Zwei Neuerwerbungen für die spätmittelalterliche Sammlung des Museum Kurhaus Kleve: „Heilige Luzia“ und „Heiliger Cosmas“

Das Museum Kurhaus Kleve und sein Freundeskreis Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. konnten durch die großzügige Unterstützung der Ernst von Siemens-Kunststiftung und der Rudolf-August Oetker-Stiftung für Kunst, Kultur, Wissenschaft und Denkmalpflege zwei niederrheinische Skulpturen des späten Mittelalters erwerben, die die vorhandene Sammlung mittelalterlicher Plastik vom Niederrhein substantiell ergänzen und abrunden: eine „Heilige Luzia“ und einen „Heiligen Cosmas“.

1997, im Jahr der Eröffnung des Museum Kurhaus Kleve, erwarb die Kunststiftung NRW dreizehn Skulpturen aus der bedeutendsten Sammlung mittelalterlichen Plastik des Niederrheins, die der Benrather Arzt Dr. Adolf Helfer in den 1930er und 1940er Jahren des vorigen Jahrhunderts zusammengetragen hat, für das Klever Museum. Zur Sammlung zählen u.a. der berühmte „Himmelfahrtschristus“, der vermutlich aus dem Xantener Dom stammt und 1477 von Meister Arnt Beeldesnider in Kalkar geschaffen worden ist, und eine „Heilige Katharina“ des Bildhauers Kerstken Woyers. Die letztgenannte Figur ist durch die Entdeckung eines Zettels im Inneren, auf dem die Entstehungsgeschichte der Skulptur und deren Fassung beschrieben wird, von einzigartiger Bedeutung für unsere Kenntnis der mittelalterlichen Plastik in Deutschland. In den beiden darauffolgenden Jahrzehnten konnte die Sammlung, substantiell gefördert von der Kulturstiftung der Länder, der Ernst von Siemens Kunststiftung, der Kunststiftung NRW und einer inzwischen verstorbenen, auf die Kunst des späten Mittelalters spezialisierten Mäzenin, durch hochrangige Werke von Henrik Douverman, Arnt van Tricht und Dries Holthuys essentiell erweitert und damit lebendig gehalten werden.

Bei dem Erwerb der Skulpturen aus der Sammlung Helfer 1997 wurden vier Skulpturen ausgeklammert: zwei weibliche und zwei männliche Heilige, zwei Figuren der „Heiligen Luzia“, eines „Heiligen Ritters“ sowie eines „Heiligen Cosmas“, die der Sammler seinen Kindern, Zwillingen, zur Kommunion geschenkt hat und die im künstlerischen Rang vergleichbar bedeutend sind. Das Museum Schnütgen in Köln erwarb 2016 von einem dieser beiden Kinder die Skulptur einer „Heiligen Luzia“ des Meisters Arnt sowie einen „Heiligen Ritter“.

Aus dem Besitz der Nachfahren konnten sich das Museum Kurhaus Kleve und sein Freundeskreis nunmehr um die Erwerbung der beiden verbliebenen Plastiken bemühen, der zweiten „Heiligen Luzia“ des Meisters Arnt und einer noch nicht näher eingeordneten niederrheinischen Skulptur des „Heiligen Cosmas“. Die Erwerbung glückte schließlich durch die Unterstützung der beiden Stiftungen: Die Ernst von Siemens-Kunststiftung erwarb die Skulptur der „Heiligen Luzia“, die sie dem Freundeskreis der Klever Museen fortan in Form einer Leihgabe zur Verfügung stellt, die Rudolf-August Oetker-Stiftung unterstützte die Erwerbung der Skulptur des „Heiligen Cosmas“ für den Freundeskreis. Beide Werke weisen eine hervorragende Provenienz auf und stammen, wie die meisten Werke der Sammlung Helfer, aus dem Nachlass des bedeutendsten neugotischen Bildschnitzers am Niederrhein, Ferdinand Langenberg, der u.a. für die Restaurierung der Kalkarer Altäre verantwortlich war.

