Maler*in (Ausführung): Jan Baegert (um 1465–um 1535)
Beschreibender Titel: Apostelgruppe aus der Szene des Marientods, Fragment eines Marienaltars
Datierung: um 1510 - 1530 (Herstellung)
Museum: Museum Kurhaus Kleve
Typ: Kunstwerk
Inventar Nr.: 1977-11-02
Hierbei handelt es sich um das zweite Fragment von links von bislang vier bekannten Fragmenten, von denen sich zwei (das erste und das vierte) im LWL-Museum für Kunst und Kultur in Münster und eines (das dritte von links) im Badischen Landesmuseum Karlsruhe befinden.
Das Bildthema diente der Marienverehrung und zeigt, simultan nebeneinander, mehrere Tage am Ende des Marienlebens. Der von den drei anderen etwas getrennte linke Teil lässt sich durch den Pfeiler an der rechten Bildkante mit Basis und Kapitell den drei anderen zweifellos zuordnen, der auch an den Bildkanten der Fragmente c und d zu entdecken ist. Er thematisiert die Ankündigung des Todes Mariä. Der Erzengel Gabriel verkündet der in einem Buch lesenden Maria die Kunde ihres bevorstehenden Todes – woraufhin auch die Paradiespalme in seiner Hand verweist. Betende, hierarchisch kleiner gestellte Stifterfiguren am unteren Bildrand verweisen nach rechts. Oben rechts findet bereits ein sogenannter „Wolkentransport“ statt, das auf wundersame Weise bewirkte Herbeieilen aller Apostel zu Mariens Tod (Tschira van Oyen).
Zwischen a und b–d fehlt vermutlich ein schmales Fragment, während die Fragmente Kat. b bis d fast nahtlos aneinandergereiht werden können. Die Apostelgruppe in Fragment b knien am Fußende eines Bettes, das erst in Fragment c zu sehen ist. Dort ist Maria im Sterben begriffen, bereits von Leichenblässe gezeichnet. Sie ist umringt von den Aposteln, die Bettdecke ist bis über ihre Leibesmitte hochgezogen. Der eindeutig im Stil von Jan Baegert als Johannes zu identifizierende Johannes reicht ihr eine Sterbekerze, die sie gemeinsam mit diesem hält. Petrus schwingt einen Weihwasserwedel. Auf der Unterseite ist ein Apostel mit aufgeschlagenem Buch im Schoß im Schlaf versunken.
Fragment d zeigt das Ende: Im Sarkophag tragen die Apostel gegen alle Widrigkeiten (mit gezückten Schwertern und anderen Waffen herbeieilende Soldaten) Marias Leichnam zu Grabe. Doch im Hintergrund ist sie bereits wiederauferstanden und präsentiert sich den Gläubigen gen Himmel schwebend in einer goldenen Gloriole.
Gundula Tschira van Oyen, die 1953 das erste Werkverzeichnis über die Gemälde von Jan Baegert erstellte, kannte 1972 nur zwei und erst 1999 alle vier hier aufgezählten Fragmente des sogenannten Marientodes. Während sie 1972 noch vermutete, dass es sich dabei um den unteren Teil eines Altarflügels handelte, verortete sie 1999 „dieses triptychonartige Retabel“ als Andachtsbild auf einem Altar. Sie ergänzte, dass es „auf Betrachternähe abgestimmt zu sein“ schien.
Gerard Lemmens schätzte 2012, dass die Tafeln „entweder Teil eines mehr als einen Meter breiten Altars“ oder „den Mittelteil eines Triptychons“ bildeten. Er listete allerdings nur drei der Tafeln auf; die Tafel links außen ließ er aus, die jedoch zweifellos zum Ensemble gehört. Da alle Teile trotz des Fragment-Charakters ein beeindruckendes Format aufweisen, ist daher vielleicht sogar von einem noch weitaus breiteren Ursprungsbild auszugehen.
Das Fragment aus Kleve (Fragment b) wurde von Guido de Werd 1976 für das Museum in London erworben. Er entdeckte es im Auktionshaus Christie’s, wo es als „Tiroler Schule“ angeboten wurde. Er erkannte den lieblichen Stil Jan Baegerts, der sich auch in den weiteren Teilen spiegelt. Die Gesichter sind rundlich und entzückend. Besonders c weist eine individuelle Tiefe im Ausdruck der Beteiligten auf. Johannes, der auf früheren Darstellungen Baegerts als jugendlicher, schöner Mann wirkte, weist hier angesichts des Marientodes verständlicherweise tiefe Sorgenfalten auf der Stirn und in den Augenpartien auf. Allen Anwesenden ist ein leidender, demütiger Ausdruck sprichwörtlich „ins Gesicht geschrieben“, der die Botschaft der Darstellung trefflich unterstreicht. Lediglich Maria scheint im Totenbett bereits den Weg von der irdischen zur himmlischen Sphäre gegangen zu sein: Sie wirkt gelöst und dem Jenseits zugewandt.
Das vollständige Tafelbild des Jan Baegert muss zweifellos eindrucksvoll gewesen sein und wird sicherlich einen Höhepunkt seines Schaffens dargestellt haben.
Verfasst von Valentina Vlašić für den Katalog zur Ausstellung „Schönheit und Verzückung. Jan Baegert und die Malerei des Mittelalters“ 2024 im Museum Kurhaus Kleve.
- Tschira van Oyen, Gundula: Jan Baegert – Der Meister van Cappenburg, Ein Beitrag zur Malerei am Niederrhein zwischen Spätgotik und Renaissance – Gesamtdarstellung und kritischer Katalog, Baden-Baden 1972, Nr. 29-30
- Auswahl- / Bestandskatalog „Mein Rasierspiegel – Von Holthuys bis Beuys“, hrsg. v. Guido de Werd im Auftrag des Freundeskreises Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. aus Anlass der gleichnamigen Abschiedsausstellung des scheidenden Gründungsdirektors Guido de Werd im Museum Kurhaus Kleve (9. September 2012 – 13. Januar 2013), Kleve 2012, S. 438, Abb. S. 438, Nr. 5.44
- Kat. d. Ausst. „Schönheit und Verzückung. Jan Baegert und die Malerei des Mittelalters“, bearb. v. Valentina Vlašić, hrsg. v. Freundeskreis Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. aus Anlass der gleichnamigen Ausstellung im Museum Kurhaus Kleve (24. März – 23. Juni 2024), Kleve 2024, S. 192f, Abb. S. 190, Nr. 12b
- Kunst des Mittelalters und des Barock rund um den Katharina von Kleve-Saal im Gebäudeteil Friedrich-Wilhelm-Bad, Museum Kurhaus Kleve – Ewald Mataré-Sammlung, Kleve, 09.09.2021
- Schönheit und Verzückung. Jan Baegert und die Malerei des Mittelalters, Museum Kurhaus Kleve – Ewald Mataré-Sammlung, Kleve, 24.03.2024 - 23.06.2024