Ankauf einer seltenen Jugendstil-Kanne von Walter Magnussen als Zustiftung zur Sammlung Werner Steinecke

Auf die Anregung des Keramik-Sammlers Werner Steinecke erwarb der Freundeskreis Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. im Februar/März 2023 als Zustiftung zu seiner „Sammlung Werner Steinecke“ eine seltene Jugendstil-Kanne für die Keramiksammlung im Museum Kurhaus Kleve. Die ungewöhnlich große Kanne wurde in geringer Stückzahl hergestellt und stellt eine Gemeinschaftsarbeit des Keramikers Walter Magnussen und der Töpferei von Jakob Julius Scharvogel in München dar. Es sind nur vier Erzeugnisse aus der gemeinsamen Arbeit von Magnussen und Scharvogel bekannt, die wie diese Kanne beide Künstlerstempel tragen.

Walter Magnussen wurde 1869 in Hamburg geboren und absolvierte eine Ausbildung an der Kunstgewerbeschule in München. Dort lernte er Scharvogel kennen, für den er später viele Keramiken entwarf, vor allem im Zusammenhang mit der Mathildenhöhe in Darmstadt.

Magnussen lernte die Uffrecht Brüder aus Neuhaldensleben kennen und entwarf für diese Firma eine Reihe von Keramiken, die sich vor allem durch die konsequente Anwendung eines geometrischen Jugendstils auszeichnen, die aber z.T. auch pflanzliche Ornamentik aufweisen. Magnussens Arbeiten für Scharvogel und Uffrecht wurden auf der Weltausstellung in St. Louis 1902 gezeigt und ausgezeichnet.

Die Zusammenarbeit mit Jakob Julius Scharvogel begann schon in den 1890er Jahren. Seine Künstlerlaufbahn begann zunächst in der Malerei, während der er aber bereits auch schon töpferte. Wie viele andere Künstler*innen in Europa in dieser Zeit, war Magnussen von der japanischen Keramik begeistert. Er lehnte allerdings die direkte Übernahme und das Kopieren ab und suchte einen Weg, der die in Deutschland verwendeten Materialien als Akzente und Merkmale in den Vordergrund stellte.

Scharvogel war von den frühen Arbeiten Walter Magnussens angetan und bot ihm an, in seiner Werkstatt zu experimentieren und zu entwerfen. Scharvogel war zu dieser Zeit schon längst bekannt, beschäftigte zwei Töpfermeister und mehrere Dekorateure und war auf den Leipziger Messen mit wenigen, aber sehr hochpreisigen Stücken vertreten. Sein finanzieller Hintergrund erlaubte ihm großen Spielraum und er war nicht auf die Einnahmen seiner künstlerischen Tätigkeit angewiesen.

Bei Walter Magnussen sah es anders aus. Als Scharvogel dessen Arbeiten mit auf die Leipziger Messe nahm und neben den sehr hoch angesetzten Verkaufspreisen auch noch eine hohe Provision nahm, beendete Magnussen erbost die Zusammenarbeit mit Scharvogel.

Er erinnerte sich seiner Verbindungen zu den Uffrecht Brüdern und entwickelte für deren väterliche Fabrik in Neuhaldensleben zwei Entwürfe, wobei das bekanntere das Service „Iris“ ist, das in der „Sammlung Werner Steinecke“ vertreten ist wie die Vorratsgefäße der Küchengarnitur. Die Einkäufer der Warenhäuser und Einkaufsgenossenschaften der Haushaltsläden kauften von diesen Geschirren nichts. Doch Uffrecht war davon überzeugt und vermarktete es in den Jahren 1902 bis 1905 sehr erfolgreich.

Jakob Julius Scharvogel stammte aus Mainz aus begütertem Hause und strebte nach einer umfassenden künstlerischen Ausbildung. Ein längerer Aufenthalt in London in den frühen 1880er Jahren nutzte er zu einem intensivem Studium der neuen Entwicklungen im Kunsthandwerk. Er nahm begierig die „kolonialen“ Anregungen des Weltreiches auf. Deutschlandweite Ausstellungen brachten das Scharvogel-Steinzeug auch nach Darmstadt auf die Ausstellung der Darmstädter Künstlerkolonie im Jahr 1901.

Gleichzeitig plante Großherzog Ernst Ludwig, in Darmstadt eine keramische Manufaktur zu errichten. Da Scharvogel durch die Ausstellungen auf der Mathildenhöhe in Darmstadt einige Berühmtheit erlangt hatte, wurde er Leiter der Darmstädter großherzoglichen Keramikmanufaktur. Scharvogel legte im April 1904 ein Konzept vor, das drei Produktionsschwerpunkte vorsah: Gartenschmuck, Bauterrakotta und Innendekorationen. Zwei Jahre später nahm die Manufaktur in Darmstadt den Betrieb auf und baute vor allem den Bereich der Kachel- und Fliesenproduktion aus. Die Jugendstil-Badehäuser in Bad Nauheim legen davon noch heute Kenntnis ab. Scharvogel gehörte 1907 zu den Gründungsmitgliedern des Deutschen Wekbundes. Später ging Scharvogel nach München zurück und arbeitete weiter in seiner eigenen Werkstatt.

Für Scharvogel war es vor allem die Formensprache der asiatischen Keramik, die ihn faszinierte, wobei er schon in den Anfängen seiner Töpfertätigkeit deren tradierte Farbgebung ablehnte und durch eigene Glasurexperimente ersetzte. Er arbeitete in seiner Werkstatt im Wesentlichen mit Scharffeuerfarben. Bei Scharffeuerfarben handelt es sich um hitzeresistente Farben zum Bemalen von Keramik, die vor dem Glasurbrand aufgetragen werden. Aus diesem Grund werden sie auch als Unterglasurfarben bezeichnet. Der Name „Scharffeuerfarben“ leitet sich von den hohen Temperaturen ab, bei denen die Farben gebrannt werden. Sie müssen sozusagen “scharfes Feuer” aushalten. Dabei geht es um Brenntemperaturen zwischen 1100 ºC und 1400 ºC. Solch große Hitze überstehen nur ganz wenige Farben. Die meisten Keramikfarben würden ihre Eigenschaften verändern oder gar gänzlich verbrennen, wenn die Keramik solchen Temperaturen ausgesetzt ist.

Unterglasurfarben sind allesamt aus äußerst hitzebeständigen Metalloxiden zusammengesetzt. Allerdings gibt es nur wenige geeignete Metalloxide, was die Farbpalette erheblich eingeschränkt. Bei der in der Sammlung befindlichen Kanne wurde nur Braunsteinoxid eingesetzt, und das ergab diesen satten Braunton, auf dem nur wenig vegetabilen Relief des großen Kruges.

[Werner Steinecke und Valentina Vlašić]