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Künstler*in: Achilles Jan Frans Moortgat

Lebensdaten: 1881–1957

Funktion: Bildhauer und Maler

Anzahl Werke: 12

Biographie

Die Kunstlandschaft am Niederrhein um 1900 wurde durch große Maler- und Bildhauerateliers bestimmt, die hauptsächlich für die katholische Kirche Aufträge in einer Art neu belebten mittelalterlichen Handwerkstradition für Kirchen und Klöster ausführten. Die kunsthistorische Kenntnis dieser vor allem retrospektiv gearteten, aus dem Historismus hervorgegangenen Werkstätten steht noch am Anfang. Das große Desinteresse, dem diese Kunstrichtungen besonders in den ersten Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg anheimfielen, ist als logische Reaktion auf die Unterdrückung der sich frei entfaltenden Kunstströmungen im Dritten Reich zu erklären, die dort in den Mittelpunkt des Interesses gerückt wurden.

Von den Malerateliers um 1900 ist das von Friedrich Stummel (Münster 1851–1919 Kevelaer) an erster Stelle zu nennen, das dieser 1881 in Kevelaer gegründet hatte. Einige seiner Schüler machten sich schon früh selbständig, darunter die Brüder Heinrich und Gerhard Lamers, die in Kleve – nach einer kurzen Partnerschaft – selbständige Werkstätten eröffneten. Während diese Brüder dem in Kevelaer erlernten Stil eng verbunden blieben, ist es interessant festzustellen, dass ein anderer Schüler, Josef van Brackel, der um 1900 noch einen Kreuzweg in reinem Nazarenerstil malte (der 1980 von der Stiftskirche in Kleve erworben wurde), kurz nach 1905 in Beachtung erregender Art und Weise – soweit wir dies jetzt übersehen können – als Einziger expressionistische Gemälde schuf.

Das meist renommierte Bildhaueratelier am Niederrhein war das von Ferdinand Langenberg (Goch 1841–1931). Langenbergs Werk war vor allem neugotisch bestimmt; nach 1902 wurden unter dem Einfluss des Kaplans Josef Windhausen auch neuromanische und neubarocke Werke ausgeführt. In diesem Milieu lernte auch der junge Klever Künstler Gerd Brüx (1875–1944) das Handwerk, aber er hatte das Vorrecht und die Gelegenheit seinen Blick erweitern und die Akademie in München besuchen zu können. Im Alter von siebenundzwanzig Jahren gründete er in Kleve ein eigenes Atelier, das durch die große Nachfrage und durch den sich deutlich von Langenberg abhebenden Stil seiner Arbeiten, die moderneren Charakters waren und mit der in dieser Zeit in Publikationen wie der „Zeitschrift für Christliche Kunst“ propagierten Kunstrichtung übereinstimmte, sehr beliebt wurde. Brüx, der – wie das in diesen Ateliers gebräuchlich war – sich nach einiger Zeit nur mit dem Entwerfen und Modellieren beschäftigte, holte 1904 den jungen Limburger Hubert Daniels (01.12.1881–07.10.1944 Kleve) nach Kleve. Daniels nahm schon bald eine leitende Funktion im Atelier ein und war mit der Ausführung größerer Werke in Holz und Stein beauftragt. Er war ein vortrefflicher Bildhauer, der es verstand, der zu bearbeitenden Oberfläche von Holz und Stein eine große Empfindsamkeit zu geben.

Im Jahr 1911 hat Gerd Brüx einen zweiten Künstler nach Kleve geholt, den er – nach einer Mitteilung von Josef Kleinschmidt – während eines Aufenthaltes in Antwerpen kennengelernt haben muss: Achilles Moortgat.

Moortgat, der am 15. Juni 1881 in St. Gillis, einige Kilometer von Dendermonde entfernt, geboren wurde, hatte als Werkmann der dritten Dimension eine Ausbildung an der St.-Lukas-Schule zu Gent genossen. Anschließend kam er in das Atelier seines Onkels Alois de Beule (geb. 1861 in Zele) nach Gent, in dem man vor allem Kreuzwege produzierte, die zu einem ansehnlichen Teil in das Ausland ausgeführt wurden. Im Jahr 1904 hatte Moortgat die Primus-Medaille gewonnen. Danach besuchte er die Akademie in Antwerpen, wo er zusammen mit dem gleichaltrigen Géo Verbanck (1881–1961) mit dem Prix-de-Rome ausgezeichnet wurde. Verbanck, späterer Professor an der Akademie in Gent, wurde hauptsächlich durch sein Standbild der Brüder van Eyck bekannt, das 1913 enthüllt wurde.

