Maler*in (Ausführung): Jan Baegert (um 1465 – um 1535)
Beschreibender Titel: Teil des rechten Schächers mit zwei Soldaten, Fragment eines Passionsaltars
Datierung: um 1510 - 1530 (Herstellung)
Museum: Museum Kurhaus Kleve
Typ: Kunstwerk
Gattung: Gemälde
Inventar Nr.: 2000-V-I
Fragment eines vermutlich im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts in zahlreiche kleine Teile zersägten Altarbildes mit der Darstellung von Kreuztragung und Kreuzigung.
Bis 2024 konnten 9 Fragmente in 6 Museen gefunden werden, die sich neben dem Museum Kurhaus Kleve auch noch im Badischen Landesmuseum Karlsruhe, im Museum für Kunst und Kulturgeschichte Dortmund, in der Pinakothek in München, im LWL-Museum für Kunst und Kultur Münster und im Catharijneconvent Utrecht befinden.
Hier zu sehen ist das Detail aus der rechten Hälfte der Komposition: Links am Bildrand angeschnitten der rechte (also böse) Schächer, hinter ihm zwei Soldaten mit Lanzen und Barett. Der vordere Soldat trägt einen kupfernen Schild mit aufwendiger Treibarbeit (Doppeladler).
Das wohl am schlimmsten zerstückelte Werk aus dem Œuvre von Jan Baegert stellt der hier beschriebene Kreuzigungs- oder Passionsaltars dar, der laut Gerard Lemmens 2012 als Jan Baegerts Hauptwerk gelten darf. Aufgrund der malerischen Qualität und der stilistischen Merkmale der erhaltenen Fragmente vergleicht er das ursprüngliche Werk mit dem Dortmunder Hochaltar-Retabel seines Vaters Derick. Hier schätzt er, dass Jan Baegert „es seinem Vater also sicher gleich getan“ hat. Die Tafel mit der Kreuzigungsszene dürfte, so Gundula Tschira van Oyen und Gerard Lemmens einhellig, ehedem sicherlich eine Gesamtbreite von 3,60 bis 4 Metern besessen und damit der Mitteltafel des Dortmunder Altars entsprochen haben.
Es sind bislang nur neun Fragmente identifiziert und dem Ensemble zugeschrieben worden, durch die sich – auch im Vergleich mit dem Dortmunder Altar des Vaters – folgende Anordnung rekonstruieren lässt: Die zentrale Komposition bildete zweifellos Christus am Kreuz, der von den zwei gekreuzigten Schächern links und rechts begleitet wurde. Von Christus selbst ist bislang bedauerlicherweise kein einziges Element vorgefunden worden. Von den Schächern liegen ein Teil des linken (c) und zwei Teile des rechten Protagonisten (f und g) vor. Das Antlitz der trauernden Maria Muttergottes (d) darf links unten im Vordergrund vermutet werden, zu Füßen des Kreuzes. Die trauernde Frauenfigur (e) könnte im Figurengewimmel rund um Maria zu Füßen des Kreuzes gehört haben, um diese kurz vor deren anstehender Ohnmacht zu stützen.
1972 mutmaßte Tschira van Oyen folgerichtig, dass es sich bei ihr um eine der Schwestern Marias handeln könnte, die diese stützte, als sie angesichts des Todes ihres Sohnes ohnmächtig zu werden drohte. Zudem weist der Frauentypus große Ähnlichkeiten mit der Trauernden auf der Mitteltafel des Cappenberger Altars auf. Vergleicht man den Cappenberger Altar weiter, so Tschira van Oyen, könnte das Stück des Goldbrokatgewandes im Hintergrund der Trauernden zu Longinus gehören, der hinter ihr stand und Christus mit der Lanze in die Seite stach.
Gemäß der Motivsystematik Baegerts fanden zu beiden Seiten der zentralen Komposition mehrere simultane Nebengeschehnisse statt. Der Reiterzug aus einem Tor (a), der vermutlich im linken oberen Teil des Gesamtensembles verortet werden darf, zeigt den Auszug von Kaiphas, Hannas und Simon von Kyrene aus Jerusalem. Die Fahnen verweisen gemäß Tschira van Oyen 1972 auf den Auftraggeber, den Jülischen Hof. Dieses Dortmunder Fragment (a) schließt fast nahtlos an das Fragment aus Karlsruhe an (b). Die Stadtmauer rechts in Dortmund geht links in Karlsruhe über. Der rotgelb bekleidete, auf den Kreuztragenden Christus eindreschende Soldat ist angeschnitten: ein Teil seines Körpers ist in Dortmund vorhanden, ein Teil in Karlsruhe. Das Fragment aus Karlsruhe (b) zeigt Christus, der unter dem Kreuz zusammenbricht und sich sein Antlitz im Schweißtuch der Veronika trocknet. Direkt darunter balgen sich die Soldaten bei der Würfelszene um das Gewand Christi. Im Hintergrund bäumt sich ein grüner Hügel auf, der nahtlos in dem Fragment aus Kleve (c) mündet. Im Zentrum dieses Stückes ist die ohnmächtig werdende Maria zu sehen, die von Johannes und Maria Salomé gestützt wird.