Werke von Meister Arnt sind auf dem freien Markt nicht mehr zu erwerben, weshalb die Erwerbung besonders der „Heiligen Luzia“ für das Klever Museum einen wahren Glücksfall darstellt. Meister Arnt ist eng mit der Geschichte des Niederrheins verbunden, er ist der Entwerfer des berühmten Kalkarer Hochaltares, den er bei seinem unerwarteten Tod Weihnachten 1492 unvollendet zurückgelassen hat, sowie der Schöpfer des Georgsaltares in Kalkar, und des Dreikönigenreliefs im Museum Schnütgen, dessen Ergänzung dort den Anlass für eine hochbedeutende monographische Ausstellung 2020 bildet. Meister Arnt, der 1484 von Kalkar nach Zwolle umgesiedelt ist, hat eine große Werkstatt geleitet, in dem Skulpturen nach seinen Modellen auch von Schülern ausgeführt wurden. Die Bildwerke aus seiner Werkstatt befinden sich in den Kirchen an Rhein und Maas, an beiden Seiten der heutigen deutsch-niederländischen Grenze.

Bei der „Heiligen Luzia“, Eichenholz, Höhe 74 cm, handelt es sich um ein eigenhändiges sensibles Werk, das von großer Eleganz geprägt ist. Die Heilige ist in ein elegantes, relativ enges Gewand und in einen über die Schulter geschlagenen Mantel gekleidet, der vor der Brust mit Kordeln zusammengehalten wird. Der linke Arm löst sich vom Körper. In der rechten Hand mit gespreizten Fingern hält die „Heilige Luzia“ ein aufgeschlagenes Gebetsbuch, in dem sie voller Konzentration liest. Ihr Gesichtsausdruck ist von zarter Anmut gekennzeichnet. Die Figur ist in die Nähe des 1474 entstandenen Klever Chorgestühls in der ehemaligen Minoritenkirche in Kleve einzuordnen, welches einen Höhepunkt der niederrheinischen Plastik markiert. In dem Aufbau der Figur und dem Gesichtsausdruck der Heiligen ist eine Nähe zur Malerei des Kölner Meisters des Bartholomäus-Altars nachweisbar. Die Beziehungen zwischen Meister Arnt und dem Meister des Bartholomäus-Altares wurden im Jahr 2000 in der Kölner Ausstellung „Genie ohne Namen“ nachgewiesen. Bei der „Heiligen Luzia“ handelt es sich um ein singuläres Werk von höchster Qualität.

Der „Heilige Cosmas“ ist von bisher unbekannter Hand um 1500 entstanden und aus Eichenholz geschnitzt, 81 cm hoch. Beim „Heiligen Cosmas“ handelt es sich um eine hochqualitative spätmittelalterliche Skulptur eines am Niederrhein nur selten dargestellten Heiligen. Es zeigt den gelehrten Arzt in eine höfische Tracht gehüllt, über die er einen Mantel geschlagen hat. In der linken Hand hält er ein Buch, in der rechten das Attribut einer Urinflasche. Er trägt einen imposanten Doktorhut. Die sich in einem sehr guten Erhaltungszustand befindliche Figur ist in einer der bedeutenden niederrheinischen Bildhauerwerkstätten des Niederrheins entstanden. Bis heute ist es nicht gelungen, die Skulptur näher einzuordnen, wobei jedoch angemerkt werden muss, dass die Skulptur seit ihrer Präsentation in einer großen kunsthistorischen Ausstellung in Düsseldorf im Jahr 1902 nie wieder öffentlich gezeigt worden ist.

Der Erwerbung der „Heiligen Luzia“ bedeutet für das Museum Kurhaus Kleve die Abrundung der Skulpturengruppe aus der Werkstatt des Meisters Arnt. Bis heute fehlte eine weibliche Heilige des Meisters. In ihr existiert außerdem ein enger stilistischer Zusammenhang mit den Wangenreliefs des Klever Chorgestühls aus dem Jahr 1474. Der „Heilige Cosmas« bildet ein herausragendes Beispiel für die Darstellung und Verehrung eines am Niederrhein nur selten abgebildeten Heiligen. Die Figur fügt der Sammlung mittelalterlicher Bildwerke eine attraktive neue Facette hinzu.