Abwärtsbewegung zu zeigen, durch reine Malerei. Sie vollzieht eine Auflösung der bei Goltzius noch vorhandenen Form, in der sich dick aufgetragene Farbschlieren in- und übereinanderschlingt und zu ineinander verkeilten Wulsten und Strudeln verwebt. Sie lässt winzige Ausschnitte von Goltzius’ Fallenden aufblitzen, um sie schließlich in einem Wirbel aus Farben in eine imaginäre Tiefe zu reißen. Überaus nuanciert setzt Pia Fries Leerflächen, um den Blick des Betrachters schließlich auf die mit Farbschichten verflochtenen Körper zu lenken.

Es handelt sich um die ersten Werke von Pia Fries in der Sammlung des Museum Kurhaus Kleve.

[Valentina Vlašić]

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Ein verborgener Schatz aus dem Depot: die Karte der „Fossa Eugeniana“ (1627) von Michael Floris van Langeren

Die „Fossa Eugeniana“ sollte zu einem für die Region historisch außerordentlich relevanten Zeitpunkt entstehen: Philipp II. (1527-1598), der die Herrschaft über die siebzehn Provinzen der Niederlande von Karl V. (1500-1558) erhalten hatte, konnte die Macht seines Vaters nicht fortführen. U.a. durch die Einführung fester Abgaben, die beginnende Reformation und den Bilderstreit kam es zum Ausbruch des „Achtzigjährigen Krieges“ der Niederländer gegen die Spanier. Die nördlichen Niederlande, die zur Republik der Sieben Vereinigten Provinzen wurden, trennten sich vom spanisch besetzten Südteil.

Als Philipp II. einsah, dass die rebellierenden Provinzen nicht zum Gehorsam gezwungen werden konnten, trennte er die Niederlande von der spanischen Krone, die er schließlich als Brautgeschenk an seine Tochter Isabella Clara Eugenia (1566-1633, die Namensgeberin der „Fossa Eugeniana“) übergab. Sie heiratete 1598 Erzherzog Albert von Österreich, der sich um einen Waffenstillstand bemühte, der schließlich von 1609 bis 1621 währte und zu einer kurzen Blüte führte. Als Albert 1621 starb und ihre Ehe kinderlos geblieben war, fielen die Niederlande wieder an Spanien und den jungen, kriegsorientierten König Philipp IV. (1605-1665) zurück. Er setzte Isabella als Statthalterin der spanischen Krone in den Niederlanden ein. Isabella wusste, dass die niederländische Republik militärisch nicht zu besiegen war, wodurch sie die Haupteinnahmequelle des Nordens, den Außenhandel, zu unterbinden versuchte. Sie plante einen Wirtschaftsboykott, indem sie u.a. unter Mithilfe des Oberbefehlshabers der spanischen Truppen in den Niederlanden, Ambrosio Spinola (1569-1630), den Bau eines mächtigen schiffbaren Rhein-Maas-Schelde-Kanals beauftragte, der den bisherigen niederländischen Rheinhandel abschneiden und durch spanisch besetztes Gebiet umleiten sollte.

Nach längeren Verhandlungen sollte die endgültige Trasse zwischen den befestigten Städten Rheinberg und Venlo als Kanalendpunkten führen. Geldknappheit, Winter- und Kälteeinbrüche sowie feindliche Überfälle der nördlichen Generalstaaten, die die geplante Maßnahme der Spanier ausspioniert hatten, verzögerten bzw. verhinderten die Arbeiten. Als Frederik Hendrik von Oranien, Oberbefehlshaber der niederländischen Truppen, 1632 bei seinem berühmten Maasfeldzug u.a. Städte wie Roermond, Straelen, Venlo und Maastricht eroberte, schien der Bauabschluss bereits stark gefährdet. Als schließlich nach dreiwöchiger Belagerung 1633 Rheinberg ebenfalls eingenommen wurde, war das Kanalprojekt schließlich gescheitert. Beim Friedensvertrag von Münster 1648 sicherten sich die Niederlande schriftlich ab, dass das Erdbauunternehmen nie mehr wieder ohne Einverständnis beider Regierungen in Angriff genommen werden durfte. Rund 150 Jahre später begeisterte sich sogar Napoleon kurze Zeit für das Vorhaben, das er jedoch ebenfalls

