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Auf der Sammlungswebsite des Museum Kurhaus Kleve – Ewald Mataré-Sammlung ist die breite, beeindruckende Sammlung vom Mittelalter bis zur Gegenwart abrufbar, die neben Gemälden, Skulpturen und Zeichnungen auch einen gewichtigen Bestand an Druckgraphik, Photographie, Kunsthandwerk und Archivalien umfasst. Sie suchen ein Kunstwerk?

Dann tippen Sie Ihr Schlagwort im Suchfeld ein, finden Sie Ihren geographischen Bezug auf der Weltkarte oder blättern Sie durch „Highlights“, „Zuletzt bearbeitet“ oder „Meist gesehen“. Unter „Werke“ und „Künstler*innen“ können Sie mit Sortierung und Filtern gezielt nach Kunstwerken und Archivalien suchen. „Projekte“ listen Ihnen die aktuellsten und wichtigsten Vorgänge rund um die Klever Sammlung (Erwerbungen, Schenkungen, Ausleihen etc.), sortiert nach Jahreszahlen auf …

Der Gesamtbestand ist noch lange nicht vollständig online abrufbar, aber kontinuierlich kommen neue Objekte hinzu. Bei Fragen und / oder Unklarheiten senden Sie uns eine E-Mail an sammlung [​at​] mkk.art. Wir stellen bei Bedarf gerne kurzerhand weitere Werke und Archivalien online, die ggf. noch nicht online verfügbar sind.

Bestand

Das städtisch geführte Museum Kurhaus Kleve und sein Freundeskreis Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. besitzen eine exquisite Sammlung aus weit über 500 Jahren Kunstgeschichte – vom Mittelalter und der Spätgotik am Niederrhein über den Barock, Bad Cleve bis hin zu ikonischen Schwerpunkten der internationalen Gegenwartskunst. Wichtige Säulen der Sammlung bilden die Werke von Ewald Mataré (1887–1965) und seinem Schüler Joseph Beuys (1921–1986), aber auch reiche graphische Bestände verschiedener Epochen sowie große kunstgewerbliche Konvolute, u.a. der Keramik des Jugendstils, des Art Deco und des Bauhauses. Weitere Informationen über die Sammlung sind ->hier auf der Museumswebsite abrufbar. 

Bislang analog inventarisiert, werden die umfassenden Bestände auf der vorliegenden Sammlungswebsite erstmals überhaupt online präsentiert. Derzeit sind bereits über 10.000 Werke aller Gattungen abrufbar, die jedoch erst einen geringen Prozentsatz der vollständigen Sammlung darstellen. Dank kontinuierlicher, auch essentieller ehrenamtlicher Unterstützung werden kontinuierlich neue Werke online gestellt, die dann ebenfalls weitgehend gemeinfrei für die Öffentlichkeit abrufbar sind. 

Förderung

Die Online-Stellung der Sammlung auf dieser Sammlungswebsite wurde 2021 möglich gemacht durch die Unterstützung des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen, des Landschaftsverbands Rheinland und der Stadt Kleve

Die Online-Stellung der „Mataré-Sammlung“, des Bestandsverzeichnisses der Werke von Ewald Mataré und seiner Familie, wurde 2025 im Rahmen der Retrospektive „Ewald Mataré: KOSMOS“ möglich gemacht durch die Unterstützung des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen, der Kulturstiftung der Länder, der Stadt Kleve und des Freundeskreises Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V.

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Exquisiter Neuzugang für die Mittelalter-Sammlung: Heilige Anna von Henrik Douverman (entstanden in Kalkar zwischen 1518–1522)

Dank einer überwältigenden 100–Prozent–Finanzierung (!!!) der Ernst von Siemens Kunststiftung darf sich das Museum Kurhaus Kleve über einen erlesenen Neuzugang für seine Sammlung spätmittelalterlicher niederrheinischer Skulptur freuen: den einer weiblichen Heiligen von Henrik Douverman.

Bei der ca. 42 cm großen Eichenholzskulptur in hervorragendem Zustand handelt es sich vermutlich um eine Heilige Anna aus dem Kontext einer Heiligen Sippe, weniger wahrscheinlich um eine der drei Marien (neben Maria Muttergottes, Maria Cleophas oder Maria Salome) aus demselben ikonographischen Zusammenhang. Dargestellt ist eine sitzende Figur, die ein geöffnetes Buch auf ihrem Schoß hält. Ihre Beinhaltung, die Geste ihrer rechten Hand und ihre Körperdynamik weisen sie als ursprünglich linken Teil eines größeren Ensembles aus. Sie trägt ein Kleid mit üppigem Faltenwurf, ein Kopftuch und ein Brusttuch, die sie deutlich als verheiratete Frau kennzeichnen (und eine Zuschreibung als Maria bei der Verkündigung oder Maria Magdalena ausschließen).

