
Maler*in (Ausführung): Adriaen Hendriksz. Verboom (um 1628 - um 1670)
Beschreibender Titel: Blick auf Kleve
Datierung: um 1650 (Herstellung)
Museum: Museum Kurhaus Kleve
Typ: Kunstwerk
Gattung: Gemälde
Inventar Nr.: 2022-II-I
Das vorliegende Werk gehört zur niederländischen Landschaftsmalerei des 17. Jahrhunderts und gehört im engeren Sinne zur Schule des namhaften Jacob van Ruisdal (HaarJem 1628/29–1682). Dargestellt ist eine von starken Hell-Dunkel-Kontrasten dominierte Ansicht der Stadt Kleve, die als brandenburgische Residenz ein hohes Ansehen unter den niederländischen Landschaftsmalern genoss und nicht selten die erste Station ihrer damals üblichen Rhein-Tour bildete. lhre pittoreske Lage zwischen dem steil aufragenden Kennisdahl-Berg samt Schwanenburg und der sich weit in die Ebene erstreckenden Unterstadt bildet auch bei dieser malerischen Schilderung das Hauptmotiv. Eine zentrale Baumgruppe unterteilt das Bild in die linke Hälfte mit der topographisch nicht exakten Wiedergabe der Klever Burg und die rechte Hälfte der eigentlichen Stadtarchitektur an den Ufern des idealisierten Rheinarmes. Belebt wird die Szenerie durch eine bukolische Gruppe mit Hirt und Rindern sowie eine Wäsche-Bleiche an den Flussauen im Bildvordergrund. Das Werk gehört zum Genre der um diese Zeit sehr populären Panoramalandschaften, die von einem erhöhten Betrachter-Standpunkt aus weite Blicke im Wechselspiel von Nah- und Fernsicht eröffneten und atmosphärisch verdichteten.
Neben Köln ist Kleve die im 17. Jahrhundert meist gezeichnete und gemalte Stadt Deutschlands. Die Lage nahe der holländischen Grenze, die malerisch auf dem steilen Hügel gelegene Burg und der Weitblick in die flache Rheinlandschaft üben eine große Anziehungskraft auf die holländischen Landschaftsmaler des Goldenen Jahrhunderts aus. Oft besuchten sie Kleve am Beginn ihrer Rheinreise. Nach der Mitte des 17. Jahrhunderts erhöhten die von dem brandenburgischen Statthalter Johann Moritz von Nassau-Siegen initiierten Gartenanlagen mit den vielen Alleen, die von mehreren Seiten den Blick auf Kleve zur Augenweide machten, noch einmal die Attraktivität der brandenburgischen Residenzstadt. Viele Gemälde und Zeichnungen der holländischen Maler befinden sich heute in den großen Museen der Welt, z.B. im Rijksmuseum Amsterdam oder in den Staatlichen Museen in Berlin. Auch das Klever Museum konnte in den vergangenen Jahrzehnten einige wenige Beispiele erwerben, u.a. von Frans de Hulst, Adriaen Hendriksz. Verboom und Frederick de Moucheron.
Die gemalten Ansichten Kleves können in zwei Gattungen unterschieden werden: Einerseits in den Blick auf die Stadt aus der Niederung, andererseits auf den Blick von den Höhen des Kermisdahlbergs an der Burg vorbei über die Unterstadt auf die Rheinebene bis nach Elten.
Viel beliebter bei den Malern des 17. Jahrhunderts war der Blick von den Höhen über den Kermisdahl an der Burg entlang über die Klever Unterstadt mit dem Kermisdahl auf Hochelten. Bei dieser zweiten Gattung steht der Maler meist auf der Ebene des Betrachters und ist Teil der Landschaft, anders als bei den Panoramalandschaften, in denen der Maler einen höheren, fiktiven Standpunkt sucht, der ihm einen panoramischen Blick über die Landschaft ermöglicht. Wie mit einem Weitwinkel verbindet er weit entlegene Elemente, die der Beobachter mit eigenen Augen nicht auf einmal erfassen kann.
Es ist die erste Gattung, die uns bei dem vorliegenden Gemälde beschäftigt. Zahlreiche Zeichnungen und eine Reihe von Gemälden belegen die Popularität dieses Motivs um die Mitte des 17. Jahrhunderts. Ein schönes Beispiel befindet sich in der Sammlung Angerhausen im Museum Kurhaus Kleve, entstanden um 1650. Sie wurde geschaffen von Herman Saftleven (Rotterdam 1609–1685 Utrecht) und zeigt uns das eindrucksvolle Panorama vom Kermisdahlberg. Im Vordergrund erklärt ein Mann seiner Frau die weiträumige Landschaft. Links, vom Bildrand abgeschnitten, die Klever Burg, im Vordergrund die Ruine der Bastei, die Quermauer, die bis an den Kermisdahl den Hang gliedert und die Unterstadt mit den beiden quadratischen Türmen: dem Pulverturm und dem Turm des Wassertores.