Nach längeren Verhandlungen sollte die endgültige Trasse zwischen den befestigten Städten Rheinberg und Venlo als Kanalendpunkten führen. Geldknappheit, Winter- und Kälteeinbrüche sowie feindliche Überfälle der nördlichen Generalstaaten, die die geplante Maßnahme der Spanier ausspioniert hatten, verzögerten bzw. verhinderten die Arbeiten. Als Frederik Hendrik von Oranien, Oberbefehlshaber der niederländischen Truppen, 1632 bei seinem berühmten Maasfeldzug u.a. Städte wie Roermond, Straelen, Venlo und Maastricht eroberte, schien der Bauabschluss bereits stark gefährdet. Als schließlich nach dreiwöchiger Belagerung 1633 Rheinberg ebenfalls eingenommen wurde, war das Kanalprojekt schließlich gescheitert. Beim Friedensvertrag von Münster 1648 sicherten sich die Niederlande schriftlich ab, dass das Erdbauunternehmen nie mehr wieder ohne Einverständnis beider Regierungen in Angriff genommen werden durfte. Rund 150 Jahre später begeisterte sich sogar Napoleon kurze Zeit für das Vorhaben, das er jedoch ebenfalls angesichts horrender Baukosten unverwirklicht lassen musste. Heute sind, soweit noch erkenntlich, rund 50km der „Fossa Eugeniana“ erhalten.

Der einzigartige Beleg dieser kühnen Utopie, der Kupferstich von van Langeren mit dem kompletten Verlauf von Rheinberg bis Venlo, befindet sich, aus dem Besitz des Rheinberger Notars Robert Angerhausen kommend, in der Sammlung des Museum Kurhaus Kleve.

[Valentina Vlašić]

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Spektakuläre Erwerbung der spätgotischen Skulpturengruppe „Heilige Drei Könige“ (1530-35) von Henrik Douverman

Nach zwei Jahren intensiver Bemühungen glückte es 2018: Mit der Unterstützung der Kulturstiftung der Länder, der Ernst von Siemens-Kunststiftung, des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen, der Kunststiftung NRW, der Rudolf-August Oetker-Stiftung für Kunst, Kultur, Wissenschaft und Denkmalpflege, der Provinzial Rheinland Versicherung AG, der Irene Zintzen-Stiftung und weiteren heimischen Zuschussgebern ist es dem Freundeskreis Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. gelungen, die bedeutende spätgotische Skulpturengruppe „Heilige Drei Könige“ (um 1530-35) von Henrik Douverman für die Sammlung des Museum Kurhaus Kleve zu erwerben.

Es handelt sich um die spektakuläre Neuerwerbung einer kostbaren Rarität: Die jahrzehntelang unbekannte und erst durch eine Auktion 2005 in London für die Öffentlichkeit neu entdeckte Gruppe der „Heiligen Drei Könige“ gilt durch ihre herausragende künstlerische und handwerkliche Qualität als eines der Hauptwerke des spätgotischen niederrheinischen Bildhauers Henrik Douverman. Technisch virtuos dargestellt sind drei vollplastisch gearbeitete Figuren aus Eichenholz, die jeweils zwischen 81 und 85 Zentimetern hoch sind. Die drei Könige Caspar, Melchior und Balthasar verfügen über reich ausgestattete Gewänder und aufwändige Frisuren. Jeder König besitzt einen durch individuelle Gestik und Physiognomie getragenen expressiven Ausdruck. Der älteste der drei, Melchior, veranschaulicht mit seinem langen Bart, der Halbglatze und dem gealterten Antlitz sowohl das alte Europa als auch das Alter des Menschen. Gemäß der Überlieferung ist er der erste, der sich vor dem Jesuskind niederkniet und ihm sein Geschenk in der Form von Goldmünzen in einem Gefäß darreicht. Der mittlere König Caspar trägt ein modisches Barett, einen zweispitzigen Bart, ein mit Saumbändern geschmücktes, samt fallendes Wams und zeitgenössische Kuhmaulschuhe. Er repräsentiert den Kontinent Asien und das mittlere Alter des Mannes. Der jüngste der drei Könige, der sowohl Afrika als auch die Jugend darstellt, ist Balthasar, der am extravagantesten gekleidet ist. Von den Schultern bis zu den Oberschenkeln trägt er ein geschlitztes und gefüttertes Gewand in der Kleidermode der Renaissance, das durch einen hoch stehenden Kragen abgeschlossen ist und aufwändig gearbeitete Puffärmel besitzt. Durch ihre ausgeprägte Charakterisierung und ihren lebendigen Stil agieren diese besonderen „Heiligen Drei Könige“ wie Schauspieler miteinander, deren Auftritt vom Künstler geradezu theatralisch organisiert ist. Bei aller spätmittelalterlichen Verklärung und Entrückung besitzen sie in ihrem Auftreten etwas Modernes, Zeitloses, gar Epochenübergreifendes – wodurch sie als geradezu spektakuläre Neuerwerbung für das Klever Museum zu werten sind.