Die Skulptur, die sich acht Generationen lang im Eigentum einer niederländischen Familie befand und deren Provenienz somit von jedem Zweifel erhaben ist, war im Œuvre Douvermans bislang völlig unbekannt. Sie tauchte erst 2025 im Kunsthandel auf, wo sie vom Fachmann für niederrheinische spätgotische Skulptur, Guido de Werd, sofort zweifelsfrei identifiziert wurde – der anschließend auch die Vermittlung an das Museum Kurhaus Kleve vornahm. Seine Zuschreibung untermauern zahlreiche Details, die sich bei weiteren Skulpturen des Bildhauers finden. Darunter besonders hervorzuheben sind u.a. das längliche Gesicht mit dem besonnen dreinschauenden Augenpaar und den spitzen Lippen, das direkt unter den Brüsten geschnürte Gürteltuch mit der nach oben drapierten Schlaufe, die langen Finger mit präzise ausgearbeiteten Nägeln, die Douverman-typische Bearbeitung der Gewandborten usw. Diese und weitere Details weisen die Arbeit als Frühwerk von Douverman aus, von dem sich in der Gegenwart nur wenige, dafür herausragende Beispiele erhalten haben.

Henrik Douverman kann fast als Rockstar der niederrheinischen Bildschnitzer der Spätgotik bezeichnet werden, der derart herausragende und unverwechselbare Stücke geschaffen hat, die ihn heute als bedeutendsten Bildhauer dieser Epoche am Niederrhein auszeichnen. Er war ein Bildhauer der schönen Frauenfiguren, deren Darstellung vor allem modischer Accessoires und üppiger Lockenpracht als legendär gilt (wie z.B. bei der Jungfräulichen Maria in St. Urban, Birgden). Seine Männerfiguren zeichnet eine eigentümliche stilistische Typenbildung aus (wie beispielsweise seine Skulpturen des Melchior oder Balthasar bei den Heiligen Drei Königen im Museum Kurhaus Kleve). Als Douvermans absolutes Hauptwerk gilt der eindrucksvolle monumentale Sieben-Schmerzen-Altar in St. Nicolai in Kalkar, der zu seinem Frühwerk zu zählen ist und in dessen Schaffensphase die hier vorgestellte Heilige Anna zu datieren ist. Doch auch seine auffallend theatralisch miteinander agierenden Heiligen Drei Könige (um 1535, Museum Kurhaus Kleve) oder seine opulente Thronende Muttergottes (um 1540, Musée de Cluny, Paris) weisen ihn als delikaten Meister exaltierter Bildhauerei erster Güte aus.

Henrik Douverman war ein Zeitgenosse Tilman Riemenschneiders und vom Rang her dem fränkischen Bildhauer ebenbürtig. Über Douverman sind nur wenige biographische Fakten erhalten geblieben. Er wurde wohl um 1480 in Dinslaken geboren und vor 1506 vom Klever Bildhauer Dries Holthuys (um 1500 tätig) ausgebildet. Sein Mitschüler war Henrik van Holt (ca. 1480/90–1545/46), dessen Schüler wiederum Arnt van Tricht (um 1535–1570 tätig) war. Da Douverman in Kleve ein „leichtfertiges Künstlerleben“ unterstellt wurde (wie es alte Quellen spekulierten), übersiedelte er um 1515 nach Kalkar, wo er seit 1517 als Bürger nachweisbar ist und um 1543/1544 starb. Damit bleibt er nicht nur der Region und ihrer Geschichte, sondern auch dem Sammlungsauftrag des städtischen Klever Museums unwiederbringlich verbunden. Daher befinden sich von allen hier genannten Bildhauern imposante und zum Teil ikonische Werke in der Sammlung des Museum Kurhaus Kleve. Die Neuerwerbung der weiblichen Heiligen fügt sich optimal ein und bringt u.a. durch das zeitlos schöne Motiv der Lesenden sogar ein zeitgemäßes Sujet zum Thema „Empowerment der Frau“ ein.

Weitere Werke Henrik Douvermans befinden sich u.a. im Rijksmuseum Amsterdam, im Museum Catharijneconvent in Utrecht, im Musée de Cluny Paris, im Museum Kolumba in Köln und in den Staatlichen Museen in Berlin. Das Auftauchen der hier beschriebenen Skulptur und die Vollerwerbung durch die Ernst von Siemens Kunststiftung für die Sammlung des Freundeskreises Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. im Museum Kurhaus Kleve können durchaus als kleine Sensation angesehen werden – da Skulpturen dieser Epoche i.d.R. nicht mehr auf dem freien Markt erhältlich sind. In den letzten fünfzig Jahren wurden lediglich drei Skulpturen von Douverman zum Kauf angeboten: die oben bereits erwähnten Heiligen Drei Könige, die 2016–2018 für die Sammlung des Museum Kurhaus Kleve gesichert werden konnten, die hier beschriebene weibliche Heilige sowie eine Heilige Ursula, die 1975 durch das Rijksmuseum Amsterdam erworben werden konnte – aus der Sammlung des Sohnes von Sir Arthur Conan Doyle stammend, dem Autor der berühmten Sherlock Holmes-Romane.

