Bildhauer*in (Ausführung): Ewald Mataré (1887–1965)
Künstlertitel: Weiblicher Kopf
Datierung: um 1926 (Herstellung)
Museum: Museum Kurhaus Kleve
Typ: Kunstwerk
Gattung: Plastik / Skulptur
Inventar Nr.: 2021-VIII-II
Werkverzeichnis Nr. (neu): WV P 42
Werkverzeichnis Nr. (alt): WV P 36
Ewald Mataré schuf den „Weiblichen Kopf“ 1926, aus einem zusammenhängenden Stamm aus rötlichem Birnbaumholz, wodurch er heute (ohne Plinthe) eine Höhe von 29 cm aufweist. Dabei nutzte er die von oben nach unten verlaufende Maserung des Stammes, um dem Porträtkopf optisch eine fließende, elegant wirkende Bewegung zu verleihen. Die handwerklich exzellente Umsetzung korrespondiert mit Matarés präzisem Charakter, ist aber – zeitlich gesehen – ungewöhnlich, da Mataré erst kurz zuvor überhaupt zur Bildhauerei gefunden hat. Ausgebildet wurde er als Maler, einer Profession, mit der er noch bis in die 1930er Jahre firmierte.
1920 bildet ein Schlüsseljahr für den Künstler: Mangels teurer Ölfarben findet er in der Isolation auf der rauen Nordseeinsel Wangerooge zum Holzschnitt, den er aus Schwemmholz vom Strand schnitzt und wobei wie im Rausch hundert heute als ikonisch geltende Holzschnitte entstehen, mit denen Mataré stilistisch gesehen eine völlig neue Ära einläutete: Nie zuvor und nur noch selten danach verschränkte er sowohl Form, Inhalt und Aussage auf derart präzise und reduzierte Weise. Zudem begeisterte ihn die neu entdeckte Tätigkeit, da er sich – wie er in seinen Tagebüchern vermerkte – über den natürlichen Widerstand des Holzes auf seine vorwärtsstrebende Hand freute, die seinem Denken so viel mehr entsprach als das Aufbringen von Farbe auf einem Maluntergrund.
Die erste Skulptur entsteht zwei Jahre später, 1922, als Mataré in Spiekeroog einen weiblichen Halbakt aus Pappelholz schnitzt (der sich heute im Museum Ludwig in Köln befindet). Die erste Skulptur seines Markenzeichens, der Kuh, entsteht schließlich im Jahr darauf, die „Stehende Kuh / Windkuh“ (die im Unikat heute als verschollen gilt), die gänzlich minimal in der Ausführung ist, nur Schwingungen und Rundungen aufweist, keine Details und Erhebungen. 1922 stirbt Matarés Vater, wodurch er eine schwere Depression erlitt, die jedoch schließlich bei ihm zu einem neuen Selbstverständnis als Künstler führt. Rettung findet er auch in Hanna Hasenbäumer (1891–1983), die er 1922 heiratet, die er jedoch für die folgenden Jahrzehnte jedes Jahr monatelang verlässt, um in der Zurückgezogenheit der selbst auferlegten Isolation inmitten der Natur an seinen Werken zu arbeiten.
1926 bildet ein Schlüsseljahr in seinem Leben: sein einziges Kind, seine Tochter Sonja wird geboren und in den Nachfolgejahren sieht sich Mataré in der Pflicht, als Ernährer seiner Familie aufzutreten, wodurch er schließlich 1932 eine Professur an der Akademie der Bildenden Künste in Düsseldorf annimmt – vorerst widerwillig, da er – wie er wieder in seinen Tagebüchern vermerkt – dadurch gebunden ist und sich nicht mehr ausschließlich der freien Kunst widmen kann. Doch 1926 bildet einen Höhepunkt seiner bisher kurzen Tätigkeit als Bildhauer und es entstehen die bisher radikal minimalsten Werke in seinem Denken und Handeln, wie etwa die „Schreitende / Torso“ (deren Unikat aus Holz sich heute im Edwin Scharff Museum, Neu-Ulm befindet) und der „Männliche Kopf“ (dessen Unikat sich heute in der Nationalgalerie Berlin befindet und für den der hier besprochene „Weibliche Kopf“ ein Pendant ist). Sie wurden – mit hoher Wahrscheinlichkeit auch gemeinsam mit dem „Weiblichen Kopf“ – bei seiner ersten Einzelausstellung seiner Plastiken im Oktober 1926 in Berlin, im Kunstsalon Fritz Gurlitt präsentiert.