Der ab 1508 zunächst in Kleve, ab ca. 1517 bis 1543 in Kalkar tätige Bildschnitzer Henrik Douverman zählt zu den bedeutendsten Meistern der niederrheinischen Skulptur der Spätgotik in Deutschland. Sein „Sieben-Schmerzen-Altar“ in der Kirche St. Nicolai in Kalkar ist ein Höhepunkt europäischer Skulptur des Späten Mittelalters. Die in seiner Predella eingefasste Darstellung der „Wurzel Jesse“ im wild wuchernden Geäst genießt weltweite Bekanntheit. Neben Werken in Kalkar und Xanten gelten die Skulpturen des „Heiligen Christophorus“ im Museum Catharijneconvent, Utrecht, eine „Thronende Muttergottes“ im Musée de Cluny, Paris, eine „Heilige Ursula“ im Rijksmuseum, Amsterdam, und eine „Verkündigungsgruppe“ in Privatbesitz als seine Hauptwerke.

Die Skulpturengruppe der „Heiligen Drei Könige“ befindet sich schon seit über einem Jahrzehnt als Dauerleihgabe aus belgischem Privatbesitz im Museum Kurhaus Kleve. Nach dem Tod des Besitzers drohte 2016 der Verkauf der Dreikönigsgruppe auf dem internationalen Markt. Nur durch das Engagement des Klever Museumsvereins, bundesweiter Stiftungen und Unterstützer konnte die Gruppe nach zweijähriger intensiver Arbeit des Museumsteams für Kleve und die Öffentlichkeit gesichert werden. Die Neuerwerbung erweitert die Sammlung des Museum Kurhaus Kleve auf geradezu vorzügliche Weise, in der in den letzten Jahrzehnten ein hervorragender Überblick zur niederrheinischen Skulptur der Spätgotik und Renaissance aufgebaut worden ist.

[Valentina Vlašić]

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Restaurierung des „Heiligen Hieronymus“ (um 1510) von Joos van Cleve

Das Museum Kurhaus Kleve verfügt über eine bedeutende Sammlung mittelalterlicher Kunst, die seit der Eröffnung des Erweiterungsbaus, des sogenannten „Friedrich-Wilhelm-Bads“, 2012 erstmals in vollem Umfang präsentiert werden kann. In diesem Zusammenhang musste dringend ein Gemälde des frühen 16. Jahrhunderts restauriert und ausstellungsfähig gemacht werden, das unter diesen Exponaten eine wichtige Rolle einnimmt:

Es handelt sich um ein Gemälde in Öl auf Holz des „Heiligen Hieronymus“ um 1510 aus der Schule des Joos van Cleve (geboren am Niederrhein um 1485/1490 – 1540/1541 Antwerpen). Das 38,3 x 29,2 cm große und überaus erlesene Bildnis zeigt eine Darstellung des Kirchenvaters in einer bekannten, auf Albrecht Dürer zurückgehenden Komposition. Der greise Heilige ist in einem enggefassten Brustbild zu sehen, den Kopf melancholisch sinnierend mit der rechten Hand aufgestützt, in Meditation vertieft. Umgeben von mehreren Vanitas-Motiven (wie der Uhr, dem Spruchband und der abgebrannten Kerze) streift der Zeigefinger seiner linken über einen gekippten Totenschädel, dem Sinnbild für die Vergänglichkeit schlechthin.