Nicht nur der oben beschriebene kunsthistorische Kontext, sondern auch der zuletzt genannte populärkulturelle bilden eine willkommene und erfreuliche Bereicherung für die Klever Sammlung, die sich damit auf einem Level mit den oben genannten Museen bewegen darf.

[verfasst und online gestellt durch Valentina Vlašić]

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Klever Matarés gehen für erste Lovis Corinth-Ausstellung seit 30 Jahren nach Berlin

Mataré on tour: Zwei Werke von Ewald Mataré (1887–1965) aus der Klever Sammlung gehen 2026–2027 für die erste Ausstellung seit 30 Jahren über seinen Lehrer, Lovis Corinth (1858–1925), in die deutsche Hauptstadt. Dort werden sie von 9. Oktober 2026 bis 25. Januar 2027 in der groß angelegten Schau „Lovis Corinth. Dann kam Berlin!“ in der Berlinischen Galerie zu sehen sein.

Die Berlinische Galerie besitzt einen qualitätvollen Bestand an Gemälden von Lovis Corinth (1858–1925). Bereits zu Lebzeiten zählte der virtuose Maler zu den bekanntesten und einflußreichsten Persönlichkeiten der Berliner Moderne. In Tapiau in Ostpreußen geboren und aufgewachsen, zog Corinth im Jahr 1900 von München, wo seine Karriere begann, in die Reichshauptstadt. Die Kunstszene Berlins war zu diesem Zeitpunkt bereits deutlich progressiver und lebendiger als die der bayrischen Residenzstadt. „Angefangen hat es erst in Berlin“, soll Corinth seine beispiellose Erfolgsgeschichte an der Spree kommentiert haben. Über ein Vierteljahrhundert beeinflußte der Maler, dessen vielseitiges Werk schon zu Lebzeiten zwischen Impressionismus und Expressionismus verortet wurde, die Kunstszene der Stadt. In Berlin steigerte er seine Produktivität rasant und verkaufte mit den Jahren gut. Rund 1.000 Gemälde und zahlreiche Arbeiten auf Papier umfasst sein Œuvre. 

Dank der Unterstützung seines Freundes Walter Leistikow, der zu den wichtig­sten Akteuren der Berliner Moderne gehörte, lebte sich Corinth rasch in der Stadt ein. Schon bald verfügte er über ein Netzwerk an Persönlichkeiten der Kulturszene, deren herausragender Porträtist er wurde. Als Mitglied der wichtigsten Künstler*innen-Vereinigungen profilierte sich Corinth neben Max Liebermann und Leistikow insbesondere in der Berliner Seeession und prägte zunehmend das Kunstgeschehen der Stadt. 

Unmittelbar nach seiner Ankunft an der Spree gründete Corinth eine Malschule und lehrte auch an anderen Orten der Stadt. Diese Lehrtätigkeit sicherte ihm ein erstes Einkommen. Private Malschulen boten in diesen Jahren vor allem auch Frauen die Möglichkeit einer künstlerischen Ausbildung. Erst ab 1919 öffnete sich die Berliner Hochschule für Kunststudentinnen, was Corinth entschieden befür­wortete. Unter seinen ersten Schüler*innen waren Charlotte Berend, seine spätere Ehefrau, Minna Tube, die erste Ehefrau von Max Beckmann, Ewald Mataré oder August Macke. 

Corinth soll sich bereits in Königsberg, spätestens aber in München für das Theater begeistert haben und eifriger Premierengänger gewesen sein. In Berlin fand er Zugang zu Theaterkreisen. Er porträtierte Autoren wie Gerhart Hauptmann und stellte Schauspieler*innen in ihren Rollen dar. In seinen Selbstbildnissen – als Bacchus oder Ritter – experimentierte Corinth ebenfalls mit Kostümierungen und Rollen, um sich über Aspekte der eigenen Persönlichkeit klarer zu werden. Das spontane, theaterhaft-burleske Element seiner eigenwilligen Historienmalerei erkannte man früh als typisch für ihn.

Weniger bekannt ist, dass Corinth ab 1903 für den Berliner Theatermann Max Reinhardt Kostüme und Bühnenbilder entwarf. Mit Corinth begann Reinhardts erfolgreiche Zusammenarbeit mit Berliner Künstlern. Wie bedeutend Corinth für Reinhardts neues bildmächtiges, experi­mentierfreudiges Regietheater über die Jahre war, wird aus dem Kondolenz­schreiben deutlich, das dieser 1925 an Charlotte Berend-Corinth richtete: „Zu dem erschütternden Verlust erlaubt sich das Deutsche Theater Max Reinhardts, dessen erste Erfolge mit dem großen Namen Corinth verknüpft bleiben, Ihnen sein tiefstes Mitgefühl auszusprechen.“ 

Mit den Jahren genoss Corinth große Popularität in Berlin. An rund 80 wichtigen Ausstellungen nahm er teil, darunter zahlreiche monographische Präsentationen, unter anderem in der Seeession, den führenden Galerien der Stadt und nicht zuletzt in der Nationalgalerie. 