Der „Weibliche Kopf“ ist spektakulär: Er scheint nur einen Hauch von manueller Bearbeitung aufzuweisen, so minimal erheben sich Stirn, Nase und Kinn von der wie fließend wirkenden Oberfläche. Er weist keinerlei Details auf – keine Augenlider oder Brauen –, doch zeigt alles, was nötig ist – einen geradezu arche-typischen Kopf einer schönen Frau. Die Reduktion der Form auf elementarste Grundzüge, nach der Mataré lebenslang strebte, findet hier einen perfekten Widerhall. Noch 1924 schreibt er in sein Tagebuch: „Wahre Plastik kennt eigentlich keine Überschneidung innerhalb der Form, und es ist ständig ein Zuviel, was man macht.“ Er zeigt den Kopf einer jungen Frau in aufrechter Haltung und in völliger Stille, unprätentiös, aber gerade dadurch sensationell.
Es existieren keine Bronzen dieses Holzunikats, das dadurch nur noch mehr in seiner Einzigartigkeit bestätigt wird. Durch seine Tagebucheinträge wissen wir, dass sich Mataré bei der Erstellung des „Weiblichen Kopfs“ vermutlich auf das Gesicht der Schauspielerin Annemarie Mummenhoff (1903–1983) bezog, die er in den 1920er Jahren kennenlernte. Ob Mataré, der dem weiblichen Geschlecht trotz Ehefrau und Tochter stets zugetan war, ein Verhältnis mit der jungen Frau hatte, ist unbekannt. Doch es ist aus-sagekräftig, dass Mummenhoff nicht an der Erwerbung der Porträtskulptur interessiert war, wodurch sie in Matarés Besitz verblieb, bis sie in den 1950er Jahren von Margrit Loh erworben wurde. Sie markiert zugleich den Endpunkt seines freien Schaffens als auch den Höhepunkt seines minimalen Denkens in Hin-blick skulpturaler Formgebung.
Ewald Mataré zählt zu den herausragenden Vertretern der Klassischen Moderne in Deutschland, der einen wichtigen Beitrag zum Menschenbild des 20. Jahrhunderts geleistet hat. Seine Impulse fand Mataré in der Kunst alter Kulturen (vor allem in Ägypten und Griechenland), die für ihn überzeitliche Gültigkeit besaß und deren geometrische Klarheit und formale Strenge er für seine eigenen Skulpturen umdeutete.
Die Skulptur der Moderne ist durch die formelhafte Darstellung gekennzeichnet, die nicht mehr den einzelnen oder eine bestimmte Art Mensch, sondern die gesamte Gattung zu umschreiben versucht. Maillol und Barlach unternahmen erste Versuche in diese Richtung, die durch amorphe Interpretationen von Künstlern wie Constantin Brancusi, Hans Arp oder Henry Moore ersetzt wurden. Henri Laurens, Wilhelm Lehmbruck und Henri Matisse betrieben Proportionsverschiebungen, Oskar Schlemmer und Rudolf Belling setzten anthropomorphe Elemente ein oder steigerten die plastische Form bis zum symbolhaften Zeichen.
Ewald Matarés Menschenbild bewegte sich stets inmitten dieser Strömungen. Mit dem „Weiblichen Kopf“ setzte er sich vom Illusionismus der Naturform ab und wendete sich der gezielten Formenanalyse zu. Der Gesichtsausdruck seiner Skulptur ist unbestimmt und ohne Porträthaftigkeit, die Sinnesorgane sind nur an-gedeutet. Details entfallen zugunsten einer einheitlichen Formengebung, einer regelrechten Elementarform („… alles Individuelle will ich weglassen, nur das allgemein Gültige herausstellen“, Tagebücher 1935). Sein glatt polierter „Weiblicher Kopf“ erscheint insofern wie durch Witterungseinflüsse über Jahrzehnte abgeschliffen.