Joos van Cleve war ein bedeutender Maler und Porträtist seiner Zeit. Er war Schüler und Mitarbeiter des Jan Joest in Kalkar, dem Maler der Flügel des Kalkarer Hochaltars. Bereits in jungen Jahren ging Joos van Cleve nach Antwerpen und begründete dort die wichtigste Malerwerkstatt der ersten Jahrhunderthälfte. Er schuf zahlreiche Altarbilder. Seine Werke waren bis nach Danzig, Genua und Köln gefragt. Sein Werk wurde erst 2011 umfassend in der Ausstellung „Leonardo des Nordens – Joos van Cleve“ im Suermondt-Ludwig-Museum in Aachen vorgestellt. Das Museum Kurhaus Kleve konnte das Gemälde aus seiner Schule 2011 mithilfe seines Freundeskreises für die Sammlung mittelalterlicher Kunst erwerben. Durch die Hilfe der Kulturstiftung der Länder konnte 2015 eine dringend benötigte Restaurierung angegangen werden.

Die fachkundige Restaurierung übernahm Frau Dipl.-Rest. Marita Schlüter aus Everswinkel. Um das qualitätsvolle Gemälde wieder ausstellungsfähig zu machen, führte sie primär eine „Entrestaurierung“ durch, d.h. eine Rückführung aller späterer Maßnahmen. Vorrangig war dabei die Festigung loser und gefährdeter Malschicht und der zerfressenen Holzsubstanz. Erst danach konnte sie die späteren Retuschen behutsam entfernen und die freigelegten Malschichtränder ebenfalls festigen.

Weiterhin führte sie die Firnisabnahme zu Ende, d.h. sie legte die gesamte originale Substanz frei. Das Gemälde wurde dadurch klarer und heller.

In diesem Zustand führte sie auch eine Infrarot-Untersuchung durch, bei der sie Fotos von der Unterzeichnung erstellt hat. Dies war dem Museum besonders im Hinblick auf die künstlerische Zuschreibung hilfreich. Anschließend führte sie eine Kittung und Retusche der Fehlstellen mit reversiblen Materialien sowie ein neuer Abschlussfirnis durch. Obligatorisch erstellte sie zum Schluss eine schriftliche und photographische Dokumentation der Untersuchungen und Arbeitsschritte mit genauer Angabe der verwendeten Materialien.

[Valentina Vlašić]

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Ausstellung aus der Sammlung Kunstgewerbe: „Als der Kaffeetisch zur Galerie wurde. Keramik um 1930“

Aus Anlass des 100. Bauhaus-Jubiläums zeigt das Museum Kurhaus Kleve im Sommer 2019 in den historischen Kursälen seine Sammlung von Keramiken aus der Zeit um 1930. In der Ausstellung zu sehen ist eine erlesene Auswahl einzelner Formmeister*innen wie u.a. Eva Stricker-Zeisel, Ursula Fesca, Hildegard Delius, Hedwig Bollhagen, Margarete Heymann-Loebenstein, Marguerite Friedlaender-Wildenhain, Theodor Bogler und Alfred Lohse. Ihre skulptural anmutenden und geradezu ikonischen Gebrauchsobjekte entwickelten sich simultan zur bildenden Kunst, deren Abstraktionsgrad um 1930 einen zwar vorläufigen, aber beispiellos spektakulären Höhepunkt erreichte.

Das Bauhaus markierte einen Kristallisationspunkt der Moderne, von dessen Ideen sich vor allem viele Keramikerinnen anstecken ließen. In der seriellen Fabrikation schlägt sich die Entwicklung der Abstraktion in Form und Dekor unmittelbar nieder. In nur einem Jahrzehnt entstand eine für Jahrzehnte gültige neue Sprache, die in der NS-Zeit durch eine „Rebarockisierung“ unterbrochen wurde.