Von dieser wurde Corinth als einziger Künstler zwei Mal kurz hintereinander mit großen Einzelausstellungen geehrt: 1923 im Kronprinzenpalais, der sogenannten Galerie der Lebenden, und 1926, ein Jahr nach seinem Tod, im Berliner Stammhaus mit einer feierlich eröffneten Retrospektive. Rund 500 Werke waren zu sehen. Der Direktor der Nationalgalerie Ludwig Justi bezeichnete die Gedächtnisausstellung im Sinne des Zeitgeists der 1920er und 1930er Jahre ideologisch-nationalistisch gefärbt als „gesamtdeutsche Angelegenheit“. Die Schau war so erfolgreich, dass sie mehrfach verlängert werden musste.

Auch die Berliner Seeession und die Akademie der Künste veranstalteten nach seinem Tod Ausstellungen für den Künstler. Noch im Februar 1933 widmete Justi bei der Neuordnung des Kronprinzenpalais im Erdgeschoss Corinth zusammen mit Max Slevogt einen Raum. Mit dieser Auswahl bekräftigte Justi die Bedeutung Corinths für die Moderne im Sinne einer nationalen deutschen Kunstgeschichte. Eine solche Bewertung gestand Justi im Erdgeschoss mit einem eigenen Raum sonst nur den von ihm so bezeichneten „zwei großen germanische Meistern“ Vincent van Gogh und Edvard Munch zu. 

Die Berlinische Galerie realisiert im Herbst 2026 eine große Schau: „Lovis Corinth. Dann kam Berlin!“ (Arbeitstitel). Sie stellt Corinths Entwicklung in Berlin im Kontext seiner Zeit vor. Bis heute steht seine Position für einen spontanen, expressiven Malakt, der für die Entwicklung der Malerei, denkt man die Jungen Wilden, Georg Baselitz oder Lucien Freud, äußerst folgenreich war. Corinths Karriere wird in der Ausstellung kontrastiert durch Werke seiner Schüler*innen. Wer bei Corinth studierte, wie der Unterricht aussah, wie dieser bei seinen Schüler*innen ankam und allgemeiner, welche Möglichkeiten explizit Frauen in Berlin zu Anfang des 20. Jahrhunderts offenstanden, um als Künstlerin Karriere zu machen, wird erstmals genauer erforscht und eingebunden. Corinths Nähe zum Theater, seine Beziehungen und sein Einfluss auf die Kunstszene der Stadt sowie die Rolle, die das private Lebensumfeld in Berlin für seine Kunst spielte, bilden weitere Schwerpunkte der Ausstellung. 

Corinths Bedeutung für die Berliner Moderne ist kaum zu überschätzen. Zuletzt war das Werk des Künstlers in der Stadt in größerem Umfang vor dreißig Jahren zu sehen: 1996 in der Berliner Nationalgalerie in einer Kooperation mit dem Haus der Kunst, München, The Saint Louis Art Museum, und der Tate Gallery, London. Die Berlinische Galerie erforscht mit ihrer Lovis Corinth-Ausstellung als Landes­museum für Moderne Kunst die eigene Sammlung und knüpft an eine Reihe monographischer Ausstellungen zur Berliner Moderne an. Diese stellt prägende Persönlichkeiten im Kontext ihrer Zeit vor und bewertet sie neu, darunter 2023 Edvard Munch, 2021 Ferdinand Hodler, 2019 Lotte Laserstein, 2017 Jeanne Mammen und 2015 Max Beckmann. 

→Warum gehen die beiden Matarés aus Kleve nach Berlin? Ewald Mataré gehört zu den bekanntesten Schüler*innen Corinths. Der Zeitpunkt von Matarés Studium bei Corinth kann bisher nicht eindeutig bestimmt werden, die Angaben schwanken zwischen 1912 und 1914. Da sich in den Œuvres von Corinths Schüler*innen zumeist nur sehr wenige frühe Arbeiten erhalten haben, sind die beiden Klever Arbeiten von Ewald Mataré aus der Sammlung des Museum Kurhaus Kleve von ganz besonderer Bedeutung für die Ausstellung. Sein in dieser Zeit entstandenes Aktgemälde und die Studienzeichnung präsentieren einen für das Berliner Publikum bislang unbekannten „Mataré vor Mataré“. Die beiden Arbeiten belegen, dass Mataré eine gründliche Ausbildung im Bezug auf die anatomische Wiedergabe des menschlichen Körpers erfahren hatte. Auf diese legte Corinth in seiner Lehre größten Wert

Weitere Fakten zur Ausstellung:

  • Rund 90 Werke (Gemälde und Graphik) von Lovis Corinth und Zeitgenoss*innen werden zu sehen sein. Neben Werken von Corinth und Künstler*innen der Berliner Moderne aus der Sammlung der Berlinischen Galerie werden zahlreiche Leihgaben aus öffentlichen und privaten Sammlungen zu sehen sein. 
  • Die Ausstellung begleitet ein umfassender Katalog in deutscher und englischer Sprache, der den Stand der Forschung zum Thema repräsentiert. 
  • Ein kostenfreies, digitales Vermittlungsformat macht die Schau multimedial im virtuellen Raum erlebbar und erschließt die Ausstellungsinhalte interaktiv. Das Angebot soll webbasiert über diverse Endgeräte (z.B. Smartphones, Tablets, Laptops) abrufbar sein und über die Laufzeit der Ausstellung hinaus zur Verfügung stehen. 