Obwohl wir die genauen Daten und den Zusammenhang der Ereignisse kaum mehr rekonstruieren können, muss Brüx Achilles Moortgat wohl im Jahr 1911 kennengelernt und bewogen haben, in sein Atelier nach Kleve zu kommen. Dass Moortgat in Kleve schon bald einen wichtigen Platz eingenommen hat, geht unter anderem aus einer Photographie aus dem Jahr 1914 in der Sammlung des Museum Kurhaus Kleve hervor, auf dem Achilles Moortgat zusammen mit Hubert Daniels an der wichtigsten Stelle platziert ist. Gemäß Auskunft des Bildhauers Josef Kleinschmidt (geb. 1890 in Paderborn, gest. 1983 in Kleve), der 1912, nach einer Ausbildung als Bildhauer bei Lucas Memmken in Osnabrück und nach einer zweijährigen Wehrdienstzeit, in das Atelier von Gerd Brüx kam, wo er bis 1937 als technischer Atelierleiter bleiben sollte, leitete Hubert Daniels das Atelier, während Moortgat die Modelle formte. Ein anderer Teil der Modelle wurde von Gerd Brüx bearbeitet; es verwundert daher nicht, dass diese – an spätmittelalterliche Werkstätten erinnernde – Werkweise eine gewisse Stilmischung zur Folge hatte. Zu den festen Besucher*innen des Brüxschen Ateliers muss auch der seit 1906 in Mehr tätige Pfarrer Dr. Augustin Wibbelt gehört haben, der schon bald in persönlichen Kontakt mit Achilles Moortgat trat. Es ist auch Wibbelt gewesen, der auf den jungen Moortgat, der in den ersten Jahren in Kleve am Schloßberg gewohnt hat, einen gewissen Druck ausgeübt hat, dass dieser sich selbständig machen sollte.

Als 1914 der Krieg ausbrach, wurde Josef Kleinschmidt und mit ihm noch einige andere Mitarbeiter des Ateliers Brüx eingezogen, was zur Folge hatte, dass Gerd Brüx sein Atelier zeitweilig schließen musste. Hubert Daniels, der noch immer die niederländische Staatsangehörigkeit hatte, lief ebenso wie Achilles Moortgat, der Belgier war, Gefahr, als Ausländer ohne Arbeit interniert zu werden. Der damalige Dechant der Stiftskirche, Gerhard Sprenger, hat sich bei der Polizei für Moortgat eingesetzt, der so in Kleve bleiben und ein eigenes Atelier eröffnen konnte. Da Achilles Moortgat die Technik des Bildhauens nicht völlig beherrschte, war es für ihn eine bittere Notwendigkeit, für sein eigenes Atelier einen erfahrenen Bildhauer zu finden. Dies war Hubert Daniels, mit dem Achilles Moortgat, sowohl gemäß Mitteilung von Josef Kleinschmidt als auch von den Söhnen Daniels’, eine viel weitergehende Partnerschaft geschlossen haben musste, als dies nach außen hin erkennbar gewesen ist. Jedenfalls waren die Arbeiten in dem jungen Atelier an der Gruftstraße so verteilt, dass Moortgat die Kontakte nach außen hin unterhielt und die Modelle in Gips fertigte, während Daniels diese in Stein, Holz oder Marmor ausführte.

Während das Atelier von Gerd Brüx, seiner beiden besten Kräfte beraubt, einen Anteil des Marktes preisgeben musste, entwickelte sich das Atelier von Moortgat und Daniels sehr gut. Moortgat wusste schon bald eine Reihe von Aufträgen für Grabmäler zu gewinnen, denen kurz nach dem Ende des Ersten Weltkrieges eine Reihe von Kriegerdenkmälern folgen sollte. Moortgat hat in diesen ersten Jahren seiner selbständigen Arbeit eine beschränkte Zahl von Entwürfen in Gips für religiöse, klassische oder mythologische Themen gemacht. In diesen Werken scheint er unter dem Einfluss der französischen und belgischen Skulptur um die Jahrhundertwende gestanden zu haben, der sich in einer einigermaßen jugendstilähnlichen Formgebung ausdrückt und mit einer impressionistischen Oberflächenbehandlung einhergeht. Im konservativen niederrheinischen Milieu muss sein Werk kurz nach dem Ersten Weltkrieg im Vergleich mit den künstlerisch festgefahrenen Produkten der großen „Neo-Ateliers“ einen erfrischenden Eindruck gemacht haben.