In der Ausstellung im Museum Kurhaus Kleve steht nicht das einzelne Objekt im Zentrum, sondern eine geordnete Vielfalt und Fülle, in der sich der unmittelbare Niederschlag der Kunst auf die Keramik zeigt. Die Bauhaus-Idee selbst konzentrierte sich nicht auf singuläre Werke, sondern auf die Reproduzierbarkeit, Erschwinglichkeit und Zugänglichkeit ihrer Produkte vor allem für die „einfachen Leute“. Diesem Denken schritten vor allem die Künstlerinnen und Formmeisterinnen voran, durchaus folgerichtig, da die bis heute kommerziell erfolgreichsten Werkstätten des Bauhauses die der Keramik (und der Weberei) waren.  

Die Exponate dieser Ausstellung stellen eine Komponente der umfassenden „Sammlung Werner Steinecke“ dar, die deutsche Gebrauchs- und Kunstkeramik aus dem Zeitraum von 1905 bis 1935 umfasst. Der Sammler überreichte sie 2011 dem Freundeskreis der Klever Museen, die vom Museum Kurhaus Kleve erstmals 2012 im Rahmen einer Überblicksausstellung gezeigt wurde. Die neuerliche Präsentation nimmt der Sammler zum Anlass, die bereits vorhandene repräsentative Sammlung durch eine zweite generöse Schenkung rund um ausgewählte Bauhaus-Keramik zu erweitern.

Die Ausstellung „Als der Kaffeetisch zur Galerie wurde. Keramik um 1930“ wird durch einzelne Leihgaben dreier deutscher Privatsammlungen ergänzt.

[Valentina Vlašić]

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Schenkung von Sonja Mataré persönlich: „Kopf“ (1980) von Hede Bühl

Sonja Mataré (1926–2020), die Tochter von Ewald Mataré (1887–1965) und eine der wichtigsten Mäzeninnen des Museum Kurhaus Kleve, übergab dem Freundeskreis Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. eine bedeutende Arbeit der Bildhauerin Hede Bühl. Ihre Schenkung begründete sie in einem Begleitbrief wie folgt: 

„Aus Anlass des siebzigsten Geburtstages von Drs. Guido de Werd, des Gründers und Leiters des Museum Kurhaus Kleve, stifte ich eine Bronzeplastik, ‚Kopf, 1980, der Düsseldorfer Bildhauerin Hede Bühl dem Freundeskreis Museum Kurhaus Kleve, in den Maßen 33 x 17 x 25 cm. Frau Bühl assistierte bei Ewald Mataré 1964 und war Schülerin bei Joseph Beuys.
Meerbusch-Büderich, 6. Dezember 2018, Sonja Mataré“

So lautete es im Begleitbrief von Sonja Mataré, die zu einer der wichtigsten Gönnerinnen des Museum Kurhaus Kleve und des Freundeskreises gehört, zu dieser bedeutenden Schenkung aus ihrer Hand.

Die ausdrucksstarke Bronzearbeit der deutschen Bildhauerin Hede Bühl befand sich viele Jahre an einem prominenten Platz im Atelier ihres Vaters Ewald Mataré in Meerbusch-Büderich. Nun ergab sich aus Anlass des Geburtstages von Drs. Guido de Werd, der über Dekaden hinweg in engem Austausch mit der Stifterin stand, die Gelegenheit für einen symbolischen Dank seiner Arbeit für die Klever Museen und insbesondere für die Ewald Mataré Sammlung.

Bei der Plastik von Hede Bühl mit dem schlichten Titel „Kopf“ handelt es sich um eine figurative Arbeit in einer reduzierten Formensprache, um einen für ihr Schaffen zutiefst aussagekräftigen Bronzekopf in systemisierter, geradezu technoider Ausführung, dem es an menschlicher Individualität fehlt, dessen schlichte reduzierte Oberfläche mit auffallend bandagierten Gliederungen jedoch nahezu an altägyptische Totenzeremonielle denken lässt. Die Skulptur stellt eine treffliche Erweiterung aus weiblicher Sicht der Ewald Mataré-Sammlung und der Werke von Joseph Beuys im Museum Kurhaus Kleve dar.