Good to know:

  • Weitere Informationen über die Berlinische Galerie und die Ausstellung sind ->hier abrufbar. 
  • Informationen über Ewald Mataré und seine 25 prägenden Jahre in Berlin finden sich in ->dieser Publikation.

[verfasst von Stefanie Heckmann, leicht angepasst und online gestellt von Valentina Vlašić]

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Annegret Gossens, die Frau hinter der Linse: ein halbes Jahrhundert für Kunst und Kleve

Ihre Photographien kennen alle, sie selbst steht jedoch stets im Hintergrund: Annegret Gossens, die 2026 sage und schreibe 50 Jahre lang für die Klever Kultur tätig ist. In dieser Zeit hat sie ein umfangreicheres photographisches Œuvre geschaffen als alle ihre männlichen Vorgänger in Kleve (u.a. Ewald Steiger, Willy Maywald oder Fritz Getlinger). Anlässlich des runden Jubiläums im Jahr 2026 ist es höchste Zeit, die bislang weitgehend unbekannte, aber bedeutendste Klever Photo-Chronistin umfänglich vorzustellen und zu würdigen.

Annegret Gossens ist eine alteingesessene Kleverin. 1953 geboren, zählte die Photographie von klein auf zu ihren großen Leidenschaften. Mit zarten 17 Jahren fing sie eine Lehre bei Photo Erkens in Kleve an. Mit 21 Jahren übersiedelte sie nach Köln, wo sie in Ehrenfeld drei Jahre lang Industriemaschinen photographierte. 1976 war sie zurück in Kleve und fing – im Alter von 23 Jahren – als Photographin bei der Stadt Kleve an. Der ehemalige Stadtarchivar und erste Museumsleiter in Kleve, Dr. Friedrich Gorissen, benötigte für das Stadtarchiv fähiges Personal, um alte Stiche und Pläne abzulichten. Annegret Gossens wurde damals im Zuge einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme angestellt, zwei Mal verlängert und schließlich beim dritten Mal übernommen. Sie wurde von Guido de Werd abgeworben – den Gorissen wenige Jahre zuvor, 1972, im Alter von 23 Jahren als wissenschaftlichen Mitarbeiter nach Kleve geholt hatte und der 1976 von der Stadt Kleve zum Museumsleiter ernannt wurde. Annegret Gossens’ neuer Einsatzort wurde somit das Städtische Museum Haus Koekkoek.

Alle Mitarbeiter*innen des Städtischen Museums waren von Anfang an Allrounder, allen voran Annegret Gossens, die diese Funktion mit Verve und Herzblut erfüllte. Sie war nicht nur für den Bereich der Photographie zuständig, sondern – wenn kostbare Neuerwerbungen anstanden und noch nicht ausreichend durchfinanziert waren – sie war sich nicht zu schade Spenden auf der Straße mit der Büchse zu sammeln. Sie erledigte auch Kunsttransporte für das Museum, mitunter sogar mit ihrem kleinen Citroën 2CV (salopp „Ente“, in den eigentlich nichts reinpasste) … Flexibilität, Spontaneität, Ideenreichtum und ungebrochener Humor zeichneten sie damals aus und gehören auch heute noch fraglos zu ihren vordergründigen Charaktereigenschaften.

Im Bereich der Photographie war Anne Gossens für alle Bereiche zuständig: sowohl für Objekte, Porträts, Installationen als auch Veranstaltungen. Obwohl sowohl Stadtarchiv als auch Museum keine eigene Dunkelkammer besaßen, entwickelte sie alle Aufnahmen in den ersten Jahrzehnten selbst. Dafür wich sie auf das Kreisbildarchiv aus, wo sie jahrelang die dortige Dunkelkammer benutzen durfte, bis ihr schließlich doch noch eine geeignete Räumlichkeit im Haus Koekkoek eingerichtet werden konnte.

Sogar beim Equipment gab es Anlaufschwierigkeiten: Da ihr die Stadt Kleve keine eigene Kamera zur Verfügung stellen konnte, arbeitete sie zunächst mit eigenen Geräten, die entweder Guido de Werd oder sie selbst erworben hatten. Dazu zählte zunächst eine 2-äugige Rolleiflex, später eine Yashika oder eine Nikon. Damit fertigte sie in den Anfangsjahrzehnten vorwiegend Schwarzweißaufnahmen an, erst gegen Ende der 1990er Jahren kamen Farbaufnahmen hinzu. Von allen Aufnahmen fertigte sie bei Bedarf groß- und kleinformatige Abzüge, Negative, Kleinbilddias und Ektachromes, die sie anschließend sogar noch persönlich beschriftete. Erst 2006 vollzog sie den Wechsel von der Analog- zur Digitalphotographie.