Die Zahl der Modelle, die Moortgat entwickelt hat, war nicht besonders groß. Eine einmal gelungene Form wurde von ihm oftmals wiederholt. Das beste und bekannteste Beispiel ist die stehende Maria mit dem Kind, die sogenannte „Rosa Mystica“, eine sehr langgereckte, elegante Figur, die durch die Ruhe der geschlossenen Kontur auffällt und eine Sphäre des Entrücktseins vom Irdischen ausstrahlt.

Moortgat verwendete dieses so gelungene Modell unaufhörlich: Man findet es in Stein, freistehend oder als Teil eines Grabmals, in Holz für die häusliche Verehrung, oder in Porzellan – ausgeführt von der berühmten Manufaktur Rosenthal – und endlich sogar in Gips, gegossen zu Kevelaer. Moortgat muss auf diese Weise mit seiner Madonna das Bild der Muttergottes in zahlreichen Familien zwischen den beiden Weltkriegen bestimmt haben. Auch von anderen Prototypen sind mehrere Wiederholungen bekannt. Dass durch den Übergang der Mitarbeiter aus dem Atelier Brüx in das neue von Moortgat die Unterscheidung des persönlichen Stils beider Werkstätten oft schwierig ist, muss nicht betont zu werden, zumal sowohl bei Brüx als auch bei Moortgat Hubert Daniels mit der Ausführung beauftragt war. Im Jahr 1908 lieferte Brüx für den Eingang des Neuen Friedhofs an der Merowingerstraße eine Gruppe, die Jesus darstellt, wie er ein Ehepaar in den Himmel aufnimmt. Die Figur des Jesus ist verblüffend verwandt mit dem einige Meter weiter stehenden Grabmal der Kinder Schütte von Moortgat – es legt so Zeugnis ab von der Beeinflussung des jungen Moortgats durch Gerd Brüx.

Außer diesen kirchlichen Aufträgen verstand es Moortgat auch gut, sich eine große Beliebtheit als Porträtist anzueignen. In diesem Bereich zeigt er sich als guter Beobachter, der jedoch kaum die gebahnten Wege der Porträtkunst aus seiner Akademiezeit zu verlassen wagt. Porträts von Augustin Wibbelt und vor allem von Felix Timmermans, der ihm 1934 Modell saß, hatten großen Erfolg. Dieses letztere wurde von Moortgat im Jahr 1937 auf der Großen Deutschen Kunstausstellung im Haus der Deutschen Kunst in München ausgestellt und dort von Adolf Hitler für dessen Kunstsammlung erworben – wie man es im Klever Heimatkalender für das Jahr 1938 nachlesen kann.

Obwohl dieser Erfolg Moortgat 1937 auch die nötige Anerkennung eingebracht haben dürftte, wurde dieses Jahr für ihn vornehmlich durch den Bruch mit seinem Partner Hubert Daniels überschattet, mit dem er dreiundzwanzig Jahre verbunden gewesen war. Moortgat unterhielt die Kontakte nach außen, Daniels führte alle Aufträge aus und lebte im Schatten – auch im finanziellen. Daniels machte sich 1937 als Bildhauer und Maler selbständig. Der direkte Anlass zu diesem Bruch scheint in einem Konflikt über den Preis einer Kopie gelegen zu haben, die im Auftrag der Stadt Kleve von dem berühmtesten Bildwerk Kleves, der marmornen Pallas Athene des Artus Quellinus d.Ä. aus dem Amphitheater, gemacht werden sollte. Das Original der Statue sollte in das Heimatmuseum an der Linde gebracht werden, während im Amphitheater die Kopie aufgestellt werden sollte. Da die Kosten für eine Kopie zu hoch waren, blieb das Bildwerk länger als geplant in Moortgats Atelier; nach Ausbruch des Krieges hat dieser es hinten in seinem Garten vergraben, so dass es den Krieg unbeschädigt überdauert hat.

Moortgat musste nun für die Ausführung seiner Modelle einen neuen Mitarbeiter suchen. Sein Hauptmitarbeiter wurde Josef Kleinschmidt, der so lange Zeit bei Gerd Brüx wirksam gewesen, inzwischen aber auch selbständig geworden war und hauptsächlich die Köpfe der Krippenfiguren für Johanna Lamers-Vordermayer und Arbeiten für die Werkstatt Willing in Kevelaer geschaffen hatte. Kleinschmidt führte kleinere Aufträge in seinem Atelier am Rindernschen Deich aus, aber für größere benutzte er Moortgats Atelier. Was die Folgen der Auswechslung der Ausführenden waren, kann man an der Herz Jesu-Gruppe ablesen, die zweimal nach demselben Entwurf ausgeführt worden ist: im Jahr 1928 in Sandstein von Hubert Daniels und 1944 in Lindenholz von Josef Kleinschmidt.

