Bildhauer*in (Ausführung): Günther Zins (1951)
Künstlertitel: Versinkender Würfel
Datierung: 1993 (Herstellung)
Museum: Museum Kurhaus Kleve
Typ: Kunstwerk
Inventar Nr.: 1993-08-01
Stahl ohne Schwerkraft
„Versinkende“ Würfel nannte Günther Zins seine 1993 entstandene Skulptur im Klever Forstgarten unmittelbar vor den Toren des Museums Kurhaus Kleve. Es ist ein aus vier Stadien bestehendes Werk. Ein Würfel steht in der Bewegung eingefroren auf einer kleinen Insel inmitten des Sees auf seiner Ecke – wie jener ins Wasser gefallene wieder mit zartem Strich in die Luft gemalt: Skizzenhaft umrissener, aber genau definierter Raum.
Als habe nun jemand mit unsichtbarer Hand diesen Würfel in die Landschaft gezeichnet und angestoßen – wobei der Ausgangspunkt wie eingefroren auf der Insel stehen bleibt – purzelt er über die Uferböschung hinweg und taucht im zweiten Stadium mit einer Ecke ins Wasser. In diesem Teil öffnet sich der von der Stahllinie definierte Raum, umfängt mit der Spiegelung im Wasser weiteren Raum, löst sich als Würfel auf. Wie in einem Vexierbild stoßen jetzt in der Spiegelung Linien aufeinander, die neue räumliche und doch räumlich nicht mögliche Figuren zeichnen: Der Kubus über dem Wasser verbindet sich mit dem Kubus der Spiegelung. Dann steht der Würfel mit allen „Vieren“ im Wasser: Spiegelung und Skulptur werden zum passenden Bild, bevor die Figur endgültig versinkt.
Zins hat alle Stadien einer Bewegung Bild für Bild eingefangen, hat die Statik der Skulptur als Ablauf von Bewegung mit der ihr eigenen Dynamik aufgehoben. Die feinen Stahlzeichnungen, die als Figur im Wasser verschwinden, heben aber auch die Materialität, die Festigkeit eines Kubus auf: Die Spiegelungen erweitern den zuvor klar definierten, mit stählernen Linien gezeichneten Raum – und zwar nicht in einem vorher festgelegten Raster, sondern in Räumen, die vom Standort des Betrachters, von der Witterung und der damit verbundenen Spiegelung bestimmt werden.
Die Linie als Zeichen hat Zins immer wieder fasziniert. Schon bald befreite der Klever diese Linie von der zweidimensionalen Bildfläche des Malers (wie er sie 1987 noch in pastos aufgespachtelte Ölfarbe gravierte). Zunächst noch als farbige Zeichnung auf Plexiglas in den Raum gesetzt, begann er 1988 mit Stahl zu arbeiten: Es entstanden jene geometrischen, ungemein leichten und schwerelosen Kuben und Würfel, die wie eine Raumzeichnung am Himmel stehen, im Wind schwingen oder aber – scheinbar jeglicher Materialität enthoben – im Boden versinken oder durch Wände fallen. Stets gehen seine Skulpturen einen engen Dialog mit der sie umgebenden Landschaft oder Architektur ein. Dabei überwinden sie wiederum die Trennung zwischen dem steinernen Bau und der Natur, indem sie beides in ihren zartumrissenen Korpus aufnehmen.
- Kat. d. Ausst. „52 Werke aus der Sammlung des 20. Jahrhunderts“, bearb. v. Guido de Werd, Roland Mönig und Ursula Geißelbrecht-Capecki, hrsg. v. Freundeskreis Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. aus Anlass der Eröffnung des Museum Kurhaus Kleve – Ewald Mataré-Sammlung am 18. April 1997, Kleve 1997, Nr. 19
- Wiltrud Schnütgen, Kleve - Cleves - Kleef, Kleve: Klevischer Verein für Kultur und Geschichte / Freunde der Schwanenburg e.V. 2010, Abb. S. 96
- Katalog der Ausstellung „Günther Zins: Präzision & Leichtigkeit“, hrsg. v. Freundeskreis Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. aus Anlaß der geichnamigen Ausstellung im Museum Kurhaus Kleve, 2021, S. 131, Abb. S. 123, Nr. 101