Knowhow und Qualitätsstandards, Farben und Ausschnitte spielten in ihrer damaligen Arbeit eine viel größere Rolle als in der heutigen, die naturgemäß von Smartphone-Photographie und KI-generierter Bildbearbeitung geprägt ist. Damals waren Kenntnis, Auge und Erfahrung von größerer Bedeutung als heute. Alle ihre damaligen Aufnahmen fertigte Annegret Gossens ganz selbstverständlich mit Farb- und Graukeil, um sie für den nachträglichen Farbabgleich vorzubereiten. Bei der Produktion hunderter Kataloge war Annegret Gossens die Ansprechperson Nummer 1 für sämtliche Druckabnahmen, die vor Ort in den Druckereien gemacht wurden, manchmal sogar bis tief in die Nacht. Bei der „Haus- und Hofdruckerei des Museums“, B.O.S.S-Druck in Kleve (die ab 2006 in Goch war), war Annegret Gossens ein mit Vornamen angesprochener und stets gern gesehener Gast.

Annegret Gossens photographierte an Kunstwerken alle Jahrhunderte: sowohl mittelalterliche Skulpturen als auch zeitgenössische Kunstwerke, die ab den 1980er Jahren durch den neu gegründeten „Salon der Künstler“ ins Klever Museum kamen. Bei großen Sonderausstellungen nahm sie Installationsaufnahmen im gesamten Museum auf – wie für die große Jan de Beijer-Retrospektive 1980 im Haus Koekkoek oder zuletzt noch 2024 für die Jan Baegert-Schau im Kurhaus. Für Guido de Werds ikonische Publikation über denkmalwürdige Häuser in Kleve, „Das Gesicht einer Stadt“, photographierte Annegret Gossens 1977 halb Kleve. Dafür auch an Privathäusern klingeln und um Einlass bitten zu müssen, damit hatte sie gewohnheitsgemäß keine Probleme. Im Gegenteil, sie liebte den Sozialkontakt und kam mit jeder Kleverin und jedem Klever mühelos ins Gespräch.

Ab den 1980er Jahren photographierte sie im Auftrag von Guido de Werd die Interieurs in den Kirchen in Kleve, später auch in denen von Kranenburg, Goch, Kalkar, Emmerich, Xanten usw. Dafür war sie mitunter tage- und wochenlang in der Region unterwegs, um vor Ort neben Photoapparaten auch Stative, Blitzanlagen, Hintergründe, Leitern und mehr aufzubauen, um die diversen Skulpturen, Altäre, Leuchter und mehr aufwändig ins richtige Licht rücken zu können. Ihre Photographien, die noch heute zeitlose Gültigkeit besitzen, wurden nicht nur vom Klever Museumsleiter de Werd für dessen Publikationen über beispielsweise Meister Arnt, Dries Holthuys oder Henrik Douverman genutzt, sondern auch von sämtlichen nationalen und internationalen Kunsthistoriker*innen und Museen, die Ausstellungen über diese Themen machten oder Werke in Kleve liehen. Zu den letzten Abnehmern der Gossensschen Photos gehörten – um nur wenige, aber herausragende Beispiele zu nennen – u.a. der Louvre in Paris oder das Königliche Palais in Amsterdam. Damit zählt Annegret Gossens bis heute zur erfolgreichsten gänzlich unbekannten Kunstdienstleisterin aus Kleve.

Annegret Gossens war die Anfangsjahre in Vollzeit, nach ihrem Mutterschutz 1978 und 1980 dann halbe Tage für das Museum tätig. Ab 1988 dokumentierte sie regelmäßig den Umbau des Kurhauses, das damals noch Möbellager war, bis hin zum Museum, das schließlich 1997 eröffnete. Beim Umzug packte sie – wie auch alle anderen Mitarbeiter*innen – selbstverständlich persönlich mit an. Dort änderte sich ihr Fokus von der alten Kunst auf vermehrt zeitgenössische Künstler*innen und Ausstellungen – wie z.B. (um nur einige wenige zu nennen) Stephan Balkenhol, Ulrich Erben, Günther Uecker, Mario Merz, Katharina Fritsch, Niele Toroni, Giovanni Anselmo usw. Allesamt Künstler*innen, die heute Weltrang besitzen, „damals“ in Kleve jedoch noch jünger und mitunter erst im beruflichen Aufstieg begriffen waren. Die Klever Museumsphotographin kam mit jedem Künstler und jeder Künstlerin wunderbar zurecht – und fertigte von jeder und jedem heute geradezu ikonisch wirkende Porträts an (wie z.B. ihre Aufnahme des grübelnden Richard Serra am Amphitheater in Kleve, die an Rodins „Denker“ erinnert).