Was die Freundschaft mit Dr. Augustin Wibbelt in Kranenburg-Mehr für das Künstlertum von Achilles Moortgat bedeutete, ist aus heutiger Sicht schwer feststellbar. Dass ihre Freundschaft sehr eng war, wird durch Freunde von beiden bestätigt. Einen Höhepunkt wird sicherlich die Veröffentlichung der Monographie von Augustin Wibbelts dargestellt haben, „Achilles Moortgat. Des Künstlers Werke und ihre Deutung“, die 1932 in bibliophiler Aufmachung in Köln bei der Druckerei H. Ganter erschienen ist. Wibbelt versuchte in diesem Buch seine Gefühle für die inhaltliche Kraft von Moortgats Plastiken in vornehmlich jubelnden Sätzen auszudrücken.

Moortgats Freundschaft mit Felix Timmermans (1886–1947), dem großen flämischen Schriftsteller, scheint nicht weniger eng gewesen zu sein und fand ihren Ausdruck in dem Porträt, dass dieser 1934 von ihm geschaffen hatte.

Nachdem 1939 der Zweite Weltkrieg ausgebrochen war, blieb Achilles Moortgat mit seiner Gattin Louise Mommens und der 1915 geborenen Tochter Mia in Kleve. Moortgat hatte sich den neuen kulturellen Verhältnissen in Deutschland angepasst und war in die Reichskulturkammer eingetreten. Auch hatte er sich naturalisieren lassen, aber gleichzeitig die belgische Staatsangehörigkeit behalten.

Nach dem Luftangriff auf Kleve 1944 wurde Moortgat mit seiner Frau und einem Neffen zu seinem Freunde Ludwig Haan in Grieth evakuiert. Dort blieb er bis zum Frühjahr 1945, als er erneut evakuiert wurde und in das Lager nach Bedburg kam. Weil sein Haus an der Gruftstraße völlig zerstört worden ist, hat Moortgat schließlich die Gelegenheit ergriffen, nach Flandern zurückzukehren.

Neben seiner Tätigkeit als Bildhauer genoss Achilles Moortgat in den vierundvierzig Jahren seines Wirkens am Niederrhein auch große Beliebtheit als Maler. Er baute hier auf die sogenannte Schule von Dendermonde auf, einer flämisch-postimpressionistischen Strömung. In seinen frühen Gemälden, die mit breitem Pinsel und in dunklen Farben gemalt waren, experimentierte er mit Lichtkontrasten. Themen seiner Gemälde waren besonders beliebte flämische Städte wie Brügge und Gent und Motive längs der Schelde; später bereicherte er diese mit Themen aus der Umgebung von Kleve und Blicke auf den Rhein. Einmal gefundene Themen wiederholte Moortgat so oft, wie die Nachfrage nach ihnen bestand – und das konnte durchaus oft der Fall sein.

Moortgats Gemälde müssen zwischen den beiden Weltkriegen dem Geschmack der Klever Bürgerschaft entsprochen haben. Auch seine Person kam den Vorstellungen, die man sich von einem Künstler machte, sehr entgegen. Moortgat war 1936 einer der Mitgründer der klevischen Künstlergilde „Profil“ und nahm im Anschluss auch an deren Jahresausstellungen teil. Nach dem Zweiten Weltkrieg stellte er 1949 noch einmal im Kolpinghaus in Kleve aus; auch in Flandern wurden einige Ausstellungen seines Werkes veranstaltet.

Als er Kleve 1945 verließ, war Moortgat schon vierundsechzig Jahre alt. In den letzten Jahren seines Lebens malte er zwar noch, aber seiner Palette fehlte die Kraft und es gelang ihm nicht, sich in der belgischen Kunstwelt noch einen Platz zu erobern. Dafür war er in der Höhe seiner Schaffenskraft auch zu lange abwesend gewesen. Sein persönliches Leben wurde in den Nachkriegsjahren durch den frühen Tod seiner einzigen Tochter Mia überschattet. Am 9. Dezember 1957 starb er zu Baasrode an der Schelde, wo er seine letzten Lebensjahre verbracht hatte. Am 12. Dezember wurde er auf dem Friedhof seines Geburtsortes St. Gillis bei Dendermonde beigesetzt.

Guido de Werd: „Achilles Moortgat, Bildhauer und Maler“, erschienen in: Katalog der Ausstellung „Achilles Moortgat 1881–1957. Ein flämischer Bildhauer und Maler am Niederrhein“, Städtisches Museum Haus Koekkoek, Kleve 1981