Auch das vorliegende, bis jetzt unbekannte Gemälde aus Klever Privatbesitz folgt diesem Schema. Es ist gemalt auf Holz und hat die Maße 44,8 x 60,5 cm. Das Gemälde zeichnet sich aus durch eine große Variation von dunkelgrünen und dunkelbraunen Tönen. Der Maler steht auf der Höhe des Kermisdahlbergs, nicht weit südlich von der Klever Burg, und zeigt einen Blick über die Unterstadt und die Rheinebene bis nach Hochelten, überspannt von einem weiten Himmel. Im Vordergrund trocknet Wäsche auf einer Bleiche. Ein Holzsteg reicht ins Wasser des Kermisdahls, wohl eine Phantasie auf die sich dort ehemals befindliche Holzbrücke. Dahinter der quadratische Pulverturm. Weiter nach hinten die rund bogige Steinbrücke. Im Dächergewirr der Unterstadt ist der Dachreiter der Minoritenkirche erkennbar. Der Rhein windet sich als silberner Streifen durch die zum Horizont sich ausbreitende Ebene. Der Weitblick wird am Horizont von der Kuppe des Eltenberges begrenzt.
Etwas links von der Bildmitte ragen zwei junge Bäume ins Bild, die das Gemälde in zwei Hälften gliedern. Links im Vordergrund erholt sich ein Hirte mit seinen beiden Kühen an der Bastei. Dieses Motiv verleiht der Landschaft einen bukolischen Charakter. Am linken Bildrand erhebt sich, als Bildabschluss, dunkel und eindrucksvoll die Klever Burg, hier bestehend aus mehreren Einzelbauwerken. Was der Maler uns hier zeigt, hat keine topographische Genauigkeit, ist aber für den ortskundigen Betrachter leicht erkennbar als eine Variation auf die Architektur der Klever Burg. Der Turm im Vordergrund ist der Quartierturm, in dem das mit einem Wappen geschmückte Zugangsportal zum unteren Burghof erkennbar ist. Der Quartierturm verdeckt teilweise den Schwanenturm. Der Palas wurde vom Maler nicht exakt wiedergegeben. Das Sonnenlicht beleuchtet die Südseite der Burg und die weite Rheinlandschaft, während die Nordseite der Burg in einem dunklen Schatten liegt, der sich über die nahen Bereiche der tiefer gelegenen Unterstadt ausbreitet. Der Kermisdahl wie auch die weiträumige Rheinebene strahlen hingegen im Sonnenlicht. Das Bild verdankt seine Wirkung vor allem diesen starken Hell-Dunkel-Kontrasten; die vielen Brauntöne verleihen ihm eine stimmungsmäßige Schwere.
Wer der Maler dieser Landschaft war, war lange Zeit undeutlich. Der Künstler hat das Gemälde nicht signiert. Als ein Klever Sammler es 2002 auf einer Londoner Auktion erwarb, wurde es einem Nachfolger des niederländischen Landschaftsmalers Gerrit van Baltem (Rotterdam 1636–1684) zugeordnet. Diese Zuschreibung war nicht überzeugend. Wenig später erkannte Marijke de Kinkelder vom Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie in Den Haag das Gemälde als eine Arbeit von Adriaen Hendriksz. Verboom (Rotterdam 1627–1673). Verboom ist ein Landschaftsmaler, beeinflusst aus dem Umkreis des berühmten Jacob van Ruisdael (Haarlem 1628/29–1682). Seine Landschaften sind meist in starken, lief bräunlichen oder schwärzlichen Tönen gemalt und er ließ diese oft von Zeitgenossen wie Adriaen van de Velde oder Philips Wouwerman staffieren. Es ist bis heute nicht bekannt, ob Verboom jemals Kleve besucht hat oder ob er auf Skizzen anderer Maler zurückgreifen konnte. Einen Hinweis, dass er in Kleve war, gibt ein Gemälde in der Hamburger Kunsthalle, in dem die Klever Stiftskirche als Motiv figuriert. Verboom versuchsweise zugeschrieben ist auch das großformatige, 1977 vom Klever Museum erworbene Bild mit einer Ansicht der Stadt Kleve vom Ufer des Kermisdahls aus.
Guido de Werd, Freunde sammeln. Eine Klever Ansicht von Adriaen Hendriksz. Verboom in der Sammlung eines Freundeskreismitglieds, in: Museums Reporter Nr. 21, Dezember 2018