Mataré entzieht sein plastisches Werk von Beginn an allen expressionistischen Einflüssen (während er sich in der Malerei und Graphik noch eine Zeit lang damit auseinandersetzte). Als scheue er die Indiskretion, verzichtet er bei seinen Skulpturen auf eine Enthüllung im Sinne des Expressionismus. Ebenso wenig strebt er ein idealisierendes oder (wie bei Maillol oder Barlach) zur Formelhaftigkeit tendierendes Bild an. Er deutet immer eine bildnishafte Ähnlichkeit zu einem Modell an (etwa bei den Porträtbüsten seiner Frau), verdichtet seine Werke jedoch zum Zeichenhaften, so dass sie die Vorstellung von primitiven Kultgegenständen hervorrufen. Bestellte Arbeiten führt er kaum aus, seine Porträts entstehen immer aus persönlichen Antrieben.
Der vorliegende „Weibliche Kopf“ (1926) von Ewald Mataré ist ein Archetyp oder eine Urform menschlichen Daseins und besitzt insofern einen besonderen Unikatcharakter.
Der „Weibliche Kopf“ von Ewald Mataré scheint nur einen Hauch manueller Bearbeitung aufzuweisen, so minimal erheben sich Stirn, Nase und Kinn von der wie fließend wirkenden Oberfläche. Er besitzt keinerlei Details – Augenlider oder Brauen –, doch zeigt alles, was nötig ist – einen geradezu archetypischen Kopf einer Frau. Die Reduktion der Form auf elementarste Grundzüge, nach der Mataré lebenslang strebte, findet hier einen perfekten Widerhall.
Noch 1924 schrieb er in sein Tagebuch: „Wahre Plastik kennt eigentlich keine Überschneidung innerhalb der Form, und es ist ständig ein Zuviel, was man macht.“ Zu sehen ist der Kopf einer schönen Frau in aufrechter Haltung und in völliger Stille, unprätentiös, aber gerade dadurch sensationell.
Durch Matarés Tagebucheinträge wissen wir, dass hier vermutlich das Gesicht der Schauspielerin Annemarie Mummenhoff (1903–1983) dargestellt ist, die er in den 1920er Jahren kennenlernte. Seine Porträts entstanden immer aus persönlichen Antrieben heraus, bestellte Arbeiten führte er kaum aus. Ursprünglich als Maler ausgebildet, fand er erst Anfang der 1920er Jahre zum Holzschnitt und anschließend zur Bildhauerei. Der natürliche Widerstand des Holzes auf seine vorwärtsstrebende Hand entsprach seinem Denken und Handeln viel mehr als das Aufbringen von Farbe auf einem Maluntergrund.
Der „Weibliche Kopf“ entsteht in einem Schlüsseljahr für seine somit vergleichsweise noch kurze Tätigkeit als Bildhauer, in dem er die bislang radikal minimalsten Werke erstellt – wie etwa die „Schreitende/Torso“ (heute im Edwin Scharff Museum, Neu-Ulm) und den „Männlichen Kopf“ (heute in der Nationalgalerie Berlin). Die Werke wurden vermutlich gemeinsam bei der ersten Einzelausstellung seiner Plastiken im Oktober 1926 im Kunstsalon Fritz Gurlitt in Berlin präsentiert.
Als im selben Jahr seine Tochter Sonja geboren wurde, nahm er einige Jahre später eine Hochschultätigkeit an. Der „Weibliche Kopf“ markiert daher einen Endpunkt seines freien Schaffens als auch einen Höhepunkt seines minimalen Denkens in Hinblick skulpturaler Formgebung. Nie zuvor und nur noch selten danach verschränkte Mataré sowohl Form, Inhalt und Aussage auf derart präzise und reduzierte Weise.
- Flemming, Hanns Theodor: „Ewald Mataré“, München 1955, Nr. 47
- Werkverzeichnis „Ewald Mataré – Das plastische Werk“, bearb. v. Sabine Maja Schilling, Köln 1987, S. 156, Abb. S. 156, Nr. 36
- Kat. d. Ausst. „Ewald Mataré: Die Berliner Jahre 1907 – 1932“, bearb. v. Valentina Vlašić, hrsg. v. Freundeskreis Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. aus Anlass der gleichnamigen Ausstellung im Museum Kurhaus Kleve (29. März – 28. Juni 2015), Kleve 2015, S. 151, Abb. S. 143, Nr. 100
- Ewald Mataré: KOSMOS, Museum Kurhaus Kleve – Ewald Mataré-Sammlung, Kleve, 27.10.2024 - 09.03.2025