Fast alle Ausstellungen, Künstler*innen, Kunstwerke und Veranstaltungen in der Geschichte des Koekkoek-Hauses und Kurhauses wurden von Annegret Gossens photographiert. Sie lieferte immer Qualität ab, egal, ob sie stundenlang Zeit hatte, eine Objektphotographie eines millionenteuren Kunstwerks zu machen oder unter Zeitdruck Menschen und Leute bei einer Veranstaltung photographisch festhalten musste. Die schiere Anzahl ihrer Aufnahmen geht zahlenmäßig in die hunderttausend, wenn nicht sogar in die Millionen. Sie dokumentierte die komplette Museumsgeschichte von den bescheidenen Anfängen bis in die heutige Gegenwart, wodurch sie das Museum nicht nur als identitätsstiftende Institution in Kleve verankerte, sondern es auch als sogenannten „Dritten Ort“ etablierte, in dem Museumskultur und -geschichte aufeinandertreffen und sich Menschen jedweder Couleur begegneten. Ihre Photos sind immer zielgerichtet auf das Wesentliche konzentriert: auf den Menschen und auf das vom Menschen Geschaffene im Museum. Mit ihren Aufnahmen machte Annegret Gossens das manchmal komplizierte und auf ein elitäres Publikum gerichtete Programm des Museums für jedermann und -frau nahbar und zugänglich. Als die berühmte spanische Künstlerin Christina Iglesias, die 2022 ihre Kunstwerke im Rahmen der Jubiläumsausstellung „Schatzhaus und Labor“ zeigte, Gossens’ Aufnahmen ihres 2001 verstorbenen Ehemanns Juan Muñoz im Klever Museum aus dem Jahr 1997 sah, brach sie vor Freude und Rührung in Tränen aus.

Annegret Gossens photographierte die großen wie kleinen Veranstaltungen. Es gab keinen Mitarbeitergeburtstag oder keinen Abschied, der nicht von ihr mit der Kamera begleitet wurde, egal, ob dabei Museumsdirektor oder Praktikanten im Zentrum standen – Annegret Gossens war da und dokumentierte jedes kleine und große Event, immer dezent aus dem Hintergrund heraus. Selbstverständlich stellte sie allen ihre Aufnahmen anschließend zur Verfügung, meistens versehen mit einem kurzen handschriftlichen Gruß. Sie photographierte die Weihnachtsfeiern im Haus Koekkoek oder die Festakte im Kurhaus – wie beispielsweise die Verleihung des Johann Moritz Kulturpreises der Stadt Kleve an den Freundeskreis Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. 2007 oder an Guido de Werd 2023. 1978 machte Annegret Gossens Photos vom Besuch des Bundeskanzlers Helmut Schmidt mit dem niederländischen Ministerpräsidenten Dries van Agt im Haus Koekkoek, 2013 vom Besuch der Bundeskanzlerin Angela Merkel mit dem niederländischen Regierungschef Mark Rutte im Kurhaus.

Als Dankeschön für ihr Engagement richtete ihr Guido de Werd anlässlich ihres 25-jährigen Dienstjubiläums 2001 eine Studio-Ausstellung im Obergeschoss des Badhotels aus, zeitgleich zur großen Richard Long-Retrospektive in den unteren Stockwerken. 2002 wurde ihre Ausstellung „Lebenswege: Frauen im Handwerk“ in der Regionalstelle „Frau und Beruf“ Kreis Kleve eröffnet. Im Jahr 2000 richtete ihr Bürgermeister Josef Joeken – im Zuge einer Ausstellungsreihe von Klever Künstler*innen, als Bindeglied zwischen Kunst und Bürgernähe – im alten Rathaus der Stadt Kleve die Ausstellung „Kleve und Umgebung 1989–2000“ aus. 1998 und 1999 waren ihre Arbeiten in der Galerie Ursula van Heesch in Kleve zu sehen. 2012 ging Annegret Gossens in Rente und verabschiedete sich aus dem aktiven Dienst der Stadt Kleve, arbeitete danach jedoch fast umgehend auf ehrenamtlicher Ebene weiter. Egal, wer ihre Hilfe benötigt – Museum, Förderverein, Bürgermeister, Stadtmarketing oder Tiergarten – Annegret Gossens ist da und liefert bis zum heutigen Tag Qualitätsarbeit ab.

Ihr analoges und digitales Photoarchiv wurde seit ihrer Verrentung von Kurhaus-Mitarbeiterin Valentina Vlašić neu strukturiert und weitergeführt, trotzdem stand Annegret Gossens jeder und jedem Anfragenden gerne noch persönlich und auskunftsreich zur Verfügung. Als das Museum Kurhaus Kleve 2019 Opfer einer Schadsoftware wurde, die weite Teile des digitalen Bildarchivs unbrauchbar machte, war es Annegret Gossens, die wie selbstverständlich und mit unglaublichem Arbeitseifer fast die komplette Sammlung neu photographierte. Dank ihrer maßgeblichen Unterstützung konnte 2021 ein Meilenstein des Museums online gehen – die Sammlungswebsite, auf der seitdem dank ihrer exzellenten Arbeit rund 10.000 Werke mit exzellenten Abbildungen online veröffentlicht werden konnten – Kunstwerke, auf die seitdem aus der ganzen Welt zugegriffen wird und die überall geteilt werden. Damit ist Annegret Gossens sogar Kleves erfolgreichste unbekannte Kulturbotschafterin schlechthin.

