Noch nie gezeigte Arbeit des jüngst verstorbenen Pierre Theunissen geht als Leihgabe für die Alfred Sabisch-Retrospektive nach Kalkar

Die im Museum Kurhaus Kleve noch nie ausgestellte, imposante Skulptur „Thermische Regulation“ (1975) des 2021 verstorbenen, deutsch-französischen Bildhauers Pierre Theunissen (1931–2021) aus der Klever Museumssammlung geht als Leihgabe an das Städtische Museum Kalkar.

Dort findet unter dem Titel „In der Versenkung werden Kräfte frei – Der Bildhauer Alfred Sabisch und sein Werk 1926–1980“ von 22. Mai bis 24. Juli 2022 die erste Retrospektive über den Kalkarer Bildhauer Alfred Sabisch (1905–1986) statt. Theunissen zählte zu seinen Schüler*innen und wurde von Sabisch ausgebildet. 

Das Werk von Alfred Sabisch zeichnet sich durch eine große Geschlossenheit aus. Ein Leben lang blieb er dem Figürlichen verpflichtet. Im Zentrum seiner Arbeit standen die menschliche Figur und das ruhende Tier. Ähnlich wie u.a. Ewald Mataré oder Gerhard Marcks galt Sabisch das Typische und Zeitlose als Leitbild. Reduktion und verhaltene Abstraktionstendenzen, geschlossene Silhouetten, klare Konturen und beruhigte, glatte Oberflächen kennzeichnen die meisten seiner Arbeiten.

Zu Sabischs bekanntesten Werken gehörten „Die Sinnende“ (1932) und die „Fohlengruppe“ (1937), die ursprünglich vor dem Duisburger Hauptbahnhof aufgestellt war. Heute gilt der „Schwanenbrunnen“ (1954) in der Klever Schwanenburg als sein Hauptwerk. 

Alfred Sabisch und sein Werk stehen auch exemplarisch für die vielschichtigen und widersprüchlichen persönlichen Umstände jener Bildhauer, die im Nationalsozialismus arbeiten und ausstellen konnten und nach 1945 ihrem Vorkriegsstil weitgehend treu blieben, ein Umstand, der im Katalog zur Ausstellung erstmals umfassend aufgearbeitet werden soll. 

Werke aus der Sammlung des Städtischen Museums Kalkar und Leihgaben des Museum Kurhaus Kleve, des Lehmbruck Museums Duisburg, der Mannheimer Kunsthalle, des Grassimuseums und des Museums der Bildenden Künste Leipzig werden das Gesamtbild des Künstlers vervollständigen und die Rezeptionsgeschichte veranschaulichen. Eine Auswahl der zahlreichen Arbeiten, die Sabisch für den öffentlichen Raum und für Kirchen geschaffen hat, werden mithilfe von Probegüssen, Vorzeichnungen, Photographien und mit digitalen Hilfsmitteln in die Ausstellung integriert werden.

Biographische Eckdaten:

Geprägt wird der 1905 im sächsischen Wurzen geborene Alfred Sabisch in den 1920er Jahren von Alfred Thiele, Johannes Goeldel und Wilhelm Andreas, die ihn in ihren Ateliers und an der Leipziger Kunstgewerbeschule unterrichten. Frühe Anregungen und Förderung erfährt der junge Mann dort auch durch Max Schwimmer, mit dem er sich näher anfreundet. Nach dem Weggang aus Leipzig lernt er über Kontakte zu Künstlern der Berliner Ateliergemeinschaft Klosterstraße 1936 den Maler Hermann Teuber kennen, der kurz nach dem Zweiten Weltkrieg einige Jahre mit seiner Familie bei Sabisch in Kalkar wohnen wird.

Der 1934 im Rahmen der Gleichschaltung des Kulturbetriebs eingesetzte Leiter des heutigen Lehmbruckmuseums, der Leipziger Kunsthistoriker Herbert Griebitzsch, vermittelt ihm erste öffentliche Aufträge im Ruhrgebiet und am Niederrhein. Sabisch tritt der Reichskulturkammer bei, als dies von ihm verlangt wird; dafür erbringt er auch den geforderten Ariernachweis. Er wird allerdings nicht Parteimitglied und distanziert sich in privaten Briefen von der herrschenden Ideologie.

Nach dem Ende des Krieges, den Sabisch als Soldat der Luftwaffe übersteht, lässt er sich mit seiner Frau, der Altistin Ilse Ihme und seiner Tochter Angelika endgültig im niederrheinischen Kalkar nieder. Besonderer Raum soll seiner Beziehung zu Hermann Teuber gegeben werden, der wie zuvor Heinrich Nauen ebenfalls im alten Haus am Taubenturm arbeitet.

Als Mitbegründer der Künstlergruppe Krefeld 1945, Mitglied der Rheinischen Sezession und des Niederrheinischen Künstlerbundes – zwischen 1951 und 1965 als dessen Präsident – ist Sabisch gut in der Region vernetzt. Er profitiert von Porträtaufträgen, aber auch von dem hohen Bedarf an künstlerischen Ausgestaltungen für Kirchen und kommunale Gebäude im Zeichen des Wiederaufbaus; er gewinnt eine Vielzahl von Kunst-am-Bau-Wettbewerben in der Region.

Neben architekturgebundenen Arbeiten, vorrangig monumentalen Reliefs gestaltet er bis in die 1970er Jahre Freiraumplastiken und Brunnenanlagen. Der Holzschnitt ist ebenfalls ein klassisches bildnerisches Medium, dem er sich insbesondere in späteren Jahren ebenso widmet wie der Malerei.

Sabisch hat auch Schüler*innen angenommen: Sein prägender Einfluss auf Rota Blanck, Peter Theunissen, Ludwig Dinnendahl und Anna Kubach-Wilmsen soll in der Kalkarer Ausstellung genauer in das Augenmerk genommen werden. Alle vier studierten anschließend an deutschen Kunstakademien und wurden angesehene Bildhauer*innen.

Weitere Informationen zur Ausstellung: www.kalkar.de/de/inhalt/staedtisches-museum-kalkar/

Pierre Theunissen, Thermische Regulation, 1975