Maler*in (Ausführung): Jan Baegert (um 1465–um 1535)
Beschreibender Titel: Gnadenstuhl
Datierung: um 1510 - 1530 (Herstellung)
Museum: Museum Kurhaus Kleve
Typ: Kunstwerk
Inventar Nr.: Hauptverz.-Nr. 8 a (1)
Das vertikal symmetrisch aufgebaute Werk zeigt frontal den bekrönten Gottvater mit rotem Mantel auf einem Thron, den Heiligen Geist als Taube auf Brusthöhe Gottes und darunter Jesus am Kreuz als Dreinageltypus.
Die Gestalt des Gottvaters ist wesentlich größer als die von Jesu und nimmt den Großteil der Bildfläche ein. Die Goldborte am roten Mantel Gottvaters zeigt ein in Maßwerk eingefasstes Figurenprogramm. Am unteren Ende des Kreuzes befindet sich das Schild der Dreifaltigkeit. Flankiert wird die Trinitätsdarstellung von zwei betenden Engeln neben dem Thron und zwei Engeln darüber, die eine Girlande halten. Ein Ausschnitt eines Raumes mit blauem Baldachin und je einem halb angeschnittenen Fenster links und rechts dient als Hintergrund. Der Boden ist, leicht abweichend von anderen Bildtafeln Baegerts, hellblau-weiß kariert gefliest. Der Lichteinfall geht von der linken Seite der Betrachtenden aus.
Der Baldachin in Jan Baegerts Werk verweist auf das Allerheiligste, in dem die Bundeslade mit Gnadenstuhl aufbewahrt wurde. Auch die Engel werden im Neuen und Alten Testament speziell als Bestandteil des Gnadenstuhls beschrieben und finden sich in der Darstellung wieder. Sie flankieren die Dreifaltigkeit im Bild wie die Herrlichkeitsvorstellung des Gnadenstuhls laut Bibel.
Gottvater ist in der Regel, wie auch hier, als Greis dargestellt. Er trägt eine offene Lilienkrone mit Bügeln und einem kleinen Kreuz an der Spitze. Eine Bekrönung war für Trinitätsdarstellungen sehr geläufig. Die Abbildung von Gottvater als Kaiser oder Papst findet sich ab dem 14. Jahrhundert. Zeitgenössische Kleidung war ein allgemein gängiges Stilmittel der späten Gotik, die nicht nur eine Lösung für das fehlende Wissen um die eigentlichen Gewänder der biblischen Figuren bot, sondern auch ein Mittel um die Aktualität der Inhalte zu betonen und deren Nachvollziehbarkeit für die Betrachtenden zu vereinfachen. Friedrich Gorissen erkennt auf den Borten des Mantels Gottes die Apostel. Da man durch den Faltenwurf lediglich sechs Figuren teilweise und ohne Merkmale erahnen kann, ist dies schwer zu bestätigen. Der Mantel wird von einem großen, runden Medaillon zusammengehalten, dessen Motiv man ebenfalls nicht klar definieren kann, weil es durch die Taube verdeckt wird. Der Stoff des Mantels, wie auch des Baldachins, ist vermutlich ein Seidendamast. Seit dem 12. Jahrhundert wurde der Stoffhandel mit Italien, besonders für Seidenstoffe, mit den nahe gelegenen Niederlanden intensiviert und spätestens über das 14. Jahrhundert hinweg nahm die Kunst diese Entwicklung auf und zeigte dargestellte Personen mit Kleidung aus Brokat, Samt und Damast. Jan Baegert verwendet für die Kleidung Gottes zwar aufwendige Stoffe, ist aber in der Nutzung von Goldelementen deutlich sparsamer als bei der Darstellung der Maria und der Gregoriusmesse.
Das Kreuz Jesu ist ein Antoniuskreuz. Jan Baegert nutzte diesen Kreuztypus für alle seine Gemälde mit dem Gekreuzigten. Am Fuße des Kreuzes befindet sich das Schild der Dreifaltigkeit. Sofern ein weiteres Bildelement zu Füßen Jesu, beziehungsweise zu Fuße des Kreuzes, gegeben ist, findet man wesentlich häufiger eine Weltenkugel vor. Warum Jan Baegert das Schild der Dreifaltigkeit wählte, kann verschiedene Gründe haben. Eine offene Frage ist, wie er in Kontakt mit dem Schema kam. Am naheliegendsten ist, ebenso wie bei anderen motivischen Vorbildern, eine Druckgraphik. Bisher wurden in der Literatur allerdings keine Schlüsse dazu gezogen und es finden sich keine offensichtlichen vergleichbaren Werke, die das Schild der Dreieinigkeit zeigen, geschweige denn mit einem Gnadenstuhl verbinden. Aufgrund des Umstandes, dass zwischen dem Werk und einem Kartäuserorden Verbindungen bestehen, die das Athanasische Glaubensbekenntnis nutzten, könnte man vermuten, dass die Darstellung des Schildes der Dreifaltigkeit möglicherweise ein konkreter Wunsch der Auftraggebenden war.