[verfasst und online gestellt von Valentina Vlašić]

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Schenkung einer imposanten Arbeit von Gitta van Heumen-Lucas für die Sammlung des Freundeskreises im MKK

Als Schenkung aus Privatbesitz erhielt der Freundeskreis Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. im September 2025 eine imposante Arbeit der für die Region bedeutenden Künstlerin Gitta van Heumen-Lucas, die die zeitgenössische Sammlung des Museum Kurhaus Kleve ab sofort vortrefflich ergänzt und bereichert.  

Die Arbeit stammt aus dem Frühwerk der 1936 in Krefeld geborenen und seit den 1960er Jahren in Kleve lebenden van Heumen-Lucas, die als eine der bedeutendsten Künstlerinnen der Gegenwart in Kleve gilt. Der Kunstkritiker und Kurator Hans-Peter Riese (*1941) schrieb in der 2013 im Kölner Wienand-Verlag erschienenen Monographie „zeitzonen“ über sie, „dass man es hier mit einer Künstlerin zu tun hat, die in einer großen Autonomie arbeitet und ein Werk erschaffen hat, das in seiner inneren Kohärenz ein außerordentliches Beispiel deutscher Nachkriegskunst darstellt.“ (S. 8) 2016–2017 richtete ihr das Museum Kurhaus Kleve daher die Studio-Ausstellung „ponte/ponton“ aus, in der sie ausgewählte Arbeiten der letzten Jahrzehnte zeigte. Im Zentrum ihrer Arbeit stehen immer Aspekte wie die Beschäftigung und das Experiment mit dem Raum, der Schichtung und der Überlagerung sowie die Polaritäten von Elementen, der Zeit und der Bewegung. 

Bei „Einströmende Augenblicksinformation“ kulminieren diese Handlungsmaximen auf geradezu vorbildliche Weise. Es handelt sich um eine Arbeit, die die Betrachtenden gleichermaßen fasziniert als auch irritiert. Van Heumen-Lucas besitzt seit jeher ein „Misstrauen gegenüber der Leinwand“ (Riese, S. 10), das hier trefflich zum Vorschein kommt. Die Objektarbeit ist dreidimensional und besteht aus mehreren Gattungen und Kontexten. Eine Druckgraphik bildet das Herzstück, die abstrakt-surrealistische Motivwelten mit informeller Ausdrucksweise verbindet. Im Zentrum ist eine Figur mit ausgebreiteten Armen zu erkennen, die eine Mischung aus Leonardo da Vincis „Vitruvianischen Menschen“ und eines der Protagonisten aus Oskar Schlemmers „Triadischem Ballett“ darstellt. Sie ist eingespannt in eine Art Weltkugel, die mit horizontalen, ellyptisch verlaufenden Balken angedeutet ist und durch spiegelverkehrt angebrachte Zeitungsmeldungen inhaltlich angereichert wird. Ein Auge am unteren Ende blickt die Betrachtenden aufmerksam an – und wird von diesen automatisch mit dem Auge der Vorsehung in Zusammenhang gebracht, dem sog. „allsehenden Auge Gottes“. Rechts oben erscheint spiegelverkehrt vermutlich das frühe Porträt des berühmten irischen Schriftstellers Oscar Wilde (1854–1900), der leidenschaftliche Kontakte zum Spiritualismus und Okkultismus pflegte. 

Der aufrecht in der Weltkugel balancierende Mann, der vom Auge Gottes und den fortschrittlichen, aber zeitlebens nie etablierten Ideen Oscar Wildes begleitet wird, bildet somit die Basis für die „einströmenden Augenblicksinformationen“, denen van Heumen-Lucas bei der Konzeption dieser poetischen und sinnästhetischen Arbeit offensichtlich unterworfen war. Diese Botschaft wird unterstützt durch eine gewisse reduzierte Leichtigkeit der Ausführung (alle Elemente erscheinen in Weiß, Hellblau und -Grau) und durch die Präsentation in einem Holzrahmen, der von der Künstlerin absichtlich wie ein sich öffnendes Fenster arrangiert ist. Der Plexiglasrahmen, der fester Bestandteil der Arbeit ist, unterstreicht den Objektcharakter, schützt und konserviert das Objekt aber auch vor dem vermeintlich feindlichen Außenraum. 

Der große niederrheinische Kunstexperte Franz Joseph van der Grinten (1933–2020) schrieb über van Heumen-Lucas’ Arbeiten: „Der Betrachter lässt sich ein in einen Raum, den er nicht betreten kann, den er aber, ist er denn überhaupt empfindlich, geradezu körperhaft fühlt“ („zeitzonen“, S. 17). Eine Aussage, die auf die hier vorliegende Arbeit geradezu vorzüglich zutrifft.

[verfasst und online gestellt von Valentina Vlašić]

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