Die 1944 in Haan geborene und in Düsseldorf lebende Künstlerin Hede Bühl studierte an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf bei Sepp Mages und Joseph Beuys. Von 1962–1963 war sie Meisterschülerin bei Joseph Beuys, doch sieht sie sich selber nicht nur in dessen Tradition. Tatsächlich ist sie von ihrem Einfluss her breiter aufgestellt. Von 1963–1965 arbeitete sie im Atelier von Ewald Mataré. Auch ist ihr Schaffen von den Bildhauerkollegen Wilhelm Lehmbruck, Fritz Wotruba und Marino Marini beeinflusst.

Das Werk von Hede Bühl, das 2019 prominent in einer Ausstellung im Skulpturenpark Waldfrieden in Wuppertal ausgestellt war, wurde u.a. mit dem Käthe-Kollwitz-Preis der Akademie der Künste Berlin, dem Villa-Romana-Preis Florenz oder mit einem Stipendiat der Villa Massimo Rom ausgezeichnet.

[Valentina Vlašić]

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Zwölf Dauerleihgaben für die Klever Sammlung aus der Stiftung Kunst im Landesbesitz, Nordrhein-Westfalen

Das Land Nordrhein-Westfalen gehört zu den wichtigsten Förderern des Museum Kurhaus Kleve, durch dessen Zutun in den letzten Jahren zahlreiche Sammlungserwerbungen, Restaurierungen und Ausstellungen realisiert werden konnten. Einmal mehr beweist das Land seine Verbundenheit zum Klever Museum, indem es ihm ein Konvolut von zwölf teilweise großformatigen Werken zeitgenössischer Kunst als Dauerleihgabe zur Verfügung stellt.

Nach Kleve kommen die Werke aus der unselbständigen „Stiftung Kunst im Landesbesitz, Nordrhein-Westfalen“, die das Land mit wissenschaftlicher und organisatorischer Unterstützung der Kunstsammlung NRW, Düsseldorf im Jahr 2016 gegründet hat. In diese Stiftung eingeflossen ist die Kunstsammlung der „Portigon AG“ [ehemals „Westdeutsche Landesbank“ („WestLB“)], die das Land zur Bewahrung für die Öffentlichkeit in einer bemerkenswerten kulturpolitischen Aktion erworben hat. Die darin enthaltenen Werke werden nunmehr den Bürger*innen zugänglich gemacht, indem sie 42 ausgewählten Museen Nordrhein-Westfalens zur Verfügung gestellt werden. Das Museum Kurhaus Kleve schätzt sich glücklich, zum Kreis der Empfänger*innen zu gehören. 

  • eins
  • zwei

Von besonderer Bedeutung für die Klever Sammlung ist zweifelsohne ein Zweitguss des Reliefs „Das brennende Köln“ von Ewald Mataré in Eisen. Dabei handelt es sich um einen Ausschnitt aus der „Pfingsttür“ vom Südportal des Kölner Doms im Flachrelief, auf dem die Stadt Köln lichterloh lodernd in Flammen steht, aus denen nur der Dom als Sinnbild der Kirche unangetastet hervorragt.

Die Dauerleihgaben des Landes ergänzen in schlüssiger Hinsicht auch weitere Bereiche der Sammlungen des Museum Kurhaus Kleve: Die Becher-Schule, die bisher durch Werke von Struth, Ruff und Gursky vertreten war, wird nunmehr durch eine imposante Arbeit Candida Höfers ergänzt, „Wikingermuseum Oslo II“,2000 (C-Print auf Plexiglas, 154 × 193 cm).

Zur 2013 vom Freundeskreis erworbenen Arbeit „Silver Tower #9“ des Leipziger Photographen Matthias Hoch gesellen sich nun die zwei eindrucksvollen Werke „Brüssel #8“, 2001 (C-Print auf Plexiglas, 154 × 190 cm) und „Wolfsburg #4“, 2000 (C-Print auf Plexiglas, 100 × 122 cm).

Aktuell als der bekannteste Photo-Künstler der Welt und als der populärste deutsche Künstler überhaupt gehandelt, kommt mit „Water & Wine“, 2001 die erste Arbeit von Wolfgang Tillmans in die Sammlung.