Mit entsprechendem Abstand dürfen die beiden weiteren Fragmente aus Kleve (f und g) betrachtet werden, die den Lendenbereich des rechten Schächers zeigen. Links und rechts davon gruppieren sich mehrere Männergestalten, die in ihrer Eigentümlichkeit, Physiognomie und Ausführung zu dem besten gehören, was von Jan Baegert geschaffen wurde. Ein auf Fragment f mit Turban dargestellter, bärtiger Mann blickt entsetzt in die Richtung, in der der Gekreuzigte zu vermuten ist. Links über ihm wendet sich ein müder Adliger ab, der dem Geschehen nicht folgen kann. Als dritte Person erscheint ein Soldat in einer Rüstung mit hochgeklapptem Scharnier. Die zahlreichen weiteren kleinen Details – Füße am oberen Rand, die Schnauze (?) eines Tieres am unten rechten Rand – dieses winzigen Fragments (f) hinterlassen Betrachter*innen völlig verständnislos, nach welchen nicht nachvollziehbaren Kriterien das Zersägen der Ursprungstafel stattgefunden hat.
Die Grablegung (h) darf – räumlich getrennt von den anderen Teilen – im rechten Bildhintergrund vermutet werden. Dort versammeln sich um den Leichnam Christi auf einem Grab vor einer Grotte die trauernde Muttergottes, Johannes, Nicodemus und Maria Magdalena, die ihn gesalbt hat. Der Stifter im Jagdkleid (i) wird sich vermutlich als Nebenfigur auf der rechten Seite befunden haben, seine Blickrichtung mit betenden Händen und kniender Körperhaltung ist selbstverständlich zur Hauptszene mit dem Gekreuzigten gerichtet.
Ursprünglich wurde das Brustbild eines Gepanzerten aus Wesel (d) von Tschira van Oyen auch zu diesem Kalvarienberg gezählt. Da dieser jedoch auf Fichtenholz gemalt ist, revidierte sie diese These.
Es ist bemerkenswert, dass Tschira van Oyen 1972 bereits acht von neun Fragmenten kannte, die sie folgerichtig anordnete: „Die erhaltenen Fragmente ergeben keine genaue Vorstellung dieses Kalvarienberges […] Es kann nur gesagt werden, dass die Kreuztragung auf der linken Bildhälfte lag, das Schmerzensantlitz der Mutter Jesu und der sie stützenden Maria ebenfalls links, aber in der Nähe des Kreuzes Christi. Das Schächerfragment gehörte zur rechten Hälfte des Kalvarienberges, außerdem vielleicht auch das Stifterbild und die Grablegung. […] Nach dem Figurenmaßstab muss es sich um eine sehr große Kalvarienbergtafel gehandelt haben.“
Verfasst von Valentina Vlašić für den Katalog zur Ausstellung „Schönheit und Verzückung. Jan Baegert und die Malerei des Mittelalters“ 2024 im Museum Kurhaus Kleve.
- Tschira van Oyen, Gundula: Jan Baegert – Der Meister van Cappenburg, Ein Beitrag zur Malerei am Niederrhein zwischen Spätgotik und Renaissance – Gesamtdarstellung und kritischer Katalog, Baden-Baden 1972, S. 33, 79, Abb. Taf. XXIX, Nr. 17
- Auswahl- / Bestandskatalog „Mein Rasierspiegel – Von Holthuys bis Beuys“, hrsg. v. Guido de Werd im Auftrag des Freundeskreises Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. aus Anlass der gleichnamigen Abschiedsausstellung des scheidenden Gründungsdirektors Guido de Werd im Museum Kurhaus Kleve (9. September 2012 – 13. Januar 2013), Kleve 2012, S. 438, Abb. S. 429, Nr. 5.43
- Kat. d. Ausst. „Schönheit und Verzückung. Jan Baegert und die Malerei des Mittelalters“, bearb. v. Valentina Vlašić, hrsg. v. Freundeskreis Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. aus Anlass der gleichnamigen Ausstellung im Museum Kurhaus Kleve (24. März – 23. Juni 2024), Kleve 2024, S. 216–222, Abb. S. 217–220, Nr. 23g
- Kunst des Mittelalters und des Barock rund um den Katharina von Kleve-Saal im Gebäudeteil Friedrich-Wilhelm-Bad, Museum Kurhaus Kleve – Ewald Mataré-Sammlung, Kleve, 09.09.2021
- Schönheit und Verzückung. Jan Baegert und die Malerei des Mittelalters, Museum Kurhaus Kleve – Ewald Mataré-Sammlung, Kleve, 24.03.2024 - 23.06.2024