Auch ein weiterer Aspekt fällt bei dem Schild der Dreifaltigkeit auf: Statt das Schema, wie es üblich ist, aufrecht auf eine Spitze zu stellen, damit „das Hervorgehen des Geistes aus dem Vater und dem Sohn [suggeriert wird]“, liegt die Dreiecksform des Schildes mit dem Vater an der Spitze. Dadurch bildet das Schema einen Ständer für das Kreuz. Außerdem entzieht Baegert dem Schild die Form des Dreiecks als abstrakteres Zeichen für die Dreifaltigkeit, indem es lediglich gleichschenklig und nicht gleichseitig ist. Aber auch die Form eines wortwörtlichen Schildes, in der dieses Dreifaltigkeitsschema auch oft zu finden ist, wird durch die Drehung nicht aufgegriffen.
Ein Nebeneinander von Schrift und Bild tritt in Jan Baegerts Werk in der Form von Schriftbändern auf, die nicht in ein Schema eingebunden sind, wie im Cappenberger Altar. Die Nutzung eines beschrifteten Schemas ist für sein Werk einzigartig.
Verfasst von Jacqueline Kiefer für den Katalog zur Ausstellung „Schönheit und Verzückung. Jan Baegert und die Malerei des Mittelalters“ 2024 im Museum Kurhaus Kleve.
- Kat. d. Ausst. „Jan Baegert: Zwei kleine Altarwerke des Weseler Malers ‘Jan Baegert’ um 1525“, bearb. v. Friedrich Gorissen, hrsg. v. Städtischen Museum Haus Koekkoek aus Anlass der gleichnamigen Ausstellung (20. Juli – 29. September 1963), Kleve 1963, S. 9-15, Nr. 1-4
- Tschira van Oyen, Gundula: Jan Baegert – Der Meister van Cappenburg, Ein Beitrag zur Malerei am Niederrhein zwischen Spätgotik und Renaissance – Gesamtdarstellung und kritischer Katalog, Baden-Baden 1972, S. 50/52, 88f, Nr. 31-34
- Bestandskatalog „Städtisches Museum Haus Koekkoek Kleve – Katalog Gemälde, Zeichnungen, Skulpturen und Kunstgewerbe“, bearb. v. Guido de Werd, hrsg. v. Städtischen Museum Haus Koekkoek Kleve mit Unterstützung des Landschaftsverbands Rheinland, Kleve 1974, S. 19f., Abb. Abb. 7-10, Nr. 15
- Auswahl- / Bestandskatalog „Mein Rasierspiegel – Von Holthuys bis Beuys“, hrsg. v. Guido de Werd im Auftrag des Freundeskreises Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. aus Anlass der gleichnamigen Abschiedsausstellung des scheidenden Gründungsdirektors Guido de Werd im Museum Kurhaus Kleve (9. September 2012 – 13. Januar 2013), Kleve 2012, S. 437, Abb. S. 426, Nr. 5.38
- Kat. d. Ausst. „Schönheit und Verzückung. Jan Baegert und die Malerei des Mittelalters“, bearb. v. Valentina Vlašić, hrsg. v. Freundeskreis Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. aus Anlass der gleichnamigen Ausstellung im Museum Kurhaus Kleve (24. März – 23. Juni 2024), Kleve 2024, S. 196–199, Abb. S. 197, Nr. 15
- Kunst des Mittelalters und des Barock rund um den Katharina von Kleve-Saal im Gebäudeteil Friedrich-Wilhelm-Bad, Museum Kurhaus Kleve – Ewald Mataré-Sammlung, Kleve, 09.09.2021
- Schönheit und Verzückung. Jan Baegert und die Malerei des Mittelalters, Museum Kurhaus Kleve – Ewald Mataré-Sammlung, Kleve, 24.03.2024 - 23.06.2024
Engel
in der Luft schweben
Ornamente in Form von Laubwerk, Ranken, Zweigen - AA - stilisiert
die Heilige Dreifaltigkeit, Trinitas coelestis, Vater, Sohn und Heiliger Geist in der christlichen Religion
Dreifaltigkeit, bei der Gottvater und Christus als menschliche Figuren und der Heilige Geist als Taube dargestellt werden
Dreifaltigkeit, bei der mindestens eine Figur in menschlicher Gestalt dargestellt ist
Baegert, Jan