Ebenfalls neu aufgenommen wurden Werke von Man Ray, Konrad Klapheck, Andy Warhol und Joel Shapiro, die allesamt in einer zweistufigen Sammlungsneupräsentation ab Ende April bzw. Ende Juni 2018 vorgestellt wurden.

[Valentina Vlašić]

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März 2021: Die neue Sammlungswebsite ist online

Im Herbst 2019 erhielt das Museum Kurhaus Kleve, ergänzt durch Eigenmittel der Stadt Kleve, großzügige Fördermittel vom Landschaftsverband Rheinland und Ministerium für Kultur und Wissenschaften des Landes Nordrhein-Westfalen, um eine groß angelegte Digitalisierungskampagne zur Veröffentlichung von Kunstbeständen durchzuführen. Die seither geleisteten Maßnahmen waren und sind vielschichtig und intensiv:

Seit Januar 2020 arbeitete unter der Federführung der wissenschaftlichen Mitarbeiterin Valentina Vlašić ein Team aus ehrenamtlichen und angestellten Mitarbeiter*innen an der Digitalisierung des Inventars der Sammlung des Museum Kurhaus Kleve und seines Freundeskreises. Daran ehrenamtlich tätig waren (und sind es nach wie vor) Carmen Gonzalez, Annegret Goßens, Stella Hufschmidt, Werner Stein, Werner Steinecke und Xing Xie, regelmäßig unterstützt durch Thomas Bovenkerk. Für einen beschränkten Zeitraum daran bezahlt tätig waren ferner Gerd Borkelmann, Alexandra Eerenstein und Jonathan Mandel. Von Seiten der Museumsmitarbeiter*innen unterstützen die Aktion im Rahmen ihrer Arbeitskapazitäten Hiltrud Gorissen-Peters, Regine Witt und Susanne Seidl. 

Ab Mai 2020 war diese Tätigkeit onlinebasiert über die neue Datenbank „Museum-Plus RIA“ möglich, die im Rahmen des Projekts erworben werden konnte. Der Umstieg vom limitiert nutzbaren „MuseumPlus Classic“ auf die neue Version wurde von der Berliner Firma Zetcom generalstabsmäßig im April 2020 durchgeführt, inklusive einer mehrtägigen, Corona-bedingt online durchgeführten Schulung für sämtliche beteiligten Personen. Dafür, dass das dermaßen erfolgreich im Rahmen des Zeitplans umgesetzt werden konnte, zeichneten sich die Mitarbeiterinnen Verena Hollank und Jennifer Rasch von der Firma Zetcom verantwortlich.

Seither wurden durch alle Beteiligten weit über eine Million Aktionen und Änderungen am Inventar des Museum Kurhaus Kleve und seines Freundeskreises vorgenommen – was für eine knapp über einjährige Nutzung des neuen Programms überaus beachtlich ist. Die neue Version der Datenbank macht es zudem erst möglich, dass sich derart viele Personen – auch von wechselnden Arbeitsplätzen aus – an dieser Maßnahme beteiligen können. 

Im Frühjahr 2021 ging die neue Sammlungswebsite www.sammlung.mkk.art schließlich mit knapp 4.500 Werken online, wofür sich ein Hamburger Team rund um den Typographen des Museum Kurhaus Kleve, Prof. Ingo Offermanns als Art Director verantwortlich zeichnet: das Web Design kommt von David Liebermann und Jana Reddemann, die Programmierung von Dr. Lutz Ißler und seiner Firma Systemantics.

Die neue Sammlungswebsite ist nicht nur für das Museum Kurhaus Kleve wirksam, sondern kann sukzessive auch von weiteren Museen am Niederrhein genutzt werden, so dass kontinuerlich sämtliche Kunstbestände am Niederrhein für die Öffentlichkeit nutzbar gemacht werden können. Eine vollständige Onlinestellung aller Werke des Museum Kurhaus Kleve soll – dank kontinuierlicher, vor allem auch ehrenamtlicher Hilfe – sukzessive in den kommenden Jahren erfolgen.

[Valentina Vlašić]

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