Photograph*in (Ausführung): Fritz Getlinger (1911–1998)

BEUYS IM KURHAUS: Er wollte die Dinge und Personen in ihrem ursprünglichen Milieu photographieren, in einem Licht, das ein natürliches Licht ist, in einer Pose, die nicht gekünstelt ist. Als der Klever Photograph Fritz Getlinger in den frühen 1950 Jahren im Atelier des Malers Hanns Lamers den damals noch jungen Joseph Beuys kennenlernte, war Getlinger bereits ein Photograph, der seinen künstlerischen Weg eingeschlagen hatte und immer wieder mit Künstler*innen und Kunst konfrontiert wurde. Er fand so den für ihn typischen Weg, die Dinge nicht einfach kataloggemäß abzu­photographieren, sondern die vor allem auch den Skulpturen innewohnende Plastizität zu wahren. Und er stellte die Dinge nicht vor eine weiße Wand, stellte sie nicht losgelöst von ihrer Umgebung dar – Getlinger wählte eine Perspektive, wie sie durchaus alltäglich sein konnte.
Nach ersten Porträts schon unmittelbar bei dem Treffen im Atelierturm von Hanns Lamers photographierte Getlinger den späteren Freund Joseph Beuys immer wieder, auch bei seiner Arbeit. 1958 mietete Beuys einige Räume im alten Klever Friedrich-Wilhelm-Bad. Zusammen mit seinem Vetter Norbert Hülsmann, einem Schmied, arbeitete Beuys hier am Ehren­mal für die Gefallenen des Zweiten Weltkriegs, das später im alten Büde­richer Kirchturm errichtet wurde. Es sollte der größte öffentliche Auftrag werden, den der Klever Künstler ausführen konnte. In kaum einem anderen Werk ist das Thema des Kreuzes so monumental verwirklicht wie in dem drei Meter großen, im alten Büdericher Kirchturm freischwebenden Kruzifix.
In diesem Atelier machte Fritz Getlinger eine Photo­reihe, die zum einen die von Beuys geschaffenen Werke, zum anderen den Künstler an seinem Arbeitsplatz zeigt. Beuys, mit der Linken auf das Kreuz gestützt, blickt in die Kamera und hält die Rechte, als wolle er das Kreuz bearbeiten. Ein Photo, das einen zufälligen Blick in das Alltagsleben des Bild­hauers geben will. Und doch: Als sei es genau dort plaziert, zieht im Hinter­grund ein geflicktes Ofenrohr nach oben, steht rechts ein altmodischer Wasserkessel auf einer Kiste. Auf dem Photo sind die Dinge so verteilt, dass jedes seinen Platz in einer Gesamtkomposition zu haben scheint, sei es der grobe Holzklotz im Vordergrund oder das rechts angeschnittene Tischbein­geviert.
Ein anderes Bild dieser Reihe zeigt eine Gesamtansicht des Ateliers, Beuys eher im Hintergrund. Auch hier ist das Photo wieder ausgewogen in seiner Komposition, wird der Blick unwillkürlich auf den in der Mitte des Bildes stehenden Beuys geführt, wird so der eigentliche Hintergrund zum Vorder­grund. Diese Photos dokumentieren zugleich die Kunst Getlingers wie das Schaffen Beuys’ im Klever Kurhaus.